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562 PAPIER-ZEITUNG Nr. 16 Verein der Zellstoff- und Papier-Chemiker Hauptversammlung am 24. und 25. November 1910 im Papierhaus in Berlin Zweiter Verhandlungstag: 25. November 1910, nachmittags 4 Uhr Fortsetzung zu Nr. 14 Aussprache über die Vorträge von Geheimrat Prof. Dr. A. Stutzer und Dr.-lng. Direktor Kumpfmiller Vorsitzender : Ihr anhaltender Beifall hat dem Herrn Vor tragenden bereits gedankt und ihm ausgedrückt, mit welchem Interesse wir seinen Ausführungen gefolgt sind. Der Herr Vor tragende führt uns vor Augen, was auch von einem in der Praxis stehenden Manne in jahrzehntelanger Arbeit wissenschaftlich geleistet werden kann. Wir haben die Arbeiten von Herm Dr. Kumpfmiller immer mit Bewunderung verfolgt, und es ist erklärlich, daß er uns auch heute wieder mit seinen Mitteilungen in so hohem Maße zu fesseln wußte. Herr Dr. Kumpfmiller sowohl wie Herr Geheimrat Stutzer haben uns nun wesentlich zwei Verwendungsarten der Sulfitablauge vorgeführt, die die Möglichkeit bieten, einen Teil der Ablauge nutzbar zu machen. Der dritte Vortrag von Herrn Prof. Klason über Sulfitsprit, auf den wir uns der Vollständigkeit wegen gefreut hatten, muß durch Behinderung von Herrn Prof. Dr. Klason heute leider von der Tagesordnung abgesetzt werden. Bei unserer Aus sprache sind wir natürlich nicht an die heute gehörten Vor träge gebunden. Ich möchte darauf hinweisen, daß sich die Sulfitspritgewinnung aus den Ablaugen wesentlich von den beiden anderen Verfahren, der Gewinnung von Viehfutter und Gerbextrakt, unterscheidet. Die Sulfitspritfabrikation würde uns die Möglichkeit geben, ganze Arbeit zu machen und die ge samten existierenden Sulfitablaugen zu verwerten. Schweden hat, wie Sie wissen, dieses Verfahren bereits aufnehmen können. Bei uns in Deutschland würden etwa 33 Millionen Liter absoluten Alkohols aus den Sulfitablaugen zu gewinnen sein, und es mutet uns wie ein Verhängnis an, daß unsere Steuergesetzgebung in Deutschland gerade die Aufnahme dieser Fabrikation unmöglich macht, wie wir dies bereits in Goslar festgestellt haben. Meine Herren! Bei meiner Bearbeitung der Sulfitablaugen- Literatur wurde ich an die vielfachen Bemühungen, Viehfutter aus Ablaugen herzustellen, erinnert, die ja aus anderen Gründen bisher gleichfalls erfolglos geblieben sind. Herr Prof. Dr. Frank hat das große Verdienst, immer wieder darauf hingewiesen zu haben, daß die Sulfitablauge für Futterzwecke eine Massen verwendung finden könnte. Wenn die Frage einmal einzuschlafen drohte, war er es, der in Versammlungen und in der Presse zu erneuter Bearbeitung der dankbaren Aufgabe hinwies. Wir müssen es daher außerordentlich dankbar begrüßen, daß Herr Geheimrat Prof. Dr. Stutzer die Arbeiten auf diesem Gebiete so energisch aufgenommen hat und uns nun schon Früchte seiner jahrelangen Arbeiten vorlegen konnte. Wir wollen hoffen, daß die notwendigen exakten Fütterungsversuche auch im großen gelingen mögen, und daß es möglich werden wird, wie Herr Ge heimrat Stutzer in dem Artikel in der gestrigen Papier-Zeitung und in seinem heutigen Vortrage ausführt, nach seinem Verfahren einen wenn auch zunächst relativ geringen Teil der ungeheuren Mengen der Ablaugen praktischer Verwertung zuzuführen. Zu dem Verfahren von Herrn Geheimrat Stutzer möchte ich aus der Praxis auf eine Schwierigkeit hinweisen, die Herrn Ge heimrat Stutzer vielleicht interessieren wird, und über deren Bedeutung man im Laboratorium meist hinwegsieht. Die Lauge muß, wie dies heute Herr Geheimrat Stutzer bestätigte, in zwei Perioden eingedampft werden. Diese Zwei teilung erschwert die praktische Einführung des Verfahrens außerordentlich. Wenn die Lauge nach Zusatz von kohlensaurem Ammoniak eingedampft wird, um den Kalk völlig zur Abschei dung zu bringen, und dann zur Entfernung des Kalknieder schlages geschritten wird, bevor der zweite Eindampfungsprozeß auf 32° Be im Vakuumapparat erfolgt, dann finden außerordent liche Wärmeverluste statt, und die Rentabilität des Verfahrens ist von vornherein gefährdet. Eine wie große technische Schwierig keit dies praktisch ist, leuchtet ein, wenn man die ungeheuren Flüssigkeitsmengen beachtet, welche zweimal erwärmt werden müßten. Es wäre daher sehr zu wünschen, wenn erst kleinere Fabriken sich mit der Ausprobierung des Verfahrens beschäftigen könnten. Ich erinnere aber daran, daß die Verdampfindustrie Hand in Hand mit der chemischen Industrie vielfach schön Apparate gebaut hat, welche die Ausscheidung von festen Sub stanzen während des Verdampfprozesses ermöglichen, und es wäre in erster Linie ähnliches auch für Sulfitablauge zu erstreben. Bei den Fragen, die heute angeregt wurden, kam auch das sogenannte Zellpech zur Erwähnung, und ich möchte daran er innern, daß das Wort „Zellpech” geschützt, ist. Ein Gebrauchs muster schützt Herstellung, Verwendung und Vertrieb von Bindemitteln zu Brikettierungszwecken. Das Zellpech, d. h. Sulfitablaugenpech, ist eine Abart des seit fast 20 Jahren be kannten Laugenpechs der Natronzellstoffabrikation. Willi Schacht hat Mitte der neunziger Jahre eingehende Studien über die rationelle Verdampfung von Zellstoffablaugen bis zur Pech- konsistenz angestellt, und damals wurden jahrelang Strohstoff ablaugen und parallel dazu von mir in Altdamm auch Holz zelluloseablaugen auf Laugenpech verarbeitet. Das Verfahren mußte schließlich verlassen werden, da die Verdampfung des restlichen Wassergehalts der Ablaugen in hohem Grade un wirtschaftlich war. Vielleicht hat Herr Schacht die Freundlich keit, uns aus seinem Erfahrungsschatz hierüber einiges zu be richten. Während für Sulfitpechgewinnung zur letzten Wasser verdampfung beheizte rotierende Trommeln in Benutzung sind, wurde die Verdampfung der Natronzellstoffablaugen in der Vakuumapparatur soweit getrieben, daß die abfließende Dick lauge an der Luft erstarrte. Insbesondere wurde dies dadurch ermöglicht, daß die bis auf etwa 32° Be mit Laugenabdampf vorverdampfte Lauge im letzten Verdampfkörper mit Frisch dampf beheizt und hierdurch flüssig erhalten wurde. Das heutige Zellpech hat also im Schachtschen Laugenpech seinen Vorgänger •gehabt. Beim Studium unserer im Erscheinen begriffenen Zusammen stellung der Sulfitablauge-Literatur werden Sie finden, daß viele längst bekannte Arbeitsmethoden durch geschickte Formulierung eines Patentanspruchs noch nach Jahrzehnten Erfindungsschutz finden konnten. Diese Tatsache bildet eine große Gefahr für unsere Sulfitstoffindustrie, deren Bewegungsfreiheit bei Auf tauchen wertvoller Verfahren zur Verwertung der Ablaugen zu Unrecht behindert werden kann. Man sollte es beispiels weise nicht für möglich halten, daß die Herstellung von Briketts unter Verwendung von eingedampfter Sulfitablauge untersagt ist, wenn die Sulfitablauge soweit eingedampft ist, daß sie beim Erkalten feste Form annimmt, obgleich Dr. Emil Meyer schon 1888 auf die Herstellung und Verwertung von Holzkohlenbriketts unter Verwendung möglichst konzentrierter Lauge Patentschutz erhalten hat. Die Literaturzusammenstellung wird den Fabrikanten diese Gefahr in vielfacher Beziehung vor Augen führen, und wir haben in der Patentliste dieses Werkes auf Anregung von Herrn Prof. Vogel noch besonders darauf verwiesen, ob ein Patent noch in Wirksamkeit oder ob es aufgegeben ist, und in diesem Falle, wie lange es bestanden hat. Willi Schacht, Weißenfels: Unser verehrter Herr Vorsitzende hat gewüncht, daß ich Ihnen noch Mitteilungen über das Laugen pech mache. Was darüber zu sagen ist, hat aber der Herr Vor sitzende bereits ausgeführt, und ich will das Gesagte nur noch dahin ergänzen, daß es mir seinerzeit gelungen ist, bei der Her stellung dieses Laugenpechs im laufenden Betriebe die spezi fische Dichte von 1,7 zu erreichen. Dann will ich in einigen Punkten auf den Vortrag des Herrn Geheimrat Stutzer zu sprechen kommen. Herr Prof. Stutzer hat die Gewinnung und Verwertung von Farbstoffen aus den Ablaugen angeregt, und da kann ich ergänzend mitteilen, daß wir auch in der Natronzellstoffindustrie vor etwa 12 Jahren diesen Dingen bereits eifrigst nachgegangen sind. Wie haben uns damals nicht darauf beschränkt, Laboratoriumsversuche zu machen, sondern wir sind der Sache sogar längere Zeit im Großbetrieb gefolgt. Ueber das Ergebnis der Arbeiten will ich hier kurz folgendes mitteilen: Gelbe Farbstoffe sind vorhanden, und zwar als Restitutionsprodukte von Chlorophyll: Aus Blatt grün ist das Blaue verschwunden und das Gelbe zurückgeblieben. Sie haben an den Mustern von Herrn Geheimrat Stutzer gesehen, daß es sich bei seinen Versuchen ebenfalls um eine Gelbfärbung handelt. Die Farbe ist aber sehr stark verunreinigt durch Humus stoffe, und diese Verunreinigungen lassen den Farbstoff schmutzig gelb erscheinen, wodurch die Verwertbarkeit der Farbstoffe in der Färberei außerordentlich erschwert wird. Es hat sich aber bereits früher herausgestellt, daß diese Farbstoffe sich als Er satz für Gelbholz in Anwendung bringen lassen. Zur damaligen Zeit, vor 12 Jahren, war die Einfuhr an Gelbholz in Deutsch land noch ganz bedeutend; es drehte sich bei der Verwertung wohl um einige Millionen Mark. Heute ist die Verwendung von Gelbholzfarbstoffen außerordentlich zurückgegangen. Da-