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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 08.02.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-02-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188502081
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18850208
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18850208
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1885
-
Monat
1885-02
- Tag 1885-02-08
-
Monat
1885-02
-
Jahr
1885
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 08.02.1885
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Ur»1erhalt»ngS-Blatt zum „Chemnitzer Anzeiger". sagbar glücklich, ich darf wohl daraus vertrauen, daß Sie mit dem Entschluß Emma'S einverstanden find?" „Ich muß ei sein, denn das Glück meines Kinde» geht mir über Allel", erwiederte sie, ihn ernst und voll andlickend, während er sein goldene» Lorgnon auf die Nase klemmte. „Und wenn ich dem Bitten Emma- nachgegeben habe, so that ich e» im Vertrauen darauf, daß Sie Ihr Wort elnlösen und mein Kind glücklich machen werden." »Ich bi« ein Mann von Ehre —- »Ich zweifle nicht daran,' Sie werden auch ermessen können, welch großes und unbegrenzte» Vertrauen wir Ihnen schenken. Ich sehe wohl ein, daß die Trauung hier nicht stattfinden kann, ich weiß, wie sehr Ihre Frau Mutter aus uns heruntersieht, »gleich sie keinen Grund dazu hat, überdies würden auch Grafenberg und mein Sohn Ihnen tausend Hindernisse in den Weg legen und Alle- aufbieten, um die Heirath unmöglich zu machen. Mit schwerem Hirzen muß ich also darin eiuwilligen, daß Emma heimlich mit Ihnen flieht, ich selbst darf sie nicht begleiten, weil ich hier die Verfolger fern halten muß. DaS junge Paar hatte sich vor dem Tisch niedergelassen, Hand in Hand saß e» der Mutter gegenüber, mit einem Blick voll inniger Zärtlichkeit forderte Emma den Geliebten auf, diese letzten Zweifel zu beseitigen. »Ich verstehe da» Alle- sehr wohl und ich finde diese Zweifel so natürlich, daß ich mich durch sie nicht verletzt fühlen kann," sagte er mit der ehrlichen Offenheit eines Mannes, dem die Ehre als höchste» Gut gilt. „Seien Sie versichert, daß ich Ihr Vertrauen rechtfertigen und Emma so glücklich machen werde, wie sie es zu werden verdient! Mein Plan ist fertig, wir werden als Geschwister die Reise nach England machen, Sie gestatten mir wohl, daß ich meiner Braut morgen die nöthige Reisetoilette schicke. Unsere Papiere sind soweit in Ordnung, dafür ist ja bereits gesorgt worden, Sie geben Emma noch eine mit Ihrer beglaubigten Unterschrift versehene Einwilligung in diese Heirath mit, wir kommen dann rascher zum Ziele. Ist die Trauung vollzogen so schreibe ich meiner Mama, «in« Thatsache, die sie nicht mehr ändern kann, muß sie sich fügen, sobald sie dieselbe anerkannt hat, kehren wir zurück, und ich denke, Ihr Sohn wird un» dann auch nicht mehr anfeinden. Der Optikus mag thun und sagen, war ihm beliebt, wir kümmern uns nicht darum, überdies will ich schon Sorge tragen, daß Mama ihm die Wohnung kündigt." »Wenn wir nur schon so weit wären!" seufzte da» Mädchen. „Geduld und Mulh, liebes Herz, wir werden dieses Ziel er reichen und glücklich werden." »Und wann wollen Sie reisen?" fragte die Mutter. „Morgen Abend mit dem Kourierzuge. Ich will auf dem Bahnhofe Sie und meine süße Braut erwarten, dort nehmen wir Abschied von Ihnen, und wie ich hoffe, nur für kurze Zeit. Unsere Flucht wird freilich Aufsehen erregen, aber ich glaube nicht, daß der OptikoS oder Ihr Sohn so thöricht ist. uns zu verfolgen, sie müssen ja «inseheo, daß e» eine fruchtlose Verfolgung wäre, da Emma frei willig mich begleitet." »Ich werde Ihnen das auch erklären," nickte die Mutter, die mit diesem Plane mehr und mehr sich zu befreunden schien, „wollen Sie trotzdem auf die Verfolgung nicht verzichten, so schicke ich sie in die Schweiz." „Vortrefflich!" lachte Emma. „Sie suchen un» vielleicht dort «och, wenn wir schon al» junge» Ehepaar hierher zurückgekehrt sind, nicht wahr Robert?" „Möglich," erwiederte er, indem er einen Blick auf seine Uhr warf und sich erhob. „Ich muß Dich nun verlassen, süßes Kind, Mama erwartet mich zum Thee, und da ich für unsere Reise eine starke Anleihe bei ihr zu machen gedenke, so ist eS nö.hig, daS ich sie bei guter Laune erhalte." „Und vor morgen Abend sehe ich Dich nicht wieder?" fragte da» Mädchen, das er mit beiden Armen umschlungen hielt und auf Stirne und Augen küßte. . (Fortsetzung folgt.) Am Abgrund. Novelette von Adolf Gassert. (Fortsetzung.) lNachdruck verboten.) Ter Freiherr von Bruckenstein saß im Kreise seiner Familie in einem Zimmer des Schlosse» beim Nachmittagskaffee, wozu er, wie es seine Gewohnheit war, au» einer langen, schmucklosen Tabaks- pfeife rauchte. . „Es ist doch merkwürdig, wa» diese Journalisten für geistreiche und gewissenhafte Leute find," sagte er nach Durchsicht eines spalten- langcn Artikels zu seiner Gemahlin. „Behauptet da so ein Winkel- Tacitus, daß die Union eigentlich gar kein Kulturstaat sei und nie einer werden könne, weil sie nicht durch Monarchen, sondern durch einen hundertköpfigen Senat und einen Präsidenten geleitet werde WaS meinst Du dazu, liebe Elisabeth?" „Erlaube mir, Väterchen, von dem für uns Frauen nun einmal verpönten Felde der Politik auf das uns von den Herren der Schöpfung zur Domäne angewiesene Gebiet de» Persönlichen überzu- gehen und mein Befremden über Deine amerikanischen Sympathien auszudrücken. Wie wenig gerade wir Ursache haben, uns an amerikanischen Charaktereigenthümlichkeiten zu erbauen, beweist uns wohl am besten unser neuer GutSnachbar, ein echter „Bourgeois", ein seelenloser Geld mann, ein ungalanter und jedenfalls unnobler Geschäftsmann, ein Amerikaner mit einem Worte, dessen höchster Gott dar Geld ist!" „Ei ei. wie persönlich, Mütterchen! Und so viel Beschuldig ungen auf einmal. WaS in aller Welt gehen Dich, gehen un» seine Charaktereigenthümlichkeiten an. Sonderbar" — der Freiherr lachte herzlich — „Du hattest Dir fest vorgenommen, ihn zu ignoriren, und jetzt dieses von angestellten eingehenden Recherchen zeugende Cha rakterstudium, ein wahres Sündenregister!" „Und ich begreife meinerseits nicht Deine — ich möchte beinahe sagen — Sucht, alle zu Tage getretenen, mir so widerwärtigen Cha rakterzüge unseres Nachbars mit dem Mantel der Nachsicht und Humanitären, stark nach den aufdringlichen Phrasen liberaler Zeitungs schreiber duftenden Nächstenliebe zu bedecken. Habe ich mir nicht alle Mühe gegeben, ihn zu ignoriren, aber was nützt das mir, merkst Du denn nicht, er ignorut unSI" „Das mag wohl sein Hauptverbrech-n sein; da» ist die Sünde wider den heiligen Geist altadeliger Tradition!" „Der Dir aber doch Werth sein und bleiben sollte!" „Allerdings, so lange nicht der reine Schild der Ehre befleckt worden, befleckt durch mein Fleisch und Blut, von dessen Reinheit ich ehedem so überzeugt war, wie von dem Frieden sternenheller Nächte. O geh' mit den Menschen, wohin flüchtete sich von je die Recht lichkeit? Das Grab war ihr einziges Domizil!" „Du regst Dich auf, Du Guter!" begütigte die Freiherrin io liebevollem Tone. Vergiß die Vergangenheit, deren Nebelschleier zer flossen find vor dem eingetretenen Sonnenscheine, der Herbstsonne unsres Lebens." „Aber nimmer vergehen die Nebel meiner Seele." „Auch nie und nimmer vor der Sonne der Gegenwart, dem 2 roste unsres Alters — Marie?" „Und erinnert nicht gerade Sie uns an das, was wir verloren, die Ehre unsres Hauses?" „Sie ist so gut, so rein, sie blüht wie die himmlischste Rose." „Letzte Rose, wie magst Du so einsam verblühen!" — „Papa, Mama!" Diese jauchzend ausgerufenen Worte tönten in dem Augenblick von draußen herein und fast schien es, als seien sie geeignet, einen Hellen Sonnenstrahl reinster, seligster Freude in das Herz der beiden Alten zu werfen, im nächsten flog bereits Marie in dis Arme der erfreuten Freiherrin. „Ich weiß gar nicht, wie ich e» Euch erzählen soll, unser Un geheuer kann galant und liebeuswürdig sein, er liebt die Blumen und schätzt die Rosen, vor Allem, wenn sie in recht stachlichen Dor nen stecken. Kaum habe ich ihn eben abhalten können, zum Räuber an Deinem Lieblingsblümchen zu werden, liebster Papa; ich habe ihm dafür einen ganzen Strauß geben müssen, und er, er hat sie leibhaftig geküßt." „Von wem sprichst Du?" fragte die Freiherrin, augenscheinlich nicht gerade angenehm überrascht. blieb und am nächsten Tage bezahlte, nachdem ihm eine hohe Per sönlichkeit da» Geld dazu geliehen hatte. Der König wollte aber den Verlust hereinbringen und spielte am nächsten Abend wieder, um abermals 100,000 Gulden zu verlieren. Diesmal konnte er sich nicht mehr an dieselbe Persönlichkeit um Geld wenden und er telegraphirte nach Belgrad um Geld, allein er erhielt keine» und erst nach wieder- Holter Aufforderung bekam er den Kronschatz zugesandt, welcher denn in der Weise, in welcher ein Student seinen Ueberzieher studiren läßt, versetzt wurde. Ein kleines, doch nicht uninteressantes Malheur ist dieser Tage einem bekannten Wiener Elegant durch eine Verwechslung begegnet. ES war vor vier Tagen aus einem noblen, lebhaft besuchten Balle. Der Elegant, Herr D., erschien tadellos gekleidet, Frack, Beinkleid, Gilet, Lackschuhe, zeigten auch nicht den kleinsten Makel, und der AtlaSklaque, welchen er unter dem linken Arm trug, war von der vorzüglichsten Qualität. Herr D. war mit einem reizenden Mädchen für die erste Quadrille engagirt und schon nach wenigen Minuten sollte diese getanzt werden, al» er sich plötzlich unwohl zu fühlen begann. Hatte er sich erkältet oder schlecht gegessen, genug, er mußte au» dem Ballsaal« eilen. Er befand sich nicht lange „auswärts", da «tönte da» Zeichen zum Beginn der Quadrille, Herr D. ergriff seinen „Klaque-Hut" und eilte, so schnell eS eben anging, in den Ballsaal zurück. Kaum wollte er sich aber mit seiner Tänzerin auf stellen, als er aller Augen auf sich gerichtet sah und bald darnach brachen die meisten anwesenden Herren in laute- Gelächter aus. Herr D. wußte sich die Ursache nicht zu erklären, so viel nahm er aber wahr, daß daS Gelächter ihm galt. Plötzlich durchzuckte ein wilder Schreck seine Glieder, er hatte einen Blick auf seinen linken Arm geworfen, «o er seinen neuen Klaque ruhend wähnte, statt de» Klaque'» befand sich aber dort ein flacher, runder, hölzerner Deckel, welchen er in der Eile für seinen Klaque ergriffen hatte. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie lieblich Herr D. im Ballanzug mit dem ominösen „Deckel" unter dem Arme auSsah und wie überwältigend komisch dieser Anblick auf die Ballgäste wirken mußte. Herr D. war beinahe ohn mächtig, als der hölzerne Deckel mit lautem Gepolter von seinem Arme auf den Boden kollerte, dann aber, sich plötzlich aufraffend, stürzte er, wie von Furien gejagt, aus dem Ballsaal. In nächster Zeit wird er sich mit Klaque-Hüten schwerlich mehr befassen. Dem wnzeiger feinem Reiseonkel cknäppche« feine Wochenrapporte. Wärther Härr Redaktär! Na, nu hätten mer'sche ooch gesähn, de „Walkiehre" nämlich, ei ja, nee nee, un Se sinn gewiß geschbannt genug uff mei kunst- verschtänd'ges Urdheel. Ee wissen, ich bin nich so Eener, der Kridiken schreibt, indem er sich nämlich, wenn'» zor Sache kommen dhut, mehrschdendeel» blo» an'n Biffette rumgedrickt hat oder der amende mecglicherweise gar nich drinne gewäsen iS, oder umherlooft un sich besucht, un denn kritzelt er in schienen Hochdeitsch sein „Bleedfinn mit Hurrah' nieder — nee, ich säh mersch selber an un bin unbeschtochen, das is iber jeden Zweifel erhaben! Aber diesmal wupperte un bupxerte mersch doch eklich in der Brust rum, un da iS's merschdendeels gut, wenn mer enn dreien Berader find't, dem mer s'ch mitdheelen kann. Nu doppelte mersch gerade, ich dhat Se nämlich Täppsch's Gottlieb'n dreffen — heernse nee, die Freede! Na, Se kenn Täppschen ooch er hat ja seine LebenSmalhöre un Begebenheeten öftersch in Ihren Landboten erzählt. Vor gewehnlich is mer der Kerl ä bissel zu bobulär un bower, un ich schwebe äm lieber in hehere Regionen. „Gottlieb," sage ich, „Bruderherz, wo gehst De hin?" — „Ich wullt äm emvl zu'n Karpenschmaus," meent'r. „Was Karpenschmaus," sag' ich, nähm'n bei'n Flittche un sage: „Ich geh' zum Ohrenschmaus, un Du gehst mit!" Er lchiddelte erscht mit'm Kubbe, dann aber beigte er sich meiner Audoridät. Un so war'» mer richt'g 'ne halbe Schlunde vor Beginn der Auffihrung in unfern Kunst-Dempel un zwar uff de höchste Region; so hoch fihlt ich mich, wie im Himmel. Täppsch aber schtudierte ins Dextbuch rum. Weil nu aber Täppsch da ob'n nischt zu kau'n hatte, bracht'r au» seiner hintern Rocktasche seine Abendfurage, Krappel- gebacknes, un mit gans dramatischen Awcck bräsendirte er mir de große Diete un raunte mir in echt walkierlicher Schtimmung, frei ä In Wagner, zu: „Knäppchen, mei Knappe, knappere nur nich zu knapp, wenn Du knapperst knapperiges Geknappertes!" — Er hatte doch schon was von Wagnern sein Dextbuch weggekriegt I — Sogar Täppsch war Se also so plctzlich Sänger geworden un ooch mir wurde off eenmal von den göttlichen Dext gans sängeng. Das iS also der Dext zu der sogenannten Zukunft».Musik; un gerade wie mit der Musik iS es ooch mit den Dext; den verschtand jetzt Niemand; na, vielleicht lern' ich'S mal in der Zukunft verschtehn, 's iS ja ooch nur fir de Zukunft geschrieb'n. Das Dextbuch, härn se Härr Redaktär, so was läbt nich! Ich bin 'gans uff Wagner'n seitner Seite, wänn er Lindau'«, Heyse'n, Spielhagen, Bodenstedten, un wie die DingSdingriche alle Heeßen meegen, deitsche Schbrachverdärber nennt, aber Wagner'n seine Wal- kirhre geht noch dariber. Na, '» kommt ja vor, daß ooch sogar in meinen eigenen dramatisch-schaurigen Werken Manches Manchem manchmal minder mundet, aber im Schauschpiel entschteht de Ver wickelung dach merschtendheel» aus menschlichen Jrruugen, in der „Walkiehre" aber verirrt sich de Irrung bi» zu göttlichen Mißverschdändnissen, un wenn Wodann wenig wohlwollend wärkend withend wuchtige Wurfschpiese wirft, wärd» wohl Wenigen wohlig werden; — nee, geh'n Se mer mit dem Dextbuche. 'S war mer fast schwabblich wie auf schwindlich schwingender Schwebe un 's wurd mer ganz blau vor de Ogen; nich etwa wegen de blau'n Schtriche drinne. Da» is nach 's Schcenste; die dienen zur Beruhigung der geblen deten Ogen, wie 'ne blaue Brille schitzen se uns vor Jberanschtrengung. Täppschens Gottlicb, der alberne Bibbig, der dhat mich immer veralbern, wenu'ch ä bissel verzickt von Wagnern schwärmte; ich sahte aber nischt; — denn ich dachte mit einen andern bedeidenden Dichter- Boeden: „Von'S Erhabene bis zu'S Lächerliche iS nur noch een „Bon unserem Brummbär nebenan, über dessen geheimnißvolle», abgeschlossene» Wesen seit Wochen sämmtliche Dienstboten de» ganzen Dorfes alltägliche, sittenstrenge Konferenzen halten. Hu. wa» man da zu hören bekommt! Sr hat den bösen Blick, er hat ein böse» Gewissen I Nun, das Gewissen mag recht böse sein, obgleich ich durch aus kein ausfällige- Erschrecken an ihm wahrnehmen konnte, als ich ihm so energisch die Pforten seine» Paradiese» wieder anwie», aber der Blick war treu und gut, er hat einen rührenden Blick." Der Freiherr schien nicht angenehm überrascht. Die Erinnerung an die soeben stattgehabte, für ihn so schmerzliche Unterhaltung mit seiner Gattin, die er durch den plötzlichen Eintritt des lebensfrohen Mädchens wenigstens für diesen Abend zurückgedräogt wähnte, wurde zu mächtig geweckt, er zog sich bald zur Ruhe zurück. Wenn der steinerne Hülige von seinem Postamente am nächsten Morgen heruntergestiegen wäre und den neugierigen und so gerne wundergläubigen Leuten von der nahen Ankunft des jüngsten Tage- erzählt hätte, er hätte fürwahr kein größere» Aufsehen erregen kön- neo, als das Bekaantwerden der Thatsache, daß der wortkarge Tannenberg ein Rendezvous mit der Pflegetochter de- Freiherrn ge habt habe, ihre Hand und einen Strauß Rosen von derselben Hand an seine Lippen gedrückt hatte. Daß der „Eisbär* vielleicht gar seinen schweigsamen Mund mit einem beredten Kuß auf die herrlichsten Rosen der Schöpfung, die Pu,purlippen einer in vollster, strahlend ster Blüthe der Unschuld und Herzensreinheit stehenden Jungfrau gedrückt hatte, wagten selbst die bösesten Zungen in ihrem Geiser nicht zu behaupten; aber diese stumme Aeußerung weckte unendlich mehr als die pikanteste Liebesgeschichte dies zu thun vermocht hätte, den Redefluß der Bewohner Brucksdorfs. Und was hatte man sich wohl Alles zu erzählen! O, die Leute wußten recht wohl, daß die adlige schöne Pflege tochter eigentlich nur ein halbes Findelkind sei, ein Bastard, wie die Vornehmen sagen; sie wußten recht gut noch, daß der ausschweifende Bruder des Freiherrn ein uneheliches Kind und eine unglückselige Grasentochter zurückgelaffen hatte; sie wußten auch, daß die schöne bleiche Grafentochter immer bleicher geworden war, bis der Tod ihre rothen Lippen auch weiß küßte; sie wußten auch, warum der sonst so adelsstolze Freiherr jetzt den „liberalen" — heißt teuflischen — Ideen huldigte, und warum der Vorgänger Tannenberg» sein ererbtes Gut verkommen ließ und nicht mit einer GutSherrin beglückte und ergänze, und nun gar da» einst so schöne und für Viele nutzbringende Gut mit den verkommenen Feldern nebenan, auf denen der rothe in diskrete Mohn und die giftige violette Rade neben den blauen Korn blumen dominirten, an diesen Eindringling verkaufte. Ein wirklicher Graf mit altem, Jahrhunderte altem Wappenschilde würde nun einmal nie und nimmer um die Hand des Fräuleins auf dem Schlosse ge worben Haien und wenn der Schöpfer ihr als Mitgift den Adel strahlendster Schönheit und reinster Herzensgüte verliehen hätte, aber daß dieser — Verdächtige, des Morde» verdächtige, sich ihr zu nahen gewagt, ja von ihr begünstigt zu werden schien, war über Alles gehend. Denn die „ältesten Leute" halten ihn erkannt, trotz seiner be leidigenden Abgeschlossenheit; er war der aus Amerika herübergekom- mene Tanner, der den jungen Grafen, der allerdings so Viele un glücklich gemacht, und auf den man zu Anfang so große Hoffnungen gesetzt, weil er so noble Späße machte und den in den Wirthshäusern Hockenden trotz der Rede des Pfarrer» und dem unheildrohenden Kometen, fortwährenden Gesprächsstoff gab, in mächtigem Ringen an den Abgrund gebracht, denn wie konnte es anders sein, wer hatte e» gesehen, was der Holzfäller erzählte, wer gab etwas darauf, daß dieser versuchte, den Gefehmten „weißbrcnnen" zu wollen? Er dachte es auch so gar ungeschickt aus. War hatte er als damaliger Diener des jetzt abgezogenen Gutsherrn im Walde zu suchen? Und warum erzählte er nie, wie der Sturz eigentlich erfolgt war? ES war freilich eine Gottesstrafe für den frechen Uebelthäter gewesen, und man hatte dem Vollstrecker, der so tief in seinem Heilig sten gekränkt gewesen, eigentlich nie gezürnt, aber nun kam er wieder, reich und stolz — es war dennoch eine gottverruchte That gewesen und was konnte geeigneter sein, so ausgiebig besprochen zu werden, als ein geheimnißvoller Todtschlag und eine LiebeSaffaire zwischen dem Mörder und der Tochter des Gemordeten? „Krieg und Pestilenz.drohen'uns, denn Gott läßt sich nicht spotten!" sagte der Schäfer Moulin und Alle» bekreuzte sich. (Schluß folgt.) renz'ger Schritt* un „DaS sin de schlechtsten Frichtchen nich, wodran de Werben nagen" un wie andre nele mohderne Schprichwärter heißen megen. Daß 'ch aber de Usssiehrung nich ganS driber Vergüsse, de Musik, härnse, sähnse, die iS Sie großartig; wer da von Lange weile schbrechen kann, der hat äm nach nich gesiehlt, wie de Musi! al» Beruhigungspulver uff de Seele seelig siegend sich senken kann! Ne so Eenem is nich zu Helsen! Der Weeß äm nich, wo Musik drin iS! Un meiu'n Freind Täppsch ging'» äm so. Gotlschtrambach, wurde der ungeduld'g; wenn er nich fei Entree berappt hätte, der wär wahrhast'g durchgegangen, so aber dacht 'r wie neilich bei d'r ApetitSworscht, die ooch nich gan» koscher war: „Schmeck wie de willst, ich weeß, daß de gut bist!" un harrte aus. Aber Angst ge schwitzt bat 'r. Das EenS'ge wa» 'n freien kunnte, war'n noch die beeden hibschen Schäfchen, die der Göttin ihr Wägelchen zogen, un dann die dichtenden Bilder mit de Wälkiehren zu Pferde Ja, ja, meine Kinner Ham och enne Laterne aber so groß sinn da de Bilder nich, wie hier beim Gott Wodann seiner. Zuletzt kam nu ooch noch de berihmte „wabernde Lohe". Da- i» nämlich e Riesenfeicrzeig un wie den Allvater Wodann nu am Schluß seine Wälkiehren Tochter gar nich mehr folgen will, da haut 'r mit sein eisern'n Spieß an de großen Felsenkiesel un da fängt der ganze Urwald Schwamm Feier, un da drinne muß er nu ooch noch so dies singen, bis er seine Tochter dadermit zu 'nen Zauber schlaf bedäubt hat. Un das nennt mer äm heitzudage: „wabernde Lohe". Nu kommt'- Täppschen äm off ä bissel mehr oder wen'ger Lohe nich an, weil er als ehemal'gter Lohgerber dran gew«hnt iS, aber da dhat er doch aus sanften Schlummer erwachen. Täppschen wärd Angst, er saht: „Weeßde Knäppchen, vor den Dampf, da Hab' ich d'r nämlich aber geheengen Dampf, weeß Knäppchen, der dampft Dir zu natierlich, Gottschtrambach, daS is kee Dampf, so reichlich riecht richtger «euer Rooch!" — „Ach nee", sag' ich zu Täppschen, daS iS d'r nämlich kee Dampf, daß !s bloS ä bissel zu heeß gewordene» Wasser!" — „HerrjeseS, Wasser!" rief änne alte Dame neben Täppschen mit vor Schrick erschrickt« Schlimme, „mei Härr, Sie flüsterten äm ganS laut: „Wasser" und dorten roocht's och schon; se Ham wohl gar äwa- angegvkelt? Härnse! ES wärd Se dach am Ende nich gar etwa» unner d'r Bihne schon brennen." — Mit der mir in bedeiten- den Monumenten äm eignen GeisteSgegenwärtigkeit hielt ich d'r ollen Madame — klapp — den Mund zu, un rettete dadurch viele Menschen vorsch Erdricken, denn die wärd'ge Dame sah gan» so au» als wänn se Feier schrein wollte un nu känn Se mit Ihre glihnde Fandasie äm ämal daS Gedränge und Gewärge bei so ä falschen Feierlärm sich ganS eigenhändig geistig ausmalen. Der Vorhang un de Musik kamen mer schleinigst zu Hilfe, un machten daß eS alle wurde. Bor lauter Freide driber, Hab' ich geapplaudirt wie närrsch. Das Bublikum is zwar zum Schluß noch in schlechten Geruch gekommen, gedhan hat'- aber Niemanden nischt, nich ämal Ihren Knäppchen.
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