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Nr. 19 PAPIER -ZEITUNG 679 Verein der Zellstoff- und Papier-Chemiker Hauptversammlung am 24. und 25. November 1910 im Papierhaus in Berlin Zweiter Verhandlungstag: 25. November 1910, vormittags 10 Uhr Fortsetzung zu Nr. 18, S. 643 Aussprache über Papierleimung (Harzersatzmittel) Einleitender Vortrag von Dr. Paul Klemm Meine Herren! Es kommt mir heute mehr darauf an, Ihnen verschiedenes zu zeigen, als viel darüber zu reden. — Wenn wir uns einmal vergegenwärtigen, welche Fortschritte das letzte Jahr ge bracht hat, um die Harzersatzfrage zu lösen, so werden wir bald klar werden, daß wesentliche Fortschritte nicht erreicht worden sind; eine großzügige, allgemeine Lösung ist nicht zu verzeichnen, und es ist auch noch kein Weg in Aussicht, der eine solche bringen könnte. Es handelt sich nur um kleine Mitteichen, und in bezug auf diese sind die Hersteller von Harzleim außerordentlich rührig gewesen. Wenn auch Präparate hin und wieder als Harzersatz auf den Markt gebracht werden, so sind sie doch, soweit ich Gelegenheit hatte, sie kennen zu lernen, im Grunde genommen keine wirklichen Ersatz mittel, sondern es sind nur Gemische von Harzleim mit irgend welchen anderen Körpern, denen man derartige Erhöhung der Wir kung zuschreibt, daß die herstellenden Harzersatz-Fabriken be haupten : die gleiche Menge ihres Präparats habe ebensolche Wirkung wie 70 prozentiger Harzlgim, den man gewöhnlich als Maßstab nimmt. Wenn man diese Harzleime untersucht, so zeigt es sich, daß es Gemische von Harzleim und kolloidalen Körpern sind. Versucht sind nachgerade so ziemlich alle von der Großindustrie hergetellten : Dextrin, Kasein, Tierleim. Es ist damit also ein Weg weiter be schritten, der schon vor langer Zeit von Mitscherlich bei der Her stellung des Gerbleims beschritten wurde. Wenn man sich diese Mischpräparate auf ihre Konsistenz an- sicht, so gleichen sie annähernd 60 — 70 prozentigem Harzleim. Der Trockengehalt ist aber sehr gering. Dieses Präparat hier ist ein mit Kasein versetzter Harzleim. Sein Trockengehalt ist annähernd 38 — 39 v. H., geht auch mal noch weiter herunter. Aus welchen Gründen, das sagt Ihnen wohl schon der Anblick dieser Flasche. Der Inhalt zeigt Absonderung in verschiedene Schichten. Ein anderes Präparat ist dieses mit Tierleim versetzte, Trocken- gehalt 34 v. H. Die Quantitäten der zugesetzten Kolloide sind in bezug auf das Ganze recht gering. Der Kaseinzusatz schwankt und beträgt annähernd 2,8 v. FI., der Tierleimzusatz annähernd 4 v. H. Sie sehen also, das meiste, was man da kauft, ist Wasser, zwischen 60 und 70 v. H. Bezogen auf die Trockensubstanz würde dieses Präparat mit Kaseinzusatz einige 80 v. H. Harz und etwa 7 v. H. Kasein enthalten. Das mit Tierleim versetzte Präparat enthält auf die Trockensubstanz bezogen etwa 78 v. H. Harz und 11 v. H. Tierleim. Vom wissenschaftlichen und auch vom praktischen Standpunkte aus in gleicher Weise interessiert uns nun die Frage, die unbedingt einmal aufgeworfen und bearbeitet werden muß: Ist eine derartige Wirkungserhöhung durch diese Zusätze von kolloidalen Körpern Wirklichkeit ? Sind diese Harzleime in der Tat wirkungsgleich den Harzleimen, die die doppelte Menge des Harzes enthalten ? Ich möchte zu dieser Frage vorerst keine Stellung nehmen, vielleicht ergeben sich aus der Diskussion Anregungen, näher darauf einzugehen. Vom kaufmännischen Standpunkt aus hat sich der Fabrikant natürlich die Frage vorzulegen: wieviel kostet die Trockensubstanz, und wie teuer bezahle ich das Harz in der Masse, die ich einkaufe ? Weiter wird er sich dann die Frage vorlegen müssen, ob es hinsicht lich der Wirkung vorteilhaft ist, diese Präparate so ganz unbesehen an Stelle der Präparate anzuwenden, die er bisher anwendete, vor ausgesetzt, daß er rationell arbeitet. Einen Vorzug haben sie, wie übrigens auch ein anderes auf dem Markt befindliches harzarmes Präparat mit außerordentlich hohem Wassergehalt, nämlich, daß man sie unmittelbar dem Holländer zuteilen kann. Wer also Bequemlichkeit über alles stellt, der mag wohl ganz gern diese Harzleime anwenden. — Soviel über die wirk lich zur Erreichung von Leimfestigkeit befähigten Körper. Außerdem sind noch Präparate von kolloidalen Körpern auf getaucht, die nichts anderes als Zusätze sein sollen. Es ist wohl zur Genüge bekannt, daß die Beeinflussung des Charakters der Papier- Appretur durch solche kolloidalen Körper möglich ist, daß diese aber im Stoff nicht als leimende Körper im Sinne der Erzielung von Widerstandsfähigkeit gegen Flüssigkeit zu betrachten sind. Soviel über die kleinen Mittel, die man versucht hat, um Fort schritte zu erreichen. Weiter käme noch in Betracht das Suchen nach andern Flarzen Da ist auch verschiedenes probiert worden, und es ist Ihnen gewiß von Interesse, wenn Sie derartige Präparate auch kennen lernen und sehen. Es ist da ein ,.flüssiges Harz", ein Oelharz, gewonnen bei der Herstellung von Sulfatzellstoff. Wie Sie sehen, ist es ziemlich dünnflüssig. Es fragt sich, was darf man von diesem Präparat wohl erwarten ? Hinsichtlich der Ueberführung in eine Wasserlösung verhält es sich günstig. Weil es flüssig ist, verseift es sich außer ordentlich leicht und schnell, schon bei geringer Erwärmung. Die Lösungen setzen auch nichts, ab. Wenn man aber Fällungen mit schwefelsaurer Tonerde herstellt, so bilden diese nur ganz vorüber gehend ein fein verteilbares Fällungsprodukt. Es findet mit großer Schnelligkeit Zusammenballen zu gröberen traubigen Massen statt, die sich an die Gefäßwände anlegen und schließlich unter völliger Klärung der Flüssigkeit eine Kruste bilden. Daraus können wir zwar den Schluß ziehen, daß in bezug auf die Kittwirkung für feinfasrige und Füllstoffe die Wirkung dieses Präparates außerordentlich günstig sein würde. Leider aber teilt es in bezug auf die Wirkung für die Leimfestigkeit die Eigenschaft aller der Fällungen von flüssigen wasserabstoßenden Körpern, daß man keine Leimfestigkeit erreichen kann, Tintenstriche laufen aus. Der Grund dafür ist die Klebrigkeit, die bewirkt, daß das Fällungs produkt sich nicht als Niederschlagsmembran abscheidet, sondern grobe Klümpchen zwischen den Fasern bildet, und die Faser nicht genügend deckt. Außerdem hat das Oelharz noch die unangenehme Eigenschaft, daß es sich außerordentlich stark auf die Farbe wirft. Das Fällungsprodukt ist braun, und seine dunkle Farbe kommt umso mehr zur Geltung, weil die Verteilung grob ist. Ich habe nun festzustellen versucht, ob vielleicht ein Teilersatz dadurch möglich wäre, daß man dieses Oelharz mit Kolophonium zusammenschmilzt und nun eine Harzleimunglösung herstellt. Da ist zuerst bemerkenswert, daß auch sehr helles Harz außerordentlich stark durch das Oelharz verdunkelt wird. Im Verhältnis von 1 Teil Oelharz zu 1 Teil Kolophonium ist die Schmelze eine fadenziehende Masse, im Verhältnis von 1 Oelharz zu 1,5 Kolophonium ist sie immer noch bei gewöhnlicher Temperatur zähflüssig, im Verhältnis von 1 zu 2 bildet sie noch eine Masse von der Konsistenz weichen Wachses, und selbst bei 1 zu 3 ist sie noch immer nicht hart und hat immer noch die Eigenschaft, daß die Fällungen sich in unerwünschter Weise leicht aggregieren (zusammenballen). Wenn man aber nur so kleine Zusätze machen kann, so schwindet selbstverständlich der praktische Wert, und es blieben gewissermaßen nur noch inso fern Vorteile herauszuschlagen, als man die Eigenschaft des Oel- harzes benutzen könnte, daß es das Zusammensintern des Nieder schlages begünstigt. Also z. B. in solchen Fällen, wo man leimfeste Papiere herstellen will und eine Papiermaschine mit einer Trocken partie besitzt, die für die Herstellung leimfester Papiere nicht günstig gebaut ist oder etwa bei der Herstellung von Pappen, die an der Luft getrocknet werden sollen. Weiter ist im letzten Jahre ein Produkt aufgetaucht, das als Palmharz in den Handel gebracht wird. Es ist eine feste, trübe, dunkelbraune Masse, die sehr spröde ist; sie ist von außerordentlich vielen kleinen, dunklen Unreinheiten durchsetzt, und auch die Eigen farbe des Produkts ist noch sehr dunkel. Dieses Palmharz ist un mittelbar schon deshalb nicht allein für sich zu verwenden, weil es nicht verseifbar ist, wohl aber teilt es mit anderen nicht verseif baren Körpern die Eigenschaft, daß es in einer Seifenlösung emul gierbar ist. Dieses Verhalten ermöglicht es, das Harz als Teilersatz in Frage zu ziehen. Da ist auch wieder bemerkenswert, daß die dunkle Farbe des Palmharzes die Farbe des Kolophoniums, mit dem man es zusammenschmilzt, außerordentlich stark beeinflußt. In dem Verhältnis von 1 Teil Palmharz zu 9 Teilen Kolophonium von der Farbe etwa der Marke F erhält man eine Masse von der Farbe der dunkelsten Harzmarken. Nun sind aber Emulsionen, die einigermaßen haltbar sind, nur herzustellen bis zu einem Ver hältnis von 1 Palmharz zu 1 Kolophonium. Darüber hinaus bildet schon die Herstellung der konzentrierten Seife Schwierigkeit und ist praktisch unmöglich. Wenn man bis zu dem Verhältnis von 1 zu 1 geht, so erhält man eine opalisierende, verhältnismäßig wenig getrübte Flüssigkeit, die so lange haltbar ist, als es der Gebrauch in der Praxis erfordern würde. Allmählich allerdings gibt sie starke Absätze, so daß man sie jedenfalls nicht lange aufbewahren kann, und besonders auch muß dafür gesorgt werden, daß nach der Her stellung der Emulsion rasche Abkühlung erfolgt, weil sonst die Aggregation stattfindet, die zur Bildung von Kuchen auf dem Boden der Gefäße führt. Bei der Herstellung des Harzleimgemisches kann man auch nicht etwa in der Weise verfahren, daß man fertigen Harzleim zu sammenschmilzt mit dem Produkt in dem Verhältnis, in dem man es wünscht, weil des schlechten Wärmeleitungsvermögens wegen die