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1902 ' PAPIER-ZEITUNG Nr. 56/1914 Mehltauartiger Beschlag auf Glacepapier Beim Bekleben von Karton mit Glacepapier, dessen Farb auftrag teils aus reinem Satinweiß, teils aus 70 v. H. Satinweiß und 30 v. H. Ton unter Zusatz von Kaseinlösung besteht, erscheint auf der Oberfläche der fertig beklebten Kästen ein mehltauartiger Belag, aber nur dann, wenn ein kalter Pflanzenleim, sogenannter weißer Sichelleim, verwendet wurde, und wenn die Kästen, ohne daß sie richtig trocken sind, in größeren Mengen aufeinander gestellt wurden. Der Kunde weigert sich, anderes Beklebematerial als Sichelleim zu ver wenden oder die Kästen, bis sie getrocknet sind, einzeln zu stellen. Wie kann die Erscheinung des mehltauartigen Belags vermieden werden ? Buntpapier-Fabrik. Wir baten die Chemische Fabrik „Ummer” Ferdinand Sichel, die Herstellerin des Sichelleims, um Beantwortung dieser Frage. Die Antwort lautet: Ein derartiger Belag kann nur entstehen, wenn auf dem Glacepapier unter allzulanger Einwirkung von Feuchtigkeit Ausscheidungen stattfinden. Gerade deshalb empfehle ich bei verschiedenen Sorten Glacepapier sogenannten wasserarmen Sichel-Leim, also Leim, der nicht so stark durchfeuchtet. Dieser Leim ist besonders auch dann zu empfehlen, -wenn bei Massen- herstellung von Kästen ein ausreichendes Lüften nicht immer möglich ist. Ich stelle meinen Sichel-Leim in verschiedenen Qualitäten, in der Hauptsache schnelltrocknend und langsam trocknend, her. Der Fragesteller müßte mir nun zunächst bekannt geben, welche Sorte er zum Bekleben verwendet, und mir auch eine Probe des Glacepapiers sowie einen Kasten einsenden, auf welchem die Ausscheidungen zu sehen sind. An Hand dieser Mitteilung und Mustersendung werde ich in der Lage sein, an dieser Stelle genau zu sagen, um welche Bestandteile es sich bei den Ausscheidungen handelt, wie dem Uebelstande abzu helfen ist, ob die richtige Sorte Sichel-Leim verwandt oder welche Sorte im Hinblick auf die Zusammensetzung des Glacepapiers die geeignetste ist. * * * Es wird Klage geführt, daß bei Verwendung von Glacpapier, welches mittels Satinweiß und Blanc fixe hergestellt worden ist, ein mehtauartiger Beschlag auf der Oberfläche entsteht, sobald zum Bekleben sog. „Sichelleim“ verwendet wird, während bei Verwendung von anderem Leim diese unerwünschte Erscheinung nicht beobachtet wird. Ich lege Ihnen 2 Muster von Pappen bei. Muster a entstammt einer Kartonfabrik, wo die Kartons in schneller Reihenfolge hinter einander zu Hunderten hergestellt und in feuchtem Zustande auf einander gesetzt werden. Das Muster b wurde aus demselben Glace papier lediglich zu Versuchszwecken als Einzeltafel angefertigt. Kann ein derartiges Beschlagen auch bei Verwendung von Sichelleim vermieden werden ? Woraus besteht dieser Belag ? Gleichzeitig lasse ich Ihnen ein Muster des sog. Sichelleims zugehen, bei dessen Verwendung die Ihnen geschilderten Schwie rigkeiten eintreten. Tonwerk. Gutachten eines Mitarbeiters : Die Beurteilung dieses Falles wurde dadurch erschwert, daß wohl eine Probe des zum Be kleben verwandten Pflanzenleimes, nicht aber ein noch un aufgezogenes Stück des Glacepapiers für Versuche zur Ver fügung stand. Prüfung des Pflanzenleimes mit blauem Lackmuspapier hat ergeben, daß dieser schwach sauer reagiert, und in dieser Beschaffenheit des Leimes ist anscheinend die Erklärung für die bemängelte Erscheinung zu suchen. Die Streichfarbe zur Herstellung von Glacepapieren ent hält emulsioniertes Wachs oder Erdwachs zur Erzielung höheren Glanzes beim Satinieren. Diese Emulsion wird so hergestellt, daß das Wachs in Wasser unter Zusatz von Alkalien, z. B. Natron, Borax, Soda usw., verseift wird. Es ist möglich, daß der im Leim enthaltene Ueber- schuß an Säure neutralisierend auf die zur Emulsion benutzten Alkalien und damit abbindend auf die in der Streichfarbe ent haltenen emulsionierten Fettstoffe gewirkt hat, und daß sich infolgedessen Wachsteilchen aus dem Farbaufstrich ausge schieden und auf der Oberfläche des Glacöpapiers als mehltau artiger Beschlag abgelagert haben. Der auf dem mir vorliegenden, mit Pflanzenleim beklebten Kartonabschnitt bemerkbare Niederschlag läßt sich leicht ab reiben und fühlt sich fettig an. Zur weiteren Beurteilung des Falles wurde sowohl von dem mit Pflanzenleim, als auch von dem mit Tierleim beklebten Kartonabschnitt etwas von der Streichfarbe abgeschabt und mit etwas Wasser verrührt, wobei festgestellt wurde, daß die aus dem mit Pflanzenleim geklebten Glacpapier gewonnene Farbauflösung auf Lackmuspapier schwach sauer, die aus dem mit Tierleim geklebten Glacepapier gewonnene Lösung aber ausgesprochen alkalisch reagierte. Auch diese Erscheinung spricht also für die Richtigkeit obiger Annahme. Wenn außerdem die mit dem sauren Pflanzenleim geklebten Kartone in noch feuchtem Zustande auf einander geschichtet wurden, konnte die Säure noch länger neutralisierend auf die Alkalien der in der Streichfarbe enthaltenen Emulsion wirken, wodurch die Abbindung und Ausscheidung der emulsionierten Fette begünstigt wurde. Es sei dem Fragesteller geraten, den von ihm zu ver wendenden Pflanzenleim vor dem Gebrauch durch Zusatz einer kleinen Menge schwacher Sodalösung zu neutralisieren oder schwach alkalisch zu machen. Die nötige Menge des Sodazusatzes muß durch Versuche festgestellt werden, bei Prüfung der Leim lösung mit blauem Lackmuspapier soll sich dessen Färbung nur ganz unwesentlich noch etwas mehr nach dem blauen Ton hin verändern. Mit diesem schwach alkalisch gemachten Leim werden Klebversuche zu machen sein, wobei die beklebten Kartontafeln ebenfalls in noch feuchtem Zustande aufeinander geschichtet werden müssen, damit festgestellt werden kann, inwieweit die durch das Aufeinanderschichten der Tafeln zurück gehaltene Leimfeuchtigkeit Einfluß auf das Zustandekommen der bemängelten Erscheinung hat. Sollte durch meinen Vorschlag, den Pflanzenleim zu ent säuern oder schwach zu alkalisieren, die bemängelte Erscheinung nicht beseitigt werden können, so müßte deren Ursache in der Beschaffenheit des Glacepapiers zu suchen sein, in diesem Falle möge Fragesteller der Papier-Zeitung einige Bogen des Papiers zu weiterer Untersuchung zugehen lassen. V. W. Flachliegen gummierter Reklamemarken Trotz aller Versuche ist es mir nicht möglich, die in meiner Fabrik hergestellten Reklamemarken flachliegend nach dem Gummieren zu halten. Sobald dieselben kurze Zeit frei liegen, rollen sie sich zu sammen. Da wird nun seit einiger Zeit ein Klebstoff verwendet, welcher die Unannehmlichkeiten wesentlich einschränkt, und ich bitte, mir Namen des Stoffes sowie des Erzeugers nennen zu wollen. Der gesuchte Klebstoff sieht gelblich aus und schmeckt doch wenig nach Dextrin. Beifolgend gebe ich Ihnen einige meiner Marken, an denen Sie den Uebelstand bemerken werden. X. Antwort eines Mitarbeiters: Das Zusammenrollen der gummierten Reklamemarken führe ich teils auf das Papier und teils auf den Klebstoff zurück. Das Papier scheint auf der zu gummierenden Rückseite nicht genügend leimfest zu sein, und dann schlägt der Klebstoff sehr leicht ein, der nach dem Trocknen das Zusammenziehen des Papiers und damit das Rollen oder Krümmen verursacht. Der schwache Geruch der Gummierung läßt auf Dextrin schließen, das vielleicht der Hauptbestandteil des Klebstoffes ist. Das bessere Dextrin erfüllt sehr gut seinen Zweck als Gummiersatz, wenn es sach gemäß zubereitet wird. Die Klebefähigkeit, leichte Verstreich barkeit, Dauerhaftigkeit und die entsprechende Elastizität erzielt man aber nur, wenn die Zubereitung des Klebstoffes dem jeweiligen Zweck entsprechend erfolgt; z. B. ist zum Gummieren von Papieren folgende Vorschrift beachtenswert: 1 kg Dextrin wird mit % Liter kaltem weichem Wasser (Fluß-, Regen- oder destilliertem, aber niemals hartem Wasser) etwa 10 Minuten lang gründlich verrührt, und wenn keine Klümpchen mehr vorhanden sind, stellt man die Masse im Emaillegeschirr auf eine heiße Ofenplatte, doch niemals unmittelbar auf die Flamme. Wenn bei langsamem und beständigem Rühren sich eine milchige Veränderung und das Blasensteigen zeigt, dann ist das Geschirr abzuheben, denn Kochen darf die Lösung nicht. Nachher ist das Dextrin in einen Napf zu gießen, wo es abkühlen muß, alsdann sind etwa 30 g reines Glycerin sowie 20—30 g für sich in weichem Wasser aufgelöster Zucker und kurz vor Beginn des Gummierens eine Wenigkeit roher, d. h. ungekochter frischer Milch dazu zu geben, durch welche Zutaten das Rollen der Papiere und das Schäumen der Lösung verhindert wird. Zeigt sich die nun fertige Streichlösung als zu dick, so ist zum Verdünnen niemals kaltes unaufgekochtes Wasser zu benutzen, weil sich dann sofort der widerliche Dextringeruch einstellt, sondern es muß abgekochtes, weiches Wasser benutzt werden, welches völlig abgekühlt sein soll. Die Verdünnung des Klebstoffes ist entsprechend den Papieren so vorzunehmen, daß man niemals mit zu wässerigen Lösungen gummiert, wenn es sich um schwach geleimte Papiere handelt. Die mit der hier angegebenen Dextrinlösung erzeugten Streichschichten zeigen einen schwach gelblichen Schein und hohen Glanz. Brüchig- oder Sprödewerden ist ausgeschlossen.