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838 PAPIER-ZEITUNG Nr. 40/1915 anderer für den Lebensunterhalt unentbehrlicher Dinge der Kriegs lage angepaßt werden mußte. Die Papierfabrikate — im weitesten Umfange des Wortes — sind bis zum Ausbruch des Weltkrieges dem Publikum immer billiger dargeboten worden, oft bis unter die Grenze der Gewinn möglichkeit. Wenn jetzt der Mut nicht vorhanden ist, die gemein samen Interessen gegenseitig innerhalb der Papierindustrie zu fördern, dann wird dieser Industrie und auch dem Volksganzen kein guter Dienst erwiesen. Franz Dessauer Preiserhöhung im Laufe des Schlusses Der Verein Deutscher Papierfabrikanten richtete am 3. Mai an den Reichskanzler folgende Eingabe: Euerer Exzellenz beehrt sich der Verein Deutscher Papierfabrikanten, als die Gesamt vertretung der deutschen Papiermacherei, nachstehenden Antrag mit der Bitte um hochgeneigte Berücksichtigung vorzutragen: Zu den Industrien, die an den Staatslieferungen in bedeutendem Maße beteiligt sind, gehört auch die deutsche Papiermacherei. Sie fertigt für den Staatsbedarf Schreib- und Druckpapier, ferner auch Kunstdruck- und Wertzeichen-Papiere in großem Umfange an. Hierbei sind zwei Arten von Papieren zu unterscheiden, und zwar diejenigen Papiere, die bestimmten, durch die Behörden festgesetzten Anforderungen genügen müssen, die sogenannten Normal- und Wert zeichen-Papiere, sowie viele Papiersorten, für die besondere Vor schriften nicht bestehen. Wir wollen vorausschicken, daß der Wett bewerb um die Staatslieferungen unter den Papierfabrikanten aus leicht begreiflichen Gründen stets ein sehr lebhafter gewesen ist. Infolgedessen bewegen sich die Preise für die an die Staatsbehörden zu liefernden Papiere fast immer auf der untersten Grenze, bei der ihre Anfertigung überhaupt noch ohne Verlust möglich ist. Vielfach sind die Preise auch schon unter diese Grenze heruntergegangen. Die Vereinigung Normalpapier hat allerdings für die von ihren Mit gliedern zu liefernden Normalpapiere Mindestpreise festgesetzt. Aber auch diese entsprechen im großen und ganzen nur dem jeweiligen Durchschnitt der Selbstkosten der Papiermacher. Hat man sich in gewöhnlichen Zeiten mit einem solchen Zu stande abfinden müssen, so wird er in einem Zeitpunkte wie dem gegenwärtigen unerträglich. Der Krieg dauert nunmehr neun Monate. Seit seinem Ausbruche sind nicht nur Erschwerungen in der Be schaffung fast aller Rohstoffe der Papiermacherei eingetreten; teil weise fehlen die Rohstoffe ganz und sind nur durch andere Stoffe zu ersetzen, deren Preis sich erheblich höher stellt, als der des ge wöhnlich zur Anwendung gelangenden Rohstoffes. Auch die Betriebs mittel der Papiermacherei sind sehr viel teurer geworden. Das Gesamt ergebnis ist eine Steigerung der Selbstkosten der deutschen Papier macherei, die man vor Kriegsbeginn und in den ersten Monaten des Krieges in keiner Weise voraussehen konnte. Im einzelnen beehren wir uns zu bemerken: Die Zellstoffia.\)ri- kanten, deren Erzeugnis den wesentlichsten Bestandteil des Papiers bildet und die durch ein- oder mehrjährigen Abschluß ihren Ab nehmern, den Papierfabrikanten, verpflichtet sind, haben unter dem Zwange der Verhältnisse es abgelehnt, die Schlüsse auf Grund der festgesetzten Preise zu erfüllen, und diese allgemein um 10 V. H. erhöht. Der Preis des Strohs ist nach Ausbruch des Krieges bis jetzt ungefähr um 300 v. H. gestiegen, und zwar infolge des Auftretens der Heeresverwaltung als Strohverbraucher in großem Maße. Die Lumpen haben kräftige Preiserhöhungen erfahren. Den wiederholten Anträgen der Papiermacherei, die Ausfuhr unserer Lumpenvorräte in größerem Maße zu beschränken, ist lange Zeit hindurch nicht stattgegeben worden. Baumwollumpen finden jetzt für Heereszwecke ausgedehnte Verwendung; leinene Lumpen sind nur schwer zu beschaffen. Infolge des Kriegsausbruchs hat der Harzbezug aus Frankreich aufgehört. Unser Hauptlieferant für Harz, die Vereinigten Staaten von Amerika, vermögen Harz nicht mehr nach Deutschland herüber zuschaffen, weil die Engländer diesen wichtigen Rohstoff, der auch für Heereszwecke Verwendung findet, nicht mehr durchlassen. Harz, das vor dem Kriege 25 M. für den Doppelzentner kostete, hat jetzt, wenn es überhaupt zu haben ist, einen Preis von 125 M. für den Doppelzentner. Bauxit, der Rohstoff der schwefelsauren Tonerde, ist zur Her stellung von Aluminium von der Rohstoffabteilung des Kriegs ministeriums mit Beschlag belegt worden. Die den Fabriken schwefel saurer Tonerde freigegebenen Mengen von Bauxit reichen nicht ent fernt zur Versorgung der Papiermacherei aus. Infolgedessen ist um die durchaus unzulänglichen Mengen von schwefelsaurer Tonerde unter den Papierfabrikanten lebhafter Wettbewerb entstanden, der — ungeachtet der auch hier bestehenden Jahresabschlüsse — starke Preiserhöhungen hervorgerufen hat. Wissenschaft und Praxis arbeiten zurzeit daran, für schwefelsaure Tonerde einen Ersatz zu schaffen. Gelingen diese Bestrebungen nicht, so muß die Fortführung der Papiermacherei überhaupt als äußerst gefährdet bezeichnet werden Die KartoffelmehlvorräLQ in den Papierfabriken sind zu Zwecken der Voksernährung beschlagnahmt worden. Da die freigegebenen Mengen den Bedürfnissen der Papiermacher nicht entsprechen, so sind diese gezwungen, holländisches Kartoffelmehl zu kaufen, das von der Trockenkartoffel-Verwertungs-Gesellschaft zum Preise von 70 M. für den Doppelzentner angeboten wird. Den Papierfabrikanten aber werden jetzt von der Trockenkartoffel-Verwertungs-Gesell schaft nur 48,50 M. für den Doppelzentner vergütet. Zudem ist holländisches Kartoffelmehl in genügender Menge nicht zu haben und auch nicht in allen Fällen als Ersatz verwendbar. Außerdem sind Chlor- und Aetzkalk, Schwefelsäure, Soda, Füll stoffe, Packmaterialien, Farben, Gummi und sonstige Gebrauchsstoffe der Papiermacherei in denselben Verhältnissen im Preise gestiegen. Gele und Fette haben das Vielfache ihres früheren Preises erreicht; so kostet, um nur ein Beispiel zu nennen, gewöhnliches Maschinenöl, wofür früher etwa 33 M. gezahlt wurden, heute 118 M. und mehr. Dabei handelt es sich noch um Sorten geringerer Beschaffenheit. Eine große Rolle spielt auch die Verteuerung der Brennstoffe. Infolge der großen Anforderungen der Heeresverwaltungen und der Beanspruchungen der Staatsbahnen sind die für die Privatindustrie verfügbaren Mengen recht knapp geworden. Das Kohlensyndikat stellt seinen Abnehmern nur 60 v. H. der früher abgeschlossenen Mengen zur Verfügung. Der Mehrbedarf muß durch den Bezug weniger geeigneten, teuereren Materials gedeckt werden. Die Metalltuch- und Filzfabrikanten haben sich zu starken Preis erhöhungen gezwungen gesehen. Auch ihr Rohmaterial, Kupfer und Zinn einerseits, Wolle andererseits, ist durch das Kriegsmini sterium mit Beschlag belegt worden. Nur unter großen Umständen und mit erheblichen Mehrkosten sind sie imstande, ihren Bedarf zu decken. Sie haben deshalb, ohne sich um alte Schlüsse zu kümmern, auch zu beträchtlichen Preiserhöhungen gegriffen, denen sich die Papierfabrikanten unterwerfen mußten, wenn sie nicht überhaupt wegen Mangels an Sieben und Filzen zum Stillstand kommen wollten. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß die Papierfabrikanten ihre abgenutzten Siebe und Filze der Rohstoffabteilung des Kriegs ministeriums zur Verfügung stellen müssen und nur gegen deren Ablieferung neue Betriebsmittel erhalten. Früher pflegten sie ihre alten Siebe und Filze zu guten Preisen zu verkaufen. Der ihnen heute von der Kriegsmetallgesellsche ft vergütete Preis für Altsiebe entspricht in keiner Weise dem Werte der Siebe. Die Filze müssen die Fabrikanten sogar ohne Vergütung hergeben, um sich den An spruch auf Freigabe einer gleichen Menge neuer, hoch zu bezahlender Waschwolle zu sichern. Als eine außerordentliche Erschwerung für die deutsche Papier macherei kommt ferner in Betracht, daß die Reihen ihrer Beamten und Arbeiter durch die Einberufungen zum Heeresdienste stark gelichtet sind. Die Erzeugung dürfte heute auf höchstens 50 v. H. gegen die normale zu schätzen sein. Beweis genug, welch namhafte Verteuerung der Betriebskosten dadurch entstanden ist. Die geschulten Arbeiter der Papiermacherei sind zum großen Teil genommen worden, und unerfahrene mußten und müssen an ihren Platz gestellt werden; dadurch entstehen für die Betriebe er hebliche Schädigungen, die in Betriebsstörungen aller Art zum Aus drucke kommen. Neben den Nachteilen, die die um die Hälfte verminderte Er zeugung mit sich bringt, laufen die allgemeinen Unkosten und die Verzinsung der aufgewendeten Anlagesummen in der früheren Höhe fort i Auch die Lohnfrage spielt als gewichtiger Umstand eine be deutende Rolle. Entsprechend der Verteuerung aller Lebensver hältnisse haben sich die Papierfabrikanten den Anträgen auf Lohn aufbesserungen nicht entziehen können. Als von besonderer Bedeutung für die allgemeine Verteuerung darf schließlich auf die hohen Leistungen hingewiesen werden, die den Gewerbetreibenden durch die Unterstützung der Krieger-Frauen und ihrer Kinder obliegen und die schon für Betriebe mäßigeren Umfanges sich auf Tausende von Mark beziffern. Unter dem Zwange und Drucke aller dieser Tatsachen sind in den letzten Monaten an den Vorstand des unterzeichneten Vereins die dringendsten Anträge ergangen, für Verbesserung der wirtschaft lichen Lage durch geeignete Vorstellungen einzutreten. Man hat u. a. darauf hingewiesen, daß das Gewerbe dem bei Kriegsbeginn vom deutschen Handelstage und der Mehrzahl der Handelskammern ver tretenen Standpunkte, daß an eingegangenen Schlüssen und Ver bindlichkeiten nicht gerüttelt werden dürfte, willig Rechnung ge tragen hätte, man hat aber mit Nachdruck auch betont, daß der Grundsatz nur so lange Geltung haben dürfte, als die Kosten der Erzeugung nicht in einem so ausgesprochenen Gegensatz zu den Preisen des Erzeugnisses ständen, als es seit Monaten der Fall ist. Dieser Stimmung folgend, berief zum 8. April der Vorstand des Vereins Deutscher Papierfabrikanten eine Hauptversammlung nach Berlin, die aus allen Teilen des Reiches besucht war und die fol genden Beschluß annahm: „Die Papierpreise standen schon in der letzten Zeit vor dem Kriege nicht mehr im Einklang mit den Selbstkosten. Durch die lange Dauer des Feldzuges und die daraus erwach senen Folgen ist das Mißverhältnis ein derartiges geworden, daß selbst eine Erhöhung der vor dem Krieg geltenden Verkaufspreise um mindestens 20 vom Hundert keinen ge-