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2054 PAPIER-ZEITUNG Nr. 52 Im weiteren berichtete Herr Piehler über die ausgestellten Wettbewerbsarbeiten und Drucksachen aus Riga. In bezug auf die Bewertung der Arbeiten konnte er sich der Entscheidung der Preisrichter nicht anschließen, die Drucksachen aber, welche zeigen, daß der deutsche Geschmack und deutsche Typen in Riga vorherrschen, seien als gute Vorbilder zu bezeichnen. Herr Könitzer machte die Mitglieder mit dem in der letzten Sitzung des Berliner Faktorenvereins von Herrn Böhm mit geteilten Verfahren zur Uebertragung von Strich- und Tusch zeichnungen, schwarz und mehrfarbig, sowie von Bleistiftskizzen auf Zelluloid bekannt, bei welchem ein Gemisch von Azeton und Amylazetat Verwendung findet. • Zum Schluß teilte Herr Köhler namens der technischen Kommission mit, daß neuere Versuche mit den Builettern wiederum ergeben hätten, daß diese durch Behandlung mit Lauge angegriffen würden. Wenn die Fabrikanten andere Er fahrungen gemacht hätten, so sei das erklärlich, denn die von ihnen verwendeten Waschmittel Typin und Typen Lavolin seien eben anders beschaffen wie die Lauge, dessenungeachtet seien die Builettern ein sehr wertvolles und empfehlenswertes Material zum Bedrucken harter und rauher Stoffe, nur müsse man ein fetthaltiges Waschmittel verwenden. Mit dem Wunsche, daß alle Mitglieder Gelegenheit finden möchten, sich während der Ferien zu weiterer frischer Arbeit zu stärken und mit dem Hinweis darauf, daß der Vorstand nach Beendigung der Schulferien ein Sommerfest arrangieren werde, schloß der Vorsitzende um 1r1/, Uhr diese letzte Versammlung vor den Ferien. In der Zwischenzeit finden 14 tägig in Ver bindung mit den Sitzungen des Vorstandes Leseabende im Buch gewerbesaal statt. Fach-Vereinigung der Werkmeister der Papierverarbeitungs-Industrie und verw. Berufe Berlin und Umgegend (Deutscher Werkmeister- Verband) Am 1. Juni, vormittags 9 Uhr, wurde der Ausflug nach dem Königl. Materialprüfungsamt in Groß-Lichterfelde-West unternommen. Die Führung durch die Anstalt dauerte 3 Stunden. In der Abteilung für Papier erläuterte Herr Dr. Bartsch in einstündigem Vortrag die Entwicklung dieser Abteilung. Er sagt u. a.: Die Anfänge der Bewegung, welche in Preußen zur Er richtung einer staatlichen Papierprüfungsanstalt führten, reichen bis in die 70er Jahre zurück. Um diese Zeit machten sich nämlich bei den Behörden die unangenehmen Folgen der Ver wendung schlechter Papiere zu wichtigen Aktenstücken be merkbar. Der Aktenbestand mancher Behörde geriet von Jahr zu Jahr in bedenklicheren Zustand. Man hatte eben bei Ver wendung von Papier zu dauernd anfzubewahrenden Akten ver gessen, daß die Durchschnittsgüte der Papiere im Lauf der 60er und 70er Jahre wesentlich heruntergegangen war; einmal infolge der übermäßigen Verwendung von Ersatzstoffen an un rechter Stelle, dann infolge des irregeleiteten Geschmacks der Verbraucher, welche den Hauptwert auf das Aeußere des Papiers legten, aber auch infolge drückenden Wettbewerbs auf dem Papiermarkt. Auf die im Gefolge der Verbilligung ein getretene Verschlechterung der Papiere machten besonders die Professoren Reuleaux, Hartig und Hoyer warnend aufmerksam. Diese Zustände veranlaßten den Herausgeber der Papier-Zeitung, den Geheimen Regierungsrat Carl Hofmann, unterstützt von 4 Fachvereinen mit nahezu 600 Mitgliedern, unter Klarlegung der Verhältnisse eine Eingabe zu machen und um Errichtung einer amtlichen Untersuchungsanstalt für Papier und Schreib- waren zu bitten. Der Antrag wurde zunächst abgelehnt. Der Antragsteller ließ sich jedoch hierdurch nicht abschrecken, und auf eine weitere an den damaligen Reichskanzler Fürsten Bismarck gerichtete und eingehend begründete Eingabe wurde der Wunsch erfüllt. . Der Reichskanzler verfügte die Errichtung der erbetenen Anstalt, und am 1. Mai 1884 trat sie als Abteilung der damals noch mit der Gewerbeakademie in Berlin verbundenen Ver suchsanstalt ins Leben. Somit war den Behörden und auch dem großen Publikum eine amtliche Stelle gegeben, an der sie sich über die Eigen schaften der von ihnen zu verwendenden Papiere unterrichten konnten. Die Errichtung der Anstalt bot aber dem Staat nicht die Gewähr, daß von nun ab für seine Akten zweckentsprechende Papiere Verwendung finden würden. Hierzu mußten besondere Vorschriften erlassen werden, in denen für jeden Verwendungs zweck die diesem entsprechende Papierbeschaffenheit vor gesehen war. Dies geschah, und nach verschiedenen Wandlungen, die diese Vorschriften im Laufe der Jahre auf Grund von Er fahrungen durchgemacht haben, sind sie jetzt in den am 28. Januar 1904 erlassenen »Bestimmungen über das von den Staatsbehörden zu verwendende Papier« festgelegt. Durch diese Bestimmungen werden sämtliche Papiere nach der Stoff zusammensetzung in 4 und nach der Festigkeit in 6 Klassen ein geteilt. Für jeden Verwendungszweck ist eine bestimmte Stoff klasse und Festigkeitsklasse vorgesehen. Der Schwerpunkt der Bestimmungen liegt in der Festsetzung, daß sämtliche Schreib papiere der Klasse 1—4b, also alle Aktenpapiere, mit einem Wasserzeichen versehen sein müssen, welches die Firma des Fabrikanten und das Zeichen der Verwendungsklasse, der das Papier angehört, enthält. Man kann somit an jedem Bogen er kennen, in welcher Fabrik und aus welchem Material es ge fertigt wurde, und welche Festigkeitseigenschaften es besitzt. Auch das Publikum kann sich mit Hilfe des Zeichens gute und zweckentsprechende Papiere für wichtige Zwecke beschaffen. Im Jahre 1888 mußten rund 50 v. H. der geprüften Papiere als nicht genügend von den Behörden zurückgewiesen werden, im Jahre 1908 nur noch rund 8 v. H. Zahl und Schwere der Verstöße haben somit dank den »Bestimmungen« erheblich ab genommen. Die Behörden schreiben bei Beschaffung ihrer Papiere die Lieferungen unter Zugrundelegung der erwähnten »Be stimmungen« aus, entnehmen aus der gelieferten Ware Stich proben und lassen diese hier prüfen. Die Kosten der Prüfung trägt die Behörde, wenn das Papier vorschriftsmäßig ist, der Lieferant, wenn es zurückgewiesen werden muß. Die preußischen Eisenbahnen allein verbrauchen jährlich für 6—7 Mill. M. Papier. Etwa 50 v. II. der Arbeitsleistung der Abteilung wird für die Prüfung von Behördenpapieren in Anspruch genommen, der Rest für Arbeiten im Auftrage von Industrie und Handel. Diese gelten oft der Beantwortung von Fragen der Fabrikation und der Verarbeitung. Der Verein Deutscher Papierfabrikanten äußerte sich in einem im Jahr 1900 an das Kultusministerium gerichteten Schreiben u. a. wie folgt: »Die deutsche Papierindustrie hat seit Errichtung der Versuchsanstalt deren Arbeiten lebhaftes Interesse entgegengebracht. War es ihr auch im Anfang nicht immer bequem, in der Abteilung für Papierprüfung einen Richter über sich zu haben, so hat sie doch nie mit dem Bekenntnis zurück gehalten, daß sie in dieser Papierprüfung einen mächtigen Faktor für die Förderung ihrer Bedeutung, ihres Wohles und ihres Ruhmes gegenüber dem Ausland sieht«. Bei den der Anstalt zur Untersuchung zugesandten Papieren werden die Prüfungen auf Stoffzusammensetzung, Durchlässig keit, Saughöhe, Zugfestigkeit, Aschengehalt, Falzwiderstand, Farbechtheit in mehreren Proben ausgeführt. Der Vortragende erläuterte die einzelnen Prüfungen und die zu deren Vornahme dienenden Vorrichtungen. (Diese sind genau beschrieben in dem Werk »Papier-Prüfung« von Prof. W. Herzberg, Verlag von Julius Springer, Berlin, Preis 10 M. Besprochen in Nr. 86 der Papier-Zeitung von 1907. Schriftleitiuiff.) Hierauf wurde die Abteilung für Metallprüfung unter Führung des Herrn Fink in Augenschein genommen. Man glaubte sich in einer großen Abteilung einer Maschinenfabrik zu befinden. An Pressen auf Druck und Zug konnte man die genauen Aufzeichnungen der damit verbundenen Schreib werke wahrnehmen. Die Prüfung erfolgt an kalten wie ver schieden erhitzten Probestücken. Geprüft» wurden dünne Drähte wie 30 cm starke Schiffswellen, eiserne Träger von tausenden Tonnen Tragkraft, gewaltige Ketten, aber auch Feinmetalldrähte. Herr Prof. Borchert erklärte in der Abteilung für Bau stoffe die einzelnen Arbeitsgänge. Eine richtige Kunststein fabrik ist da in Betrieb. Zement, Mörtel, Beton werden in verschiedenen Mischungsverhältnissen nach amtlichen Vor schriften zu Probestücken geformt und in Hitze und Kälte durch Druck, Schlag usw. geprüft. Basalte, Granite, Sand steine, Klinker sind in allen Sorten vorhanden. Hohe Eisen zementsäulen gaben durch ihre Verbiegungen Zeugnis davon, welche gewaltigen Kräfte auf sie bei der Prüfung eingewirkt haben. Zum Schluß wurde die Abteilung für Oelprüfung in Augenschein genommen. Hochbefriedigt verließen die Teilnehmer des Ausfluges das umfangreiche Gebäude, dessen Einrichtungen in jedem Besucher dauernden Eindruck zurücklassen. Besonderer Dank gebührt für die bereitwillige und liebenswürdige, eingehende und praktische Erklärung, welche die Herren der Anstalt den Teilnehmern zuteil werden ließen. Zeitungsjubelfest. Am 23. Juni 1909 konnte der im Verlag von Carl Flemmig in Glogau erscheinende »Niederschlesische An zeiger« den 100. Jahrestag seiner Gründung feiern. An diesem Tage erschien die Zeitung in besonders großem Umfange, sie umfaßte 34 Folioseiten mit zweifarbigem Druck. Von dem Inhalt der Jubelnummer sind geschichtliche Rückblicke auf das Wachsen der Zeitung und die Entwicklung von Glogau und Umgegend hervorzuheben.