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)APIER=VERARBEITUNG I Buchgewerbe Berliner Typographische Gesellschaft Das bisherige Postscheck-Konto wurde aufgehoben. Die geehrten Mitglieder werden ersucht, die fälligen Beiträge direkt an den Kassierer Herrn Gustav Naumann, Neukölln, Stutt garter Straße 53 gelangen lassen zu wollen. Die Ausstellung von Berliner Drucksachen im Buchgewerbe saale ist auch weiterhin täglich von 11 —2 Uhr mittags zu besich tigen. Die nächste Vorstandssitzung findet am Dienstag, 25. August, abends 9 Uhr im Buchgewerbesaale statt. Der Vorstand Die graphischen Gewerkschaften und der Krieg Der Ablauf der zweiten Woche seit Beginn des Krieges läßt bereits erkennen, welchen verheerenden Wirkungen das Wirtschafts leben der deutschen Arbeiter ausgesetzt ist. Die Arbeitslosigkeit ist zurzeit schon ungeheuer groß und wird täglich größer. Ins besondere ist das graphische Gewerbe, soweit es Ausfuhrgewerbe ist, empfindlich getroffen. Täglich werden Tausende von Arbeits kräften abgestoßen. Die Zeitungen erscheinen in verkleinertem Umfange; der Buch- und Kunstdruck liegt völlig danieder, nicht minder die Lithographie. Mindestens 90 v. H. der Angehörigen des Lithographie- und Steindruckgewerbes werden arbeitslos werden; ähnlich ist es auch im Buchdruckgewerbe. Die an die Organisationen gestellten Anforderungen können daher von einigen graphischen Gewerkschaften nicht mehr in satzungsgemäßer Höhe gezahlt werden. Der Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands gibt in seiner Zeitung vom 15. August bekannt, daß die Verbandssatzung in allen das Unterstützungs wesen betreffenden Teilen auf die Dauer des Krieges aufgehoben ist. Die Auszahlung der Kranken- und Wöchnerinnenunterstützung wird eingestellt. Die Arbeitslosenunterstützung wird in allen Klassen auf die Hälfte der bis jetzt bestandenen Sätze herabgesetzt. Unter stützung erhält nur derjenige, welcher mindestens 52 Wochen beiträge bezahlt hat, nicht mehr als zwei Wochen im Rückstand und mindestens sechs Tage arbeitslos ist. Verheiratete weibliche Mitglieder erhalten nur dann Unterstützung, wenn auch ihre Männer ohne Beschäftigung sind. In Fällen, wo Mann und Frau dem Ver bände angehören, kann nur ein Teil die Arbeitslosenunterstützung beziehen. Reiseunterstützung wird nicht mehr gezahlt. Die Unter stützung Gemaßregelter wird eingestellt, gemaßregelte Mitglieder werden in bezug auf Höhe und Dauer der Unterstützung den sonstigen Arbeitslosen ■ gleichgestellt. Alle sich bietende Arbeit muß ange nommen werden. Die Verweigerung von Arbeitsannahme, auch in anderen Berufen oder bei Notstandsarbeiten, hat sofortigen Ver lust der Unterstützung zur Folge. Mitglieder, die halbe Wochen und mehr arbeiten, haben den vollen Wochenbeitrag zu leisten. Aus Ortsmitteln dürfen Zuschüsse nicht gegeben werden. Diese Beschlüsse sind am 15. August in Kraft getreten. Auch im Verband der Lithographen, Steindrucker und verwandten Berufe ist die Satzung außer Kraft gesetzt worden. Die Auszahlung der Krankenunterstützung wird für die Dauer des Krieges auf gehoben, ebenso die satzungsmäßige Unterstützung Arbeitsloser und Gemaßregelter. Arbeitslose erhalten 5 M. Unterstützung die Woche. Invalide erhalten als Höchstunterstützung nur 5 M. die Woche und Witwen nur 2 M. 50 Pf. Das Verbandsorgan, die „Graphische Presse", soll nur in sehr beschränktem Umfange er scheinen. Im Verband der Deutschen Buchdrucker soll die Arbeitslosen unterstützung zunächst wie bisher weiter gezahlt und alle weiter notwendig werdenden Maßnahmen in der Ende August in Aussicht genommenen Gauvorsteherkonferenz beraten werden. Mit Rück sicht auf die erforderlichen großen Mittel soll von den vollbeschäftigten Mitgliedern ein wöchentlicher Sonderbeitrag von 50 Pf. erhoben werden. Das Verbandsorgan, der „Korrespondent", erscheint in vermindertem Umfange und teilt mit, daß vielleicht einzelne Nummern ausfallen werden. Im Organ des deutschen Buchbinderverbandes vom 16. August wird bekanntgegeben, daß es unmöglich ist, die Unterstützungen nach der Satzung auszuzahlen: Die Kranken-, Ausstands- und Gemaßregelten-Unterstützung wird aufgehoben. Die arbeitslosen Mitglieder erhalten erst vom 8. Tage nach gemeldeter Arbeits losigkeit eine gegen früher gekürzte Unterstützung, die je nach den Beitragsklassen von 1 M. 50 Pf. bis 6 M. die Woche gestaffelt ist. Alle arbeitslosen Mitglieder sind verpflichtet, jede sich bietende Arbeitsgelegenheit zu ergreifen; wer sich weigert, wird vom Bezug der Kriegsunterstützung ausgeschlossen. Es wird befürchtet, daß trotz dieser Kürzungen die vorge nannten Unterstützungen nicht auf lange Dauer von den Organi sationen gezahlt werden können, daß also die Angehörigen des deutschen graphischen Gewerbes eine sehr schwere Zeit werden durchmachen müssen. * * * Sprachreinigung Wenn der Krieg, wovon wir alle fest durchdrungen sind, mit einem Siege Deutschlands und seines Verbündeten geendet haben wird, so werden viel weitere Kreise als bisher für die Ausscheidung von Fremdwörtern sich einsetzen. Für das Druckereifach und die Hersteller von Papierwaren dürfte sich daraus nach dem Friedens schluß und vielleicht auch schon während des Krieges eine nicht unbedeutende Zahl von Aufträgen ergeben. Wir haben alle gleich in den ersten Tagen nach der Kriegserklärung gesehen, daß die Bezeichnungen wie „Palais de danse“ und ähnliche von der Bild fläche verschwunden sind, um deutschen Bezeichnungen Platz zu machen. Auch Namen wie „Hotel de Russie" sind unmöglich ge worden, und daraus ergibt sich, daß alle diese Unternehmer ihre Speisekarten, Rechnungsvordrucke, Empfehlungskarten u. dgl. über kurz oder lang in veränderter Form drucken lassen werden. Aber auch die Gasthäuser, die sich eines deutschen Namens erfreuen, werden mindestens ihre Speisekarten neu drucken lassen müssen. Ein Potage ä la reine, ein Beefsteak ä la minute, oder Oeufs poches werden verschwinden, und deutsche Bezeichnungen müssen dafür eingeführt werden. In allen den Fällen — und sie sind nicht selten — wo der Drucker zugleich Berater seines Bestellers ist, wird ihm nun hier die dankbare Aufgabe zufallen, Vorschläge zu machen, wie die fremdländische Bezeichnung am besten, kürzesten und klarsten durch eine deutsche ersetzt wird. Dieses Feld der Tätigkeit ist aber für den Hersteller von Papier waren, Etiketten und dergleichen unermeßlich groß. Die Sprach reinigung trifft alle Zweige der Warenherstellung. Auch das Papier fach ist nicht frei davon; Briefpapiere mit der Aufschrift „Linen Paper", wie ich es gestern noch in einem Fenster sah, wird gewiß niemand mehr aufs neue herstellen. Aber da ist die Namens änderung einfach und bedarf keiner langen Ueberlegung, ebenso wie aus „Savon ä la violette" schnell eine Veilchenseife und aus „Chocolat Noisette“ eine Nuß- oder Haselnuß-Schokolade werden wird. Aber nicht immer wird es so spielend leicht sein, den Namen ins Deutsche zu übersetzen. Zum Beispiel kann man statt Bouillon- Würfel nicht kurzweg Suppen-Würfel sagen, denn unter Suppen würfel verstehen die beteiligten Kreise eine Zusammenstellung, die nahezu alle Bestandteile für eine Suppe enthält, beispielsweise alles für eine Reissuppe mit Tomaten. Sagt man Fleischbrühe- Würfel, so ist die Bezeichnung sehr lang und würde auch in vielen Fällen eine unwahre Angabe enthalten. (Wir empfehlen „Kraft- brühen-Würfel". Schriftleitung.) Die Hersteller von Backwaren nennen ihre Erzeugnisse Cakes. Man hat sich teilweise durch die deutsche Schreibweise Keks ge holfen, nachdem die hübsche Verdeutschung „Knusperchen“ sich nur wenig Geltung verschaffen konnte. (Hoffentlich wird sich dieses gute Wort jetzt einbürgern. Schriftleitung.') Dieser Fall ist ein Beispiel dafür, daß selbst wenn eine gute Verdeutschung ge funden wird, man noch nicht der Zustimmung der Käuferkreise sicher sein kann. Jetzt, unter Eindruck der Kriegs- und Sieges- Nachrichten liegt das ganz anders: Gerade die Verbraucher ver langen deutsche Bezeichnungen. Die augenblickliche geschäftliche Stille läßt vielen Herstellern von Drucksachen und Papierwaren mehr freie Zeit, als ihnen lieb ist. Die freien Stunden sind gut angewandt, wenn jeder überlegt, welcher von seinen Kunden Neuauflagen von Drucksachen mit deutschen Bezeichnungen brauchen wird, und wenn er sich klar macht, welche Namen und welche Bezeichnungen er ihm dafür vorschlagen will. (Nötigenfalls wende er sich an den allgemeinen Deutschen Sprachverein in Berlin W 30, Noliendorfstr. 13-14, der Verdeutschungshefte für verschiedene Gebiete des geselligen und gewerblichen Lebens herausgegeben hat und gern Rat erteilt. Schriftleitung.) Hoffentlich entsteht dann nicht gleich ein Wett rennen, indem jeder die neu zu schaffenden Bezeichnungen als Warenzeichen für sich schützen lassen will. Gewiß wird das Patent amt, Abteilung für Warenzeichen, auf die veränderten Verhältnisse auch ein Augenmerk haben. R.