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Sächsischer Landes-Anzeiger : 27.05.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-05-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188805270
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880527
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880527
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-05
- Tag 1888-05-27
-
Monat
1888-05
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 27.05.1888
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Kr. 121. — 8-Jahrgang. Da jeden Wochentag Abend (mit Datum »«S folgenden Tage») zur Lersendung ^langende..GtiWtze La«M-Anzeiger" mit täglich einem besoiHeren Unter- haltungSbkUle lind 'mit Ml Exttabeibla» Saftiges «ildervach kostet bei den ««Saab«, stellen monatlich 70 M., hei denPvst-Aich. ^ Ps. (1888a -iichsischß» 7^ -7r mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen nn- Thüringen. Sonntag, SI. Mai 1888. »emm eina schmalen TorpuSzril« 1»«D Bevorzugt« Stelle (Isvalt. Petitzeile) SO ». LeiWIederholung großer Annoncen Rad«. Bei Bestellungen von Auswärts wolle ma» Insert! onSbetrag (in Briefmarken) beifüge» Ut 8 Silben TvrpuSfchrist bilden ca. 1 Zelle) Annoncenannahm« nur bis Bormittag. ßnl«: MM Me. Buchdrnckerei. Chemnitz. Theaterstraße 5 (Feriifprechstelle Nr.1 Telegr-Adr.: Lander-Anzeiger, Th« Mit täglich einem besonderen 4. Sächsisches Allerlei - Unterhaltungsblatt: 1. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Grzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 5. Jllnsirirtes Unterhaltnngsblatt — 6. Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: Luftiges Bilderbuch. Kür den Monat Juni nehmen die Ausgabestellen in Chemnitz und Um gegend zum Preise von 70 Pfg. (die Postanstalten zu 75 Pfg.) Abonnements- Bestellungen aus den Sächsischen Landes-Anzeiger entgegen. Der Sächsische Landes-Anzeiger ist in der deutschen Post-ZeitungS- PreiSliste unter Nr. 6085 (in der österreichischen unter Nr. 2307) eingetragen. Allen Abonnenten wird vollständig gratis als Extrabeigabe geliefert: Eisenbahn-Fahrplauheft für Sachsen (Sommer-Halbjahr 1888). (Giltig vom 1. Juni 1888 ab.) Dieses Eisenbahn-Fahrplanhest ist in Umschlag gehestet und enthält in sauberem deutlichen Druck die Fahrpläne sämmtlicher Strecken des sächsischen Eisenbahn-Netzes nebst den Anschlüssen sowie mit Angabe der Entfernungen und der Fahrpreise. Preis dieses Heftes für Nicht-Abonnenten 20 Pfg. Ferner erhält jeder neubeitretende Abonnent, welcher die Abonnements- Quittung (Post-Abonnenten wollen lO-Pfg.-Marke für Porto beifügen) direct an die Verlags-Expedition einsendet, vollständig gratis geliefert: 1. Jllustrtrtcr Käse»,der für 1888, 84 Seiten 4° mit Oeldruckbild, Almanach, Kalendarium, Märkte-Verzeichniß: reich-illustrirtem umfangreichen humoristischen Theilu. fesselnden Erzählungen. (Preis f.Nicht-Abonncnten40Pfg0 2. Des Sächsischen Landes-Anzeigers Jttustrirtes Jahresvnch für 1888; 64 Seiten gr. 8° mit Almanach und vielen Erzählungen und Bildern. (Preis für Nicht-Abonnenten 40 Pfg.) Abermalige» zahlreichen Beitritt neuer Abonnenten erbittet die Verlags-Expedition des Sächsischen Landes-Anzeigers Um Verwechslungen zu vermeiden, werden Post-Abonnenten ersucht, bei Bestellung frenndlichst genau zu verlangen: den in CheMNitz erscheinende» „Sächsischen Landes-ANZCiger" (Nr. 5035 der Post-Zettungs-Preisliste). Amtliche Bekanntmachungen. In. dem Konkursverfahren über das Vermögen der Kaufmanns Carl Ludwig Groß in Chemnitz, gewesenen Inhabers eines Strmnpswaarenge- schäfts unter der Firma Carl Groß, ist zur Abnahme der Schlußrechnung des Verwalters, zur Erhebung von Einwendungen gegen das Schlußverzeich niß der bei der Vertheilung z» berücksichtigenden Forderungen und zur Be schlußfassung der Gläubiger über die nicht verwerthbaren Vermögeusstücke der Schlußtermin aus den >9. Juni 1888 Nachmittags 4 Uhr vor dem Königliche» Amtsgerichte Hierselbst bestimmt. Chemnitz, den 22. Mai 1888. Königl. Amtsgericht. Telegraphische Nachrichten. Vom 25. Mai. Petersburg. Die russischen Blätter äußern sich sehr entrüstet über die angekündigten deutschen Repressalien gegen Frankreich; durch dieselben zeige sich wieder einmal die deutsche Gehässigkeit gegenüber Frankreich. Der durch die Maßregel dokumentirte Geist der Unduld samkeit sei an sich bedeutungsvoller als die Maßregel selbst. Diese würde weitere Grenzkonflikte zeitigen, vielleicht aber rechne Deutschland geradezu auf solche. In diesem herausfordernden und gehässigen Tone geht es weiter. Wien. Die Meldung, daß eine Verschiebung der Delegationen auf den Spätherbst beabsichtigt sei, ist unrichtig. Die „Pol. Corr." stellt fest, daß an maßgebender Stelle an der Einberufung derselben für Anfang Juni festgehalten werde; der Tag sei mit Rücksicht ans den Verlauf der parlamentarischen Arbeiten bisher noch nicht fixirt, doch werde angenommen, daß dies vor dem Ablauf der ersten Woche des Juni geschehen werde. Budapest. In parlamentarischen Kreisen wird eine Inter pellation vorbereitet: Ob es wahr sei, daß der Handelsminister, Graf Paul Szechcnyi, die ungarischen Industriellen von der Betheiligung an der Pariser Weltausstellung abhalten wolle und geäußert habe, daß er mit allen Kräften das Zustandekommen der ungarischen Ab theilung verhindern werde, da Ungarn an einer Verherrlichung der französischen Revolution nicht theilzunehnien habe. Diese Aeußerung stehe im Widerspruche mit den scinerzeitigen Erklärungen Tisza's im Parlament. Paris. Entgegen dem ersten Eindruck sprechen sich die Blätter jetzt sehr scharf über die Maßregel des Paßzwangcs in Elsaß-Loth ringen aus. „Figaro" spricht von der „Aufrichtung einer chinesischen Mauer" und nennt die Verfügung einen schweren Fehler Bismarcks. „Voltaire" meint, „diese Mauer werde die Gefühle der Elsässer nicht verhindern, sich über die sachlichen Grenzhindernisse hinweg mit denen der Franzosen zu vereinigen." Andere Zeitungen äußern sich noch erbitterter; „Libertv" fordert die Anwendung derselben Maßregel gegen deutsche Reisende. Berlin, 26. Mai, 11 Uhr IS Min. Der Kaiser hatte heute wieder eine gute Nacht; er fühlte sich gestärkt und weilt jetzt im Park. Politische Rundschau. Chemnitz, den 26. Mai. Deutsches Reich. Kaiser Friedrich ließ sich am Donnerstag Abend in der siebenten Stunde im Charlottenburger Schloßpark seinen alten Fuchs „Wörth", den er in der Schlacht vom 6. August 1870 ritt, und der jetzt das Gaadenbrod erhält, vorführen Freudig wieherte das Thier, als es seinen Herrn erkannte, der es mehrfach streichelte und mit Zucker fütterte. — Bei der Fahrt des Kaisers nach Berlin am Mittwoch Abend hat sich ein Zwischenfall ereignet, über welchen verschiedene Versionen verbreitet werden. Nach der einen soll sich das Sitzkissen des Kaisers verschoben haben, während nach der anderen an der Kanüle etwas in Unordnung gerathen sein soll. Welche von diesen Versionen die richtige ist, oder ob beide richtig sind, sei dahingestellt. Tpatsache ist, daß der Wagen des Kaisers während der Hinfahrt nach Berlin in der Nähe des Hippo droms Plötzlich anhielt, daß die Kaiserin ausstieg und vr. Mackenzie und der Lcibjäger sich mit dem Kaiser beschäftigten. Der Zwischen fall wurde zum Glück bald erledigt und die Fahrt konnte fortgesetzt werden. Doch wurde am Donnerstag in aller Frühe der Instrumenten inacher Winkler, welcher die Kanülen für den Kaiser anzufertigcn resp. umzuarbeite» Pflegt, nach dem Charlottenburger Schloß berufen — Die „Nordd. Mg. Ztg." schreibt: „Nach übereinstimmender Mittheilung von verschiedenen Seiten dürfte seine Majestät der Kaiser, wenn nicht besondere Zwischenfälle eintreten, in den ersten Junitagen nach «Schloß Friednchskron übersiedeln, wo die parterre rechts gelegenen Zimmer von Sr. Majestät bewohnt werden sollen. Im Laufe des Hochsommers dürste dann dieser Aufenthalt mitHom bürg v. d. Höhe vertauscht werden, dessen klimatische Verhältnisse von ärztlicher Seite als besonders geeignet für einen Aufenthalt während der heißesten Sominertage bezeichnet werden." — Der ehemalige Admiralitätschef Herr von Stosch wurde am Donnerstag Vormittag vom Kaiser Friedrich in sehr langer Audienz einpfangen. Herr von Stosch steht dem Kaiser auch politisch sehr nahe, und es heißt deshalb jetzt wieder, wie schon öfter, er werde in den Staatsdienst zurücktreten und einen sehr hohen Posten erhalten. Für den Augenblick klingt das wenig glaubhaft. Daß an Herrn von Stosch als Nachfolger des Reichskanzlers einmal gedacht ist, hat Fürst Bismarck bekanntlich einmal im Reichstag gesagt. — Preußisches Herrenhaus. (15. Sitzung vom 25. Mai.) Freitagssitzung. 2 Vs Uhr. Vor Eintritt in die Tagesordnung nimmt Herr von Koscielski das Wort zu einer Gegenerklärung auf die Mittheilungen, die Herr Struckmann in Betreff der Ansiedlungs- kommission für Westpreußcn und Posen in der letzten Sitzung des Hauses gemacht hatte. Derselbe hält seine früheren Angaben auf recht. Einige Berichte werden ohne weitere Debatte erledigt. Dem vom Abgeordnetenhause angenommenen Antrag auf Aufhebung der Wittwen- und Waisenkassenbeiträge der Volksschullehrer wird die Zu- timmung versagt, dagegen die Regierung ersucht, in nächster Session «inen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen den Volksschullehrern n dieser Beziehung gleiche Bortheile zugewendet werden, wie den unmittelbaren Staatsbeamten. Geh. Rath Germar stellt eine solch« Vorlage für die nächste Session in Aussicht. Dann werden noch einige Petitionen erledigt. Die Arbeiten sind beendet. — Preußisches Abgeordnetenhaus. Das Haus trat am Freitag wieder zur Berathung des in abgeänderter Form aus dem Herren haus«: zurückgekommcnen Gesetzentwurfes betr. die Erleichterung der Volksschullasten zusammen. Das Herrenhaus hat besonders, in Uebereinstimmung mit der Regierung, den vom Abgeordnetenhaus« beschlossenen 8 7 gestrichen, nach welchem die Vorlage eine Ver- ässungsänderung bedeutet. Nach einer scharfen Auseinandersetzung zwischen dem Minister von Scholz und dem Abg. Rickert werden 1—6 nach den Herrenhausbeschlüssen angenommen. Abg. Rickert beantragt, die Abstimmung über den entscheidenden 8 7 bis nach der Prüfung der Wahl der Abgg. von Puttkamer und Döhring auszusetzen. Der Antrag wird nach stürmischer Debatte mit 235 gegen 88 Stimmen abgelehnt, ebenso ein Antrag Windthorst, den 8 7 wieder herzustellen, mit 179 gegen 148 Stimmen. (Die Mehrheit besteht aus Theilen der Conservativcn und Nationalliberalen.) Damit ist also die An nahme der Herrenhausbeschlüsse gesichert. Weiterberathung Sonn abend 11 Uhr. — Schluß gegen 7 Uhr Abends. — Aus Anlaß der bevorstehenden Neuwahlen zum Preußischen Landtage schreibt die „Nordd. Allg. Ztg.": „Schon der Umstand, daß die Mandatsdauer des neu zu wählende» Abgeordnetenhauses eine fünfjährige sein wird, weist auf eine erhöhte Bedeutung dieser Wahlen hin, und die neuerdings erst in Altena-Iserlohn mit der kühl zurückhaltenden „Vornehmheit" der Politischen Führer der natio nalen Parteien gemachten Erfahrungen lassen den Wunsch erwachen, es möchte in der rechten Zeit das Erforderliche geschehen, damit die ziemlich hochgespannten, unseres Erachtens allerdings stark übertriebenen Hoffnungen der Partei Richter nicht in Erfüllung gehen!" — In einem Artikel über den „nächsten Krieg" äußert sich die „Kreuz-Ztg." an leitender Stelle wie folgt: „Welche Kombination Rußland in der auswärtigen Politik auch treffen mag, es kann und wird überall ans eine furchtbare Gegnerschaft stoßen; wo es, fertig zun; Kampfe, hinblickt, wird es sich in seinem eigenen Lager dicht und mächtig umstellt erkennen. Ist trotzdem nun im Entferntesten zu glauben» daß es die auf seine Rüstungen verwendeten Unsummen umsonst verausgabt haben will, oder daß es ihm verstauet sein kann, lange Gewehr bei Fuß zu verharren? Nimmermehr; es hat sich selbst in die Lage eines verzweifelten Spielers gebracht, den eine dämonische Macht treibt, Alles auf eine Karte zu setzen. Es giebt auch nichts in der Welt, wodurch es ohne Krieg für seine Anstreng ungen zum Kriege entschädigt werden könnte; ihm bleivt keine andere Loosung übrig, als: Unheil nimm deinen Lauf! Kommt Frankreich hinzu. Möglich, daß sich die dritte Republik, in ihrer Entstehung schon die lockerste und widersprüchlichste aller Republiken, welche vie Geschichte kennt, noch bis zu d.n nächsten Kammerwahlen mühsam hält, obgleich die Wahrscheinlichkeit nicht dafür spricht. Wer jedoch auch als Erbe der ersichtlich bereits Hiusterbenden erscheinen mag, ob ein Dictator, Kaiser oder König, keiner derselben wird sich lange auf einem anderen Lager als einem lorbeerumkränztcn strecken dürfen: er muß Krieg führen, und wäre es nur zur Verhütung der inneren Aufstände, und neuen Sieg an die Banner des Reiches heften oder — fallen, und mit ihm die Ratio». Das ist der Zeitpunkt auch, wo Frankreich unfehlbar das verfehlte Dogma von der noth- Suzon's Ende. Von Emil Peschkau. Fortsetzung und Schluß. Nachdruck verboten. Als Mathicu am Morgen des folgenden Tages eben im Begriffe War, seinen Sekundanten vo» dem Tode seines Vaters zu benachrich tigen und um Aufschub des Duells zu ersuchen, erhielt er einen Brief von Desaris, der folgenden Wortlaut hatte: Mein Herr! Sie haben mich beleidigt, aber ich kann Ihnen diese Beleidigung vergeben, weil Sie gegen mich erzürnt sein mußten. In der Nacht zwischen gestern und heute, die ich schlaflos verbrachte, bin ich zur Einsicht gekommen, daß ich sehr, sehr unrecht gehandelt habe. Aber es geschah in keiner schlechten Absicht — ich wurde in die ganze Geschichte hineingctrieben, ich weiß nicht wie. Ich bin Suzon sehr zu Dank Verpflichtet, sie war mir eine Freundin, wie man selten im Leben Freunde findet, sie gab mir nicht gute Worte, sondern Geld. Seitdem sie mich an jenem Unglückstage, a» dem ich mir das Leben nehmen wollte, so edelmüthig unterstützte, hat sie mir wiederholt aus der Klemme geholfen. Sie war ein Engel, ein himmlisches Wesen, diese Suzon, und ich gebe Ihnen mein Wort darauf, daß ich nie unartig gegen sie war Ich bin überhaupt nicht so unternehmend, wie man mich allgemein hält, sonst könnte ich ganz andere Erfolge aufweiscn, ich bin eher etwas schüchtern, und wenn ich mich Suzon gegenüber befand, dann war es gar arg — kurz und gut, sie war eine Heilige für mich. Aber wie das so kommt. Unter den Kolleginnen glaubte keine an die Heilige, man machte schon nach jener Unglücksafsaire Anspielungen, die nicht den geringsten thatsächlichen Hintergrund hatten. Das wurde dann nach ihrem räthselhaftcn Tode noch ärger, und ich, ich gestehe es, ich hatte nicht die Kraft in mir, energisch gegen diese Gerüchte aufzutreten. Es schmeichelte mir, von Suzon geliebt worden zu sein, denn Suzon war ein Engel, sie war eine Heilige. Und so kam es eben weiter, und als mich der Polizeipräfekt vorladen ließ, da saß ich in der Klemme — wie nie in meinem Leben, auf Ehre — und wußte nicht, sollte ich vorwärts oder zurück. Herr Favarolles selbst verwirrte mich ganz, und es schien mir, daß es doch besser war, Ja zu sagen, als zu leugnen, und so sagte ich Ja und Amen zu Allem, denn das Gegentheil, das sah ich schon, hätten sie mir doch nicht geglaubt. Uebrigens ist mir heute Nacht eingefallen, daß mir Suzon an jenem Abend, als ich sie iu einer dringenden Angelegenheit aufgesucht Hatto, erzählte, Ihr Vater, Herr Gerard, sei bei ihr gewesen, er sei gegen die Hochzeit. Sie war etwas echausfirt, die Aermfie, am Ende hat sie sich deshalb «mgebracht. Ich habe die Absicht, diese Idee dem Präfekten mitzu- thellen; sagen Sie mir giftigst, ob Sie einverskanden sind, sonst lassen wir die Geschichte einschlummern, was gewiß auch das Beste ist. Die Aermste hat sich vergiftet, das ist nicht zu ändern, was braucht man da noch die Schnüffeleien der Polizei, die Einem nur Unan nehmlichkeiten bereiten. Ich habe ganz offen zu Ihnen gesprochen, mein Herr, und ich erwarte ihre Diskretion. Ich bereue aufrichtig, denn die arme Suzon war ein Engel, eine Heilige, und ich vergebe Ihnen auch, was Sie gestern in der Aufregung gesprochen haben. Wir sind beide nicht so schlimm, warum sollen wir uns zum Amüsement der Andern die Hälse breche»? Ich hoffe und bin der feste» Ueberzeugung, daß Sie mir vollständig beipflichten, und bitte dein Ucberbringcr eine Zeile von Ihrer geschätzten Hand mitzugeben, in welcher Erwartung ich mich empfehle als Ihr ergebenster Diener Desaris, Ritter mehrerer Orden u. s. w. Nach dem Bcgräbniß des Vaters verfiel Mathieu in eine schwere Krankheit. Bis zu diesen, Tage hatte sein kräftiger Körper all den Aufregungen Widerstande», nun aber machte er seine Rechte geltend, und schon am Grabe Gerard's, als er die letzten Liebes zeichen hinabwars aus den in die Erve gebetteten Sarg, war cs ihm, als müßte er jeden Augenblick zusammenbrechcn. I» seinem Kopfe hämmerte und pochte es, die Augen brannten ihm, und die Glieder zuckten, als könnten sie die ihnen ausgebürdete Last nicht mehr tragen. Zu Hause angekommen, sprach er wie irre und dann schwand seine Besinnung gänzlich. Er mußte zu Bett gebracht werden, und der Arzt machte eines der bedenklichsten Gesichter, als er von dem Krankenlager zurücktrat, um Gilberte die nöthigen Aufträge zu geben. Aber er genas wieder, Dank der aufopfernden Pflege des Mädchens, das nicht aus der Krankenstube wich und ihre Gesundheit in die Schanze schlug für jene des Mannes, dem sie ihre stille Neigung geschenkt und zu dem sie mit scheuer Ehrfurcht emporsah, weil er ein Künstler war. Mathieu blieb nicht blind für die Sorge, die sie ihm widmete, und als er wieder gesund war und zum ersten Mal hinaus durfte in das in herbstlichem Golde glühende Gärtchen, da zog er ihre Hand an seine Lippen und sagte in herzlichem Tone: „Wie soll ich Dir je danken, gute Gilberte?" „Indem Sie mir erlauben, Ihre Schwester zu sein und für Sie zu sorgen, wie bisher," antwortete sie, leicht erröthend. „Und glaubst Du, daß ich Dich von mir ließe?" erwiderte sr heftig. „Dich — die einzige Freundin, die mir geblieben ist?" „Sie vergessen Fräulein Suzon." Er sah nachdenklich auf die von mattem Gold überfluthete Land schaft hinaus. Der Himmel war so blau, die Luft so rein und lind, wie im Frühling. Es war ihm z» Mnthe, als strömte neues Leben in seine Seele, und eine leidenschaftliche Lust kam über ihn. an's Klavier zu eilen und zu arbeiten. „Ich darf wohl nicht — Gilbertine — nicht wahr?" „Was, Herr Mathieu?" „Ich habe nie so die Seligkeit empfunden, Künstler zu sein, als in diesem Augenblick. Ich möchte niederschreibe», was mir in der Brust klingt." „Sie müssen noch warten, Herr Mathieu." „Ich will es, weil Du es sagst. Dann aber werde ich arbeiten mit einer Lust, einer Kraft — ich werde für mich arbeite» und für meinen Vater. Arnier Vater! Warum hast Du dieser Kunst so gegrollt? Ist sie nicht auch die Sprache unseres Herzens? . . . Aber ja, ja — Du hast ja auch die unterdrückt! . . . Gilberte — was in diesem Augenblick in meiner Brust lebt — ein ganzer Früh ling — eine Welt voll erwachenden Quellen, knospenden Blumen und singenden Vögeln — das Bewußtsein, das aussprechen zu können im Stande zu sein, das in Töne zu weben, diese Welt aus dem Herzen heraus in Gestalten zu bannen — ich will dem Schöpfer danken mein Leben lang für dieses Geschenk!" Gilberte hörte ihm ergriffen zu, die Thränen standen ihr in den Augen. „Sie werden ein großer Künstler sein, Herr Mathieu," sagte sie mit zitternder Stimme. „Meinst Du?" erwiderte er lächelnd. „Nun — wenn Deine Prophezeihung eintrifft, dann dank' ich es Dreien. Dir, Gilberte meinem armen Vater und meiner guten Suzon." „Sie wird Ihre Muse sei»." „Ja — denn sic war ein Engel." Und wieder stand ihr Bild vor ihm, als ob sie lebte. Die blauen Märchcnangen sahen ihn zärtlich an und auf ihren rothen Lippen schwebte das muntere Lächeln, das aus einer anderen Welt kam. Er sah sie in dem hellblauen Sommerkleide, de» gelben Stroh hut mit Mohnblumen und Kornähren auf dem goldbraunen Haar, wie er sie zum letzten Male auf Barbe gesehen hatte. Die Wellen der Saone umspielte» flüsternd den Kahn und Suzon sang halblaut, wie sie es liebte, eines ihrer schelmischen Lieder dazu. Und er, er horchte und trank den stillen Reiz ihrer Züge, bis er, ermüdet von der ungewohnten, kräftigen Lust, in Schlummer sank. Dann trat Gilberte wieder näher, zog die ein wenig herab- gcsnnkene Decke wieder vorsichtig über den Rollstuhl und beugte sich über den Genesenden mit dem Blick einer Mutter, die ihr dem Tod« entrissenes Kind betrachtet. Und dabei rötheten sich ihre Wangen, ihr Herz schlug heftiger und tief aufseufzend flüsterte sie: „Arme Suzon!"
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