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DDAPIERVERARBEITUNG H BÜ CH G EWER RE UH England auf der Leipziger Buchgewerbe- Ausstellung Das Englische Haus auf der Leipziger Buchgewerbe-Aus stellung ist die Nachbildung eines englischen Herrensitzes aus der Tudorzeit. Man ist in dem Bemühen, den Geist jener Zeit widerzuspiegeln, soweit gegangen, nicht nur genau die Maße des Originals zu benutzen, sondern man hat sogar ganze Teile wie den Eingang mit dem Wappen darüber in Gips abgegossen und davon -in Leipzig das Positiv hergestellt. Dasselbe Ver fahren ist bei Herstellung des Gartens zur Seite angewendet worden; die Vasen, sogar die alten Steinplatten mit ihren aus getretenen unregelmäßigen Fugen und die Brunneneinfassung sind nach Gipsabgüssen gemacht. Die von der englischen Regierung mit der Herstellung der britischen Abteilung betraute Kommission besteht aus den Herren Edmund Wyldbore Smith, H. Langridge, der auch dem Kollegium der Preisrichter angehört, und dem Ingenieur H. G. Marchant. Ein zahlreiches Komitee, aus den bekanntesten Verlegern und Männern der Wissenschaft in England und Schottland bestehend, stand der Kommission bei Auswahl und Zusammenstellung der Bücher und Zeichnungen, deren Kostbarkeit verblüfft, mit ihrer Sachkenntnis zur Seite. Im Mittelpunkt des geistigen Lebens nicht nur Englands, sondern der ganzen Welt steht der größte Dramatiker aller Zeiten — Shakespeare, deshalb wurde als äußerer Rahmen ein typischer Herrensitz aus derZeit Shakespeares gewählt; der Empfangsraum ist mit Tischen, Stühlen und Schränken aus Shakespeares Zeit in Originalen ausgestattet, der Mittelraum blieb für die Vorführung der Entwicklung unseres Buchgewerbes Vorbehalten, und die beiden großen Seitenräume wurden nach dem Muster der Bibliotheken der beiden ältesten englischen Universitäten Oxford und Cambridge eingerichtet. Dort sind zeitlich geordnete Nachbildungen der ersten Publikationen von Dramen und Sonetten Shakespeares, mit dem Jahr 1592 beginnend. Es folgen in geschichtlicher Reihe Gesamtausgaben, kritische Ausgaben, Werke über Shakespeare, Prachtwerke mit und ohne Illustrationen bis zum gegenwärtigen Buchdruck. Eine Aufzählung der ausgestellten Werke würde zu gleich eine Geschichte der Entwicklung des britischen Buchdrucks geben. Ferner finden wir in der Shakespeare-Halle zahlreiche Andenken, vor allem die ersten von ihm benutzten Bücher, darunter eine englische Uebersetzung des Plutarch, und im Original ausgestellt als Unica im Besitz von James Härgreave, Esqu., „Chronicles of England, Scotland and Ireland”, von Raphael Hollinshed, London, Lucas Harrison, 1677, „The Union of the two noble and illustre families of Lancaster and York” von J. Halle, London, Rychard Grafton, 1550, und „The Con cordance of History” von Fabian, London, John Kyngston, 1559. Besonders kostbar ist auch eine Nachahmung der Büste Shakespeares auf seinem Denkmal in Stratford-on-Avon und seine Totenmaske. Im übrigen war die Kommission bemüht, zu zeigen, wie sich Schrifttum und Buchdruck gleichzeitig mit der Graphik in England von den ältesten Zeiten an bis heute entwickelt haben. An den Wänden sind Glaskästen aufgestellt, in denen die illustrierten Bücher berühmter Autoren liegen, darüber an der Wand hängen die Originalzeichnungen der Illustratoren, darunter Namen wie Aubray Beardsley, Kate Greenaway, Nicholson, Rackham, Walter Crane u. a. Es sei z. B. Carlyles Geschichte der französischen Revolution mit Zeichnungen von Sullivan erwähnt. Da kommt auch die historische Entwicklung der Technik zu ihrem Recht. Besonderen Wert hat man auch darauf gelegt, zu zeigen, wie sich der Bucheinband von Pergament und Schweinsleder bis zu den heutigen Luxusausgaben in Leder, Leinwand usw. entwickelt hat. Alle großen englischen und schottischen Verlagsfirmen sind mit reichhaltigen Sammlungen ihrer Werke vertreten. Dem bedeutenden Anteil entsprechend, den britische Forschungsreisende an der Erforschung fremder Weltteile haben, ist Wert darauf gelegt worden, eine Sonder ausstellung solcher Reisewerke, ebenfalls zeitlich geordnet, vorzuführen. Zum Schluß sei noch eines Gebietes gedacht, auf dem heute noch England wie von jeher an der Spitze steht: das Gebiet der Kinderbücher mit allerliebsten Illustrationen. Auch hier wird in historischer Reihenfolge die Entwicklung der Kinder- und Märchenbücher mit Illustrationen von 1550 bis zum heutigen Tage vor Augen geführt. Schriftkunde auf der Bugra in Leipzig. Auf der Leipziger Weltausstellung ist in der Abteilung „Schule und Buchgewerbe” eine sehr interessante Uebersicht zur Geschichte der Schreib werkzeuge geschaffen worden. Dort sind Schriftstücke aus Babylon, Aegypten, Griechenland und Rom nebst den dazu gehörigen antiken Schreibstiften. Das Mittelalter und die Renaissancezeite zeigen kostbare Pergamente und Papier-Hand schriften, sowie die dazugehörigen Rohrfedern und Vogelkiele. Aus Luthers, Goethes, Schillers Tagen und aus den Zeiten der Befreiungskriege ist ebenfalls manch schönes Schriftstück und Schreibwerkzeug zu finden. Den Abschluß bildet ein Einblick in die neuzeitliche Schriftbewegung. Der Sammler und Stahlfederfabrikant Herr Rudolf Blanckertz hat diese lehrreiche Zusammenstellung seinem Berliner Schriftmuseum entnommen und der Schulausstellung der oben genannten buchgewerb- lichen Weltausstellung überlassen. Auch fügte er sehr wert volle Originalstücke aus Japan, China, Indien und den türkisch arabischen Gebieten hinzu. Ausstellungsbesuch des Angestellten auf Kosten des Lieferers seines Geschäftsherrn In einer Ihrer letzten Nummern druckten Sie den Brief eines Angestellten an eine Firma ab, in welchem ersterer die Firma um eine Geldzuweisung angeht. Sie bezeichneten in Ihrem Kommentar dieses Vorgehen als Erpressung. Einen ähnlichen Fall haben wir" heute zu verzeichnen. Wir senden Ihnen beigeschlossen den Brief ein und bitten Sie diesen zu veröffentlichen und gleichfalls Ihre Ansicht über ein derartiges Ansinnen kundzugeben. Kunstdruckerei Der Brief lautet: Aus Süddeutschland Mit Gegenwärtigem beehre ich mich, Ihnen die ergebene Mit teilung zu machen, daß es mir eine große Freude bereiten würde, wenn ich die dortige I. Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik besuchen könnte. Leider ist es mir nicht vergönnt, diese Exkursion aus meinen Mitteln zu bestreiten, umsomehr sich meine Familie noch um ein Glied vermehrt hat, wodurch meine wenigen Ersparnisse aufgezehrt wurden. Da benannte Ausstellung auch für mich ein so großes Interesse bietet, so erkühne ich mich, mit meinem ergebenen Heutigen, an Sie das ergebenste Ersuchen zu richten, um mir den Besuch dieser so interessanten und lehrreichen Ausstellung zu ermöglichen, mir gütigst einen Reisezuschuß von 50 M. zu bewilligen, wofür ich Ihnen schon im voraus meinen besten Dank zolle. Es würde des ferneren auch mich sehr freuen, wenn ich bei diesem geplanten Besuche die Ehre hätte. Sie begrüßen zu dürfen und Ihr Kunstetablissement besichtigen könnte. Ihrer gefl. gütigen Nachricht mit Vergnügen gewärtig, empfehle ich mich Ihnen mit vorzüglichster Hochachtung X Str Korrespondent P. S. Von dem Inhalte dieses Schreibens wollen Sie gefl. meinem Chef, Herrn Y, gegenüber Diskretion bewahren. Nach § 12 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe bis zu 5000 M; oder mit einer dieser Strafen bestraft, wer als An gestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes im geschäftlichen Verkehr Geschenke fordert, damit er durch un lauteres Verhalten einem andern bei dem Bezüge von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb eine Bevorzugung verschaffe. Solche Bevorzugung will offenbar der Briefsteller stillschweigend der Kunstanstalt zusichern, da er sonst keine Berechtigung hätte, von einem Fremden 50 M. Geschenk zu ver langen. Diese Absicht geht auch daraus hervor, daß der Ge schäftsherr des Briefschreibers nichts erfahren soll. Hoffentlich wird diese Aufklärung sowohl diesen Briefschreiber wie auch andere Angestellte davon abhalten, die Geschäftsfreunde ihrer Firma mit derlei Ansinnen zu behelligen, und sich selbst einer Gefahr auszusetzen.