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Nr. 62 219ug DDAPIER-VERARBEITUNG ■ Buchgewerbe ~ Berliner Typographische Gesellschaft und Berliner Faktoren-Verein hatten sich am Mittwoch, 29. Juli, kameradschaftlich vereinigt, um den Besuch von Buchdruckerei- Faktoren aus Oesterreich-Ungarn in Berlin willkommen zu heißen. Die Gäste wurden in der sechsten und siebenten Abendstunde auf dem Anhalter Bahnhof von den Berliner Kollegen erwartet und zum nahen Hotel Excelsior geleitet. Abends 8 Ehr fand im Bier haus Bayernhof, Potsdamer Str. 10-11, die Begrüßung der Gäste bei gemeinschaftlichem Abendessen und anschließendem geselligem Beisammensein statt; die plötzlichen Kriegsereignisse in Oester reich-Ungarn hatten freilich die Zahl der erwarteten Gäste stark vermindert, die, auf 60—80 angenommen, le'der nur einige zwanzig Herren mit mehreren Damen betrug. Die Freude über den kollegialen Besuch war jedsch darum nicht minder groß, und der Raum für die erste Zusammenkunft, der in goldschimmernder Mosaik glänzende Minnesängersaal des Bayernhofes, erwies sich als äußerst glücklich gewählt; in dem schönen Saale mit seiner hervorragenden Raumwirkung fanden sich die Teilnehmer, gegen 200 Herren mit ihren Damen, an drei langen Tafeln in angeregtester Stimmung zusammen. Herr Sohr, Vorsitzender des Berliner Faktoren-Vereins, hieß ■die österreichisch-ungarischen Gäste nach einleitendem Gesangs vortrage des „Grüß Gott“ der Vereins-Liedertafel mit herzlichen Worten willkommen; wenn auch zahlreiche Herren noch in Leipzig unerwartet die telegraphische Kriegseinberufung erreichte, so daß aus Wien nur 8, aus Budapest nur 15 Herren anwesend seien, so freuten sich die Berliner Kollegen doch, diese Herren, zumeist schon seit Jahren gut befreundet, heute in der Reichshauptstadt, zugleich •als Vertreter der wieder Heimgerufenen begrüßen zu können; er wünsche allen lieben Gästen, daß sie sich den für sie geplanten Ver- anstaltungen in freudiger Teilnahme widmen möchten. Herr Könitzer als Vorsitzender der B. T. G. betonte in seinem Will kommen die allen Kollegen gemeinsamen Bestrebungen, dem Buch druckgewerbe zu nützen und in dem Studium seiner Grundlagen neue Fortschritte anzubahnen; der in Leipzig auf der Bugra ge sehenen Fachtechnik könnten die Herren aus Oesterreich-Ungarn hier in Berlin einen kurzen Einblick in die Praxis hinzufügen. Sein Spruch gelte der kollegialen Freude am Beruf und der gemeinsamen Förderung der Fach interessen. Herr Remmler begrüßte für den Vorstand des Faktorenbundes die Zusammenkunft als Vorspiel zum Faktorentag in Leipzig. Als Sprecher der Gäste dankte zunächst Herr Siegmund Fuchs für den schönen Empfang und ließ seinen Trinkspruch auf Berliner Vorstand und Kollegen mit einem herzlichen „Grüß Gott — Gott grüß die Kunst" ausklingen. Herr Schär überbrachte die Grüße der abwesenden Kollegen und Herr Gertner aus Wien, von lebhaftem Beifall begrüßt, verband mit seinem persönlichen Danke die Er innerung an die vor zwei Jahren an der Donau gemeinsam verlebten Tage. ‘ .. . Die Liedertafel des Berliner Faktoren-Vereins trug mit aus gezeichnet vorgetragenen Liedern zur festlichen Stimmung des Abends bei; ihr Dirigent Herr Ludwig Dosse erfreute auch durch prächtigen Sologesang in Liedern von Schubert. Mit gutem Humor wußte Herr Erler, zweiter Vorsitzender der B. T. G., seine Festrede zu schmücken; die Zusammengehörig keit des gesamten Buchdrucks, wie sie in früheren Jahrhunderten ganz eigenartig bestanden habe, zeige sich jetzt wieder auch in Leipzig, wo man den Eindruck von der gewaltigen Macht des Buchdrucks empfange. Mit heiterem Geleitwort zur gemeinsamen Leipziger Fahrt fand Herr Erler die fröhliche Zustimmung der Versammlung. Ein kräftiges „Eljen", das an diesem Abend öfters ertönte, widmete Herr Wagner aus Budapest den Berliner Kollegen und pries die gastliche Aufnahme bei dem „Spritzer nach Berlin". In hervorragender Weise brachte das Doppelquartett der Faktoren-Liedertafel mehrere Lieder zu Gehör. Als Senior der Berliner Kollegen widmete Herr Fritz Wimmer warmempfundene Worte der bevorstehenden internationalen Zu sammenkunft des Faktorenbundes, die sich in ihrer Entstehung auf die einstige Initiative des Berliner Faktoren-Vereins und in der weiteren Entwicklung auf den in Weimar entstandenen Faktoren- Bund gründe; seine guten Wünsche galten der strebsamen Intelligenz und den Arbeiten des Kongresses. Herr Georg Seidel aus München, der mit seiner Gattin er schienen war und Grüße der bayerischen Kollegen überbrachte, wußte kernige Worte guter Kameradschaft zu finden und bot den Herren aus Oesterreich-Ungarn einen kräftigen Willkomm im Deutschen Keich. Gemeinsames Lied und fröhliche Rede hielten die Versammelten noch lange beisammen. : Sch. Vereinigung für die Zollfragen der Papier ver arbeitenden Industrie und des Papierhandels (Auszug aus der Niederschrift der ordentlichen Mitgliederversammlung in Leipzig, den 4. Juni 1914} Der Vorsitzende, Herr Hermann Richter, Nürnberg, teilte über den Stand der Vereinigung mit, daß die Zollvereinigung im letzten Geschäftsjahr erheblich an Ausdehnung gewonnen hat, sowohl durch den Beitritt von Einzelfirmen, als auch durch den Anschluß von körperschaftlichen Mitgliedern. Die Zahl der Einzelmitglieder hat sich von 176 auf 198 erhöht, die Zahl der körperschaftlichen Mitglieder von 16 auf 21. Unter den neu hinzugetretenen körper schaftlichen Mitgliedern befinden sich: Verein Deutscher Zeitungs- Verleger, Zentral-Verband Deutscher Kartonnagen-Fabrikanten, Verband Süddeutscher Kartonnagenfabrikanten, Schutzverband der Berliner Kartonfabrikanten, Verband Deutscher Buchbinderei besitzer, Papierhülsen-Verkaufsgesellschaft G. m. b. H. Inzwischen, haben sich noch angeschlossen der Verband Deutscher Tüten- und Papierwarenfabrikanten und das Tiefdruck-Syndikat. Damit ist ein lückenloser Zusammenschluß der gesamten Papierverarbeitung erreicht. Denn große und ausschlaggebende Verbände stehen nun nicht mehr außerhalb der Zollvereinigung. Ueber die handelspolitische Lage erstattete Herr Syndikus Hager einen eingehenden Bericht. Er führte aus, daß die Reichs regierung, wie die Erklärung des Staatssekretärs Dr. Delbrück in der Reichstagssitzung vom 20. Januar gezeigt habe, ihren Plan bezüglich der Herausgabe einer Novelle zum deutschen Zolltarif geändert habe und daß demgemäß auch die zollpolitischen Arbeiten der industriellen Interessenvertretungen eine Aenderung erfahren haben. Wenn die Reichsregierung diesmal nicht wie im Jahr 1909 zuerst unter allen Vertragsstaaten eine Zolltarifnovelle veröffent lichen wolle, sondern dem Ausland den Vorrang bei der Veröffent lichung der neuen Tarife überlasse, oder doch wenigstens so spät mit einer Tarifnovelle herauskomme, daß ein getreuliches Kopieren, derselben seitens des Auslandes nicht mehr so leicht möglich sei, so könne man das nur billigen. Im übrigen aber sei die Erklärung vom 20. Januar nicht unbedenklich gewesen, was Redner im einzelnen näher ausführt. Der Vortragende verbreitet sich dann über die ganze Kon stellation der Machtfaktoren, die in der Zollpolitik ein Wort mit zusprechen haben und behandelt zunächst die agrarischen Zoll wünsche. Im Anschluß daran wird die Anfreundung zwischen dem Bund der Landwirte und dem Zentralverband Deutscher Industrieller in ihren Wirkungen erörtert und auf die unsichere und widerspruchs volle Haltung des Bundes der Industriellen hingewiesen, der keines falls als eine tatkräftige Interessenvertretung der Verfeinerungs industrie angesehen werden kann. Namentlich die Papier-Ver arbeitung könne dem Bund der Industriellen wenig Vertrauen ent gegenbringen, da er sich schon vor längerer Zeit verpflichtet habe, für die erhöhten Zollforderungen der Papier-, Pappen- und Halb stoff-Fabrikanten einzutreten. Des weiteren- behandelt der Redner die Stellung der Zoll vereinigung innerhalb der Gesamtorganisation der zollpolitischen Vorarbeiten für Zolltarif und Handelsverträge. Auf den Wirtschaft lichen Ausschuß im Reichsamt des Innern seien große Hoffnungen nicht zu setzen, so lange nicht die Papierverarbeitung einen eigenen Vertreter in diesem Ausschuß habe. Die Anregung des Hansa- Bundes, den jeweilig zugezogenen Sachverständigen auch ein Stimm recht im Wirtschaftlichen Ausschuß zu geben, könne nicht befriedigen, da keine Verpflichtung besteht, die Sachverständigen zu allen Sitzungen einzuladen. Unzweckmäßig seien auch die Vorschläge des Bundes der Industriellen, wonach der Wirtschaftliche Aus schuß durch Bildung von 'Unterkommissionen neu organisiert werden soll, weil diese Unterkommissionen sich anlehnen sollen an das gänzlich veraltete Schema der Gewerbegruppen unserer Reichs betriebszählung. Redner weist im einzelnen nach, daß es in diesem Schema eine Papierverarbeitung überhaupt nicht gibt, sondern nur verschiedene vollständig auseinandergerissene und falsch ab gegrenzte Gruppen, die weder den Verhältnissen der Papiermacherei noch den Verhältnissen der Papierverarbeitung gerecht werden. Wer sich aus der amtlichen Betriebsstatistik ein Bild von der deutschen Papierverarbeitung machen wolle, sei immer versucht, die Zahlen in der Gruppe „Buchbinderei und Kartonnagenfabrikation" zu Rate zu ziehen. Da finde man 15 462 Betriebe mit 108 167 be schäftigten Personen. Nach den beiden Berufsgenossenschaften betrage aber allein schon die Zahl der versicherten Personen 326 000. Das vor etwa drei Jahren gegründete Handelspolitische Ver ständigungs-Komitee, in dem auch die Zollvereinigung Sitz und Stimme habe, habe sich leider als nicht besonders aktionsfähig