Volltext Seite (XML)
2100 PAPIER-ZEITUNG Nr. 62/1914 erwiesen. Weder die zentralen noch die Fachvereine seien geneigt gewesen, ihr Arbeitsprogramm zugunsten des Komitees irgendwie abzuändern. Schließlich seien auch diejenigen Aufgaben, die das Komitee in erster Linie übernommen habe, von den Internationalen Zollkongressen aufgegriffen worden. Trotzdem sei der Grund gedanke des Komitees gesund und brauchbar, und man sei bestrebt, für.den Weiterbestand und den Ausbau des Komitees entsprechende Schritte zu unternehmen. Die gleichzeitige Inangriffnahme der Vorarbeiten für die Tarif revision und für die neuen Handelsverträge durch Handelskammern und Handelstag, Zentralvereine und Fachvereine und außerdem noch durch die sogenannten doppelstaatlichen Vereine könne keinesfalls als ein Vorteil angesehen werden. Die mehrfache Be arbeitung derselben Fragen werde sicher nicht dazu beitragen, der Regierung ein einheitliches Bild der Wünsche und Anträge zu ver mitteln. Denn die von verschiedenen Seiten gestellten Anträge zu denselben Tarifpositionen würden sich wohl nur in den seltensten Fällen decken. Auch bestehe zwischen den verschiedenen Organi sationen zweifellos ein gewisser Wettbewerb, der sich zeitweilig für diese oder jene Gruppe störend bemerkbar macht. Es stehe aber außer allem Zweifel, daß für die Bearbeitung der zolltarifarischen Wünsche die Fachvereine, wie die Vereinigung für die Zollfragen, als diejenigen Instanzen zu gelten haben, die am meisten legitimiert sind, da in ihnen das Fachwissen am besten vertreten ist, und da auch die unumgängliche Prüfung aller an die Regierung gelangenden Anträge und Wünsche seitens der Fachleute hier am sichersten garantiert ist. Dieser Tatsache könne sich auch die Regierung nicht verschließen. Das wüßten auch die Zentralvereine und die hätten, um nicht außer Wettbewerb zu geraten, zu dem Aushilfs mittel gegriffen, besondere Fachausschüsse zu bilden. Wie wenig diese Ausschüsse den Bedürfnissen genügen, sei aber schon daraus zu ersehen, daß sie meist im Anschluß an das veraltete Schema der Reichsbetriebszählung gebildet worden sind. Auch bleibt es im unklaren, ob diese Fachausschüsse auch ein Mitbestimmungs recht bei der endgültigen Gestaltung der einzelnen zollpolitischen Anträge erhalten, was ja eigentlich das Wichtigste wäre. Der Redner kommt zu dem Ergebnis, daß für die Vereinigung für die Zollfragen keinerlei Bedürfnis bestehen kann, sich an einen der Zentralverbände anzulehnen. Die Verhältnisse in der Papier- Verarbeitung seien derartig kompliziert und die zollpolitischen Interessen so diffizil, daß wir schlechterdings nicht einer anderen Organisation ein Mitbestimmungsrecht einräumen könnten. Wir seien wohl oder übel auf uns selbst angewiesen, und wir seien in unserer Isolierung wohl auch am stärksten. An diesen Vortrag knüpfte sich eine lebhafte Erörterung, an der die Herren Kaufmann, Direktor Kraemer, Oesterreicher, Richter, Krause, Konsul Heuser und Direktor Keller teilnahmen. Es wurde beschlossen, einen Antrag an die Reichsregierung zu richten, der Papierverarbeitung eine ständige Vertretung im Wirtschaftlichen Ausschuß zu sichern. Ein besonderer Punkt der Tagesordnung betraf die Revision des deutschen Zolltarifs und die Vorbereitung der neuen Handelsverträge. Hierzu berichtete Syndikus Hager, daß bezüglich der künftigen Zölle auf die Erzeugnisse der Papierverarbeitung die Zollvereinigung mit ihren Ermittlungen nahezu zum Abschluß gekommen sei. In der Vorstandssitzung am 11. Dezember 1912 sei beschlossen worden, angesichts der bis dahin zutage getretenen Unstimmigkeiten in den Anträgen der Mitglieder nunmehr besondere Gruppenversammlungen abzuhalten, um in den einzelnen Zweigen der Papierverarbeitung eine einheitliche Stellungnahme zu den künftigen deutschen Zöllen herbeizuführen. Dabei handelte es sich hauptsächlich darum, die große Gruppe der Steindruckereibesitzer für ein geschlossenes Vor gehen zu gewinnen. Die bezüglichen Verhandlungen waren ziemlich langwierig und zeitraubend. Schließlich ist es aber in einer Sitzung in Leipzig zu einer vollen Einigung gekommen. Schon vorher wurde ■eine Einigung erzielt mit den Bunt- und Chromopapierfabrikanten, den Briefumschlagfabrikanten und mit den Papierausstattungs fabrikanten. In der Schwebe befinden sich noch Verhandlungen ■wegen der künftigen Zollbehandlung von Klischees und von chemi- graphischen und Tiefdruckerzeugnissen. Außerdem sind Verhand lungen gepflogen worden mit den Spielkartenfabrikanten. Näheres -darüber mitzuteilen ist augenblicklich nicht angezeigt. Was die künftigen Zölle auf die unbearbeiteten Papiere, Pappen und Halbstoffe anbetrifft, so sind wir unter uns längst einig. Es handelt sich jetzt nur noch darum, zwischen unseren Wünschen und denjenigen der Papier-, Pappen- und Halbstoff- Fabrikanten eine Verständigung herbeizuführen. Die bezüglichen Verhandlungen sind seit mehreren Wochen im Gange. Ueber die Vorbereitung der neuen Handelsverträge ist zur zeit wenig zu sagen. Wenn andere Vereine, namentlich ganz neu gegründte Vereine, in dem Bestreben, sich zu betätigen, schon vor längerer Zeit Umfragen wegen Erneuerung der Handelsverträge gehalten haben, so sind alle diese Umfragen und Ermittlungen verfrüht gewesen. Es hat zurzeit noch wenig oder gar keinen Wert, die Wünsche für die neuen Verträge zu sammeln. Denn an einen baldigen Beginn der Handelsvertragsverhandlungen ist noch nicht zu denken. Wenn jetzt Anträge für die Handelsverträge formuliert werden, so kann dies nur geschehen auf Grund der bestehenden Tarife, während die neuen Verträge doch zum großen Teil auf Grund neuer Zolltarife, abgeschlossen werden. Die Zollvereinigung hat deshalb bisher von allen Erhebungen und Umfragen wegen Er neuerung einzelner Verträge abgesehen. Nur bezüglich Rußlands haben wir eine Ausnahme gemacht. Nicht weil wir der Meinung sind, daß der Beginn der deutsch-russischen Handelsvertrags verhandlungen nahe bevorstehe, sondern weil der Deutsch-Russische Verein, dem wir als körperschaftliches Mitglied angeschlossen sind, mit seinen Umfragen bereits begonnen hat. Diese Aktion war natür lich ebenfalls verfrüht. Da aber einmal die Bewegung im Gange war, wollten wir, um uns nicht dem Verdacht auszusetzen, daß wir die Wahrnehmung wichtiger Interessen versäumten, nicht Zurück bleiben und haben am 2. April 1914 ebenfalls unsere Fragebogen zur Versendung gebracht. Sollte, was ziemlich wahrscheinlich ist, der russische Zolltarif in mehreren Punkten geändert werden, so müßten wir natürlich noch mal eine entsprechende Umfrage halten. Bei Punkt 5 der Tagesordnung (Rechnungslegung und Vor anschlag) wurde von mehreren Seiten betont, daß die Einnahmen der Zollvereinigung viel zu gering seien und in keinem Verhältnis zu den Leistungen der Vereinigung ständen. Die Zollvereinigung habe nur 20 000 M. Einnahmen, während z. B. dem Verein Deutscher Papierfabrikanten 52 000 M. an Einnahmen zufließen. Aehnlich lägen die Verhältnisse bei anderen großen Fachverbänden. Es wurde beschlossen, einen Ausschuß einzusetzen, der Mittel und Wege suchen soll, um neue Einnahmequellen zu erschließen. Namentlich sollen diejenigen Mitglieder, die einen im Verhältnis zur Bedeutung ihrer Firma zu geringen Beitrag leisten, zu höheren Beiträgen heran gezogen werden. Auch soll der Ausschuß prüfen, wie etwa durch Aenderung der Satzung eine Vermehrung der Mitgliederbeiträge sicherzustellen sei. In den Ausschuß wurden gewählt die Herren Kaufmann (als Vorsitzender), Kommerzienrat Förster, Direktor Kraemer und Krause. Die satzungsgemäß aus dem Vorstand ausscheidenden Mitglieder Herren Ebhardt, Hannover, Direktor Kraemer, Berlin, Schupp, Dresden, Direktor Westphal, Berlin, und Direktor Wiskott, Breslau, wurden wieder- und Herr Berberich, Heilbronn, als Vertreter des Papiergroßhandels neu in den Vorstand gewählt. Zum Vorsitzenden wurde wieder Herr Richter, Nürnberg, und zum stellvertretenden Vorsitzenden wieder Herr Kaufmann, Fürth, gewählt. Herrn Richter wurde zum Schluß für seine ausgedehnte Tätig keit im Vorstand und für seine vorzügliche Leitung der Haupt versammlung der Dank der Anwesenden ausgesprochen. Entwicklung des Verlegereinbandes Auf der „Bugra" führt uns die Berliner Großbuchbinderei' von Lüderitz & Bauer den „modernen Einband in Deutschland von seinen Anfängen bis zur Gegenwart” vor. Trotzdem sie uns nur Erzeugnisse ihres Betriebes zeigt, gelingt es ihr doch, uns ein lückenloses Bild zu liefern von den geschmacklichen Wandlungen, die der moderne Verlegereinband in nicht mehr als zwei Jahrzehnten erfahren hat. In den ersten fünf Jahren von 1895 bis 1900 fühlt man zwar den guten Willen, die Ver zierung des Einbandes nach künstlerischen Gesichtspunkten zu gestalten, aber es ist alles mehr ein Tasten als ein ziel bewußter Weg. Noch glaubt man, daß es auf möglichst reich haltigen, dekorativen Schmuck der Einbanddecke ankommt. Auch die Jahre von 1901 bis 1910 bringen noch keine Klärung, erst in den letzten 4 Jahren von 1911 bis 1914 tritt der eigent liche Aufschwung ein und das, was dem deutschen Verleger- einbande seine hervorragende Stellung geschaffen hat. Neue eigenartige Papiere entstehen. Materialien werden für den Einband entdeckt, bisher vernachlässigte kommen in Aufnahme. Auch in der Zusammenstellung der Einbandstoffe ist alle Un sicherheit und Aengstlichkeit entschwunden. Sehr interessant ist es zu beobachten, wie hierin am meisten Buchkünstler um gelernt haben, die sich früher einen Einbandentwurf garnicht anders denken konnten, als mit ornamentalem oder figürlich illustrativem Bunt- oder Golddruck, zu dem sie die Zeichnung lieferten. Auch sie haben inzwischen gelernt, welche künst lerische Wirkung allein schon im Papier, Leinen oder Leder liegen kann. Lüderitz & Bauer haben anläßlich ihrer Bugra-Ausstellung eine kleine geschmackvoll ausgestattete Schrift herausgegeben, die von diesen Wandlungen des Verlegereinbandes und von der Entwicklung ihres Hauses erzählt. Wir erfahren darin, wie englische Buchhändler anfangs der 50er Jahre des 19. Jahr hunderts das Vorbild zum heutigen Verlegereinband schufen,, indem sie Verlagswerke fertig in Ganzleinen gebunden mit Gold- und Blindpressung verziert auf den Markt brachten. Einige Jahre später greifen die Deutschen Verleger das auf; Mitte der 60 er Jahre erschienen die Hempelschen Klassikerausgaben in roten, violetten, braunen oder dunkelgrünen Kalikodecken gebunden mit dem Porträt des betreffenden Dichters in Relief prägung auf dem Vorderdeckel. So war der Anfang für den deutschen Verlagseinband geschaffen. Zuerst kannte man nur