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DAPIER VERARBEITUN G MBUCHGEWERBEN.s20 Berliner Typographische Gesellschaft Für die Sitzung vom 22. Juni war der Buchgewerbesaal mit einer Auswahl aus den der Gesellschaft von dem verstorbenen Xylographen Herrn Hugo Meyer hinterlassenen Holzschnitten, zum großen Teil eigener Arbeiten des Verstorbenen, ge schmückt. Daneben waren die Skizzen eines Wettbewerbs der typographischen Vereinigung in Riga und Rigaer Drucksachen ausgestellt. An Eingängen waren zu verzeichnen: Ein Emp fehlungszirkular der Graphischen Kunstanstalt Joh. Hamböck (Inh. Ed. Mühlthaler) in München, dem ein Blatt mit unter Ver wendung Lumirescher Farbenplatten vorzüglich wieder gegebenen Schmuckgegenständen angeschlossen ist; ferner das für die Bibliothek angeschaffte Jubiläumsheft der Leipziger Illustrierten Zeitung, welches u. a. die Geschichte und Ent wicklung der Illustrationstechnik behandelt. Von der Walzen gußanstalt Felix Böttcher in Berlin, Blumenstr. 70, lag eine Ein ladung zum Besuch der Anstalt vor. Die Gesellschaft beschloß, an einem Sonntage nach den Schulferien von dieser Einladung Gebrauch zu machen. Als neue Mitglieder wurden bekanntgegeben die Herren Matthias Friedl, Oberschöneweide, Villa Möckel, Otto Hellwig, SW, Gneisenaustr. 8411 (E. S. Mittler & Sohn), Gustav Kirchner, S 42, Luisenufer 5611 (Rud. Mosse), Adolf Langer, O, Kraut straße 25 (Trowitzsch & Sohn) und Fritz Wagner, Lichtenberg, Finowstr. 34111 (Rud. Mosse); zur Mitgliedschaft angemeldet wurde Herr Obermaschinenmeister Paul Unrath, SO, Kottbuser damm 2t 111 (Vaterland. Verlags- und Kunstanstalt). Hierauf berichtete Herr Könitzer ausführlich über die Studien fahrt zur Besichtigung der internationalen photographischen Husstellung in Dresden am 19. und 20. Juni, an welcher sich 12 Berliner Kollegen be teiligten, sodaß einschließlich der aus Bautzen und Chemnitz Eingetroffenen 30 Gäste von den Mitgliedern der Dresdener Schwestergesellschaft empfangen werden konnten und in dankenswerter Weise aufgenommen wurden. Der Ausstellungs palast bietet in 19 Räumen des Sehenswerten so viel, daß er selbst bei zweimaligem Besuch der Ausstellung nur einen Teil des Ganzen habe besichtigen können. Programmgemäß habe am Sonntag um 9 Uhr vormittags Herr Verwaltungsdirektor Woernlein, der im Auftrage des Deutschen Kunstgewerbe-Vereins die Regie in der Reproduktionshalle führe, im Repräsentations- saalc einen etwa ri/stündigen Vortrag über die Hochdruck-, Flachdruck-, Tiefdruck- und Kombinationsverfahren der Repro duktionstechnik gehalten, der in gedrängter Kürze alles Wissens werte enthalten habe. Hierauf sei die Ausstellung in ihren wesentlichsten Teilen besichtigt worden. Aus der Fülle des Gebotenen schilderte Herr Könitzer zunächst die Sehenswürdig keiten der graphischen Abteilung, in welcher auch der Werde gang der Druckplatten der einzelnen photomechanischen Er zeugnisse veranschaulicht werde. Rud. Schuster-Berlin habe in seinen Dreifarben-Kupferdrucken etwas ganz Neues ausgestellt, Albert Frisch sei durch vortreffliche Lichtdruck-Dreifarben drucke vertreten, Georg Büxenstein & Co. durch farbige Facsi- mile-Heliogravüren und Drei- und Vierfarben-Reproduktionen, Bogdan Gisevius habe 15farbige Landkarten in Gisaldruck aus gestellt, die Reichsdruckerei wertvolle Reproduktionen alter Holzschnitte, Initialen usw. in verschiedenartigen Verfahren, Nenke & Ostermeier Künstlerpostkarten in Photochromographie. In der Maschinenhalle haben ausgestellt Rockstroh & Schneider Nachf. eine Viktoria-Farbendruck-Schnellpresse, an welcher statt der Bänder ein sogen. Luftausleger nach dem Ansaugen die Bogen vom Zylinder zum Auslegetisch befördert; die Miehle- Gesellschaft war durch eine eigenartige Zweitourenmaschine vertreten, die noch einen zweiten Zylinder besitzt, der zur Auf nahme gebogener Druckplatten dient, sodaß die Maschine auch als Zweifarbenmaschine, nach Wunsch aber auch als Rotations maschine benutzt werden könne, also dreifache Verwendung zulasse; die Maschinenfabrik Frankenthal hatte u. a. eine Steindruck-Schnellpresse für Zinkdruck, eine Lichtdruck-Schnell presse und ihre Bavaria ausgestellt. Die Buchgewerbliche Akademie in Leipzig bietet in einem besonderen Aufbau 44 Vor führungen in einem Guckkasten, die wissenschaftlichen Grund lagen der Photographie darstellend; die Firma August Scherl veranschaulicht die Photographie im Dienste der Presse. Ab gesehen von dem für den Graphiker besonders Beachtenswerten bietet die Ausstellung auf andern Gebieten Anziehendes und Belehrendes in so reicher Fülle, daß man nur bei häufigerem Besuch alles in Augenschein nehmen könne, umsomehr, als Rahmen an Rahmen gereiht, die ausgestellten Bilder so dicht Zusammenhängen, daß das -Auge kaum einen Ruhepunkt finde. Die Oesterreichische Ausstellung ist in einem besonderen eigenen Hause untergebracht, zu dessen Ausstattung die. Staatsregierung einen sehr erheblichen Zuschuß leistete. Hier ist alles un- gemein übersichtlich, in Gruppen geteilt angeordnet und ge stattet einen vorzüglichen Ueberblick. In diesem Gebäude seien auch in den Räumen 27 und 28 in fünf Gruppen die besondere Beachtung verdienenden Leistungen der Münchener Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie usw. untergebracht. Redner schloß seine Ausführungen mit einem Hinweis darauf, daß die Typographische Gesellschaft stets Veranlassung genommen habe, ihre Mitglieder durch Vorträge über die Fortschritte der Photo graphie zu unterrichten, weil sie nicht nur einen großen Einfluß auf die Entwickelung des graphischen Gewerbes ausübe, sondern in alle Gebiete der Wissenschaft hineinleuchte. Darum sei auch der Besuch dieser Ausstellung allen Mitgliedern zu empfehlen. Die Teilnehmer an der Studienfahrt seien von dem Ergebnis sehr befriedigt; den Dresdener Kollegen aber spreche er den besten Dank für die getroffenen Veranstaltungen aus. Eine Anzahl Reklamearbeiten von der Ausstellung hatte der Vor tragende ausgelegt. Die Ausführungen des Herrn Könitzer, die hier nur auszugs weise wiedergegeben werden konnten, gaben Anregung zu einem lebhaften Meinungsaustausch. Im Verlaufe desselben teilte Herr Hennig mit, daß ein Haupt-Anziehungsstück der Aus stellung, die Vorführung des Lumiereschen Autochrom verfahrens, durch eine erhebliche Transportverzögerung erst am Freitag, 25. Juni, zur Besichtigung fertig sein werde. Dem hierfür bereitgehaltenen Raum nach zu schließen, handle es sich dabei um eine umfangreiche Ausstellung. Das Rud. Schustersche Verfahren zur Herstellung der ausgestellten Dreifarben-Helio- gravüren beruhe auf einer patentierten Behandlung des Papiers, durch welche das Passen der Druckformen ermöglicht werde. Sodann sprach Herr Georg Wagner über die ausgestellte Sammlung von Holzschnitt-Drucken aus dem Nachlaß des verstorbenen Xylographen Herrn Hugo Meyer die, wie Redner bemerkte, nur einen bescheidenen Teil des reichen Schatzes darstelle, den der Verstorbene der Typo graphischen Gesellschaft letztwillig gespendet habe. Diese Holz- schnitte zeigen sowohl die Entwicklung der Holzschnittechnik als auch die wechselnde Geschmacksrichtung, sie beweisen, daß der Holzschneider nicht nur ein Nachzeichner, sondern ein selb ständig arbeitender Künstler sei, indem er das, was er im farbigen Bilde sieht, in seiner Technik wiederzugeben sich be müht und so eine Umwertung der Kunstwerke vollziehe. Man könne es nur bedauern, wenn durch die photomechanischen Repröduktionsverfahren der Holzschneider mit seiner Kunst etwa ganz ausgeschaltet werden solle; denn unbestreitbar stehe ein guter Holzschnitt künstlerisch auf höherer Stufe als eine Autotypie. Wenn man z. B. neben den großen Holzschnitt »Christus im Olymp« nach dem Klinger'schen Gemälde dasselbe Bild als Autotypie stellen könnte, würde man das Körperlose, Wesenlose der Autotypie leicht erkennen und dem Holzschnitt den Vorzug geben. Einen Höhepunkt der Technik veranschau lichte ein Bild (2 Holländerinnen), das in einfachen Strichlagen ausgeführt wurde und dabei selbst die Schatten des Farben auftrags des Originalölbildes erkennen lasse. Das sei zwar nicht die Hauptsache, zeige aber doch, wie weit der Holzschneider dem Original folgen könne. Die Kunst besteht in der Fertig keit, die Wirkungen des vielfarbigen Bildes mit den einfachen Mitteln des Holzschnitts treffend wiederzugeben, wie das bei den ausgestellten Arbeiten zumeist vorzüglich gelungen sei. Eine gigantische Leistung sei das vom Ballon aus gesehene Bild der Stadt London, eine Beilage des »Graphic« vom 31. Mai 1884, ein Holzschnitt in der Bildgröße von 125 X 95 cm. Bei den Blättern aus der Geschichte des Hauses Habsburg seien die Porträts künstlerisch ausgeführt; ein besonderes Interesse aber hätten die Textseiten, die stets in demjenigen Schriftcharakter gehalten wurden, der zur Zeit des dargestellten Fürsten ge bräuchlich war. Die Typographische Gesellschaft müsse dem Verstorbenen für die Ueberweisung dieses Nachlasses sehr dankbar sein und könne das Andenken an den Dahingeschiedenen am besten ehren durch eine vollkommene Würdigung seiner Ar beiten. Der Vorsitzende dankte dem Redner namens der Ge sellschaft. Er wies darauf hin, daß außer diesen Kunstblättern zahlreiche fachwissenschaftliche Bücher in den Besitz der Ge sellschaft übergegangen seien und sprach der Witwe des Herrn Meyer noch einmal herzlichen Dank aus.