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DAPIER-VERARBEITUNG h Buchgewerbe Berliner Typographische Gesellschaft Vereinslokal: Berliner Buchgewerbesaal, Dessauer Straße 2, III Vorsitzender: G. Könitzer, Steglitz, Arndtstraße 35 Kassierer: C. Rinck, Schöneberg, Bahnstraße 43, link. Aufgang III Schriftführer: E. Baumeister, SW 29, Gneisenaustr. 98 Der nächste Diskussionsabend, den die Technische Kom mission abhält, und zu dem insbesondere unsere jüngeren Mit glieder eingeladen sind, wird am Dienstag, 28. März 1911, abends 9 Uhr, im Berliner Buchgewerbesaale, Dessauer Straße 2 III, abgehalten. Verhandlungsgegenstand: Besprechung der aus gestellten Kalender. Am gleichen Abend ist, wie alle Dienstage, die Bibliothek geöffnet, und die neuesten Fachzeitschriften liegen aus. Ferner sind außer Kalendern des In- und Auslandes T noch ausgestellt: Entwurfsarbeiten aus der Fachklasse für Typo graphen an der 1. Handwerkerschule zu Berlin (Klasse der Herren Fachlehrer Kulbe und Schmiedchen). Um zahlreichen Besuch bittet Der Vorstand Moderne lichtechte Tapeten Vortrag, gehalten am 10. 2. 1911 in Stuttgart im Württembergischen Bezirksverein des Vereins deutscher Chemiker von Dr. Paul Krais, Tübingen (Abdruck aus der „Zeitschrift für angewandte Chemie”) Jedermann weiß, daß die meisten Tapeten nach kurzer Zeit am Licht ihren Farbton ändern, indem sie teils verschießen, teils braun werden. Am Braunwerden ist der Umstand schuld, daß holz stoffhaltiges Papier zur Herstellung der Tapeten verwendet wurde. Das Braunwerden ist daher meist bei hellen Tapeten zu beobachten, bei denen das aufgedruckte Muster nicht die ganze Papierfläche bedeckt. Das Verschießen kommt selbstverständlich in erster Linie von der Lichtunechtheit der beim Tapetendruck zur Verwendung kommenden Farbstoffe her. Bei der Tapetenfabrikation, wie sie heutzutage ausgeübt wird, unterscheidet man eine Anzahl von Warengattungen, die nach Herstellungsweise und auch im Preis verschieden sind. Die Papier breite beträgt in Deutschland allgemein 50 cm, von denen etwa 47—48 cm bedruckt werden, die Kante auf beiden Seiten wird dann vor dem Tapezieren abgeschnitten. Die englischen Tapeten sind 57 cm breit. Der Tapetendruck wird auf sog. endlosen Köllen aus geführt, die etwa 12—1500 cm lang sind, oder auf sog. Rotations ballen, die 7000—7500 m lang sind. Diese langen Bahnen werden dann zerschnitten und kommen in Deutschland als 8 m, in England als 11 m lange Rollen zum Verkauf. Man unterscheidet hauptsächlich drei Warengattungen, die Naturelltapeten, die Fondtapeten und die Ingraintapeten. Dazu kommen noch die heute nur sehr wenig benutzten Velourstapeten. Bei den Naturelltapeten wird weißes oder in der Masse ge töntes oder gefärbtes Papier mit Leimfarbe mit einem Muster be druckt, während bei der Fondtapete weißes oder buntes Papier zuerst mit Leimfarbe bestrichen, grundiert wird, dann wird es auf Hängeapparaten getrocknet, wieder aufgerollt und dann erst mit dem Muster bedruckt. Für die Ingraintapeten wird das Ingrainpapier auf Duplex papiermaschinen hergestellt, wobei zwei Papierbahnen, eine ge wöhnliche und eine mit feinen Wollfasern bedeckte, zusammen laufen. Dieses Ingrainpapier wird entweder schon auf der Papier maschine auf der Wollseite eingefärbt oder nachher auf einer sog. Grundiermaschine gefärbt, wie es jetzt fast allgemein üblich ist. Das so grundierte Ingrainpapier wird dann mit Lasurfarben be- druckt. Bei der gewöhnlichen Tapete sind sowohl Grundier- als Druck farbe wässerige Pasten, die neben dem Farbstoff einen pflanzlichen oder tierischen Leim oder Kasein enthalten. Die Farbpasten werden mittels Druckwalzen auf die Papier bahn aufgetragen. Auf diesen Walzen ist das Muster gewöhnlich ins Holz gestochen oder mit Messingblech und -draht eingesetzt. Große Flächen werden mit Filz, der in die Messingkonturen mit Schellack befestigt wird, hergestellt. Das Muster wird in einer oder mehreren Farben ausgeführt, lür jede Farbe dient eine besondere Walze, und je nach der Art des zu erzielenden Effekts geht die Tapete ein- oder mehreremal durch die Druckmaschine. Glanztapeten werden vor dem Druck mit einer Bürstmaschine behandelt. Gold- und Bronzeeffekte werden durch Aufdrucken eines besonderen Goldleims hergestellt, endlich werden noch verschieden artige Reliefprägungen, wie Moire, Damastfiguren usw. auf sog. Gaufriermaschinen hergestellt, die aus einer harten Metallwalze bestehen, in die das Muster eingraviert ist, und die gegen eine weiche Walze aus gepreßtem Papier aufgepreßt wird. Zwischen diesen Walzen geht dann die Tapete hindurch. In ganz ähnlicher Weise werden die sog. Salubra-, Lincrusta-, Ledertapeten usw. hergestellt, nur daß hier statt wässeriger Pasten Oelfarben und Firnisse aufgedruckt werden. Zur Herstellung der Salubratapeten wird eine Schicht von mit großer Sorgfalt herge stellten Oelfarben, deren Reinheit und Lichtechtheit vorher unter sucht wurde, auf ein in besonderer Weise hergestelltes Pergament papier aufgetragen; dies ist also der Fond, die Grundierung, und hierauf werden nachträglich wieder echte Oelfarben gedruckt. Das Ganze wird dann unter einem Druck von 230 Atm. gewalzt, wobei zugleich beliebige Reliefmuster eingeprägt werden können. Es ist selbstverständlich, daß auf diesem Wege eine Wand bekleidung hergestellt wird, die viel haltbarer ist, als eine gewöhn liche Papiertapete, außerdem ist sie abwaschbar, also auch in sanitärer Beziehung zweckmäßiger. Die Lichtechtheit ist ausgezeichnet. Auch einem Oelfarbenanstrich gegenüber bietet eine solche Tapete Vorteile, sie ist besser waschbar als ein Oelstrich und wird nicht rissig, wie dies bei einem Oelstrich auf die Wand ja unvermeid lich ist. Eine Abart dieser Tapete ist Tekko, eine Tapete, die als Er satz für Wandbekleidung mit Webstoffen empfohlen wird. Tekko wird auch auf eine Art Pergamentpapier gedruckt, und zwar mit Metallpulver, das nach eigenen neuen Verfahren der Salubrafabrik lichtecht gefärbt und so präpariert ist, daß es sich nicht an der Luft oxydiert, also nicht trübe und matt wird. Dieser Metalldruck wird dann ebenfalls mit Reliefmustern geprägt. Die Vorteile vor Wand bespannungen mit Webstoffen sind folgende: garantierte Licht echtheit, Tekko nimmt keinen Staub auf und kann im Gegensatz zu Webstoffen leicht und vollständig gereinigt werden. Zu den eigentlichen Papiertapeten gehört noch die Velours tapete, die, wie schon gesagt, heute nur noch sehr wenig in Gebrauch kommt. Sie wird auch Samt- oder Castortapete genannt. Es wird entweder der ganze Grund oder ein Muster mit fein gepulverten gefärbten Wollhärchen oder ähnlichen Fäserchen auf die mit einem Klebmittel befeuchtete Papierbahn aufgestreut, der Ueberschuß wird dann abgeklopft und die Bahn getrocknet. Als eine Art Mittelding zwischen Papier-, d. h. Leimdruck- und Oeldrucktapete kann man die Tapeten bezeichnen, die mittels lithographischen Drucks oder sonstwie in sehr dünner Schicht mit Oelfarben auf Papier gedruckt sind. Solche Tapeten bringt z. B. das Kunsthaus Naager in Venedig und Berlin in den Handel. Soviel über die Herstellungsweise der verschiedenen Tapeten sorten. Das Wort Tapete, französisch „tapis”, bedeutet ja ursprüng lich Teppich, und wir haben das Wort beibehalten, obwohl die Tapete längst kein Teppich mehr ist. Der Engländer hat sein Wort „tapestry” nicht auf die heutige Tapete übertragen, sondern nennt sie sehr sachlich „wallpaper", Wandpapier. Aber der englische Tapezierer nennt sich immer noch „paper banger”, obwohl die Tapeten längst nicht mehr an den Wänden aufgehängt, sondern angeklebt werden. In Holland sagt man heute noch allgemein „behangsei” für Tapete. Die eigentliche Papiertapete ist noch keine hundert Jahre alt. Erst mit der Einführung der Papiermaschine, ja eigentlich erst mit der Erfindung der Tapetendruckmaschine im Jahre 1852 be ginnt die allgemeine Anwendung der Papiertapete. Vorher wurde sie durch Stempeldruck mit der Hand hergestellt, es ist aber klar, daß eine so mühsame Herstellungsweise zu teuer war, und auch nicht die nötigen größeren Mengen auf diese Weise hergestellt werden konnten. Uebrigens ist der Handdruck auch heute noch für bestimmte teure Artikel im Gebrauch. Die Papiertapete hat vor dem altmodischen Wandbehang mit Webstoffen usw. wesentliche Vorteile praktischer und sanitärer Art; obschon sie also den Namen Tapete eigentlich nicht mehr ver dient, wollen wir sie doch nicht kurzweg als eine Verschlechterung und Verbilligung betrachten, sondern müssen in ihr einen der Neu zeit mit ihren veränderten und gesteigerten Ansprüchen angepaßten und der größten technischen Vervollkommnung fähigen großen Handelsartikel erblicken. Gibt es doch allein in Deutschland nicht weniger als 60 Tapeten fabriken, von denen sich 21 zu einem großen und einflußreichen Interessenverband, der Tapetenindustrie-A.-G., zusammengeschlossen haben. Es handelt sich also um die Erzeugung einer ausgedehnten