Volltext Seite (XML)
«r. 124. — 8. Jahrgang. D« jed« Wochentag Abend (mit Datu» solgenden Lage-) zur «ersenduna Wllmgmde „Sächsische Landes-Anzeigei^ N täglich einem besonderen Unter- baltungsblatte «nd mit dem Extrabeiblatt Nffiges Silderboch lostet bei den Ausgabe stellen monatlich 70 Pfg., bei denPost-ÄnL ^ Pf. (1888er ZtgS.-PreiSliste Nr. 6035.) S,«ae»Nse»0llynsai,rp>-ni>esr snr vaaneu. «Iiter-Eisenbahnfahr-ianbest für Sachsen. Zllastr. «ölender de« Sächsischen Laadboten. Illaftrirte- JahreSbnch des SaadeS-Nnreisier-. Sächsische» MilkS-AMi-tt mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Donnerstag, 31. Mai 1888. ^ »erschmalen towuSzeilr 18 Bevorzugte Stelle (Ispalt. Petitzeile) 80? BeiWiederhvlung großer Annonceno Bei Bestellungen von Auswärts wolle m« InsertionSbettag (in Briefmarken) beifüge» ge 6Silben TorpuSschrift bilden ca. IZeile.) Annoncenannahm, um bi» Bormittag. rnl««: MM Nick. Buchbnlckerei, Chemnitz. Theaterstraße 6 (Fernsprechstelle Nr.l> Lelegr -Adr.: LandeS-Anzriger, Li Mit täglich einem besonderen Unterhaltimgsblatt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 4 Sächsisches Allerlei — b. Illnfirirtes Unterbaltungsblatt — 6. Sountagsblatt — Ertra-Beiblatt: Lustiges Bilderbuch. Amtliche Bekanntmachungen. Im Handelsregister sür den Stadtbezirk des Unterzeichneten Amtsgerichts wurde heute aus Folium 203 verlautbart, daß der Kaufmann Herr Carl Richard Voigt in Chemnitz in die Firma Carl Theod. Voigt daselbst als Mit inhaber eingetreten und daß die demselben ertheilt gewesene Prokura er loschen ist. Chemnitz, am 24. Mai 1888. Königliches Amtsgericht- Ueber das Vermögen des Kaufmanns Alfred William Eckardt in Chem nitz, Inhabers eines daselbst unter der Firma William Eckardt betriebenen Cigarren- und Tabakgeschästs, wird heute an, 28. Mai 1888 Vormittags "/«12 Uhr das Konkursverfahren eröffnet. Der Rechtsanwalt vr. Lindner-in Chem nitz wird zum Konkursverwalter ernannt. Konkurssorderungen sind bis zum 27. Juni 1888 bei dem Gerichte anzumcldcn. Es wird zur Beschlußfassung über dieWahl eines anderen Verwalters, sowie über die Bestellung eines Gläubiger- ausschusses und eintretenden Falles über die in Z 120 der Konkursordnung bezeichn ncten Gegenstände ans den IS. Juni 1888 Nachmittags 4 Uhr und zur Prüfung der angcmcldeten Forderungen auf den 19. Juli 1888 Vormittags 10 Uhr vor dem Unterzeichneten Gerichte Termin anberaumt. Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Dache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird aufgegcben, nichts an den Gcmein- schuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auferlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, sür welche sie ans der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkurs Verwalter bis zum 29. Juni 1888 Anzeige zu machen. Königliches Amtsgericht zu Chemnitz. Telegraphische Nachrichten. Vom 29. Mai. Petersburg. Durch- Zufall kamen die Behörden, wie die „Now. Wremja" meldet, folgender Affaire auf die Spur und zogen jetzt die acht Hauptschuldigen zur gerichtlichen Verantwortung. Jahre hindurch wurden für den Chausseebau von Kutais nach Suchum Kronsgelder gezahlt; endlich erfolgte eine Meldung über die Be endigung des Baues der Chaussee und pekuniäre Rechenschaftsab- lcgung. Jetzt aber ergab sich, daß nur die erste Station von Kutais aus und die Endstation vor Suchum gebaut ist, daß die ganzen anderen Gelder aber gestohlen sind. Wien. Bisher scheint hier französischerseits kein diplomatischer Schritt gethan zu sein, doch lassen die hier einlaufenden Berichte eine Anfrage über die Gründe der letzten Erklärungen Tisza's als wahr scheinlich erscheinen. Keinesfalls wird der Zwischenfall ernstere Formen annehmen können, da Kalnvky in Uebereinstimmung sowohl mit Tisza als mit der öffentlichen Meinung in der Lage sein wird, jede verletzende Absicht in Abrede zu stellen. Andererseits dürfte sich Frankreich mit einem höflichen Kommentar zufrieden geben, da es sachliche Einräumungen in der Weltausstellungsfrage gewiß nicht erwarten kann. Budapest. Die Abgeordneten Emerich Visi von der Regier ungspartei und Madarasz von der Opposition haben wegen des Verhaltens des Feldzeugmeisters Catty, welcher, Zeitungsmeldungen zufolge, die ungarische Trikolore von der Kaserne in Trencsin ent fernen ließ, die schon gestern angekündigte Interpellation im unga rischen Reichstag eingebracht. London. Der kanadische Finanzminister, Sir Charles Tupper, ist unterwegs nach England, »m als kanadischer Kommissar Instruk tionen für eine kommerzielle Gegenseitigkeit zwischen Britisch-Amerika, Westindien und Australien anzustreben. Deutschland und Frankreich. Eine hochbedeutsame Kundgebung über das Verhältniß zwischen Deutschland und Frankreich veröffentlicht die „Nordd. Allg. Ztg." Das Organ des Reichskanzlers schreibt an hervorragender Stelle: „Den deutschen Paßmaßregeln an der französischen Grenze würde man eine unrichtige Bedeutung beilegen, wenn man sie als Repressalien gegen bestimmte Vorgänge, sei es in Avricourt, sei es in Belfort, ansehen wollte. Die letzteren und viele ähnliche sind für Vom Geschick ereilt. Nach dem Leben von Marie Romany. Nachdruck verboten. Wer jemals während der letzten fünfzehn Jahre die Oiminps in Paris besucht hat, wer namentlich zur späten Abendzeit, wenn die zahlreichen Cafes und Concerthallen ihre Thore allmählich schließen, bei den prächtigen Anlagen der ?Iaos äu Oirgus äste vorüberspazierte, muß jene gebrochene, zerlumpte Erscheinung gesehen haben, die, tonlos die Worte: Niserrooräe! ^e? xitie, inonsiaur! in Absätzen wiederholend, eine verkrüppelte Hand den Vorübcrcilenden entgegenstreckt. Es ist der nnsorublo ssiAnsur, wie ihn die große Schaar der Vorbeiziehenden nennt. — Denn Jedermann kennt ihn. Ein Jeder weiß, daß er sich während der Tageszeit in der elenden Giebelkammer eines der erbärmlichsten Häuser der Vorstadt Aukeuil verborgen hält, daß er die abgezehrten Glieder auf dein Lager von Stroh und Fetzen ruhen läßt, so lange die Sonne scheint, um erst dann seine Wanderung nach der Stätte seiner größten Erniedrigung anzutreten, wenn das Dunkel der Nacht ihn — (wenigstens giebt ihm diese Einbildung einen matten Trost ein) — für das Auge derer, die ihn einst in anderer Lebensstellung gesehen haben, unkennt lich macht. O, es hätte kaum der Nachtzeit bedurft, denn unkennt lich ist er: unkenntlich macht ihn die hohle Wange und der stiere Blick des verglasten Auges, das ruhelos auf dem Boden sucht; wer, der ihn einst bei Namen genannt hat, möchte ihn wohl unter dem zerfetzten, sackweiten Havelock wicdererkennen, mit dem er seine schlotternden Glieder umgeben mußte, wer möchte errathen, daß dieses verwilderte Haar sein Haar, daß diese Stimme, in unterdrücktem Jammer das Mitleid der großen Menge erflehend, seine Stimme sein könnte? Nein, er ist nicht erkennbar; er ist verkommen, eine Lumpengestalt, im Elend seines Daseins verloren; und dennoch — wenn man ihn einen Moment ins Auge faßt, kann man nicht zweifeln, daß ihn, der unter dem schwarzen Schatten der Bäume verborgen die verkrüppelte Hand nach einem Kupferlinge ausstreckt, dessen Lippen nur mehr die eine Bewegung kennen: Erbarmen! der bei jedem ungewohnten Tone zurückfliegt, — daß ihn das Schicksal nicht in Fetzen zur Welt gab, daß er nicht bei Elend und Schande, »och mit dem Bettclsack groß geworden war. Blicken wir zurück. Jean Louis war der einzige Sohn eines alten Rentiers, Baptiste Corillac, der während der erste» Zeit des ausblühenden südamerika die Maßregeln der deutschen Regierung nicht unmittelbar, sondern nur in der Eigenschaft von Symptomen der Situation, indirekt, von Bedeutung. Die Paßverordnungen sind ähnlich, wie die Verstärk ungen unserer Wehrkraft, Maßregeln, welche sich nicht an Einzelheiten knüpfen, sondern ein Ergebniß unserer gesammten Politik bilden. Die deutsche Politik und die Verwaltung der Reichslande insbesondere muß nothwendig darnach streben, den Rückerwerb des Elsaß dadurch zu konsolidiren, daß die Beziehungen dieses Landes zu Deutschland belebt und gestärkt werden. Ein Haupthinderniß der Lösung dieser Aufgabe liegt in der Fortdauer der bei der Wiedervereinigung mit Deutschland natürlich vorhandenen socialen und wirthschaftlichen Be ziehungen zu Frankreich. Die Wirkung derselben wird wesentlich ge steigert und gewinnt eine internationale Schärfe in Folge der Auf regungen und Verhetzungen der antideutschen Gefühle und der Vor bereitungen des Revanchekrieges zur Wiedergewinnung des Elsaß auf dem Wege der Spionage und der Agitation unter der Bevölkerung des Landes durch Vereine und Mittel aller Art. Unter diesen An reizungen ist die feindliche Haltung der französischen Bevölkerung gegen uns seit 17 Jahren nicht nur unvermindert geblieben, sondern hat an Schärfe gewonnen, wie die Vorgänge in Belfort darthun Die Hoffnung, daß sich eine französische Regierung schließlich stark genug fühlen werde, um diesem für den Frieden beider Völker beunruhigenden Treiben entgegenzuwirken, hat sich bisher nicht bewährt. Auch bei friedlicher Gesinnung haben die bisherigen Regierungen eher in der Förderung, als in der Beschwichtigung des nationalen Hasses Mittel zur eigenen Kräftigung finden können Die Stimmung der französischen Bevölkerung in den Provinzen bleibt fortwährend auf einer Höhe des Nationalhasses gegen uns, welche den Deutschen nicht gestattet, ohne eine Bedrohung von Leib und Leben irgendwo in Frankreich zu erscheinen und die Initiative einiger Gassenjungen reicht hin, um Ausbrüche dieser bedrohlichen Stimmung hervorzurufen. In derselben hat die Zurückhaltung der deutschen Politik ebensowenig, wie das Entgegenkommen derselben in großen und kleinen politischen Fragen eine Aenderung herbeizuführen vermocht. In den Kriegen 1813—1815 hat Frankreich verhältniß- mäßig mehr Schaden gelitten und ist gewaltthätiger behandelt worden, als in dem von 1870. Nichtsdestoweniger wird man schon zehn Jahre nach dem zweiten Pariser Frieden — 1825 — in den fran zösischen Annalen vergebens nach einer Spur von ähnlichem Haß gegen die Nachbarn, von einer ähnlichen Rachsucht sür verlorene Schlachten wie Leipzig und Waterloo suchen, wie sie sich heutzutage in den Spalten aller französischen Blätter und dementsprechend in der Haltung der Bevölkerung der Provinzen Frankreichs kenntlich macht. Die Erfolglosigkeit der bisherigen Zurückhaltung, und Vorsicht Deutschlands, die daran geknüpfte Hoffnungslosigkeit, eine Aenderung in der Gesinnung der Franzosen zu erreichen, erregt in Deutschland keine kriegerischen Pläne und Stimmungen. Wir treiben die Achtung vor der Unabhängigkeit unserer Nachbarn bis zur vollen Duldsamkeit auch des ungerechtesten Hasses gegen uns. Wir wünschen keinen Krieg, wir wünschen nur entferntere Beziehungen zu Frankreich, und da wir an unsere Nachbarschaft gebunden sind, so müssen wir uns damit begnügen, im Verkehr mit Frankreich zurückhaltender zu werden, und ihn auf der Grenze,wo er zur Agitation in der Bevölkerung desDeutsch- Elsaß benutzt wird, mehr als bisher einzuschränken. Wir wün schen, daß die Franzosen enthaltsamer werden in ihrem Verkehr mit dem Elsaß, und werden kein Be dauern empfinden, wenn Frankreich in Folge dessen Maßnahmen ergreift, welche in analoger Weise auf die Enthaltung unserer deutschen Landsleute vom Besuch des französischen Territoriums hinwirken. Dieses Streben ist frei von Feindseligkeit; es ist nur eins der international bercch tigtcn Mittel, welche wir anwenden, um den historischen Proceß der Regermanisirung dieser deutschen Reichslande und ihrer Loslösung der Verbindung mit Frankreich zu befördern. Die internationalen Friktionen, welche der bisherige Verkehr der Franzosen im Elsaß er möglicht und fördert, sind für- die Dauer und die Befestigung des nischen Handels seinen Reichthum erworben hatte und ihn auch mit derselben Leichtigkeit, wie er ihn gewonnen, wieder durch die Hand gleiten ließ. Baptiste war seiner Gattin, einer Südamerikanerin, in blinder Neigung ergeben gewesen, und mit derselben Liebe hing er an Louis, seinem Sohne; es hätte sich nichts auffinden lassen, was dem Knaben untersagt worden wäre, keiner seiner Wünsche blieb ihm ohne Er füllung; kaum den Kinderschuhen entwachsen, handelte er mit der unbeschränktesten Willkür und — was Baptiste Corillac leider zu spät betrachtete und was auch in den reiferen Jahren Vater und Sohn fast entfremdete — mit einer rücksichtslosen Selbstsucht, die ihres gleichen nicht fand. — Konnte es bei dem so egoistisch bean- lagten Charakter des Knaben, den man in gehätschelter Zügellosigkeit hatte heranwachsen lassen, anders möglich sein? Als Jean Louis zwanzig Jahre zählte, verließ er, der Eingebung einer Laune folgend, das väterliche Haus. — Einen Beruf hatte er nicht erwählt. — Er wußte, daß der Reichthum seines Vaters ihn ermächtigte, zu leben, wie er wollte; und daß Herr Corillac nicht dem Manne Einhalt thun werde, da er selbst dem Knaben niemals gewehrt hatte, das lag nach des Sohnes leicht faßlicher Berechnung wohl auf der Hand. — Jean Louis spielte; was war daran ge legen? Er hielt sich Diener, Pferde, ging auf Reisen; konnte cs seinen Reichthum verzehren? — Ein junger Mann, vom Glück in die Welt gesetzt, tvie cs ihm geschehen war, muß leben, muß sich über andere erheben; was denn möchte wohl berechtigen, Herr zu sein und die Welt zu genießen, wenn cs nicht das Gold und der Vorzug der ungebundenen Erziehung war! Gelegentlich seiner Reisen, die er in Gesellschaft eines Freundes unternommen, kam Louis Corillac — es mögen etwa dreißig Jahre her sein — über Bordeaux. Unlustig, da gelangweilt, schlenkerten sie am Ufer der Garonne auf und nieder; da fiel es jenem ein, daß cs kein übler Zeitvertreib wäre, eine der Vorstellungen in dem neucrbauten IRoatrs variotö in Augenschein zu nehmen, von denen man in der Nachbarschaft, die sie passirt hatten, des Lobes voll gewesen war. Gesagt, gethan. Der gute Nus, welcher diesen Vorstellungen vorausging, hatte nicht gelogen; Saal und Gallerien waren zum Erdrücke» mit Schau lustigen angefüllt. Als Jean Louis und sein Begleiter eintratcn, hatte man soeben die Posse „Iws äsux xantalous" gegeben; das Haus Friedens gefährlicher, als eine schärfere Betonung der Grenze und ihrer trennenden Wirkung sein kann. Deshalb glauben wir, daß die Neichsregierung dem Frieden einen Dienst erweist, wenn sie Frank reich in dem Bestreben entgegenkommt, den Grenzverkchr genau zu controlliren und der Lebhaftigkeit desselben die Schranken zu geben, durch welche politische Friktionen nach Möglichkeit ausgeschlossen werden." Es bedarf keiner weiteren Darlegung, daß diese sehr ruhigen, aber treffenden Ausführungen direct aus dem Rcichsamt des Aus wärtigen herrühren. Es sind gewissermaßen Ergänzungen der letzten Rede Fürst Bismarcks im Reichstage über unsere Beziehungen zu Frankreich. Schlagend ist besonders die Aufstellung, daß keine fran zösische Regierung bisher die Kraft besessen hat, wirksam die Volks leidenschaften im Zaum zu halten. Gambetta war der einzige moderne französische Staatsmann, der eine eiserne Faust hatte, alle seine Nach folger besitzen sie nicht. Leider! Politische Rundschau. Chemnitz, den 30. Mai. Deutsches Reich. Aus Schloß Charlottenburg. Der Diens tag war ein ganz besonderer Festtag für Charlottenburg, Kronprinz Wilhelm führte seinem kaiserlichen Vater seine Brigade vor. Schon zu früher Stunde war des Kronprinzen Brigade, bestehend aus dem 2. und 4. Garderegiment z. F. und dem Garde-Füsilierregiment, nach der dem Charlottenburger Schlosse benachbarten Jungfernhaide abge rückt, um zusammen mit einigen Abtheilungen Dragoner und Artillerie ein Brigadcexerciren vorzunehmen. Die Uebungen sollten mit einem Sturm auf die rechts neben dem Schloßpark gelegene Zugbrücke enden, indessen wurde dieses Programm in letzter Stunde noch ab geändert. Gegen S/4II Uhr rückte das zweite Garderegiment, mit dem Kronprinzen an der Spitze, vom Manöverterrain kommend, über die Zugbrücke in den Schloßpark ein. Eine zahlreiche Menschen menge begrüßte den Kronprinzen mit läuten Hochrufen. Die Truppen formirten sich (ohne Musik, in Gliedern von sechs Mann, felddienst mäßig gekleidet) und nunmehr führte sie der Kronprinz an dem Kaiser vorbei. Die beiden letzten Regimenter der Brigade marschirten im Laufschritt. Im Schloßpark, direct hinter dem Mittelbau de» Schlosses, hielt der offene Zweispänner, in welchem Kaiser Friedrich in Generalsuniform und mit dem Helme auf dem Haupte Platz ge nommen hatte. Neben dem Wagen standen die Kaiserin, die Frau Kronpriuzessin und die Prinzessinnen Sophie und Margarethe. Der Kaiser war sichtlich erfreut über die vorzügliche Haltung der Truppen und gab durch wiederholtes Grüßen und Winken der Zufriedenheit Ausdruck. Einige der älteren Offiziere, die dem Monarchen noch be kannt zu sein schienen, grüßte der Kaiser besonders freundlich. Nach dem alle drei Regimenter das Schloß verlassen hatten, schloß sich ihnen der Kronprinz an und marschirte an der Spitze des 4. Garde regiments in Berlin ein. Hier harrten Tausende seiner Ankunft und brachten ihm stürmische Ovationen. Wie die „Nordd. Allg. Ztg." berichtet, hatte die Brigade zuerst auf der Schloßterrasse Aufstellung genommen und der Kaiser fuhr, an der Seite der Kaiserin, im offenen Wagen die Aufstellung ab. Dann erfolgte zweimaliger Vor beimarsch, welchen der Kaiser, im Wagen stehend, abnahm. — Um 4 Uhr empfing der Kaiser den Reichskanzler in einstündigcr Audienz, Fürst Bismarck war unterwegs der Gegenstand lebhafter Ovationen. Die spätere Ausfahrt des Kaiserpaares bekam dem hohen Herrn vor trefflich. Der Kaiser ist so wohl gelaunt und froh, wie seit lange nicht. Die ärztlichen Bcrathungen sind jetzt nur kurz. — Wie die „Nat.-Ztg." hört, hat Kaiser Friedrich das Gesetz über die Ver längerung der Legislaturperiode in Preußen (von drei auf fünf Jahre) vor einigen Tagen unterzeichnet. — Empfang Professor Virchow's durch Kaiser Friedrich. Am Montag Abend, unmittelbar nach der Rückkehr von Berlin nach Charlottenburg, empfing der Kaiser Professor Virchow in einem Saal« des Parterregeschosses. Ueberaus freundlich nahm der Kaiser den widerhallte von Beifallsbezeugungen, mit welchen die kleine Gesell schaft, die sich auf der Scene dankend verneigte, überschüttet ward. In einer Loge, welche der Bühne zunächst gelegen war, nahmen die Freunde ihren Platz. Wie so manchesmal der Zufall spielt, so wollte er heute Abend, daß in dem nämlichen Augenblick wieder zwei andere Herren, deren Bekanntschaft Louis Corillac in einem Klub gemacht hatte, dieselbe Loge betraten; und natürlich war die Freude über diese Begegnung um so größer, als jene Herren Lebemänner genannt wurden und ein lustig sich gebender Abend vorauszusehen war. Es dauerte auch nicht lange, so war die Laune da. Was könnte wohl junge Männer, deren Wiege Fortuna geschaukelt, hindern, sich der Lust zu ergeben? Man lachte, spottete, warf Bonmots hin, der Champagner perlte, und zur guten Abwechslung glitt ab und zu ein Blick über die Bühne. Es war eine junge Sängerin, welche in diesem Moment auf die Scene trat. Eine liebreizende Anmuth, die ihre Erscheinung be gleitete. Ihre Kunst war nicht überraschend, aber um so angenehmer wirkte der Zauber, der über ihrer Gestalt und Schüchternheit lag. »Lolis kulant!« „Anmuthig." „O, über die Maßen, so nach meinem Geschmack." Lonis setzte sein Lorgnon auf, schob es wieder bei Seite, nahm den Gucker, betrachtete lange, applaudirte dann mit vollen Händen, und meinte dann endlich in Entzücken: „Honneur äe inon Linsl, Die Kleine gefällt mir. Ich suche ihre Bekanntschaft. Was gilt» (der' Sekt hatte ihn lebhaft gemacht), wenn ich sie mir für heute Abend gewänne?" „Mademoiselle Elmiot?" wiederholte einer der Freunde. „Freilich, freilich." „Sie sind unbekannt mit der Stadt, oiier aini!" „Und weiter?" „Haha," lächelte jener, „Mademoiselle Elmiot ist nicht zu ge winnen, man hat Beweise davon." Diese Bemerkung rief bei Louis Corillac ein herzhaftes Lachen hervor. Er besaß eine spezielle Meinung in Bezug auf jene Damen, welche durch Schicksalsfügung zur Ausübung irgend welchen Beruf» gezwungen worden sind. „Sie sind aufgelegt, bester Freund," betheuerte er sarkastisch; „aimablb, vraimsnt "