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PAPIER-ZEITUNG Nr. 50 1928 »Zur Verfügung der Firma« 10675. Frage: Der allgemein übliche, in Frachtbriefen an gegebene Satz »zur Verfügung der Firma« wurde von uns und unserer Kundschaft so gehalten, daß eine Sendung an den Spediteur mit diesem Zusatze zuerst avisiert und dann auf Wunsch entweder zugerollt oder weiter zu senden ist. Einer unserer Berliner Kunden zieht nun, weil von seinem Spediteur die Ladung gleich angerollt worden ist, uns den entfallenden doppelten Spesenbetrag ab, mit der Begründung, der Spediteur brauche nicht erst ein Avis oder einen telephonischen Ruf er gehen zu lassen. Auch sei bei dem starken Weihnachtsandrange (Anfang November) solche Benachrichtigung nicht gut möglich. Unseres Wissens ist aber der Andrang noch nicht so groß, und wir halten auch, abgesehen von dieser Ausrede, eine derartige Kürzung nicht für zulässig. Wir bitten um Ihr Urteil hierüber. Arüwort eines Großkaufmannes: Die Fragestellung ist unklar oder scheint nicht vollständig zu sein, denn es ist nicht zu ersehen, was nach Ansicht des Kunden seitens des Lieferanten hätte getan werden sollen. War die Sendung nach Vorschrift an den Spediteur des Kunden zu dessen Verfügung gerichtet, so war es Sache des Kunden, den Spediteur mit entsprechender Anweisung zu versehen, oder der Spediteur müßte sie sich einfordern. Der Lieferant kann für irgend welche falsche Maßnahmen von dieser Seite nicht verantwortlich gemacht werden. P. H. Färben bei künstlichem Licht 10676. Frage: Können Sie uns einige Lieferanten von Magnesium- oder Dufton-Gardner-Lampen nennen? Antwort: Ueber das Färben bei künstlichem Licht ist zuletzt in Nr. 51 der Papier-Zeitung von 1908 berichtet worden. Dort ist auf eine frühere Veröffentlichung in Nr. 37 von 1908 S. 1482 verwiesen, welche angibt, daß die »Tageslichtlampe« von Aug. Hopfer & Eisenstuck in Leipzig sich für das Färben bei künstlichem Licht sehr gut eignet. In Nr. 71 der Papier-Zeitung von 1902 ist die Dufton-Gardner-Lampe beschrieben, welche von Louis Hirsch in Gera, Reuß, hergestellt wird. Wolkiges Papier, zu Lampenschirmen] Aus Amerika 10677. Frage: Beiliegendes Papier ist hier in Neu-England verfertigt und wird von einer andern Firma für Lampenschirme benutzt, da es, vor elektr. Licht gehalten, sehr schönen ge wölkten Farbeneffekt macht. Ich bin Anfänger und habe die Absicht, ähnliche Lampenschirme zu machen. Bei näherer Untersuchung fand ich, daß ich zwar dieses Papier beziehen kann, aber nicht das farbige, da die beiden Fabrikanten sich gegenseitig verpflichtet haben, kein farbiges Papier für Trans parente anderweitig zu verkaufen. Können Sie mir eine Bezugsquelle in Deutschland angeben? Ich möchte außer Weiß, tiefes Rot, Hell- und Dunkelgrün, Orange und Hellblau benutzen. Sollten Sie keine Quelle für sehr ähnliche Papiere finden, so bitte ich Sie, mir eine tech nische Anweisung zu geben, um das weiße Papier, welches ich hier beziehen kann, beliebig so zu färben, um gewünschten transparenten Effekt zu erreichen. Technische Anweisung für Druck von Diaphanien würde mich auch sehr interessieren. Antwort: Das Papier, von dem uns Fragesteller Muster sandte, ist wolkiges Papier, das sogenannte Wasserglätte (water-finish) erhalten hat. Diese Wasserglätte wird erzielt, wenn eine Stahlwalze des Kalanders in Wasser läuft, dieses dem Papier mitteilt, und das derart übermäßig gefeuchtete Papier durch die übrigen Walzen des Kalanders läuft. Dabei werden die Faser - Anhäufungen des wolkig ge arbeiteten Papiers stark gequetscht und infolgedessen in der Ansicht dunkel, in der Durchsicht aber durchscheinend. Verwendet man nun solche Papiere für Lampenschirme, so dringt das Licht stellenweise hell und stellenweise dunkel durch. Das Papier ist im Stoff gefärbt und scheint aus festem Lumpenstoff gefertigt zu sein. Wenn Fragesteller solche Papiere in Deutschland kaufen will, so möge er durch kleine Anzeige farbige Feinpapiere mit Wasserglätte suchen. Durch Färben weißen Papiers wird Fragesteller seinen Zweck weniger gut erreichen, will er es aber ver suchen, so empfehlen wir ihm Weichelts »Buntpapierfabr- kation«, worin das Färben und Streichen von Papier aus führlich beschrieben ist. (Verlag der Papier-Zeitung, Preis 15 M.) Dort sind auch Anweisungen für die Herstellung durchscheinender Papiere gegeben. Für den Druck von Diaphanien lassen sich jedoch keine Vorschriften erteilen, denn dazu wäre es nötig, das weite Gebiet des Farben drucks zu schildern. Haftung der Erben 10678. Frage: Der Teilhaber einer offenen Handelsgesell schaft, welche aus diesem und einem Neffen bestand, starb ohne Hinterlassung von Vermögen. Die Witwe sollte, um sofortige Inventur zu vermeiden und aus Entgegenkommen, für das laufende Geschäftsjahr Teilhaberin bleiben, wurde aber als solche nicht ins Handelsregister eingetragen. Das Geschäft wurde von dem Neffen und dem Sohne des Verstorbenen, welcher nach einem privaten, aber nicht vor dem Gericht oder Notar abgeschlossenen, Vertrag Mitinhaber der Firma ist, weiter geführt. Am Jahresschluß stellt sich heraus, daß die Firma im letzten Jahr mit Verlust gearbeitet hat. Da nun seitens der Erben die Erbschaft angetreten wurde, fragt es sich, ob sie für die neuen, nach dem Tode des Teilhabers eingegangenen Ver pflichtungen oder Schulden der Firma aufzukommen haben, oder nur für die Schulden, die vor dem Todestage von der Firma gemacht waren. Kann der Neffe, der Vermögen besitzt, die Erben für die alten und neuen Schulden haftbar machen, oder haftet er allein für die Verbindlichkeiten? Die Witwe und Töchter des Ver storbenen besitzen kein Vermögen, wohl aber die Schwieger söhne, die, da ein Ehevertrag nicht geschlossen ist, wohl mit ihren Frauen in Gütergemeinschaft leben. Die Ehen wurden vor Einführung des neuen BGB geschlossen. Können die Schwiegersöhne mit ihrem Vermögen zur Deckung der Verbind lichkeiten herangezogen werden? Im Gesellschaftsregister stehen noch heute der Verstorbene und der Neffe als alleinige Teilhaber eingetragen. Antwort unseres rechtskundigen Mitarbeiters: Da für den Gesellschaftsvertrag betreffend die Errichtung einer offenen Handelsgesellschaft eine bestimmte Form nicht vor geschrieben ist, so ist infolge der getroffenen Vereinbarung nach dem Tode des einen Teilhabers die offene Handels gesellschaft von der Witwe und dem Sohne mit dem Neffen fortgesetzt worden, jeder der drei Genannten ist also als offener Handelsgesellschafter anzusehen und daher sowohl für die bis zum Tode als auch für die nach dem Tode des Teilhabers entstandenen Schulden der Gesellschaft per sönlich haftbar. (§ 130 HGB.) An dieser Haftung wird dadurch, daß bisher weder die Witwe noch der Sohn in das Handelsregister eingetragen ist, nichts geändert. Die Gläubiger können daher sowohl die Gesellschaft wie jeden der einzelnen Teilhaber auf Bezahlung der Gesellschafts schulden in Anspruch nehmen. Dem Neffen steht dagegen erst, nachdem er die Ge- sellschaftsschuld beglichen hat, ein Rückforderungsrecht gegen die Gesellschaft zu. (§ 110 HGB.) An seine Teilhaber hat er dagegen bis zur Auseinander setzung ein solches Recht nicht und von da ab gegen die einzelnen Teilhaber nur nach Maßgabe ihrer Beteiligung. (RG. Bd. 31 S. 141) Die Töchter des Verstorbenen haften, da sie nicht Teilhaber geworden sind, lediglich in ihrer Eigenschaft als Erben für die bis zum Tode ihres Vaters entstandenen Ver bindlichkeiten. Falls Gütergemeinschaft mit ihren Ehe männern besteht, haften auch diese in gleichem Umfange, falls die Erbschaft nicht zum Vorbehaltsgut der Ehefrauen gehört. Ob Gütergemeinschaft besteht, richtet sich nach dem Wohnsitz der Eheleute. Hatte dieselbe beim Inkraft treten des BGB bereits bestanden, dann besteht sie auch zurzeit noch fort. (Art. 200 Einf.-Ges. z. BGB.) Gaudafil 10679. Frage: In der Einlage übersenden wir Ihnen Muster eines als Verbandsmaterial (Ersatz für Guttapercha-Papier) ver wendeten Artikels, welcher unter den Namen »Gaudafil« und »Gaudanin« in den Handel kommt, mit der Bitte, uns über den Artikel selbst und womöglich über dessen Herstellung einige Mitteilungen zukommen zu lassen. Ist dieses ein Zellstoff erzeugnis oder ist es ein Gelatineerzeugnis? Antwort: Das uns gesandte Muster besteht aus einem äußerst dünnen, glänzenden, völlig durchsichtigen, dehn baren und fast unzerreißbar festen Häutchen. Die wert vollen Eigenschaften dieses Stoffes, welche ihn für viele Zwecke verwendbar machen, und der Vorzug, daß er nicht explosiv ist, sowie seine unbegrenzte Geschmeidigkeit geben ihm einen großen Vorsprung vor Zelluloid. Uns ist der Stoff neu. Seine Unlöslichkeit in Wasser und der Umstand, daß er beim Verbrennen keinen Geruch verbreitet, wie er von brennenden tierischen Stoffen auszugehen pflegt, deuten darauf hin, daß wir es hier mit einem Zellstoffabkömmling zu tun haben. Angefeuchtet nimmt er reichlich Wasser auf und fühlt sich dann schlüpfrig an, behält aber seiden ähnlichen Glanz. Verantwortlicher Schriftleiter Siegmund Ferenczi, Friedenau. Zuschriften nur an Papier-Zeitung, Berlin SW 7 11, erbeten Druck von A. W. Hayn’s Erben, Berlin SW 68, Zimmerstraße 29