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solgung im Fluß. Sie bedroht ganz zweifellos die Russen westlich Lenczna bei längerem Verweilen in» der Flanke. Die Zeit dürste nicht mehr fern sein, da auch dort die russische Südfront ins Wanken kommt. Der russische Kriegsminister Poliwanow erklärte am Sonntag in der Duma, daß Rußland dem Feinde Werschau überlassen werde, und die Truppen auf Stellungen zurückziehen werde, wo sie die Wieder aufnahme ihrer Offensive vorbereiten könnten. Die Räumung Warschaus geht denn auch schon vor sich. Bis Ende Juli haben von den 900,000 Einwohnern 300,000 die Stadt verlassen. „Die Staatsbeamten," so schreibt der Berichterstatter des „Berl. Tagebl.", Adelt, „verließen die Stadt größtenteils schon im Laufe des Juli, zuletzt reisten die zahlreichen Polizei- und Postbeamten ab. Die Kreise der Intelligenz harr ten dagegen aus und schienen entschlossen, den deut schen Einmarsch abzuwarten. Erst in den letzten Ta get!, als die Kolonnen des Trains und der Rückzugs- truppen in endloser Folge die Straße überschwemm ten, deutsche Flieger immer häufiger über der Stadt kreisten und die Brücken bombardierten, der Donner schwerer Krupp- und Skoda-Geschütze immer lauter wurde, wurden auch sie von der allgemeinen Nervosi tät ergriffen und brachen in überstürzter Eile auf. Das Polenblatt „Goniec" veröffentlicht deshalb folgen den Aufruf: „Gekommen ist der Tag der Sühne für die Triumphe und der Erlösung; es naht der ent scheidende Moment; Warschauwird siegreich daraus her- vcrgehen; die Ehre gebietet es, hier zu bleiben." Für unbemittelte Flüchtlinge sorgt das bürgerliche Zentral komitee. Die Scharen der Hilfsbedürftigen mehren sich durch die Reihe von Kaufleuten und Fabrikanten, de ren Ware und Betriebsmittel von den russischen Trup pen requiriert wurden, ohne daß sie vom Staat eine Kopeke dafür erhielten. Die zweite Hilfseinrichtung ist das Bürgerkomitee der Stadt Warschau, das an viele tausend . unentgeltlich Malftzeiten verabreicht. Daneben betätigt sich die anfangs Juli gegründete Ab teilung für Flüchtlinge aus Lowicz. Für sie alle ist die Devise: nationale Selbsthilfe ohne staatliche Sub vention. Weiter gibt es in Warschau eine Sektion für heimatlose Christen. Für die Warschauer Juden steuert das Petersburger jüdische Zentralkomitee wö chentlich 30,000, das Pariser 2400 Rubel bei. Zahl reiche wohlhabende Familien sind zu Bettlern gewor den, die Hausbesitzer konnten schon lange keine Miete bekommen. Die Konfektionsgeschäfte entließen alle Angestellten und Arbeiterinnen. Viele Firmen von Rang sind bankerott. Aus allen Banken wurden die Kapitalien längst zurückgezogen." So sieht es zur Zeit in Warschau aus. Unter deut scher Verwaltung wird dort bald neues Leben ein ziehen. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Kaiserin hat beim Verlassen der Provinz Ostpreußen am Sonntag eine Dankeskundgebung er lassen und den Oberpräsidenten mit ihrer Veröffent lichung beauftragt. Sie fuhr nach Cadinen zum Be suche des dortigen Kriegslazaretts. Dr. Heim wurde vom Stellvertreter des Reichs kanzlers Dr. Delbrück zum Mitglieds des Beirates der neugegründeten Reichs futtermijlte/l st elle berufen. Im ersten Kriegsjahre wurden von deutschen Kriegsschiffen und Unterseebooten von der eng lischen Handelsflotte insgesamt 249 Trans portschiffe mit rund 861,000 Brutto-Registertonnen und 143 Fischerfahrzeuge mit 23,000 Tonnen, sowie 24 Segler mit 23,800 Tonnen und 7 Hilfskreuzer mit 50,556 Tonnen versenkt. 18 Schiffe, über die nähere Augaben fehlen, blieben unberücksichtigt. Ins gesamt wurden 430 Schiffe mit über 890,000 Tonnen vernichtet. Ein Berliner Telegramm an die „New Hork World" sagt, daß der „Lu siht a n i a"->F a l l offenbar, so weit er Deutschland betrifft, erledigt sei. Die allgemeine Meinung sei die, daß Präsident Wilson durch die Ausführungen seiner letzten Note absichtlich und ausdrücklich alle weiteren Verhandlungen abge schnitten habe. Der von ihm eingenommene Stand punkt habe zur Folge, daß, wie auch die Antwort von deutschen Seite ausfallen möge, die Situation nur verschlimmert und die Spannung nur vergrößert werden würde. Die beiderseitigen Anschauungen seien so verschieden, daß bei einer weiteren Diskussion dar über unmöglich etwas Gutes herauskommen könnte. Wie die „B. Z. a. M." meldet, hat der Gene ra l g v Uv> e r n e u r von Warschau am 31. Juli mit sämtlichen Beamten die Stadt verlassen. Die in den belgischen Archiven gefundenen Be richte der belgischen Gesandten bewei sen, daß diese nicht nur klarblickend, sondern auch deutschfreundlich und der englischen Einkreisungspolitik abgeneigt gewesen sind. Der Gesandte Greindl in Berlin sah die Entwickelung klar voraus. Am 23. September 1905 berichtet er seinem Minister, daß er veir Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amts, den Frei herrn v. Richthofen, gefragt habe, was von den Ge rückten über eine englisch-russische Annäherung zu hal ten sei. Der Unterstaatssekretär habe geantwortet,» „für eine Entente zwischen England und Rußland fehlten die Grundlagen," und sie würde auch dem ge rade abgeschlossenen Bündnis zwischen England und? Japan widersprechen, das gegen niemand anders ge richtet sein könne, als gegen das Zarenreich. Die Ge schichte von dem geplanten englisch-russischen Bündnisse werde auch durch die deutschfreundliche Sprache Wittes, widerlegt. Witte sei auf seiner Rundreise nicht ein mal nach London gegangen, sondern nur nach Paris und Berlin. Diese optimistische Auffassung des deut schen Unterstaatsfekretärs wurde von dem belgischen Gesandten nicht geteilt. Baron Greindl sagt in sei nen Berichten, er halte die Möglichkeit einer Annähe rung zwischen London und Petersburg keineswegs für, ausgeschlossen, denn der Ruffe hasse den Deutschen, die Hauptpunkte der englisch-russischen Unstimmigkeit seien fürs erste beseitigt, und Rußland brauche einen neuen finanziellen Markt. Das englisch-japanische Bündnis, sei nicht, wie Herr v. Richthofen meine, gegen Ruß land, sondern gegen Deutschland gerichtet und be hindere die Annäherung Englands an Rußland nicht. Drei aus Frau Aanes Sesckleckt. Roman aus dem Marineleben von Heinz E'MontS. 5) (Fortsetzung.) -KZK „Der Sohn eines vor Jahren in der Nordsee ge bliebenen Schiffers," entgegnete dieser. „Er lebt seitdem bei seinem Onkel, da drüben steht das Haus." Er zeigte nach einem recht stattlichen Anwesen, dessen hellge tünchte Wände, etwa fünf Minuten von dem der Richters entfernt, grell in dem noch einmal aufflackernden Lichte standen. Die Sterne brannten an, und die Wipfel der Birken wurden immer blanker unter dem Silberstaub des Mondlichts und ihre Stämme immer bleicher, und in den Stechpalmenbüschen stimmten die Nachtigallen. Da trug Fröhling sein abermals waches Sehnen hinaus in die schweigende Weite. Züküht! Züküht! Maat Fröhling lauschte und dachte: Vordem habe ich nicht hingehorcht, wenn die Nachtigallen schlugen. Warum höre ich das jetzt wohl? Es ist lieblicher als alle Vogelstimmen, die sonst im Lande sind. Es deucht mich, in keinem Lande seien diese Vögel so zahlreich, wie in diesem stillen Moor. Aber vielleicht auch Er ward still und sann. Und immerfort sprang der Quell der süßen Töne den Stechpalmenbüschen. Vielleicht auch, weil die Moorheide so gar nichts besitzt, was lieblich und schön ist. Darum sind ihren Nächten diese klingenden Flöten gegeben, daß auch sie einen Reichtum haben vor anderen. Er sah den sanften Glanz, der in der Welt war, und lauschte, ob nicht die zitternden Rinnsale, die über die Blätter rannen, einen Klang gäben. Die Luft war so klar, daß der Flug der Käuze einen Schatten auf den lichten Grund warf. Der flog so leise wie der Vogel selbst und verschwand. Da war ein Brechen in der Moormyrte und ein flüch tiges Stampfen über dem Torf; drei Rehe flogen vorüber. Maat Fröhling richtete sich aus seiner liegenden Stellung aus und spähte in die Nacht, aus deren Silber das fluchtgescheuchte Wild heroorgebrochen. Es war nichts weitum im Moor, das die Rehe zu schrecken vermocht hätte. Es war kein Weg in der ! Nähe, auf dem ein Mensch zu irgendeinem Moordorf wandern konnte. Und doch flohen die Tiere. Die Moormyrte, die unter den flüchtigen Hufen gewogt, die Buschkiefern, die noch eine Zeitlang geschwankt hatten, standen wieder still in dem Schimmerlicht der Nacht. Der Schlag der eilenden Hufe, der über der Moor heide zu dumpfem Dröhnen wurde, wie alles Leben hier sich machtvoller und trotziger auslebt, war verhallt. Maat Fröhling sagte sich, da müsse etwas Fremdes sein, und spähte unverwandt ins Weite. Und da war mit einem Male über den Gagel büschen drüben ein Leuchten von goldenem Haar und ein weiße; Antlitz. Line Richter. Auch sie suchte Rettung vor dem ihr Inneres ver zehrenden Brand in der stiilen Heide, zwischen den klingenden Büschen, in der tönenden Nacht. Fröhling rief das Mädchen an. Und dann saßen sie beisammen und redeten all tägliche Dinge, wo ihre Herzen doch nach einer ganz anderen Sprache dürsteten. Und des Mädchens Stimme klang zag, und es war darin wie verhaltenes Weinen. Ihre Augen waren blank, und an ihren Wimpern blitzten demantene Tropfen. „Sie haben geweint, Line Richter," sprach Fröhling ganz unvermittelt. Da barg Line Richter das Gesicht in beiden Händen. Sanft zog Fröhling sie weg. „Weißt du denn gar nicht, Mädchen, was unsere Augen fragen?" Da fühlte er plötzlich einen von heißen Tränen ge weihten Kuß auf seinen Lippen. — Und in den Büschen sangen die Nachtigallen. „Es ist ein großes Glück über uns gekommen, ein Glück, so unsagbar groß und um so unbeschreiblicher, weil es mich traf, als ich so einsam und verlassen mich fühlte, wie noch nie in meinem ganzen Leben. Und nun habe ich dich." Der Mond war allmählich höher geschwommen. In den Gräben war ein sanftes Glucksen, hin und wieder flog der dumpfe Ton der Rohrdommel durch den Maitraum, oder der schrille Schrei des Rebhahns, der sie schreckte. Die Petersburger Regierung sei gewiß Deutschland für seine Haltung im ruisfrsch-gapanischen Kriege zu Dank verpflichtet, «her Politik werde nicht mit Dank barkeit gemacht. Die Richtigkeit dieser Voraussagun gen hat sich bald gezeigt. Hundert Mitglieder vom Roten Kreuz aus Tsingtau sind über Kopenhagen-Warnemünde in Kiel eingetroffen und am Bahnhof festlich empfangen worden. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht das Aus fuhr- und Durchfuhrverbot für Wirk-sTrikotHNetz- stosie aus Gespinsten von Wolle, aus Baumwollge spinsten, aus Gespinsten von anderen pflanzlichen Spinnstoffen als Baumwolle, für Bamnwollfliese, Drahtnetze rc. Der englische Dampfser „Fulgence" ist von einem deutschen Unterseeboote versenkt wor den. Die Besatzung von 26 Mann wurde gerettet. Dem „Rotterdamer Courant" zrrfolge sind in ver flossener Woche nach Mitteilung der Lloyd-Agentur in englischen Gewässern 18 Schiffe torpediert worden, darunter 16 Handelsfahrzeuge. „Politiken" meldet aus London, daß fechs bewaffnete englische Regierungs dampfer aus Lowestoft durch ein und dasselbe deut sche Unterseeboot versenkt wurden. Vesterreich-U«gar«. In einem Leitartikel der „Neuen Freien Presse" mit der Unterüberschrift „Die Monarchie und der Balkan" beleuchtet Graf Julius Andraffy die albanische Frage. Er tritt für eine Abänderung der bisherigen auf die Selbständigkeit Albaniens gerichteten Politik Oesterreich Ungarns ein. Allererstes und größtes Interesse Oesterreich Ungarns sei, daß Albanien nicht den Italienern gehöre. Wichtig sei weiter, daß Albanien auch keinem feindlichen Balkanstaatc angegliedcrt werde. Als die beste Lösung betrachtet Andrassy die gänzliche oder teilweise Angliederung Albaniens durch eine „Personalunion" an Griechenland, vorausgesetzt, daß Griechenland seine Neutra lität bewahrt. Serbien dürfe in Albanien nur,zugelassen werden, wenn es seine Richtung wechseln und mit der ruffcnfreundlichen und großserbischen Politik brechen würde. Möglicherweise müsse Oesterreich-Ungarn selbst das katholische Nordalbanien unter seinen unmittelbaren Schutz stellen und aus dem Mittelalbanien ein muselmanisches Fürstentum bilden. ««bla«». Der russische Kriegsminister hat der Duma einen Gesetzent wurf betreffend Errichtung eines Zentralausschusses für alle Landesverteidigungsmaßregeln zugchen lassen. In Petersburg wurde am Sonntag die Duma eröffnet. Nach der Eröffnungsrede des Präsidenten sprach Ministerpräsi dent Goremykin über die Lage, worauf der Kriegsminister Polimanow die militärischen Vorlagen begründete. Hiernach sollen der Jahrgang 1916 und einige Kategorien der Reserve einberufen und für Vermehrung der Munition gesorgt werden. Der Feind müsse unbedingt und um jeden Preis besiegt werden. Die englische Zensur hat einen Privatbericht aus London an die holländische Presse durchgelaffen, worin eS heißt, daß Sonn tag abend die Demontierung der schweren Geschütze auf den östlichen Forts von Warschau und den übrigen Festungen der Weichsellinie beendet gewesen sein soll. Sämtliche leicht demsntierbaren Geschütze werden bereits nach dem Innern Ruß lands transportiert. Wie hier verlautet, liegen im Hafen von Archangelsk 13 Die Liebenden gingen Arm in Arm nach dem Hause zurück, sahen sich in die Augen und ließen, selbst schweigend, ihre Seelen reden. Hinter ihnen aber, zwischen den mit Silberfiligran übersponnenen Büschen, tauchte das bleiche Gesicht Wil helm Kohlers auf. Er hatte alles mit angehört. Und der blasse Neid fraß an seinem Herzen, und eine sinnlose Wut entstellte seine Züge. Er hatte Line Richter geliebt von dem Momente an, wo er sie zuerst erblickt; damals, als er als arme Waise in das Haus des reichen Onkels eingezogen war und bei den Richters eine Bestellung machte. Und Line war ihm freundlich begegnet. Oft hatte er sie auch belauscht in Nächten, ähnlich der heutigen, wenn sie sehnend nach einem ihr noch unbekannten Glück in der stillen Heide saß. Er hatte dieses Gebaren günstig für sich gedeutet und Hoffnung daraus geschöpft. Nun war mit einem Male dieser Mariner erschienen, und man brauchte kein Weiser zu sein, um zu erkennen, daß für ihn der Helle Hoffnungsstern erloschen und nur die öde, schauerliche Nacht zurückgeblieben sei. Die öde, schaurige Nacht, inmitten des flimmernden Maitraums. Laut aufschluchzend lehnte er sich an den weiß gefleckten Stamm einer Birke, aber es waren nicht jene Tränen, die aus übervollem bedrückten Herzen kommen und diesem Erleichterung verschaffen auch in der schwersten Not und Kümmernis. Es waren Tränen des gekränkten Selbstgefühls, Tränen, wie sie einem Kinde entfließen, dem ein langgehegter Wunsch versagt bleibt, Tränen des Zornes und des Neides. Ja, er war ein vom Schicksal Verfolgter. Die Mutter hatte er früh verloren, der Vater war auf See geblieben, im Hause des sehr wohlhabenden Onkels hatte er Aufnahme gefunden. Die war aber nicht dik tiert von der Liebe zu dem armen Verwaisten. O nein! Was die Gemütsuhr des ckohlhabenden Bauern zum Ticken brachte, das war einzig die Furcht vor dem Ge rede der Leute, die es wohl sehr übel vermerken würden, wenn der nach der Würde eines Ortsvorstehers Trachtende den armen Neffen hartherzig von der Tür gestoßen hätte. (Fortsetzung folgt.)