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3814 PAPIER-ZEITUNG Nr. 101 trotzdem die Oberauer Pappenfabrik zu einer kleinen Papier fabrik um und erzeugte aus Hadernstoffen und Papierabfällen auf einer kleinen schmalen Zylindermaschine hauptsäch lich Pack- und Tütenpapiere sowie Aktendeckel. Später wurden die Siebzylinder durch eine Langsiebpartie ersetzt und die Maschine etwas verbreitert. Der Fabrikation stellten sich im Laufe der Zeit aber Schwierigkeiten dadurch ent gegen, daß das zur Verfügung stehende Wasser zu knapp war. Es erschien unmöglich, den Betrieb je zu vergrößern. Dazu kam, daß die Fabrik nicht als Eigentum erworben werden konnte, weil sie zu einem Majorat gehörte, v. Gab lenz faßte deshalb den Entschluß, seine Fabrikation nach einem günstigeren Platze zu verlegen. Nach vielem Suchen entschied er sich für Haynau in Schlesien. Er siedelte am 22. Oktober 1885 dorthin über und erwarb eine alte ehe malige Tuchfabrik, in der er die Oberauer Papiermaschine aufstellte. Es war auch hier in Haynau zunächst eine Papier fabrik allerkleinsten Maßstabes, in der er aber mit emsigem Fleiß und mit dem festen Willen arbeitete, durch Erzeugung be sonders guter Fabrikate in die Höhe zu kommen. Im An fang wurden farbige Prospekt- und Umschlagpapiere her gestellt, aber schon nach kurzer Zeit versuchte Curt v. Gablenz fettdichte Pergamynpapiere herzustellen, die da mals wohl nur in einer einzigen deutschen Papierfabrik er zeugt wurden, und deren Herstellungsweise im großen und und ganzen unbekannt war. Durch seine außerordentliche Beharrlichkeit, durch seinen eisernen Fleiß und unterstützt durch sein hochentwickeltes praktisches Geschick gelang es v. Gablenz, alle Schwierigkeiten zu überwinden und ein Fabrikat zu erzeugen, das sich überraschend schnell ein führte. Die Haynauer Pergamynpapiere wurden in kürzester Zeit bekannt und überall so begehrt, daß v. Gablenz der Nachfrage bei weitem nicht genügen konnte und gezwungen war, eine zweite Langsiebpapiermaschine aufzustellen, der 1896 eine dritte, 1897 eine vierte folgte. Er legte stets den größten Wert darauf, nur hervorragende Papiere, die sich durch ihre Güte von selbst empfahlen, zu fertigen. Dazu kam seine unbedingte geschäftliche Zuverlässigkeit im Verkehr mit der Kundschaft. Diesen Grundsätzen und Eigenschaften ist sein Erfolg zuzuschreiben. In immer weitere Kreise drang der Ruf seiner Papiere, und die Folge war eine un unterbrochene Vergrößerung seiner Fabrikanlagen, denen 1902 eine fünfte, 1906 eine sechste und 1908 eine siebente Langsiebpapiermaschine zugefügt wurden. Im gleichen Verhältnis hierzu stand die Anschaffung und Vermehrung der sonstigen Hilfsmaschinen und Neben anlagen. Die Papierfabrik zu Haynau arbeitet gegenwärtig mit 30 großen Holländern und sonstigen Mahlapparaten, 4 Kollergängen, 12 Kalandern, 6 Feuchtmaschinen, 8 Präge maschinen, 8 Querschneidern, 8 Rollmaschinen, 3 Druck maschinen, 3 Wachsmaschinen, 3 Entwässerungsmaschinen und vielen andern Hilfsapparaten. Drei große Bleichereien und eine elektrolytische Bleichlaugeanstalt von 350 PS elek trischer Energie sorgen für den nötigen gebleichten Roh stoff. Außerdem hat die Fabrik eigne Hülsenmacherei, Schmiede, Schlosserei, Schreinerei und Zimmerei und Kisten macherei. Zum Betriebe dieser ausgedehnten Anlage sind etwa 2200 PS Dampfkraft', 840 PS elektrische Energie und 30 PS Wasserkraft vorhanden, die 12 Dampfmaschinen, 10 Elektromotoren und 1 Turbine speisen, außerdem 1 Oel- gasanstalt mit 1 Gasmotor. 12 Dampfkessel von je 70 bis 300 qm Heizfläche liefern den erforderlichen Dampf. Die Fabrik besitzt einen eigenen Güterbahnhof, der mit sämt lichen Fabriklagerräumen durch Gleise so verbunden ist, daß durch eigene Lokomotive der Transport der vielen ein- und ausgehenden Güter in leichtester und bequemster Weise erfolgt, und ist anderseits mit dem Staatsbahnhof Haynau durch besonderes Gleis verbunden. Die Haynauer Papier fabrik ist gegenwärtig wohl die einzige in Deutschland, in welcher 7 Langsiebpapiermaschinen in einer gemeinsamen Anlage, also örtlich vereinigt, in Betrieb sind. 500 Arbeiter und Arbeiterinnen sowie 20 Beamte, deren Mehrzahl schon lange in den Diensten der Firma stehen, sind in der Haynauer Papierfabrik beschäftigt, und die Erzeugnisse dieser Fabrik finden ihren Weg nach allen Weltgegenden. Aus den denkbar kleinsten Anfängen her aus, von einer kleinen, unmodernen, umgebauten Papier maschine an, ohne anfänglich nennenswerte Kapitalien, ja nicht einmal aufgebaut auf praktischen Erfahrungen, son dern nur durch zielbewußtes Streben eines Einzigen, durch unermüdlichen Fleiß, durch eisernes Wollen und praktisches Vollbringen hat dieses Unterehmen seinen Weltruf begründet! Und der Mann, der ohne fremde Hilfe, nur aus sich selbst heraus, einen so seltenen Erfolg errungen hat, dessen alleiniges und ausschließliches Verdienst die heutige Größe seines Unternehmens ist, war der einfachste und be- scheidendste Mensch! Wenn er mit Fug und Recht einer unsrer bedeutendsten und größten deutschen Papierfabri kanten genannt werden kann, so war er noch ungleich größer durch seinen Charakter. Seine Herzensgüte, sein Gerechtigkeitsgefühl, das jedem das Seine zuteil werden ließ, erwarben ihm treue Mitarbeiter. Er, der in gesunden Tagen früh der Erste in der Fabrik war und bis in die späte Nacht hinein tätig blieb, gab das beste Beispiel treuer Pflichterfüllung. Außerordentlich streng gegen sich selbst, war er menschenfreundlich und teilnehmend gegen jeder mann. Gegen andere hatte er ein weiches Gemüt, ein gütiges Herz, das selbst schwere Fehler verzeihen konnte. Er, der selbst so viel leistete, dessen Laufbahn und Erfolg als Papiermacher einzig dastehen, war die Anspruchslosig keit selbst; für sich verlangte er nichts, aber für seine An gestellten, seine Mitarbeiter, war er der stets treubesorgte, gütige Herr. Er gab nichts auf äußere Ehren und Titel, nichts auf leere Formen; an ihm war nichts Gemachtes, nichts Unechtes. Er war ein ganzer Mann vom Scheitel bis zur Sohle! Vom ersten Beamten bis zum letzten Arbeiter vereinigte sich deshalb auch alles in der unbegrenzten Ver ehrung für diesen seltenen Mann. Von seiner hohen, ehr würdigen Gestalt ging ein beruhigendes, ausgleichendes Gefühl aus; ihm gegenüber fühlten alle seineAngestellten nur vollstes Vertrauen, herzliche Verehrung, treue Anhänglichkeit! Mit Curt v. Gablenz hat nicht nur die deutsche Papier industrie einen ihrer bedeutendsten Vertreter, die Stadt Haynau ihren größten Industriellen und höchsten Steuer zahler, dem sie sehr viel verdankt, verloren, sondern an ihm hatten viele, viele Familien den gütigen, alle Zeit hilfs bereiten Wohltäter. Was er im stillen getan, wie viel Tränen er getrocknet hat, davon zu reden, würde nicht im Sinne dieses bescheidenen, wahrhaft vornehm denkenden Mannes sein. Welcher Liebe er teilhaftig war, daß zeigte sich so recht, als es galt, Abschied zu nehmen: alle die Hunderte seiner Arbeiter und Beamten, alle die Vielen, denen er im privaten oder geschäftlichen Leben näher getreten war, sie hatten das schmerzlicheGefühl, daß ein Mann ihnen genommen war mit edlem, gütigem Herzen, ein seltener Mensch, groß in seinen Erfolgen und doch bescheiden in seinerDenkungsart. Curt v. Gablenz wird allen, die ihn kannten, unver gessen bleiben. R. L.