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2454 PAPIER-ZEITUNG f Heinrich Flinsch Am 31. Juli starb Herr Heinrich Flinsch, Seniorchef der Firma Ferd. Flinsch, G. m. b. H., in Wiesbaden nach langem Leiden. Am 4. August wurde er auf dem Johannis friedhof in Leipzig beerdigt. Eine stattliche Trauergemeinde umstand in der Parentationshalle den überreich mit Palmen und Blumen geschmückten Sarg, und neben den An gehörigen des Heimgegangenen sowie dem zahlreichen Be amtenpersonal der Firma gaben Vertreter der Finanz- und Handelskreise Leipzigs, vom Detschen Buchgewerbe-Verein, des Bach-Vereins, des Gewandhauses, zahlreiche Berufsgenossen und Geschäftsfreunde dem Heimgegangenen das letzte Geleit. Harmoniumspiel leitete die Feier ein, dann erklang vom Röthig- sehen Kirchenchor der Choral »Jesus, meine Zuversicht«. Pfarrer Schuch hielt die Gedächtnisrede. Noch einmal sei der Entschlafene in seine Vaterstadt Leipzig zurückgekehrt, aber diesmal nur, um im Schoße der Erde an der Seite seiner Eltern und Großeltern von allen Mühsalen des Lebens für immer aus zuruhen. Noch zu Anfang der Woche habe niemand gedacht, daß dies seine letzte Rückkehr sein werde. Zwar hatte er an der Last eines ernstens Leidens nahezu ein Jahrzehnt schon zu tragen, und die Sorge, daß er diesem einst erliegen würde, war nicht unbegründet. Am 27. Januar 1832 geboren, stand Heinrich Flinsch mit 17 Jahren an der Bahre seines Vaters, der das Haus Ferd. Flinsch begründet hatte. Und gemeinsam mit seinem Bruder, Hermann Gustav Flinsch, führte er als leitender Chef das Unternehmen zu hoher Blüte. Er besaß die Gaben, die zu diesem Amte unentbehrlich sind: weitausschauender Blick, kräftiger Wille waren ihm eigen. Auf ihn traf das Dichterwort zu: »Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb’ es, um es zu besitzen«. Die Firma Flinsch hat er durch rastlose Tätigkeit zu einer Blüte gebracht, die die kühnsten Erwartungen übertraf, denn sein Leipziger Geschäft wurde ein Weltgeschäft, und unter ihm erfolgten die Gründungen gleicher Geschäfte in Berlin und Hamburg. Die Waren der Firma werden in die fernsten Welt teile versandt. Die 1871 in eine Aktiengesellschaft umgewandelte Patentpapierfabrik Penig, deren Aufsichtsrat er angehörte, er stand unter ihm, und mit den Papierfabriken Weesenstein und Cospuden war seine Firma liiert. Das Papierfach verliert in Flinsch einen hervorragenden Vertreter. Seinen Angestellten ist er immer ein hochherziger Chef gewesen. Sein Name wird nicht nur in der Geschichte seines Hauses fortleben, sondern auch in der Geschichte der Stadt Leipzig, an deren öffentlicher, gewerblicher und besonders auch musikalischer Entwicklung er regen Anteil genommen hat. Und nicht zuletzt die Papier industrie und das Buchgewerbe-Museum werden allezeit sich seiner mit Dank und Freude erinnern. Unter den Klängen eines Chorals wurde die irdische Hülle des Heimgegangenen von einer zahlreichen Trauergemeinde nach dem Erbbegräbnis auf dem Johannisfriedhof begleitet. U. Papiermarkt in Rußland St. Petersburg, Juli 1909 Es hatte den Anschein, als wollte es auch hier in unserm Fach etwas besser werden. Auf Anregung des obersten Ver walters der Druckangelegenheiten, des Herrn A. W. Belgard, wurde hier nämlich eine Ausstellung sämtlicher Preß-Erzeug nisse des Jahres 1908 veranstaltet, die recht viel Anregung bot und vor allem klar die doch noch wenig bekannte geschäftliche Wichtigkeit der Presse zeigte. Ungeachtet der traurigen politi schen und Handelsverhältnisse des vergangenen Jahres, die auf die Druckerzeugnisse sehr nachteiligen Einfluß hatten, waren doch rund 23000 im Jahre 1908 erschienene Bücher und Broschüren ausgestellt, darunter allerdings 5000 Jahresberichte von Landschaften, Städten, Aktienunternehmungen, Wohltätig keitsanstalten u. dgl. Die Gesamtauflage ergab die stattliche Ziffer von 70 Millionen Stück, die einen Wert von 25 Millionen Rubel vorstellten. Rechnet man die Einwohnerzahl Rußlands rund auf nur 150 Millionen, so ergibt sich allerdings noch nicht ein Druckwerk auf zwei Personen, und auf eine Person nur ein Wert von wenigen Kopeken. Welche Aussicht eröffnet sich aber da für das Papier- und Druckgewerbe, wenn einmal die allgemeine Schulpflicht eingeführt und das Bedürfnis nach Preß erzeugnissen allgemein wird? Unter den 70 Millionen Stück Druckwerken befanden sich 4 Millionen Stück Kriminal- und Detektivgeschichten niedrigsten Ranges, doch soll endlich eine Abnahme dieser Schunderzeug nisse bemerkbar sein. Sehr große Verdienste um das Zustandekommen dieser Aus stellung hat der auch als Bibliograph bekannte Beamte der Oberpreßverwaltung, Herr A. D. Toropow, der sich auch bereit erklärt hat, für die folgenden Jahre gleiche Aus stellungen ins Leben zu rufen. Unter seiner Leitung hatte der Senior der hiesigen Buchhändler und Verleger, Herr N. G. Nr. 63 Martinow, sehr interessante, statistische Tabellen mit genauer Angabe der sämtlichen Verleger, sowie der Zahl und des Wertes der bei jedem erschienenen Werke ausgestellt. Diese Zusammen stellungen müssen jeden im Papierfach hier Arbeitenden ganz besonders interessieren, da sie einen klaren Ueberblick über die Tätigkeit der nach Hunderten zählenden Verleger geben. Allen andern bei weitem voran ist die Verlagsgesellschaft von J. Sitin in Moskau, die 718 Werke in 12 303 200 Stücken im Wert von 2808055 Rubel herausgegeben hat. An diese Ausstellung knüpfte sich der erste Kongreß russi scher Buchhändler und Verleger, der mit großen Hoffnungen erwartet wurde. Mit seltenem, hier sonst nicht gewohntem Freimut wurde der schwere Druck besprochen, unter dem die Presse durch die politischen Verhältnisse und die administra tiven Maßregeln leidet. Allgemein wurde anerkannt, daß die Revolution überwunden und ein Wiederaufleben der allgemeinen Tätigkeit einzig und allein durch Rückkehr zu geordneten gesetzlichen Verhältnissen denkbar ist. Die vielfachen, oft recht ungerechten Verfolgungen der Presse wurden zum ersten Mal öffentlich klargelegt, und niemand zweifelte daran, daß dies gute Wirkung haben würde, doch es kam anders. Am 6. (19.) Juli lief der Termin des über Petersburg verhängten »erhöhten Schutzes« (kleiner Belagerungszustand) ab, und man rechnete allgemein bestimmt darauf, daß er endlich, nach fast 5jähriger Dauer, aufgehoben würde. Zum großen Entsetzen aller be teiligten Kreise wurde er aber auf weitere 6 Monate verlängert und damit die Hoffnung auf jede noch so geringe Besserung ab geschnitten. Wie schwer diese Maßregel die Interessen gerade unseres Faches schädigt, geht aus dem Zusammenhang zwischen der Politik und der Presse hervor. Aber auch sonst können sich die brachliegenden Kapitalien nicht wieder der Industrie zuwenden, so lange Willkür und Ungesetzlichkeit herrschen: Der handgreiflichste Beweis hierfür ist, daß Unterhandlungen wegen Ankaufs und Inbetriebsetzung hier in Konkurs befind licher Papierfabriken sofort nach Bekanntwerden der neuen Ver längerung des »erhöhten Schutzes« abgebrochen wurden. Man kann ja auch nicht ruhig fortarbeiten, wenn administrative Strafen verhängt werden. Welchen Umfang diese annehmen können, geht am besten aus der heute wieder im hiesigen »Herold« veröffentlichten Zusammenstellung hervor. Unter der Rubrik »Etwas Statistik« schreibt er u. a., nachdem er die Todesurteile und Hinrichtungen vom 1. Januar bis 30. Juni (die ich lieber übergehen will) aufgezählt hat: »Ueber die administrativen Strafen der Presse sind folgende Angaben bemerkenswert: Bestraft wurden die Redakteure von 90 Zeitungen und Zeitschriften mit 47675 Rubel. Den einzelnen Städten nach verteilen sich die Strafen wie folgt: 28 auf Petersburg in der Höhe von 23300 Rubel (einen bedeutenden Posten Papier hätte man für diesen Betrag schon liefern können!), 7 dieser Strafen im Betrage von 4500 Rubel wurden von der Administration gestrichen, und 2 Strafen in der Höhe von 4000 Rubel um die Hälfte herabgesetzt. (Nun folgen die anderen Städte.) Die Repressalien beschränkten sich nicht allein auf Geld strafen, sondern es wurden auch Mitarbeiter ausgewiesen, Zeitungen unterdrückt und Druckereien geschlossen. (Die unterdrückten Zeitungen werden aufgeführt.) In Odessa erteilte der Stadthauptmann General Tolmaschew den Redakteuren der fortschrittlichen Blätter wegen ihrer Artikel über eine Strafsache eine Rüge und gab ihnen Weisung, wie sie über Nationalitätenhaß zu schreiben hätten! Der Juli mit seinen Strafen der Harting-Affäre wegen verspricht nichts Gutes.« Dieser kurze Auszug aus unserer Presse kennzeichnet besser als lange Berichte, was wir für die nächste Zukunft zu erwarten haben, n. n. Weißer Papierstoff aus bedrucktem Papier Nach dem französischen Patent Nr. 397567 von L. Herz, angemeldet am 19. November 1908, werden bedruckte alte Papiere zusammen mit einer bleichenden Lösung in einen senkrechten Zylinder eingeführt, der mit einer Knet vorrichtung versehen ist. Die Papiere werden gleichzeitig zerfasert und gebleicht. Man läßt dann die Bleichlösung durch ein Drahtsieb im Boden des Zylinders abtropfen und ersetzt sie durch einen oben eingeführten Wasserstrahl. Das Rührwerk bleibt in Bewegung, bis der Stoff genügend gewaschen ist. Dieser wird dann entweder unmittelbar zum Papiermachen verwendet oder als Halbstoff ausgepreßt. (Journal of the Society of Chemical Industry)