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2870 PAPIER-ZEITUNG Nr. 74 Die Ständige Husstellung für Papier- und Druck- Gewerbe im Papierhaus zu Berlin Fortsetzung zu Nr. 73, S. 2825 Die Farbenfabrik Dr. Lövinsohn hat drei 2 m breite Rahmen mit hübschen Druckmustern ausgestellt. 12 Standgläser ent halten trockne, bunte Farben. Dieselben Farben werden in angeriebenem Zustande in kleinen Glasbüchsen vorgeführt. Die sehr verschiedene Wirkung des Firnisses auf den Farbton ist deutlich erkennbar. Die Firma Rockstroh & Schneider in Dresden-Heidenau zeigt auf einem Plakat Farbendrucke und eine Abbildung ihrer Herkulespresse. Auf langen Tafeln bringt die Papierverarbeitungs - Berufs genossenschaft Schutzvorrichtungen an den verschiedensten Papier verarbeitungsmaschinen, teils in Photographie, teils in Zeich nung zur Kenntnis der Beschauer. Einblick in die rege Tätig keit der Berufsgenossenschaften gewähren auch die aus gelegten Jahresberichte, Tafeln und wissenschaftlichen Ab handlungen. Die Schriftgießerei Heinrich Hoffmeister in Leipzig stellt in zwei gefälligen Rahmen ihre neuesten Erzeugnisse, die »Buch gotisch«, »Elite« und »Propaganda« zur Schau. Die Schriften zeichnen sich aus durch gefälligen, offenen Schnitt und charak teristische Wirkung im geschlossenen Zustande und in der Akzidenz. Daneben bringt die Firma Jänecke & Schneemann in Hannover Drei- und Vierfarbendrucke in allen Stadien ihrer Entwicklung sowie ein kräftiges Phönixrot. Es folgen Plakate der Maschinen fabriken Albert & Co. in Frankenthal und Bohn & Herber in Würzburg, Johannesberg. Weiter liegen aus ein patentierter Putzwolle-Ersatz, her gestellt aus Rückständen der Papierfabrikation, sowie Muster von Ullstein’s Umschlagpapieren und Rupfengewebepapieren (Ersatz von Linkrusta), Oeserfolien und Fensterbrief-Umschläge in verschiedenen Formen. Die Schriftgießerei Ferd. Theinhardt in Frankfurt a. M. führt gefällige Anwendungen ihrer dankbaren und vornehm wirken den »Altdeutsch« in einem Wandrahmen vor. Musterbücher und Blätter zeigen reichhaltige Auswahl an Schriftgießerei-Erzeug nissen dieser Firma. Von E. & H. Schüßler in Berlin stammen zahlreiche vor nehme ein- und mehrfarbige Kupferautotypien, die verlaufend geätzt und sehr zart sind. Eine hübsche Wanddekoration von Einbanddecken und Prägeplatten vervollständigt die Vor führung. Wirkungsvoll ist die Ausstellung der Chr. Hostmann-Stein- berg’schen Farbenfabriken in Celle. In zwei helleichenen großen Rahmen mit schmalen Goldleisten sind auf dunkelrotem Samt in anmutiger Gruppierung fein getönte Farbendrucke Land schaften und Genrebilder befestigt. In der Mitte über diesen beiden Rahmen ist die Firma angebracht, links und rechts da neben die Fabriken abgebildet. Es schließt sich an eine Auswahl bunter und Luxuspapiere und ein Satzkunstwerk: Inschriften von Theodor Mommsen, vom Setzer Eiche in Berlin gesetzt, das typographische Künsteleien, ähnlich wie beim Landkartensatz, enthält. Fortsetzung folgt. Berliner Typographische Gesellschaft Vereinslokal: Berliner Buchgewerbesaal, Dessauer Straße 2, III Vorsitzender: G. Könitzer, Steglitz, Arndtstraße 35 Kassierer: C. Rinck, Schöneberg, Bahnstraße 43, link. Aufgang III Schriftführer: E. Baumeister, SW 29, Gneisenaustr. 98 Die Kalkulaüonsübungen für Mitglieder werden am Freitag, 24. September, abends 9 Uhr, im Buchgewerbesaal fortgesetzt. Eine kurze Wiederholung des bereits durch genommenen Stoffes macht es auch neuen Teilnehmern möglich, sich anzuschließen. Zunächst wird ein Vortrag über die Berechnung verschiedenartiger Broschur- und sonstiger Buchbinderarbeiten gehalten. Dann sollen Vor träge über Preisstellungen in der Stereotypie, Galvano plastik und Klischeeanfertigung sowie solche über Papier und Papiereinkauf folgen. Die Anmeldung ist vorher zu bewirken und an Herrn Emil Lehfeldt, SO 16, Franzstr. 4, zu richten. Die Kersten’sche Bindetechnik in handwerksmäßiger Auffassung Wenn ich über das Buch »Der exakte Bucheinband« des Kunstbuchbinders Kersten und die darin gelehrte Technik meine Ansichten kundgebe, so bitte ich die Leser, zu berücksichtigen, daß ich nicht Kunstbuchbinder, sondern ein schlichter Buch bindermeister bin. Ich kann mich den lobenden Besprechungen des Buches und der Kersten'schen Bindetechnik im allgemeinen anschließen. Das in der Besprechung der Kersten’schen Technik in Nr. 60 der Papier-Zeitung ausgesprochene Bedenken hinsichtlich des Preises so hergestellter Einbände teile ich nicht. Diese Technik ist eben nur für Kunst- und Luxusbände bestimmt und nur dort anwendbar, aber auch notwendig. Denn diese Bände sollen nach den strengsten Regeln der Technik gebunden werden, es sollen Ideal-Einbände sein und zur Pflege und För derung der gewerblichen Kunst auch in der Buchbinderei um ihrer selbst willen und nicht des Buches wegen geschaffen werden, denn für dessen Gebrauchsfähigkeit und Erhaltung ge nügt jeder sonstige Einband, wenn er nur fest genug ist. Solche Kunst- und Luxusbände aber, welche in Oktavformat schon heute 30 bis 60 M. und mehr kosten, werden nur von wohl habenden Freunden schöner Einbände bestellt und bezahlt, und diesen kommt es nicht darauf an, wenn der Einband infolge sorgfältigerer Behandlung seiner Einzelheiten einige Mark mehr kostet. Viel mehr als ein weniger sorgfältig behandelter Ein band wird übrigens ein Kersten’scher bei einiger Uebung in seinem Verfahren auch nicht kosten. Kersten steht seinen Ein bänden in demselben Verhältnis gegenüber wie eine Mutter ihrer jungen Tochter vor deren erstem Ball: er putzt und modelt an ihnen mit Liebe und Fürsorglichkeit herum. Aber — man kann nicht immer Ballkleider tragen, es muß auch Hauskleider geben. Doch auch diese können und sollen nett und adrett sein, d. h. genau zugeschnitten und zusammengemacht, wenn auch aus nur einfachem und billigem, doch festem Stoff. Und von diesem Gesichtspunkt aus kann auch der Nicht-Kunstbuch binder von Kersten lernen: Genauigkeit bei der Arbeit, Ver wendung fester Arbeitsstoffe. Nur darin stimme ich mit Kersten nicht überein, daß die benutzten Stoffe niemals Imitationen sein dürfen. Wenn Imitationen schön und fest sind, müssen sie uns für billigere Gebrauchsbände ihres billigen Preises wegen will kommen sein, selbstverständlich unter dem ehrlichen Bekenntnis, daß es Imitationen sind. Und überdies: Man imitiert selbst öfter als man denkt. Daß aus Kersten’s Buch Bücherfreunde lernen können, ist ja selbstverständlich, auch Sammler, wenn sie nicht nur auf alte Einbände versessen sind. Ob es aber bei Bibliothekaren nicht Wünsche erregen wird, welche in Betracht ihrer begrenzten Mittel unerfüllt bleiben müssen und den Bibliothekbuchbindern leicht das Leben schwer machen können? Nun gar Buchhändler? Verlangen werden diese schon, werden sie bei ihrer (meistens ja aufgezwungenen) Tendenz »billig« aber auch entsprechend zahlen? Sehr wertvoll sind die praktischen Anleitungen zum An fertigen von Zeichnungen für Bucheinbände, sie werden dem darin noch Unbewanderten eine große Hilfe sein. Die Belehrungen über den Entwurf des Bucheinbandes von L. Sütterlin, über Formen, Farben und Dekorierung des Buches sollte sich jeder Buchbinder, nicht nur der Kunstbuchbinder, zu eigen machen. Die dem Buch beigegebenen schönen Papier proben werden das erleichtern. Die Abbildungen von Stempeln, Schriften und einfachen Buchrücken werden nützlich sein, geradezu entzückend schön aber sind viele der abgebildeten Buchdecken, welche nicht zum Kopieren verleiten, sondern nur Anregung und Anhalt für eigene Entwürfe sein sollen. Möge das Buch in weitesten Fachkreisen die Aufnahme finden, welche es in Hinsicht auf Form, Inhalt und die mühe volle Arbeit seiner Verfasser, besonders unseres Kollegen Kersten, verdient. Buchbindermeister Entlassung des Gewerbegehilfen Entscheidung des Gewerbegerichts Köln Eine Lichtdruckanstalt telegraphierte an einen Maschinen meister, der sich aus Berlin mit 45 M. Wochenlohn anbot: »Kommen Sie«. Als er hier ankam, ließ man ihn die Arbeits ordnung unterschreiben, die eine 14tägige Probezeit vorsieht. Nach Ablauf der 14 Tage wurde er entlassen, weil er, wie der vor dem Gewerbegericht Beklagte angab, durch seine schlechte Arbeit einen Schaden von 176 M. 64 Pf. verursacht habe. Der Kläger bestritt dies und verwies auf den Tarif, wonach be sondere Abmachungen, wie 14tägige Probezeit, als ungiltig zu betrachten sind. Das Gericht entschied: Dadurch, daß der Kläger den Dienstvertrag und die Arbeitsordnung unterschrieben hat, hat er sich den darin enthaltenen Bedingungen unterworfen und dieselben ausdrücklich als für sich geltend angenommen. Nach § 5 der Arbeitsordnung kann die Auflösung des Arbeitsverhält nisses in den ersten 14 Tagen ohne Kündigung erfolgen. Dem Tarif widersprechende Abreden erachtet das Gericht für zu lässig. Die Klage war daher als unbegründet abzuweisen. 0. K.