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2004 PAPIER-ZEITUNG Nr. 59/1914 Schläge gemacht, die Sie im Jahresbericht des Papierindustrie- Vereins vom Jahre 1913 Seite 78 abgedruckt finden, und denen man ohne Bedenken zustimmen könnte. Wenn die Rufer im Streite sich nur mit dem Anträge Lobe beschäftigen würden, hätten wir keine Veranlassung, darüber zu klagen; aber die Herren begnügen sich damit nicht und wünschen, wie bereits gesagt, das vollständige Verbot von Zugaben ob mit oder ohne Reklame und wollen nur die Hergabe „wertloser Kleinigkeiten’’ gestatten. Sie schütten damit das Kind mit dem Bade aus. Nun werden Sie ja begreifen, daß es keinen Gegenstand gibt, der nicht für irgend eine Person einen Wert hätte, daß der Aus druck „wertlose Kleinigkeiten” demnach ein sehr dehnbarer ist, und es kann vorkommen, daß in Insterburg oder Gnesen ein kleiner Spiegel oder Notizbuch schon keine wertlose Kleinig keit mehr ist, während in Düsseldorf oder Frankfurt a. M. noch ein eingerahmtes Bild nicht als wertvolles Geschenk angesehen wird. Es ist dann jedem einzelnen Richter überlassen, was er als wertlos und wertvoll ansieht, und es muß unfehlbar eine Unsicherheit einreißen, die jeder Beschreibung spottet. Durch die Zugabe von Artikeln mit aufgedruckter Firmen reklame kann eine Verschleierung des Verkaufes nicht stattfinden; denn es werden den Kunden Reklameartikel in Form eines Kalenders, Notizbuches, Bilderbuches usw. gewährt, der be stimmt ist, an erster Stelle die Empfehlung zu verbreiten. Welche bedeutenden Störungen durch den Antrag Hammer im Reklamefach hervorgerufen wurden, ist kaum zu schildern. Eine Anzahl Geschäftsleute haben ihre Aufträge unter der Begründung zurückgezogen, daß sie befürchten müßten, bei Hergabe von Zugabeartikeln bestraft zu werden; andere wieder unterlassen die Bestellung aus dem gleichen Grunde, und die Umsätze gehen daher mächtig zurück. Wir haben die Kreise der Mittelständler mit ihrem Rabatt sparwesen bisher nicht gestört. Es wäre uns ein leichtes ge wesen, das große Publikum zu überzeugen, daß sie den Rabatt in den Waren mit bezahlen müssen, daß sie somit durch Ein kauf bei Mitgliedern der Rabattsparvereine keine Vorteile, sondern eher Nachteile haben. Nachdem wir es bisher kulanter weise unterlassen haben, den Kampf aufzunehmen — denn unser Grundsatz ist „leben und leben lassen” — hätten wir erwartet, daß die Mittelständler uns nicht der Existenzmöglichkeit be rauben und uns auch in Ruhe unsere Kalender und Reklame artikel verkaufen ließen. Ich bitte Sie auch, zu berücksichtigen, daß das Reklame fach durch die schädigenden Handelsverträge stark beein trächtigt wurde und augenblicklich zum größten Teil auf den deutschen Markt angewiesen ist. Es wurde erst gestern in der Mitglieder-Versammlung der Vereinigung für die Zollfragen erwähnt, welcher große Schaden der inländischen Konkurrenz entsteht, wenn durch zu hohe Zölle des Auslandes der größte Teil der Produktion in Deutschland auf den Markt geworfen wird, wie sehr die Preise gedrückt werden, und das ist im Reklamefach leider der Fall. Wenn in der geschilderten schwierigen Lage dieser Industrie seitens der Gesetzgebung, nur um dem Mittelstände helfen zu wollen, Knüppel zwischen die Beine geworfen werden, dann wird die Existenzmöglichkeit erschwert. Es werden im Reklamefach Umsätze von 50—60 Millionen M. erzielt, die hauptsächlich die papierverarbeitende Industrie decken, und wenn eine derartig einschneidend gesetzliche Aenderung geplant ist, die unser Fach auf das empfindlichste mit nimmt, dann ist es dringende Notwendigkeit, auf dem Posten zu sein, denn es haben sich eine große Zahl Fabrikanten auf die Herstellung und den Vertrieb der Reklameartikel maschinell derart eingerichtet, daß sie, wenn der Antrag Hammer Gesetz wird, ruiniert würden. Es würde mehr Schaden herbeigeführt, als die Rückschrittler annehmen. Schon viele -Arbeiter-Ent lassungen haben stattgefunden und weitere stehen noch bevor. Die Absicht, dem Mittelstände mit diesem Gesetz zu helfen, wird aber ins Gegenteil verwandelt. Man nimmt dadurch den kleinen Geschäftsleuten das beste Reklamemittel. Während der große Detaillist, der einen bedeutenden Umsatz erzielt, in der Lage ist, sich durch ganze oder halbseitige Inserate in den Tageszeitungen dem Publikum in Erinnerung zu halten, kann sich der kleine Geschäftsmann und Handwerker einen derartigen Luxus nicht erlauben, denn seine verhältnismäßig kleinen Inserate kommen gegen die der Kauf- und Warenhäuser nicht mehr auf. Wenn das geplante Gesetz nun in Kraft treten sollte, würde es den kleinen Geschäftsleuten das beste Reklamemittel nehmen, aber nicht Unternehmungen treffen, die vermöge ihres Um satzes und Kapitals imstande sind, sich auf verschiedene andere Weise zu helfen. Nun hätte man geglaubt, daß die Regierung durch die gut begründeten Eingaben verschiedener Fachverbände, u. a. des Papierindustrie-Vereins, des Schutzverbandes für die Reklame- Industrie, der Buchholzer Konvention, der Block-Konvention und verschiedener einzelner Firmen sich überzeugen lasse, aber weit gefehlt! Heute wird auf den Mittelstand in jeder Beziehung Rücksicht genommen und nicht geprüft, wie die Industrie dabei fährt. Der neue preußische Minister des Innern von Löbell hat sich am 27. März 1914 im preußischen Herrenhause vorgestellt und in der Antrittsrede erwähnt, daß er bei allen gesetzlichen Maßnahmen, die die Regierung beantragen wird, vor allem auf den Mittelstand Rücksicht nehmen würde. Ich habe nichts dagegen, und ich bin der letzte, der die Existenzberechtigung des Mittelstandes verkennt, die Regierung muß aber die Industrie und den Handel ebenso berücksichtigen und sich bei allen gesetz lichen Maßnahmen fragen, ob die Industrie dabei nicht zu Schaden kommt. Es wird eben nach dem Prinzip verfahren, das Fürst Bülow seinerzeit auf die Angriffe wegen der schlechten Handelsverträge zum Ausdruck gebracht hat, indem er meinte, die Industrie wäre anpassungsfähig und würde sich mit den neuen Verhältnissen leicht abfinden. Auf eine Anfrage betreffs des Antrages Hammer hat der preußische Handelsminister Dr. Sydow am 4. März 1914 im Abgeordnetenhause geantwortet: Das Zugabewesen kann ich mit wenigen Worten hier er ledigen. Die Berichte, die ich von den Handelskammern einge fordert habe, haben das Ergebnis gehabt, daß sich die Handels kammern in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit für ein gesetz liches Eingreifen ausgesprochen haben. Es ist ziemlich all gemein anerkannt worden, daß das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb hier nicht ausreicht, weil es eben nicht leicht möglich ist, zu beweisen, daß dabei unrichtige Angaben gemacht seien. Anderseits sind die durch das Zugabewesen entstandenen Schäden erheblich. Wir prüfen jetzt gerade, wie sich ein Weg finden läßt, diesen Mißständen eventuell auf gesetzlichem Wege entgegenzutreten. Ich werde darüber natürlich mit den zu ständigen Ressorts Preußens und des Reichs in Verbindung treten müssen. Jedenfalls will ich, was an mir liegt, tun, die Sache zu fördern. Sie sehen, daß alle Proteste nichts helfen und ein Gesetz im Werden ist, das unser Fach schwer zu schädigen geeignet ist. Wir stehen auf dem Standpunkte, daß eine Aenderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb nicht notwendig ist, und daß wir mit den bestehenden Gesetzen alle Auswüchse des kaufmännischen Lebens beseitigen können. Sollte man aber das Gutscheinwesen bekämpfen wollen, dann müsse man auf jeden Fall die Zugaben mit Reklameaufdruck in der weitestgehenden Form freigeben. Die preußische Regierung scheint in den Reichsressorts doch nicht die Gegenliebe zu finden, die sie sucht, denn in der Reichstagssitzung vom 28. Januar 1914 hat der Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär Dr. Delbrück, auf eine An frage betreffend Verbot des Zugabewesens folgende Erklärung abgegeben: Es sind Beschwerden gegen den unlauteren Wettbewerb, das Zugabewesen betreffend, geführt worden. Alle diese Fragen, die uns jetzt erneut zur gesetzgeberischen Lesung empföhlen werden, haben wir sehr eingehend bei der Beratung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb im Jahre 1909 erörtert, und wir sind damit zu dem Endergebnis gekommen, daß eine weitere kasuistische Ausgestaltung des Gesetzes nicht wünschenswert ist. Ich habe auch vorläufig den Eindruck, daß die Hilfsmittel, die das Gesetz vom Jahre 1909 gibt, noch nicht überall mit dem richtigen Verständnis und der richtigen Energie ausge nützt werden. Diese Antwort hat sich der preußische Finanzminister zu eigen gemacht, und hat an die Vorsitzenden der Gewerbesteuer- Veranlagungs-Kommissionen ein Ersuchen gerichtet, die Zugabe artikel durch die bestehenden Gesetze zu bekämpfen. Nun ist man in Köln auf ein Mittel verfallen, das bestimmt ist, die Umsätze in unserem Fach auf ein Minimum zu redu zieren. Die Kölner Steuerbehörde hat einige Firmen zur Waren haussteuer herangezogen, da diese Kalender und andere mit Reklame versehene Zugabeartikel unter der Bedingung eines bestimmten Einkaufes verschenkten. Wie Ihnen bekannt, dürfen Geschäftshäuser, die einen Jahresumsatz von mehr als 400 000 M. machen, nur Artikel der Warengruppen, die im § 6 des Waren haussteuer-Gesetzes ausgeführt sind, führen. Die Einteilung ist derart, daß Gruppe A Lebensmittel, Drogen, Parfümerien