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PAPIER-ZEITUNG Nr. 51 1934 Bettruhe zu machen seien, ebensogut zu Hause ausführen könne, da im Krankenhause die Schwestern die Besorgung derartiger Verbände dem Erkrankten selbst überließen. Da dies nach der Bescheinigung des behandelnden Arztes zutrifft, konnte der Arzt gegen das Verhalten des Verletzten nichts einwenden. Als sich in der Folgezeit herausstellte, daß die Wunde und die Gelenk kapsel infiziert und ein operativer Eingriff notwendig war, wurde der Verletzte der Heilanstalt für Unfallverletzte, Breslau, über wiesen. Es gelang jedoch der Kunst der Aerzte nicht, den Ver letzten am Leben zu erhalten. Ein 16jähriger Pressensteher wollte die Preßfäden an der ersten Presse in Ordnung bringen und mußte zu diesem Zwecke auf die Stuhlung steigen. Bei dieser Arbeitsverrichtung ist der Verletzte wahrscheinlich vom Schneckengetriebe erfaßt und ge tötet worden. Ein 39jähriger Maschinengehilfe kam beim Abwickeln eines Tambours Papier demselben zu nahe, wurde von der auf dem Tambour aufgeschraubten, zum Festhalten des Papiers dienenden eisernen Schelle an den Kopf getroffen und ist sofort bewußtlos zusammengebrochen. Nach zwei Tagen trat infolge des erlittenen komplizierten Schädelbruches mit schwerer Gehirnerschütterung der Tod ein. Ein 42 Jahre alter Holzschneider ist beim Hantieren in der Nähe eines in Bewegung befindlichen Triebrades verunglückt. Er hat dort auftragsgemäß von einem kleinen Holzlager einen Holzknüppel geholt. Dieser Knüppel ist wahrscheinlich zwischen die Speichen des Triebrades geraten, erfaßt und fortgeschleudert worden; der in der Nähe befindliche Werkmeister will ihn durch die Luft haben schwirren sehen. Der Verletzte dürfte von dem Knüppel an den Kopf getroffen worden sein; mit blutender Kopfwunde ist er besinnungslos neben dem Triebrade liegend gefunden worden und bald darauf unter den Händen des herbei gerufenen Arztes gestorben. Ob der Verstorbene beim Auf nehmen des Knüppels oder beim Tragen desselben der Trieb scheibe zu nahe gekommen ist oder ob er, da er nach den Zeugenaussagen nicht nüchtern war, gestolpert ist, konnte nicht festgestellt werden, da Augenzeugen nicht vorhanden waren. Eine 61jährige Arbeiterin ist beim Tragen eines mit kochen dem Wasser gefüllten Eimers im Kesselhause ausgeglitten und hingefallen, wobei sich das heiße Wasser über beide Beine er goß, und sie mit der Stirn auf den Erdboden aufschlug. Nach etwa 3 Wochen trat infolge der erlittenen Verletzungen der Tod ein. Ein Arbeiter bemerkte eines Nachmittags, daß aus einem Kesselrohr Wasser herauslief. Er meldete dies dem Werkführer, der die Anordnung traf, daß niedrige Spannung gehalten werden solle, da der Betrieb nicht stehen bleiben könne. In dieser Weise ging es bis zum nächsten Morgen durch. Als der be treffende Arbeiter am Morgen den Dienst wieder antrat, lief das Rohr stärker. Hierauf rief er den Werkführer heran, welcher nunmehr die Herausnahme des Feuers unter dem Kessel ange ordnet hat. Während der Herausnahme des Feuers ist die Span nung bis auf vier Atmosphären zurückgegangen. Plötzlich gab es einen starken Knall. Durch den erzeugten Druck wurde ein Arbeiter gegen die Wand und ein zweiter nach dem Ausgang geschleudert. Beide Arbeiter flüchteten ins Freie. Der Werk führer aber, der neben der Feuerung stand, ist im Kesselhause liegen geblieben und hat so schwere Verbrennungen erlitten, daß er denselben nach einigen Stunden erlegen ist. Ferner hat bei dieser Explosion der eine Arbeiter Verbrennungen an Kopf, Gesicht, beiden Armen und am linken Bein erlitten und bezieht für die Folgen dieser Verletzungen z. Z. eine Teilrente von 20 v. H. Der zweite Arbeiter ist unverletzt geblieben. In einer Zellulosefabrik wurde der eine Apparat zum Ein dampfen von Laugen seit mehr als drei Tagen gereinigt, als plötzlich zuerst laues, dann heißes Wasser in den Apparat ein strömte. Hierbei wurden drei Arbeiter verbrüht und zwar der eine nur leicht, sodaß er keine Rente erhält, der zweite schwerer, sodaß er z. Z. eine Teilrente von 331/3 v. H. bezieht, der dritte Arbeiter ist den erlittenen Brandwunden nach einigen Tagen erlegen. Nach dem infolge dieses Unfalles von unserem Ver- trauensmanne erstatteten Bericht stehen vier Eindampfapparate in einer Reihe und können zum Reinigen einzeln ausgeschaltet werden. Zwischen den Apparaten sind Wasserschieber in der Rohrleitung vorhanden. Der Apparat, an welchem der Unfall vorkam, ist der erste; seine Absperrung gegen den zweiten Apparat ist folgende: Bei der Abdampfleitung befindet sich oben zwischen dem ersten und zweiten Apparat ein Dampfschieber, desgleichen unten ein zweiter Dampfschieber, der nach der oberen Rohrleitung ausmündet. Bei der Untersuchung über die Gründe des Unfalls wurde der untere Dampfschieber einige Zeit geschlossen gehalten, um zu sehen, ob sich hinter demselben Kondenswasser ansetzt, was aber nicht der Fall war. Nun wurde das untere Ventil plötzlich ein wenig aufgemacht; es strömte aber nur Dampf hindurch, wenig Wasser mit sich bringend. Weiterhin wurde der obere Wasserschieber ein wenig geöffnet, wodurch gleichfalls nur Dampf in die andere Rohrleitung, begleitet mit ein wenig Spritzwasser, eintrat. Bemerkt sei, daß z. Z. der Untersuchung des Unfalls der erste Apparat zufällig außer Be trieb war. Wodurch das Wasser zur Verbrühung der drei Ar beiter in den Eindampfer gekommen ist, ob die zwei Wasser schieber aus Unachtsamkeit oder Gedankenlosigkeit oder gar böswilliger Weise ganz oder teilweise geöffnet worden sind, ob vielleicht dadurch hinter dem Wasserschieber etwas ange sammeltes Kondenswasser mit hineingerissen worden ist, hat sich nicht autklären lassen. Weder konnte dem Werk irgend eine Fahrlässigkeit oder Unachtsamkeit, noch den an den Kochern beschäftigten Personen irgend ein Verschulden nachgewiesen werden. Damit derartige Unfälle für die Zukunft unmöglich ge macht werden, ist jetzt direkt an den Verdampfern je ein Dampf schieber zwischen die Rohrleitung eingesetzt worden. Andere bemerkenswerte Unfälle. In einem Betriebe lief die Papiermaschine wegen Auswechselns des Naßfilzes in langsamer Gangart etwa 10—15 m in der Minute, sonst 155 m. Diese Gelegen heit benutzte ein i8jähriger Maschinengehilfe, um den vor der Feuchtpresse angesammelten Ausschuß zu entfernen. Vermutlich erfaßte die Feuchtpreßwalze einen Teil des Ausschusses. Der Maschinengehilfe wollte diesen Ausschuß abreißen und kam hierbei mit seiner linken Hand zwischen die Walzen. Die Hand wurde vollständig zerrissen. Ein 51 Jahre alter Werkmeister wollte während des An lassens der Papiermaschine einen an den Naßpreßwalzen be findlichen Stoffbatzen entfernen und kam dabei zwischen die beiden Walzen, welche ihm vier Finger der rechten Hand ab quetschten und den Daumen beschädigten. Ein 24 Jahre alter Techniker wollte die Antriebräder einer noch in der Montage befindlichen Querschneidemaschine auf ihre Gangbarkeit hin prüfen. Hierbei setzten sich die Räder plötzlich in Bewegung und zermalmten dem Techniker die rechte Hand, sodaß dieselbe abgenommen werden mußte. Außerdem erlitt der Techniker Riß- und Quetschwunden an der linken Hand. Ein 22 Jahre alter Maschinengehilfe wollte Ausschuß vom Trockenzylinder entfernen. Hierbei geriet er mit dem rechten Arm zwischen den Trockenfilz und dessen Trockner und erlitt Verbrennungen 2. und 3. Grades des rechten Unter- und Ober armes, sodaß der Arm im oberen Drittel amputiert werden mußte. Umfang der Entschädigungsleistungen. Im Berichtsjahre ist zum erstenmal seit Begründung des Berufsgenossenschaft ein Rückgang der Gesamtlasten zu verzeichnen. Die Zahl der zu entschädigenden Unfälle ist um 80 = 7,80 v. H., die Gesamt summe der zu leistenden Entschädigungen um 2487,67 M. = 1,82 v. H. zurückgegangen. Auch im Verhältnisse zur beitrags pflichtigen Lohnsumme hat der gesamte Entschädigungsaufwand abgenommen. Auf 1000 M. Lohn entfielen an Entschädigungen 1904 18,64 M., 1905 18,32 M , 1906 18,24 M., 1907 17,61 M., dagegen 1908 16,97 M. und 1909 16,35 M. Dieses erfreuliche Ergebnis ist in der Hauptsache der erfolg reichen Kontrolle der Empfänger von Dauerrenten zu verdanken. Der Erfolg wäre noch mehr bemerkbar, wenn nicht die Erspar nisse an Entschädigungen für frühere Unfälle durch die Steige rung der Kosten für die neu hinzugetretenen Unfälle großenteils wieder aufgezehrt würden. Die starke Zunahme der Kosten für die neuen Unfälle läßt sich nur durch die außergewöhnliche Schwere der Verletzungen und ihre Folgen erklären. Dieser Erscheinung muß seitens unserer Berufsgenossen mit aller Kraft entgegengewirkt werden, wenn nicht in Zukunft auch die ge samten Entschädigungslasten der Sektion wieder steigen sollen. Daher sollten alle Mitglieder zum Wohle ihrer Angestellten, wie im Interesse der Berufsgenossenschaft ihre gefährlichen Betriebs einrichtungen derartig unfallsicher gestalten, daß nicht jedes unvorsichtige oder unverständige Verhalten der Arbeiter zu schweren Gefährdungen führt. Uebernahme des Heilverfahrens. Die Sektion hat in Kranken häusern, vornehmlich in der Heilanstalt für Unfallverletzte zu Breslau, ärztlich behandeln lassen: 59 Männer und 9 Frauen. Von diesen 68 Verletzten ist bei 48 Verletzten das Heilver fahren innerhalb der Wartezeit und bei 20 Verletzten nach Ab lauf derselben übernommen worden. Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs. Infolge einer Anregung der Sektion suchen die Betriebsunternehmer dem gesundheits schädlichen Alkoholmißbrauch unter den Versicherten auf vieler lei Weise entgegenzutreten. Will sich doch jeder Arbeitgeber einen soliden, stets voll leistungsfähigen und den Betriebs gefahren gewachsenen Arbeiterstamm erhalten. Der Alkohol erschlafft auf die Dauer den Körper, schwächt die geistige Spannkraft und erhöht so die Unfallgefahr, verschlimmert die Folgen der Verletzungen und erschwert ihre Heilung. Alkohol steigert daher erheblich die Unfallasten, die von den Arbeit gebern allein zu tragen sind. Es ist zu einem guten Teil das Verdienst des Deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, Berlin W 15, Uhlandstraße 156, wenn das Verständnis für die Bedeutung der Alkoholfrage und für die Notwendigkeit der Aufklärung und Vorbeugung in immer weitere Kreise ein dringt. Der Verein hat durch seineZeitschriften und seine Bro schüren, Flugblätter, Belehrungskarten, Plakate usw., von denen uns einige Proben zur Verfügung gestellt und den Herren Mit gliedern übersandt worden sind, sehr viel beigetragen, die öffentliche Meinung über die Verderblichkeit des Alkoholmiß brauches aufzuklären. Die Arbeit des Vereins kommt der Ar beiterschaft und damit der Industrie zugute. Die Sektion empfiehlt daher die Unterstützung dieses Vereins aufs angelegentlichste.