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1454 PAPIER-ZEITUNG Nr. 74/1915 Briefkasten Der Frage muß 10-Pf.-Marke beiliegen. Anonyme Anfragen bleiben unberücksichtigt. Antwort erfolgt ohne Gewähr. Kostenfrei nur, wenn Abdruck ohne Namen gestattet. Zellstoffkarton 13677. Frage: Am 24. 4. bot mir eine Papierfabrik satinierten Zellstoffkarton nach beifolgendem Muster I zum Preise von .. Pf. das Kilo an. Vor drei Tagen bekomme ich Ausfallmuster II. Die Fabrik entschuldigt den Ausfall mit dem schlechten Rohstoff, welchen sie in letzter Zeit hereinbekommen habe. Meine Ansicht ist, daß wenn die Firma mir am 24. 4. laut Muster I anbietet, sie damals dafür hätte sorgen müssen, daß sie den Rohstoff vorrätig hatte. Auch hätte sie, wenn sie die Vorlage nicht erreichen konnte, dies mir mitteilen müssen, bevor sie zur Anfertigung schritt, damit ich mich entscheiden konnte, ob ich eine derartige Ware annähme oder nicht. Uebiigens scheint mir Muster II an Stoff zusammensetzung nicht dem Muster I zu entsprechen: Nach meiner Ansicht ist Muster II stärker holzhaltig als Muster I. Bin ich im Recht? Es handelt sich um 1000 kg. Antwort: Der gelieferte Karton ist dunkelgrau, die Vor lage hellgrau. Der Unterschied in der Farbe dürfte weniger in der Verschiedenheit der Rohstoffe als darin beruhen, daß dem Stoff für die Lieferung zuviel Farbe zugeteilt wurde. Das gelieferte Papier ist jedoch mindestens ebenso griffig, u. E. sogar griffiger und steifer als die Vorlage, auch enthält es weniger Holzschliff, hat also bessere Stoffzusammensetzung. Deshalb sollte Fragesteller, falls die Farbe nicht viel ausmacht, den Aus fall nicht beanstanden. Haftung des Vorbesitzers Aus Oesterreich 13678. Frage: Ich habe von einer Fabrik 2 Waggon gewöhn liches Schrenzpapier zu bekommen. Die Bestätigungen wurden im Mai und Juni erteilt. Zwei Auftragsbestätigungen lauten: ,,Lieferung prompt möglichst“ und, zwei: „Lieferungsmöglichkeit vorbehalten“. Nun ist die Fabrik durch Verpachtung in andeien Besitz übergegangen. Der frühere Besitzer weigert sich, meine Aufträge auszuführen, in der Meinung, daß er, da er die Fabrik verpachtet hat, mir nicht liefern müsse. Ich habe den fiüheren Inhaber des Betriebes durch meinen Rechtsfreund auffordern lassen, seiner Lieferungsverpflichtung nachzukommen, aber er gibt keine Antwort hierauf. Kann der frühere Fabrikinhat er sich durch die Verpachtung seines Betriebes seinen Lieferungsverpflichtungen ent ziehen ? Antwort: Nach deutschem Recht bedeutet der Vorbehalt „Lieferungsmöglichkeit vorbehalten’’ oder „möglichst” etwa, daß der Verkäufer liefern muß, falls er nicht daran durch Um stände verhindert wird, die er nicht zu vertreten hat. Die Ver pachtung seines Betriebes hat er aber zu vertreten, deshalb muß er seine Verbindlichkeit erfüllen. Wenn also der verpachtete Betrieb den Vertrag nicht übernehmen will, so kann der Ver pächter zwar zur Lieferung nicht gezwungen, wohl aber auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung verklagt werden. Grünlich Tauen 13679. Frage: Wir bestellten bei einer Großhandlung grünlich Tauenpapier in gehabter Ausführung, machten ausdrücklich darauf aufmerksam, daß die Farbe dem Muster entsprechen und das Papier frei von schwarzen Punkten sein müsse. Durch ein Versehen der Groß handlung wurde das Papier bei der Fabrik „naturfarbig“ bestellt, trotzdem nahmen wir es mit 2 Pf. Nachlaß aufs Kilo ab, verlangten aber Ersatzlieferung, bei der wir abermals die gleichen Bedingungen stellten. Die gestellte Nachfrist zur Lieferung der Ersatzware wurde nicht innegehalten, das Papier kam 2 Monate später an und war derartig minderwertig, daß die Großhandlung die Lieferung zurück nahm, jedoch Ersatzlieferung verweigerte. Darauf setzten wir die liefernde Firma in Verzug, stellten Nachfrist bis zum 25. August und drohten an, daß wir sie für jeden uns entstehenden Schaden verantwortlich machen müßten. Laut eingeholter Angebote können wir das Papier heute nur zu einem um 7 Pf. höheren Preise kaufen, doch trifft die Schuld hieran lediglich die Großhandlung, da diese bei der im März erfolgten Bestellung vergessen hatte, die Färbung vorzuschreiben; inzwischen sind, die Preise erheblich ge stiegen. Können wir die Großhandlung unter diesem Gesichts punkt mit Erfolg auf den Preisunterschied von 7 Pf. aufs Kilo ver klagen, da letztere sich weigert, einen friedlichen Schiedspruch anzurufen ? Antwort: Um diese Frage beantworten zu können, müßten wir wissen, aus welchem Grunde die Großhandlung die Ersatz lieferung verweigert. Ist ihr die Ersatzlieferung aus Gründen, die sie nicht zu vertreten hat, unmöglich, so ist sie ihrer Liefer pflicht ledig; andernfalls kann sie auf den Preisunterschied zwischen dem heutigen und dem damaligen Preise verklagt werden. Abnahmepflicht 13680. Frage: Aus inliegendem Briefwechsel mit der Firma X in A ersehen Sie, daß wir mit diesem Kunden wegen der Ab nahme des Restes von Plakaten in Streit geraten sind. Der Auftrag war uns am 22. Mai 1914 auf 5000 Stück Plakate erteilt und die Abnahme vereinbart worden: „1500 Stück sofort nach Fertigstellung, Rest auf Abruf innerhalb 2 Jahren." Es ist richtig, wie die Firma sagt, daß der Endtermin für die Abnahme im Mai 1916 abläuft, aber wir sind der Meinung, daß mit der Abnahme des Restes nicht bis zum Ablauf dieses Endtermins gewartet werden kann, sondern daß wir berechtigt sind, den Rest in Teil-Lieferungen innerhalb des Zeitraums von 2 Jahren vorzunehmen, sofern Abrufe nicht erfolgen. Wie denken Sie darüber? Es ist erst die erste Rate von 1600 Plakaten geliefert (am 10. 7. 1914) und wir haben der Firma am 27. 8. 1915 eine weitere Rate von 1600 Plakaten berechnet, deren Annahme und Bezahlung sie verweigert. Antwort: Bei Prüfung des Vertrags-Inhalts muß man die Absicht der Parteien beim Abschluß zu ermitteln suchen und im übrigen den Vertrag nach Treu und Glauben unter Berück sichtigung der Verkehrssitte beurteilen. Wollten Fragesteller den Rest der Plakate nicht auf Abruf innerhalb zwei Jahren, sondern so liefern, daß jedes Jahr ungefähr die Hälfte des Restes abgenommen würde, so hätten sie dies im Vertrag vereinbaren sollen, denn es besteht keine Verkehrssitte, wonach Abrufplakate nach Belieben des Herstellers allmählich dem Besteller zugescbickt werden dürften. Der Verkäufer darf vielmehr die Ware dem Käufer ohne Abruf nur zusenden, falls Verzug vorliegt. Dies war hier nicht der Fall. Brutto für netto 13681. Frage: Ist es im Papierfach üblich, daß, wenn nichts anderes vorher vereinbart Wurde, das Bruttogewicht für netto ge rechnet wird, bei Rollen , die in größeren Mengen geliefert werden ? — Alle meine bisherigen Lieferanten, von denen ich bis jetzt das Papier bezog, schickten mir jedesmal eine genaue Aufstellung der Gewichte ein, brutto und netto, berechnet netto! doch fordert ein neuer Fa brikant, dem ich einen Auftrag erteilte, nunmehr von mir, daß ich das Bruttogewicht für netto bezahlen soll. Antwort: Einen allgemeinen Brauch im Papierfach, die Waren brutto für netto zu bezahlen, kennen wir nicht, dagegen ist es nach den Bräuchen für den Handel mit Papier, festgestellt für die Handelskammer-Bezirke von Berlin und Potsdam, üblich, bei Packpa.pieren das Gewicht der Holzrahmen und Eisen bänder vom Rohgewicht der Waren abzuziehen und sie im übrigen brutto für netto zu bezahlen. Bei anderen Papieren wird nur das Nettogewicht bezahlt, und was darunter verstanden wird, ist im § 18 der erwähnten Bräuche festgelegt. Dunkelblaues Papier 13682. Frage: Wir haben für einen Abnehmer blaues Papier angefertigt und uns hierbei nach seiner Vorlage M L W vom 28. 7. 1915 gerichtet. Den Ausfall veranschaulichen wir Ihnen durch unser Muster 8912. Unser Kunde bemängelt die Farbe des Papiers,- die seiner Meinung nach wesentlich abweicht. Wir haben dem widersprochen und angeführt, daß es unter den augenblicklichen Verhältnissen schwierig sei, die richtigen für diese tiefdunkle Färbung notwendigen Farbstoffe zu beschaffen; ferner bestehen auch in un serer Fabrikation verschiedene Schwierigkeiten, dadurch hervor gerufen, daß das eingelernte Personal fast gänzlich fehlt. Die Ab weichung ist unseres Erachtens gering und kann keinerlei Bean standung gestatten, im Gegenteil, in der jetzigen Zeit müssen im allgemeinen viel größere Abweichungen gestattet und hingenommen werden, ohne daß deswegen Ansprüche erhoben werden können. Wir machen uns ähnliche Vorbehalte bei fast allen Anfertigungen, und unsere Kundschaft hat dagegen bisher kein einziges Mal Ein spruch erhoben. In unserer Auftragsbestätigung ist übrigens auch noch gesagt, daß wir uns in Güte, Färbung und Glätte nur best möglich anschließend an die Vorlage M L W halten könnten, womit genügender Spielraum für etwaige Abweichungen begründet ist. Ueber den Verwendungszweck des Papiers ist uns nichts gesagt worden, und wir wissen auch nicht, ob es dabei auf haargenaue Uebereinstimmung in der Färbung ankommt. Wäre solche zur Be dingung gemacht worden, hätten wir sie abgelehnt, denn es ist selten möglich, bei einer erstmaligen Anfertigung nach einem fremden Muster genaue Uebereinstimmung zu erzielen, am wenigsten bei Papier von so tiefdunkler Färbung. Bitte, prüfen Sie die Sache und teilen Sie Ihre Ansicht in Ihrer Zeitung mit. Antwort: Vorlage wie Lieferung sind tiefdunkelblau mit violettem Stich. Die Vorlage ist zwar einen kleinen Ton dunkler als die Lieferung, der Unterschied in der Färbung ist jedoch so gering, daß er .auch in gewöhnlichen Zeiten keine Beanstandung verdiente. Um so mehr sollten jetzt im Kriege, da die gewohnten Rohstoffe und häufig auch die geübten Arbeiter fehlen, solche Abweichungen hingenommen werden. Verantwortlicher Schriftleiter Siegmund Ferenczi, Friedenau. Zuschriften nur an Papier-Zeitung, Druck von A. W. Hayn’s Erben, Berlin SW 68, Zimmerstraße 29 Berlin SIV 11, erbeten