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Nr. 18 PAPIER-ZEITUNG 643 Verein der Zellstoff- und Papier-Chemiker Hauptversammlung am 24. und 25. November 1910 im Papierhaus in Berlin Zweiter Verhandlungstag: 25. November 1910, vormittags 10 Uhr Aussprache über die Vorträge von Geheimrat Prof. Dr. A. Stutzer und Dr.-Ing. Direktor Kumpfmiller Fortsetzung zu Nr. 16, S. 562 Dr. Kumpfmiller: Die Ausfällung des Kalkes geschieht bei mir augenblicklich dadurch, daß ich aus den Laugen, wenn sie aus den Kochern kommen, mittels mechanischer Bewegung soweit als möglich die schweflige Säure austreibe. Dabei fällt schon ein Teil des schwefligsauren Kalkes aus den Laugen, und den Rest treibe ich mit kohlensaurem Salz bei einer ganz be stimmten Temperatur aus. Dadurch fällt der Rest des schweflig sauren Kalkes aus. Das schwefelsaure Natron setzt sich durch Salzsäure in Kochsalz um, und Kochsalzlauge ist in der Gerberei nicht schädlich, im Gegenteil, sie gerbt mit. Und wenn dann noch Spuren von Kalk in der Ablauge enthalten sein sollten, dann zersetze ich den Kalk mit Milchsäure. Die Laugen, die ich so bekomme, stehen wochen- und monatelang, ohne daß sich der geringste Ansatz von Kalk darin zeigt. Geheimrat Stutzer: Ich bin den Herren Kritikern dankbar, daß sie mich vorhin einigermaßen zerpflückt haben. Auf diese Weise können wir nur vorwärts kommen. — Ich habe in meinem Vortrage im wesentlichen zweierlei hervorgehoben: die mögliche Verwertung der Ablaugen als Viehfutter und die Verwertung als Appreturmittel in der Textilindustrie. Ueber den letzten Punkt habe ich nur ganz kurz gesprochen. Ich habe mich noch nicht längere Zeit damit beschäftigt, aber« gerade hiervon verspreche ich mir für die Zukunft recht viel. Es ist mir gelungen, mit billigen und einfachen Mitteln die in den Laugen enthaltenen Farbstoffe abzuschwächen. Das Produkt wird eingedampft, und man be kommt ein verhältnismäßig hellgefärbtes Erzeugnis. Sie sehen hier eine lOprozentige Lösung der Trockensubstanz, die noch bedeutend heller gefärbt ist als diejenige, die ich Ihnen vorhin zeigte. Auf diese mögliche Verwertung als Appreturmittel hat keiner de Herren ein Wort geäußert. Ich wollte dann noch etwas über die Verwertung der Ab laugen als Viehfutter sagen. Ich habe gefunden, daß, wenn man die Ablaugen als Viehfutter verwertet, man unbedingt die schwef lige Säure und den Kalk ausscheiden muß, und die schweflige Säure habe ich nicht anders herausbekommen können, als durch das allerdings etwas teure Zusatzmittel Ammoniak. Nimmt man kohlensaures Ammoniak, so fällt gleichzeitig der Kalk heraus. Größere Fütterungsversuche habe ich noch nicht machen können, ich mußte mich mit kleineren begnügen. Aber in nächster Zeit sollen in (iner Fabrik mehrere Zentner von dem Extrakt hergestellt werden, und eine andere Firma hat sich bereit erklärt, das Mischfutter zu fabrizieren, so daß wir dann größere Fütte rung versuche damit machen können. Es ist von den He ren Schacht und Prof. Frank gefragt worden, wie groß der Nährwert dieses neuen Futtermittels sei. Ich habe schon gesagt, ich verspreche mir von dem Produkt nicht denselben Nährwert, den andere Kohlenhydrate, wie Stärke, Zucker und dergl. haben. Was haben wir denn in den Ablaugen ? Wir haben geringere Mengen von verwertbaren Hexosen, größere Mengen von Pentosen, herrührend von der Interzellular substanz, und daß die Pentosen als Futtermittel verwertbar sind, ist bekannt. Wir wissen nicht, wie die Ligninsulfonsäure im tie rischen Organismus sich verhalten wird. Hat die Ligninsulfon säure einen Benzolkern, so ist schwer zu sagen, wie dieser im tie rischen Organismus sich verhalten wird, und dazu sind ausführ liche und genaue Fütterungsversuche erforderlich, die hoffentlich demnächst eingeleitet werden können. Nun wurde von Herrn Prof. Frank darauf hingewiesen, daß das kohlensaure Ammoniak recht teuer ist. Festes kohlen saures Ammoniak ist allerdings recht teuer, aber wenn wir Am moniak verwenden können, das aus Kalkstickstoff hergestellt wurde, und dieses mit Kohlensäure sättigen, also flüssiges kohlen saures Ammoniak gewinnen, dürfte es billiger herzustellen sein. Herr Prof. Vogel hat gefragt, welche Mengen von dem Futter mittel man gebrauchen könnte. Ich habe gefunden, daß man dieselben Mengen von dem dunklen Extrakt verfüttern kann wie von Melasse, und hiervon rechnet man bei Tieren auf 1000 Pfund Lebendgewicht 2—4 Pfund täglich. Vorsitzender: Darf ich noch fragen, wieviel die Menge Ammoniak beträgt? Ich glaube in dem jüngst veröffentlichten Patent’steht, es seien lOcbcm auf dasLiter erforderlich. Das würde uns einen Anhalt bieten, wieviel Ammoniak in Frage kommt. Geheimrat Stutzer: Man muß einen Ueberschuß an Ammoniak nehmen und diesen Ueberschuß durch Destillation wiederge winnen. Es bleiben, auf Trockensubstanz berechnet, 3,66 v. H. Ammoniak in der Ablauge. Das übrige ist flüchtig. Vorsitzender: Es ist sehr interessant, daß Herr Geheimrat Stutzer gleich die Entfernung der Farbstoffe mit ins Auge gefaßt hat, denn es ist eine bekannte Tatsache, daß, sobald Sulfitab ablaugen mit Ammoniak neutralisiert werden, sie tief purpur rote Färbung geben. Die uns vorgezeigte Probe zeigt eine über raschend helle Färbung, was für gewisse Verwendungszwecke wertvoll ist. Prof. Dr. Schwalbe : Ich möchte an Herrn Geheimrat Stutzer eine Frage stellen bezüglich der Verwendung des Extraktes in der Textilindustrie, in der Appretur. Hat er schon Versuche an gefärbten Geweben gemacht ? Der Extrakt wird wohl, wenn ich richtig verstanden habe, einem Gewebe einen gelblichen Farbenton geben, so daß die Verwendung für weiße Gewebe nicht in Frage kommt, wohl aber für farbige Gewebe, und da steigen mir Bedenken auf, ob nicht ein Teil der Farbstoffe, die man zum Färben der Gewebe verwendet, durch die reduzierenden Eigenschaften des Extrakts in der Farbennuancierung und in der Farbkraft geschädigt werden könnte. Denn wenn ich mich recht erinnere, sind früher bei vielen Appreturmitteln diese Uebel stände immer hervorgetreten, daß sie zwar vorzügliche appretie rende Eigenschaften besaßen, daß man aber immer damit zu kämpfen hatte, daß die reduzierenden Eigenschaften von den Farbstoffen nicht vertragen wurden. Nun ist es nicht möglich, das Mittel stets nach den Farben auszuwählen, man stellt vielmehr für eine bestimmte Warengattung eine Art Universalappretur her, und, da wäre es interessant zu wissen, ob man bei diesem Extrakt eine reduzierende Eigenschaft, die ja denkbar wäre, beobachtet hat. Geheimrat Stutzer: In der Praxis habe ich noch keine größeren Versuche damit gemacht. Ich glaube, der Extrakt ist überhaupt nur anwendbar im Gemenge mit andern Appreturmitteln, die schon im Gebrauch sind. Ich habe nun festgestellt, daß die Farb stoffe sich auf Baumwolle nicht niederschlagen, sie färben die Stoffe an und für sich nicht. Aber es muß erst noch in größerem Maßstabe festgestellt werden, wie sie sich zu den Farben der Gewebe verhalten. Vorsitzender: Was die Verwendung für Appreturzwecke an- betrifft, so glaube ich, daß die vorliegende Farbe vollkommen be friedigen wird. Ferenczi: Es wäre vielleicht vorteilhaft, wenn Herr Geheim rat Stutzer bei seinen Versuchen bezüglich Verwendung des Extraktes für Appreturzwecke zurückgriffe auf die Arbeiten des verstorbenen schwedisch-englischen Sulfitstofftechnikers Ekman, welcher in den 1890er Jahren aus der Sulfitablauge ein Appretur mittel herstellte, das er „Dextron" nannte. Dieses Appretur mittel wurde seinerzeit in Fabriken der Textilindustrie benutzt. Vielleicht ist dieses Dextron im großen und ganzen derselbe Stoff, den Herr Geheimrat Stutzer jetzt durch seine neuen Arbeiten gewonnen hat. Die damals gemachten Erfahrungen sollten berücksichtigt werden. Geheimrat Stutzer: Ich danke sehr für den Hinweis. Das Dextron ist mir nicht bekannt; auch die Arbeiten von Ekman sind mir entgangen. Vorsitzender: Da sich niemand weiter zum Wort gemeldet hat, möchte ich auf Anregung eines österreichischen Mitgliedes noch darauf hin weisen, daß auch der österreichischen Industrie bei der Konzessionierung und Fortführung von Sulfitstoffanlagen die größten Schwierigkeiten gemacht werden. So hat eine Fabrik, die ihre Abwässer in die Mur leitet, erst nach sehr langen Kämpfen die Konzession bekommen, und nachdem diese auf Grund beson derer Bestimmungen erteilt war, erschien ein „Sport-Angler- Verein” mit einer Eingabe, welche genaue Vorschriften machte, wie die Statthalterei hätte vorgehen müssen, wenn die : Interessen der Fischerei hätten gewahrt werden sollen. Der Ver ein suchte nachzuweisen, daß ein Gehalt von 0,05 g schwefliger Säure im Kubikmeter des Abwassers die Fische bereits zum Sterben bringe. Man sieht also, daß die Sulfitstoffabrikanten in Oesterreich die selben Schwierigkeiten haben wie in Deutschland, und gleichfalls oft von unsachverständiger Seite über Gebühr behelligt werden. Ich kann wohl annehmen, daß das Sulfitlaugenthema für heute erschöpfend behandelt ist und schließe daher die Beratung über diesen Gegenstand, indem ich Herrn Dr. Klemm bitte, uns sein Referat zu halten. Fortsetzung folgt.