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528 PAPIER-ZEITUNG Nr. 15 Faltschachteln 891. Schiedspruch Schiedsprüche werden kostenfrei gefällt und ohne Namen der Beteiligten veröffentlicht Die chemische Fabrik X & Co. in A erteilte uns durch unseren dortigen Vertreter einen Auftrag auf „4000 Faltschachteln 1 Pfund” in Ausführung des Festfalters, eines unserer Patente, nach anliegen dem Größen- und Qualitätsmuster zum Preise von . . M. das Tausend, und auf „8000 Faltschachteln % Pfund” in gleicher Ausführung, wie oben, zu . . M. das Tausend. Beide Sorten aus 300-g-Duplex- karton, der Innenkarton aus 200er kaschierter Holzpappe, in dreifarbiger lithographischer Ausführung, nach unseren Ent würfen. Zu beiden Größen passend gehören Innenbodenbeutel aus Pergament-Ersatz 40 g. Wir haben die Ware zu unseren Bedingungen verkauft: Versand ab unserer Fabrik B, Kisten billigst berechnet. Ziel drei Monate netto oder Barzahlung innerhalb 14 Tagen nach Berechnung mit 2 v. H. Skontoabzug. Erfüllungsort für Lieferung und Zahlung ist B. Die gewerbsübliche Mehr- oder Minderlieferung bis zu 10 v. H. vorbehalten. Der Auftrag wurde am 17. 8. 1910 ordnungsgemäß bestätigt. Die Größen- und Qualitätsmuster für Faltschachteln und Beutel sandte unser Vertreter am 23. 8. genehmigt zurück. Die Genehmigung des Probedruckes erfolgte am 13. 9. Wir schickten die erste Sen dung, eine Teillieferung, am 30. 9. ab, sie enthielt 100 Festfalter, % Pfund, mit Innenbodenbeutel und wurde angenommen. Rech nungskopie anbei. Am 6. 10. gab unser Vertreter eine Aenderung der Beutel größe auf. Wir konnten aber nichts mehr ändern, da der Zu schnitt für die Beutel schon fertig war. Die gelieferten Beutel sind genau nach dem Größenmuster gearbeitet worden. Die zweite Sendung über 500 große und kleine Festfalter nebst Innenbodenbeutel datiert vom 4. 10. Rechnungskopie anbei. Die Ware wurde am 7. 10. zur Verfügung gestellt, weil die Güte und Ausführung nicht mustergetreu und die Ware infolgedessen nicht zu verwenden sei. Auf Ansuchen der chemischen Fabrik stellten wir darauf den Weiterversand ein. Nach genauester Prüfung der noch bei uns befindlichen Falt schachteln und Beutel stellten wir fest, daß der Karton und die Größe genau mit dem gesandten Muster übereinstimmte. Die Druckausführung ist tadellos, und wir haben an der Klebung der Kartone keine Mängel gefunden. Wir lehnten dementsprechend die Zurverfügungstellung der Ware ab, wie aus unserm Brief vom 11. 10. ersichtlich, Kopie anbei, erklärten uns aber in einem andern Schreiben damit einverstanden, daß die Firma X & Co. angeblich schlecht gelieferte und durchaus nicht verwendbare Schachteln aussortiert und uns einsendet. Dies haben X & Co. bislang nicht getan. Es liegen jetzt noch bei uns auf Lager: 10 604 Festfalter 1 Pfund, 10 200 Bodenbeutel 1 Pfund 2 375 „ 1 „ , 3 500 „ 1 Zur Begutachtung sandten wir Ihnen je 50 Faltschachteln und Beutel von beiden Größen, die Sie mit den genehmigten Vor lagemustern A —D vergleichen wollen. Wir bitten um Ihren Schiedspruch, dem wir uns unterwerfen werden. Y. Papierwarenfabrik in B * * * Wir unterwerfen uns in nachstehend geschilderter Streitsache bedingungslos Ihrem Schiedspruch. Die Falter sind aus viel zu schwachem und vollständig ungeeig netem, höchst minderwertigem Material gefertigt. Auch in der Farbe und Ausführung ist die Lieferung nicht mustergetreu. Das Material, aus welchem die Falter gefertigt sind, ist so schlecht, daß die Klappen derselben, schon bevor der Falter in die Hand genommen wird, ab sind oder bei der leisesten und sorgfältigsten Berührung abbrechen! Es ist deshalb nicht möglich, einen Karton herzustellen, welcher sicher transportfähig ist, wie wir Ihnen durch Vorlage einiger Falt schachteln, welche von der Post zurückkamen und sich noch un ausgepackt befanden, beweisen. Trotz der doppelten Wellpappe und vorsichtigsten Verpackung waren die Faltschachteln und Innen beutel kaput, wodurch deren Inhalt verschüttet wurde. Die Füllung besteht aus pharmazeutischen Erzeugnissen, welche unter Beob achtung allergrößter Sauberkeit hergestellt und fast durchwegs für Kranke bestimmt sind! Wenn nun eine Sendung in den Besitz des Adressaten kommt, und er öffnet den Außenkarton, um dann zu sehen, daß der Inhalt verschüttet ist, so macht die Sendung einen unappetitlichen Eindruck, auch kann das Präparat nicht mehr als hygienisch einwandfrei bezeichnet werden. Für uns können durch die äußerst schlechte Lieferung die schwersten Geschäfts schäden entstehen, welche nicht mehr gut zu machen sind! Weiters ist die festgeklebte, innere Versteifung der Falter ohne die geringste Sorgfalt eingesetzt und steht z. T. so über, daß es nicht möglich ist, die Klappen ordentlich zu schließen. Dadurch erhalten die Falter ein sehr stümperhaftes Aussehen! In pharmazeutischen Packungen wird von der Konkurrenz bezüglich Eleganz und Gleich heit viel Besseres geleistet! Außerdem ist in der maschinellen Be handlung der Falter der Fehler gemacht worden, daß viel zu scharf gepreßt wurde, was dazu beiträgt, die Schachteln unbrauchbar zu machen. Die Innenbeutel sind aus unbrauchbarem, brüchigem und viel zu schwachem Stoff gefertigt, während doch ein kleiner Beutel 12 Pfund und ein großer Beutel ein ganzes Pfund des Präparats aufnehmen muß. Dies war der Firma Y bekannt. Die Beutel sind außerdem denkbar schlecht mit völlig ungeeignetem Klebestoff geklebt. Ihr Schriftleiter hat sich an Ort und Stelle davon über zeugt, daß 8 bis 10 Beutel gefüllt werden mußten, bis es gelang, unter ständiger Beobachtung der allergrößten Vorsicht einen Beutel so weit fertig zu bekommen, daß er in den Falter eingeführt werden konnte. Abgesehen davon, daß dadurch für die Haltbarkeit des Beutels noch lange keine Gewähr besteht, da er wie ein weiches Ei behandelt wurde, und der fertige Karton doch auch verschickt werden soll, bedingt eine derartige Manipulation bedeutenden, un verhältnismäßig großen Zeitaufwand und so enormen Verlust an Material, daß die Fabrikation unverhältnismäßig verteuert und er schwert wird. Außerdem sind eine Unmenge kleinerer Mängel vor handen, auf welche wir Ihren Herrn Schriftleiter aufmerksam machten. Die Fehler zeigen sich erst bei der Verwendung. Von uns wurde nur die Größe der Beutel genehmigt, nicht aber der Stoff. Es wurden seinerzeit in der Wohnung des damaligen Alleinvertreters von Y nur kurze Versuche mit den Größenmustern angestellt. Auf unsere Frage, aus welchem Material die Beutel gefertigt werden, erklärte der Vertreter: „Darum brauchen Sie sich nicht bekümmern, die Leute wissen schon, was sie zu liefern haben! Seien Sie außer Sorge, Sie werden gut bedient und ich werde den Leuten schon entsprechend schreiben.” Er erklärte weiter, daß die vorgelegten Größenmuster mit der Hand gefertigt wurden, die Lieferung selbst aber tadellos erfolgt. Auf keinen Fall wurde aber das Papier von uns genehmigt! Bezeichnend ist, daß uns die Firma Y 3mal Beutel sendungen machte, und jede Sendung aus anderem Material ge fertigt war. Es wurde auch nie über den Preis gesprochen, sondern nur ver langt, daß erstklassige Ware geliefert wird! Als die Faltenmuster kamen, behauptete der Vertreter, daß die Lieferung selbst viel schöner und besser ausfallen würde als die Andrucke. Es erwies sich aber das Gegenteil! X & Co., chemische Fabrik in A Der unbedruckte Duplexkarton, der als Vorlagemuster für die 1-Pfund-und ^-Pfund-Falter diente und genehmigt wurde, besitzt als Decke ein ziemlich dickes, faseriges, holzfreies Papier. Die bedruckten Vorlagemuster bestehen aus zwar gleich schwerem aber anderem Karton, dessen holzfreie Decke dünner und weniger faserfest ist als die der unbedruckten Vorlage. Obgleich diese Muster genehmigt wurden, war die Papierwarenfabrik doch ver pflichtet, die Auflage aus dem kräftigeren Papier der unbedruckten Muster herzustellen, denn die bedruckten galten bei der Prüfung nur als Druckmuster. Infolge dieser Beschaffenheit des Duplex kartons wird die Papierdecke der Schachteln beim Falten längs der gerillten Stellen leichter brüchig als wenn der festere Karton des unbedruckten Vorlagemusters genommen worden wäre. Versucht man die Faltschachteln in die Gebrauchsform zu falten, so findet man, daß bei einem großen Teil die Zungen und Klappen ungenau geschnitten sind und über die Wand der Schachteln vorstehen. Die Folge davon ist, daß die vorstehenden Ecken leicht einreißen. Die innere Versteifung aus beklebter Holz pappe ist bei einem Teil der Falter zu hoch und verhindert ebenes Umlegen der Klappen. Die Bodenbeutel, die in gefülltem Zustand in die Faltschachteln kommen sollen, bestehen aus dünnem und durchscheinendem Pergamentersatzpapier, welches naturgemäß ziemlich brüchig ist und sich ziemlich schwer kleben läßt. Mit Rücksicht hierauf finden wir die Beutel noch recht gut geklebt und dicht genug, obgleich wir im Packraum der chemischen Fabrik von X & Co. sahen, daß beim Einfüllen des braunen, kakaoähnlichen Pulvers in die Beutel diese leicht an einzelnen Stellen etwas Pulver nach außen treten ließen. Dies kann jedoch von der chemischen Fabrik nicht be anstandet werden, weil sie die Beutel in gleicher Form und aus gleichem Stoff genehmigt hat. Allerdings hätte die Papierwaren fabrik darauf aufmerksam machen können, daß Beutel aus. solchem Papier schwer pulverdicht zu halten sind. Der obige Befund ergibt, daß die chemische Fabrik die Faltschachteln mit Recht beanstandet hat. Da nun aber die in großer Menge seitens der Papierwarenfabrik hergestellten und bei ihr aufbewahrten Faltschachteln für jedermann außer der chemi schen Fabrik X wertlos sind, weil sie über und über mit deren Reklamen bedruckt sind, und da anderseits die chemische Fabrik diese Packungen dringend benötigt, und Wochen vergehen müssen, bevor sie dafür neuangefertigten Ersatz erhalten kann, So ent scheiden wir wie folgt: Die Papierwarenfabrik übersendet sämt liche angefertigten Packungen der chemischen Fabrik. Diese versucht sie zu verwerten und stellt die unbrauchbaren der' Papierwarenfabrik zur Verfügung, die brauchbaren bezahlt sie zu einem um 25 v. H. gegen den ursprünglichen Preis er mäßigten Preise. Diese Ermäßigung soll die chemische Fabrik dafür entschädigen, daß sie mit den unbrauchbaren Packungen eine Menge Arbeit und Zeitverlust hat.