Volltext Seite (XML)
Nr. 56/1914 PAPIER-ZEITUNG 1895 Verein Deutscher Holzstoff-Fabrikanten Jahresversammlung am 22. Juni 1914 in Leipzig, Hotel Sachsenhof Schluß zu Nr. 55'S. 1862 3. Kassenbericht. Dieser wird einstimmig angenommen. Er betrifft nur einen Teil des Jahres, weil im Vorjahr beschlossen wurde, von jetzt ab mit dem Kalenderjahr abzuschließen. Auch der Voranschlag wird genehmigt; dieser zeigt gute Entwicklung der Vereinsfinanzen. Zwei Kassenprüfer werden gewählt. 4. Neuwahlen in den Vorstand. Herr Direktor Meissner aus Albbruck nimmt keine Wiederwahl an, weil er Deutschland verläßt, um als Zentraldirektor bei einem großen österreichischen Unternehmen des Papierfaches einzutreten. An seiner Stelle wird Herr Kommerzienrat Dr. Conrad Niethammer einstimmig gewählt. Die satzungsmäßig ausscheidenden Herren Medicus, Obenauf und Schaal werden wiedergewählt. Herr Kaul dankt Herrn Direktor Meissner für seine Tätigkeit im Vorstande. Herr Meissner verspricht, dem Verein weiter sein Interesse zuzu wenden. 5. Verwendung holzhaltiger Papiere. Herr Medicus: Zum Zwecke der Vermehrung des Holzschliffverbrauchs müssen wir dafür sorgen, daß nicht für Zwecke, wo es nicht nötig ist, amtlich holzschliffreies Papier vorgeschrieben wird. So hat der Bundesrat eine Verordnung erlassen, wonach für verschiedene Vordrucke, besonders für Frachtbriefe, holzfreies Papier verlangt wird. Dies wurde hervorgerufen, weil die Papiere für diesen Zweck im Laufe der Zeit schlecht geworden waren: Man konnte nicht gut mit Tinte darauf schreiben, und die Frachtbriefe konnten die nötige Behandlung nicht vertragen. Durch die Verordnung wurde aber das Kind mit' dem Bade ausgeschüttet. Damals hat sich der Verein Deutscher Papierfabrikanten ohne Erfolg gegen die Verordnung gewandt. Uns wurde vorgeworfen, „Wo waren die Holzschleifer damals?”. Der Grund war, daß wir nicht gefragt worden sind. Nach Erkundigungen an maßgebender Stelle könnte man auch mit holzhaltigen Papieren auskommen. Aber die Behörden in Württemberg sagten uns, das ist Sache des Bundesrats, das geht uns nichts an. In Bayern meinen maßgebende Herren, es sei nicht nötig, daß die Papiere voll kommen holzfrei seien, 40 v. H. Holzschliffzusatz könnten sie vertragen. Redner regt an, ob man nicht in diesem Sinne vor stellig werden könnte. Unser Verein soll nicht allein vorgehen, sondern in Fühlung mit dem Verein Deutscher Papierfabrikanten. Herr Kaul: Dieser Antrag ist schon vor einigen Jahren gestellt worden, aber Redner meinte gleich, er wäre vergebens. Im Jahre 1904 hat der preußische Staat neue Normalien heraus gegeben, welche die Papiere in Stoffklassen teilten. Klassen 1 bis 3 sind frei von Holzschliff, in Klasse 4 haben die Papiere beliebige Stoffzusammensetzung, jedoch wurde kein Papier der Gruppe 4 für amtlichen Gebrauch zugelassen. Wenn dies auch für die Holzschleiferei förderlich wäre, so arbeiten doch drei Umstände gegen uns: 1. die Behörden haben sich auf diese Papiere eingerichtet, 2. die Papierfabrikanten, die Feinpapiere machen, würden sich gegen die geplante Neuerung sträuben, und 3. hat sich auch die Kaufmannschaft auf die Verwendung holzfreier Papiere zu Frachtbriefen eingerichtet, und auch die Verbraucher wären nicht dafür, denn die Verbilligung wäre un bedeutend, und sie erhielten geringeres Papier. Herr Niezel ist für den Vorschlag des Herrn Medicus, da die Holzschleiferei jetzt technische Fortschritte gemacht hat: der Holzschliff ist zäher, seitdem das Warmschleif-Verfahren den Kaltschliff verdrängt hat. Hferr Medicus: Frachtbriefe bleiben nicht lange in Ge brauch und werden nur kurze Zeit aufgehoben. Nur die paar Frachtbriefe, über die reklamiert wird, müssen aufbewahrt werden, bis die Reklamation erledigt ist. Herr Kaul: Frachtbriefe sind Urkunden. Diese muß der Kaufmann nach dem Gesetz 10 Jahre aufbewahren. Auch wenn durch das Warmschleifen die Papiere für den augenblicklichen Gebrauch verbessert werden, so ist doch ihre Dauerhaftigkeit nicht verlängert. Die Papierfabrikanten sollten sich hierzu äußern. Wir wollen keine Sache verfechten, die von vornherein aussichtslos ist. Herr Meißner glaubt, daß eine solche Eingabe keinen Er folg hätte, weil das Bestreben der deutschen Industrie darauf gerichtet ist, eine Verfeinerungsindustrie zu sein. Der Vorstand schlägt vor, für Verwendung von 40 v. H. Holzschliff enthaltenden Frachtbriefpapieren einzutreten und mit dem Verein Deutscher Papierfabrikanten in Verbindung Herr Schaal jun.: Außer Frachtbriefen verwenden viele Behörden holzfreie Papiere, wo holzhaltige genügen würden. Deshalb sollten für eine spätere Eingabe Unterlagen gesammelt werden über besondere Sorten von Behördenpapier, für die nach Ansicht des Vereins Deutscher Holzstoffabrikanten holzschliff haltige Papiere verwendet werden können. Herr Kaul: Wir haben uns an die Versuchsanstalt in Char lottenburg gewandt; danach ist die Verordnung von 1904 auch von den anderen Bundesstaaten übernommen worden; sie gilt aber nur für die Staatsbehörden. Ueber das Papier für andere Behörden, z. B. Eisenbahn-Verwaltungen, haben die Regierungen keinen Einfluß. Man müßte also Schritte nicht bei den Re gierungen sondern bei den Behörden, welche besondere Papiere verwenden, tun. Der Antrag des Vorstandes wird einstimmig angenommen. 6. Arbeitgeberfragen. Herr Kaul begrüßt die verschiedenen Vertreter der Arbeitgeberverbände, Herrn Bürger und Herrn Dr. Gröllich und erteilt zunächst Herrn Dr. Schuchhart das Wort zu einem einleitenden Vortrag. Dr. Schuchhart: Bisher haben die Holzstoff-Fabrikanten den Arbeitgeberfragen noch recht fern gestanden. Die Arbeit nehmerorganisation greife aber immer weiter um sich, und es wäre falsch, mit einer Organisation der Arbeitgeber zu warten, bis die Not dazu dränge, weil ihr Verhältnis zu den Arbeitern gut ist. Wenn man Frieden haben will, muß man für den Krieg gerüstet sein. Wenn der Zusammenschluß gelingt, so werde dadurch die Ausstandsgefahr verringert, weil die Arbeitnehmer sich es sehr überlegen werden, mit einer geschlossenen Macht den Kampf aufzunehmen. Die verschiedensten Organisationen zum Schutz gegen Arbeiterausstände wurden gegründet, z. B. solche, die einzelne Fachgruppen umfassen, dann gemischte Gruppen, die örtlich begrenzt sind. Innerhalb der Fachverbände haben sich zwei Richtungen entwickelt: 1. solche, die im Rahmen ihrer Interessen die Streik Versicherungen aufgenommen haben, und 2. solche, die dies nicht getan haben und diese Versicherung besonderen Streikentschädigungs-Gesellschaften übertragen; sie wollen nur Arbeiterfragen bearbeiten. Redner hält die letztere Art für richtiger, sonst müßten diese Verbände hohe Prämien fordern, könnten aber ihre Kassen nicht so füllen, daß bei großen Ausständen starke Unterstützungen gewährt werden können, trotz etwaiger Rückversicherung. Das Hauptgewicht muß ferner auf Ortsgruppen gerichtet werden, da die Arbeiterfragen lokaler Natur sind. Diese Gruppen müssen aber untereinander eine Gemeinschaft bilden und eine gemeinsame Spitze unter halten. Herr Bürger hält nun einen ausführlichen Vortrag über die Entwicklung und die Leistungen des Deutschen Industrie schutzverbandes. Er verweist auf die ausgezeichnete Kriegs rüstung der Arbeiter: In den freien Gewerkschaften seien drei Millionen Arbeiter inbegriffen die 80 Millionen M. im Jahr Einnahme haben und 70 Millionen M. jährlich ausgeben. Das Vermögen der Gewerkschaften beträgt 80 Millionen M., und für Ausstände werden noch besondere Mittel zur Verfügung gestellt. Die Zentralkommission der Gewerkschaften schlägt jetzt sogar vor, jährlich für den Kopf 1 M. als besondere Umlage nur für Ausstandszwecke zu bewilligen, das macht 3 Millionen Mark im Jahr aus. Dieser Vorschlag wird sicher angenommen werden. Redner weist auf die Uebergriffe der Arbeiter in Eng land, Italien und Australien hin, in welch letztgenanntem Lande die 6 stündige Normal-Arbeitszeit gesetzlich eingeführt ist, und wo jetzt deshalb gestreikt wird, weil diese Arbeitszeit zu lang sei. In der Holzschleiferei seien die Verhältnisse noch günstig, weil in diesen Betrieben nur wenig gelernte Arbeiter nötig seien, aber auch der Verband der Fabrikarbeiter, welcher aus ungelernten Arbeitern besteht, wird immer mächtiger und zählt bereits 272 000 Mitglieder. Das einzige Mittel gegen die Uebermacht der Gewerkschaften sei die Gründung von Arbeit geberverbänden, welche das ganze Fach im Reich umfassen. Wenn sich die Arbeitgeberschaft nicht organisiert, so muß sie nachgeben. Zur Rüstung gegen Ausstände dienen die Streik entschädigungs-Gesellschaften. Eine solche wurde vom Verband Sächsischer Industrieller gegründet und später zum Deutschen Industrieschutz-Verband ausgestaltet. Er besteht seit 8 Jahren und hat 2000 Arbeiterbewegungen behandelt. In 900 Fällen ist es garnicht zum Ausstand gekommen, und wo es einen Ausstand gab, wurde 1 Million Streikunterstützung gezahlt. Der Verband hat 5000 Mitglieder mit 394 Millionen M. jährlicher Lohnsumme. Im letzten Jahre wurden 113 000 M. Streikentschädigung ge zahlt. Nur dadurch ist dies möglich, daß der Schutzverband eine sehr breite Grundlage hat. Verbände, die nur einzelne