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946 PAPIER-ZEITUNG Nr. 26 aus; allgemein war man der Ansicht, daß jene Versammlung zu den denkwürdigsten seit dem Bestehen der Gesellschaft zu zählen Sei. — In einem Schlußwort betonte der Vorsitzende, daß es nicht in der Macht des einzelnen — und sei er noch so einflußreich — liege, die eine oder die andere der beiden Schriftarten zu unter drücken, und daß deshalb die durch das Aufrollen der Frage ent standene Erregung unverständlich sei. Hierauf wurde die Versammlung um 12 Uhr geschlossen. Desinfektion von Büchern Von Dipl.-Ing. Walther Frenzel, Assistent an der kgl. Technischen Hochschule Hannover [Diese Arbeit wurde in Dresden im Mechanisch-Technologischen Institut ausgeführt.]*) 1. Die Ansteckungsgefahr In der folgenden Arbeit soll zunächst eine möglichst voll- ständige Uebersicht über die vorhandene Literatur, soweit sie zugänglich war, gegeben werden. Weiterhin wurden die heute gebräuchlichen Desinfektionsmethoden für Bücher verglichen und ihr Einfluß auf die Festigkeitseigenschaften von Papieren und Buchbindmaterialien festgestellt. In der Umgebung des Menschen bestehen mannigfache Gelegenheiten zur Ansteckung. In neuerer Zeit macht die hygie nische Literatur mehrfach auf die Gefahren aufmerksam, welche das Lesen von Büchern mit sich bringen kann, die von Hand zu Hand, von Haus zu Haus gehen, da Bücher und Drucksachen aus Volks-, Leih-, Schulbibliotheken und Journallesezirkeln oft von kranken Lesern benutzt werden. Krankheitskeime von Scharlach, Tuberkulose, der Pocken, Masern u. a. m. können auf diesem Wege umso leichter übertragen werden als die Mehr zahl der Leser die Gewohnheit hat, beim Umblättern den Finger am Mund zu befeuchten. Besonders bei Fingerwunden und aufgesprungenen Lippen ist die Gefahr groß. Man sollte die Leser von Bibliotheken durch entsprechende Warnung in den Büchern und durch Anschläge in den Lesehallen auf die Ge fahr dieser Gewohnheit aufmerksam machen. Auch sollten in den Lesehallen reichlichere Waschgelegenheiten, womöglich mit einer antiseptischen Seife, vorhanden sein und die Besucher besonders von Volkslesehallen zu deren Benutzung vor und nach dem Lesen angehalten werden. Ebenso kann durch Anhusten und Niesen Ansteckung er folgen. Bei einem Hustenanfall hält der kranke Leser meist das Buch vor den Mund. Das Zuschlägen des Buches nach dem Lesen, wobei der Leser den Staub einatmet, kann (nach Stickers Versuchen mit Meerschweinchen) Tuberkulose erzeugen, falls das Buch angesteckt war. Peterson (56) weist nach, daß vier von zehn Zeitschriftpapieren, welche in einem Saal für Tuber kulöse aufgehängt waren, Tuberkelbazillen enthielten. Weiter haben Du Cacal und Catrin (9) durch bakteriologische Unter suchung den reichen Gehalt vielbenutzter Bücher an lebenden Bakterien nachgewiesen. Knopf (37) berichtet, daß in Lansing (Michigan) kurz hintereinander 20 Beamte eines Bureaus an Lungentuberkulose starben; Knopf fand in der daraufhin erfolgten Untersuchung in verschiedenen Akten und Heften Tuberkelbazillen. Krauß (41) erwähnt, daß im Petersburger Staatsamt zu gleicher, Zeit mehrere Beamte an Tuberkulose erkrankten, worauf er durch bakteriologische Untersuchung in verschiedenen Akten-, stücken das Vorhandensein von Tuberkelbazillen feststellen konnte. Petruschky (57) erwähnt zwei ähnliche Fälle in einem Bureau in Danzig. Müller (54) teilt einen Fall mit, wo an einem scharlach freien Orte durch einen Brief aus einem 28 km ent fernten Orte, in welchem Scharlach herrschte, eine vereinzelte Erkrankung hervorgerufen wurde. Besonders hoher Keimgehalt ist auf Papiergeld von Acosta und Grande Rossi (2) nachgewiesen. Diese untersuchten zwei Stück der in Habana im Umlauf befind lichen kleinen Banknoten (im Werte von 20 bis 40 Pf.) und fanden darauf 19 147 Mikroben, von denen eine Art giftig war und Meerschweinchen rasch tötete. Der alten Nationalbank of Spokane. in Washington gebührt der Ruhm, die ersten antiseptischen bazillenfreien Banknoten ausgegeben zu haben. Während das Schatzamt der Vereinigten Staaten noch Versuche anstellt, ist ihr die Spokane Bank mit ihrem gesundheitsgemäßen Geld zuvor gekommen. 50 000 Dollars in Noten, 'die von der Bank verausgabt wurden, sind mit einer Farbe gedruckt, der reichlich Karbol säure zugesetzt ist. Auf diese Weise sind die Geldscheine mit *) Von dieser Arbeit werden wir Sonderabdrücke herstellen und darin auch die 69 (hier durch Ziffern angedeuteten) Quellen angeben, aus denen der Verf. geschöpft hat. einem Mittel versehen, das auf die meisten schädlichen Keime vernichtend wirkt. Bei Briefmarken liegt eine Gefahr in der Klebfläche, welche häufig mit der Zunge angefeuchtet wird. Lion (46) fand, daß der Klebstoff guten Nährboden für Bakterien bildet. Als Vermittler muß auch die Stubenfliege in Betracht gezogen werden, sie leckt mit Vorliebe an Kranken und deren Auswürfen und kann damit Ansteckungskrankheiten übertragen. Außerordentlich gefährdet sind auch die dem öffentlichen Ge brauch dienenden Bücher, Adreßbücher, Kataloge in Biblio theken, Fremdenbücher, Telephonadreßbücher u. a. Im An schluß an die Fernsprechverzeichnisse ist noch auf die bereits erkannte Gefahr der Infektion durch das Telephon hinzuweisen. In der ärztlichen Welt Englands erregte ein Bericht großes Auf sehen, den Dr. Francis I. Allan, der Medizinalbeamte von West minster, in der ärtzlichen Wochenschrift Lancet über das Vor kommen von Tuberkulosebazillen in den Mikrophonen der Tele graphenapparate veröffentlichte. Dr. Allan stellte Versuche an einem öffentlichen Telephon in der Londoner Zentralbörse mit Meerschweinchen an und stellte fest, daß tötliche Tuberkel bazillen von öffentlichen Telephonapparäten, wie sie jetzt all gemein im Gebrauch sind, leicht übertragen werden können. Sie legen also die Notwendigkeit dar, alle Telephone, seien sie im öffentlichen oder privaten Gebrauch, in bestimmten Zwischen räumen zu desinfizieren. In der Londoner Warenbörse werden bereits nach einem Uebereinkommen mit der englischen Post verwaltung fünfzig Telephone täglich mit einer desinfizierenden Flüssigkeit abgewaschen. Neuerdings werden vielfach Desinfek toren auf dem Fernsprechapparat angebracht, die Fernsprech verzeichnisse jedoch, die mit dem das Telephon Benutzenden in direkte Berührung kommen und .... zuweilen einen sehr bedenklichen Eindruck machen, müßten dann einer gleichen Behandlung, einer Desinfektion, zugänglich gemacht werden. Demnach ist die Desinfektion von Büchern und Schriften eine wichtige hygienische Forderung. Bücher, Akten, Schul hefte, welche in Familien, Kasernen, Schulen, Krankenhäusern von Erkrankten benutzt werden, selbst Postsachen aus ver seuchten Orten zu Zeiten von Epidemien, werden der Desinfektion zu unterwerfen sein. Daher müßte es in erster Linie Gewissens pflicht derjenigen sein, die entweder selbst oder deren An gehörige während einer Ansteckungskrankheit (Typhus, Diphterie usw.) Bücher benutzt haben, diese vor weiterer Benutzung zu desinfizieren. Sollte dies fahrlässig oder aus Unverstand unter lassen werden, so sollte der Bibliothekar die Pflicht haben, alle zurückgelieferten Bücher zu desinfizieren. Gerade aus Leih bibliotheken werden viel Bücher für Kranke entliehen, die ja viel Zeit zum Lesen haben. Hier ist Warnung durch den be handelnden Arzt am Platze. Glaser (20) meint, daß die Tuber kulose wegen ihrer Häufigkeit besonders leicht Anlaß zur Weiter verbreitung durch Bücher geben kann. Bei Schülerbibliotheken ist die Möglichkeit einer Gefährdung der Bücher durch Keime von Scharlach, Masern, Blattern und Diphterie vorhanden. Lion (46) hat die Keimzahl von Büchern sowie Papier ver schiedener Herkunft geprüft. Diese war abhängig von ihrer Benutzung. Die Einbände zeigten bedeutend mehr Keime als die Blätter. Krauß (41) und Mitulescu (50) wiesen das Vor handensein von ansteckungsfähigen Keimen auf den Blättern gebrauchter Bücher nach Krauß entnahm aus Büchern solche Stellen, die durch ihr Aussehen auf wiederholte Berührung mit nassen Fingern schließen ließen, und infizierte damit Meer schweinchen, von denen ein Teil zugrunde ging. Versuche in gleicher Weise mit Blattstellen neuer Bücher verursachten keine Krankheitserscheinungen bei den Tieren. Mitulescu unter suchte, ob durch BücherTuberkulose übertragen werden könne. An 37 Büchern aus Berliner Volksbibliotheken, die 3 bis 6 Jahre alt waren und deutliche Spuren starken Gebrauches zeigten, stellte er fest, daß mehr als 1/3 der Bücher Tuberkelbazillen enthielten, und zwar rief nur der Schmutz der Blattränder, wie er beim Umwenden der Blätter mit Hilfe der mit Speichel be feuchteten Finger entsteht, Tuberkulose hervor. In einer folgen den Versuchsreihe mit 60 Büchern, 1 bis 2 Jahre im Gebrauch, ließen sich keine Tuberkelbazillen nachweisen. Dieses Verhalten erklärt sich damit, daß auf frischem Papier das Sputum leichter austrocknet als auf dem feuchten Schmutz der alten Blätter. Dennoch wird auch ein neues Buch, wenn es unmittelbar aus der Hand eines tuberkulösen Entleihers in die eines gesunden übergeht, die Ansteckung vermitteln können. Diese Beispiele zeigen, daß Ansteckung durch Bücher mög lich ist, doch soll hier keiner übertriebenen Aengstlichkeit das Wort gegeben werden. Nicht jeder Mensch bietet ja günstigen Boden für ansteckende Krankheiten. Gefährlich sind nur solche