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Erfüllung von Verbindlichkeiten Es wird wohl wenige Geschäfte geben, denen in dieser tief ernsten Zeit nicht schwere Wunden geschlagen werden, mancher auf sich selbst gestellte Kaufmann wird die ihm durch die jetzigen Umstände zugefügten Verluste nicht oder kaum überwinden können. Deshalb ist es eine vaterländische Pflicht, den wirtschaftlich ‘schwächeren so weit wie möglich entgegenzukommen, wenn man ei ihnen gesunde Verhältnisse und den ernsten Willen, ihren Ver pflichtungen nachzukommen, voraussetzen darf. Dieses Ziel hat ja auch das vom Reichstag in seiner denkwürdigen Sitzung vom 4. August beschlossene Gesetz über die Verlängerung der für die Protestierung eines Wechsels erforderlichen Frist im Auge. Der von uns zuversichtlich erhoffte Sieg unserer Waffen wird umso gewisser zu erwarten sein, wenn nicht bloß unser Heer seine Auf gabe erfüllt, sondern auch von den Zurückgebliebenen alles getan wird, die wirtschaftlichen Kräfte Deutschlands zu stärken, indem wir Kaufleute uns gegenseitig stützen. Das geschieht am ehesten, wenn wir die im Grunde gesunden und lebensfähigen kleineren Häuser bei Erfüllung ihrer Verpflichtungen vor unangebrachter oder gar übertriebener Strenge bewahren. Dies auch schon um deswillen, weil wir uns dadurch zahlreiche Kunden sichern, die wir in den kommenden besseren Zeiten ebenso nötig haben wie die größeren Abnehmer. Aber anderseits darf auch von Seiten unserer Kunden nicht ohne Not der Versuch gemacht werden, bei der sich jetzt bietenden Gelegenheit eine im Augenblick lästig erscheinende Verpflichtung abzuschütteln. Leider ist er schon recht häufig und sogar von solchen Häusern gemacht worden, die man durchaus nicht als wirtschaftlich schwach bezeichnen kann. Unter Berufung auf den erfolgten Kriegsausbruch wird die Abnahme fest bestellter Waren einseitig verschoben oder durch Widerruf der Aufträge ver weigert. Jeder Fabrikant wird gern bereit sein, auch in dieser Hin sicht den Umständen namentlich gegenüber alten treuen Kunden Rechnung zu tragen, aber mir scheint doch die Notwendigkeit vor zuliegen, daß allgemein, ganz besonders in einer führenden Zeit schrift, wie es die Papier-Zeitung ist, die tatsächliche Rechtslage bekannt gemacht wird. Ich überreiche Ihnen Abschriften der Be schlüsse und Feststellungen, die gemäß der Kölnischen Zeitung von den Handelskammern Barmen und Magdeburg erfolgt sind, und ich gebe Ihnen anheim, deren Inhalt zu veröffentlichen, damit sie die verdiente weiteste Verbreitung auch in unserem Fache finden. So wenig der Fabrikant heutzutage seinen Abnehmern gegenüber sich als harter Gläubiger aufspielen darf, so wenig darf der Händler dem Fabrikanten gegenüber ein willkürliches Verfahren beobachten. Der eine hat den anderen nötig. Auch derjenige, der den Geschäfts freund, sei es vor den Folgen unangebrachter Strenge, sei es vor den Folgen tadelnswerter Willkür bewahrt, macht sich in dieser Zeit um das Vaterland wohl verdient. Papier/abrikant ♦ * * Barmen, 10. August Die Handelskammer hat in einer Vollversammlung folgende Veröffentlichung beschlossen: Des deutschen Volks Selbsterhaltung hängt jetzt nicht allein von der Tapferkeit seines Heeres ab. Wir müssen auch mit allen Kräften unsere Volkswirtschaft gesund erhalten. Dazu gehört vor allen Dingen, daß jedermann auch im wirtschaftlichen Leben seine Pflicht treu erfüllt, solange nicht die absolute Unmöglichkeit ihn daran hindert. Kein Kaufmann, kein Fabrikant, aber auch kein Verbraucher darf sich jetzt dahinter verschanzen wollen, der Krieg an sich befreie ihn von allen gesetzlichen Verpflichtungen. Der Krieg hebt weder Kauf- und Lieferungsverträge noch Zahlungs verpflichtungen ohne weiteres auf. Der Ausbruch des Krieges be rechtigt noch niemand, Aufträge zurückzuziehen, gelieferte Waren nicht abzunehmen, bestellte Waren nicht zu liefern, gekaufte Waren, schuldige Mieten o. dgl. nicht zu bezahlen. Wer das Gegenteil be hauptet und verbreitet, setzt sich nicht nur in Widerspruch mit den klaren Grundsätzen unseres Rechts — er macht sich auch mit schuldig an der wirtschaftlichen Schwächung unseres Vaterlandes; jetzt, wo es nur ein Ziel für alle geben kann: Deutschlands Wider standskraft zu mehren und zu wahren. Diese Mahnung richten wir auch nicht zuletzt an das kaufende Publikum. Niemand lasse den andern im Stich. Jeder bezahle, was er schuldet, solange er es irgend vermag. » ♦ * Zur Klärung der durch den Krieg für laufende Lieferungs- und Dienstverträge geschaffenen Rechtslage gibt die Handelskammer zu Magdeburg folgende Leitsätze bekannt: 1. Solange nicht durch ein besonderes Reichsgesetz Zahlungs fristen für die Dauer des Krieges festgesetzt werden, übt der Aus bruch des Krieges auf die Verpflichtung zur Zahlung fälliger Schulden keinen Einfluß aus. Fällige Schulden sind daher nach wie vor so fort zu bezahlen. 2. Gegenseitige Verträge, insbesondere kaufmännische Liefe rungsverträge, werden durch den Krieg nicht aufgehoben, falls nicht die Aufhebung durch die Einfügung der Kriegsklausel in den Schluß vereinbart ist. Nur soweit infolge des Krieges eine gänzliche oder zeitweilige objektive Unmöglichkeit der Erfüllung eintritt, übt der Ausbruch des Krieges auf die laufenden Schlüsse einen Einfluß aus. Die bestehenden Rechtsgrundsätze über den Begriff der gänzlichen oder zeitweiligen Unmöglichkeit der Erfüllung werden durch_den Krieg nicht "berührt. 3. Der Ausbruch des Krieges gibt demjenigen, welcher eine Ware gegen Ziel zu liefern hat, nicht ohne weiteres das Recht, die Lieferung der Ware von einer Vorauszahlung des Kaufpreises ab hängig zu machen oder Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Lieferung der Ware zu fordern. Dieses Recht hat der Verkäufer auf Grund des § 321 des BGB nur dann, wenn er im Einzelfalle nachweisen kann, daß durch den Krieg die finanzielle Leistungs fähigkeit seines Käufers so erschüttert ist, daß der Anspruch auf Zahlung des gestundeten Kaufpreises erheblich gefährdet ist. Vei trauen Zu Nr. 65 Titelseite Die Fabrikanten drängen jetzt alle Abnehmer auf Voraus bezahlung der zu bestellenden Waren. Dies ist schon insofern nicht recht, weil man erst die Ware in bezug auf Güte und Menge prüfen muß. Ferner habe ich auch Landkundschaft. Wollte ich diese Leute drängen, verlöre ich sie, die ich mir durch Fleiß und Arbeit er worben habe. Aber die Herren Fabrikanten machen sich nichts daraus 1 Ich habe jetzt nichts liegen, so ist man von den Fabrikanten gedrängt worden, nehme aber auch nichts ein. Auch sind sehr viele meiner Kunden in den Krieg gezogen. Soll ich der Frau und den Kindern meiner Kunden auch das Geld abnehmen? Nein! Nicht so sollte es kommen, wie der Gewährsmann der Papier-Zeitung in Nr. 65 sagt, daß der Kunde beim Aufleben des Geschäfts nach dem Kriege von Lieferanten nichts mehr bekommen solle, viel mehr sollte der Kunde solche Lieferanten und Fabrikanten nach dem Kriege kalt stellen. Das wäre richtiger. Habe ich Geld liegen, so bezahle ich ohne Mahnung, ich bin froh bezahlt zu haben. Hat ein Fabrikant nicht soviel übrig, seine Leute während des Krieges zu bezahlen, soll er schließen. Die Arbeiter und ihre Angehörigen gehen nicht unter. Es wird jetzt für alle genug gesammelt, auch für die, welche arbeitslos sind. (Dies ist ein Irrtum. So viel kann gar nicht gesammelt werden, daß allen Arbeitslosen geholfen wird. Schrijtleitung.) Für die Hinterbliebenen der in den Krieg Gezogenen gibt es doch gewiß reichliche Mittel, die eingesammelt wurden. (Diese Mittel genügen kaum für die erste Zeit! Derjenige dient dem Vaterland am besten, der seinen Betrieb durchhält. Schriftleitung.) Papierwaren-Großhändler Hgenten-Provision im Kriege Eine Reihe von Fabrikanten haben plötzlich die Zahlung von verfallenen Provisionen an ihre Vertreter eingestellt. Der Handels agent, besonders der einberufene, kommt dadurch in sehr schwere Lage. Es ist eine Ehrenpflicht für jeden Fabrikanten, seine Ver treter, die ihm in guten Zeiten zur Seite gestanden haben, in den jetzigen schweren Zeiten nicht im Stich zu lassen. Die Geschäfte für den Agenten ruhen jetzt vollständig; Lasten und Pflichten, auch für etwa beschäftigtes Personal, gehen aber weiter, dabei ist der Agent ebenso auf seine Provision angewiesen wie jeder An gestellte auf seinen Gehalt. Dafür kann sich jetzt jeder Agent seinen Häusern nützlich machen, indem er mit Geschicklichkeit, dank seinen persönlichen Beziehungen, die Außenstände für den Fabrikanten einziehen hilft. Er kann ferner langjährige Beziehungen zwischen dem Abnehmer und dem Fabrikanten stützen und fördern. Der Agent muß ferner bei Eintritt ruhiger Zeiten dem Fabrikanten helfen das Geschäft aufzubauen. Die Fabrikanten, welche jetzt ihre Agenten nicht im Stich lassen, werden die Früchte in Friedenszeiten ernten. Ein großer Teil der Fabrikanten war allerdings einsichtsvoll genug, entweder die Provision zu überweisen, oder Verständigung mit dem Agenten zu suchen. Vertreter Seefracht In Nr. 66 wurde unter „Warenversicherung im Kriege" auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sich durch die Zurückhaltung der Dampfer im Verschiffungshafen ergeben. Hierzu sind neue Gesichtspunkte dadurch getreten, daß Schiffe, die ihre Ausfahrt angetreten hatten, zurückgekehrt sind, ihre Ladung löschten und von den Verladern außer der Seefracht auch die Kosten dieser Aus schiffung usw. beanspruchen. Die Verlader im Binnenlande weigern sich vielfach die Fracht zu zahlen, da sie meinen, sie könnten nur dann zur Zahlung gezwungen werden, wenn die Gegenleistung geboten würde, da aber der Dampfer seiner Verpflichtung, die Waren an den Bestimmungsort zu bringen und dort auszuliefern, nicht nachgekommen sei, könne man von den Verladern die Fracht nicht fordern. Diese Auffassung ist aber irrig, weil es in den „Konnossement- bedingungen“ heißt, daß die Fracht zu zahlen ist, sobald der Dampfer die Fahrt angetreten hat. Auch wenn das Schiff untergellt, ist also die Fracht fällig. Nur aus besonderer Rücksicht wird also der Reeder vielleicht einen Teil der Seefracht nachlassen, was übrigens von der Gemeinschaft der Reeder kaum gerne gesehen werden würde. Außer für die Seefracht haftet die Ware laut den Ladeschein bestimmungen für die aufgelaufenen Auslagen. L.