Volltext Seite (XML)
2278 PAPIER-ZEH UNG Nr. 5 3 Uebertreibungen und die leichtfertigen Gesetzgebungs versuche der Gewerbeordnungskommission auf das Ent schiedenste. verurteilen. Die sozialpolitischen Lasten und Beschränkungen unserer Industrie sind heute schon so groß, daß unsere Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt erheblich darunter leidet. Jedes Mehr auf diesem Gebiet bringt uns weiter zurück, nimmt uns Arbeitsgelegenheit, schmälert unsere Leistungsfähigkeit und unsere Steuer kraft. Auf die verkehrspolitischen Ereignisse und Vereins arbeiten will ich bei der Kürze der Zeit nicht weiter ein gehen. Ich erinnere nur daran, daß wir mit Unterstützung einer ganzen Reihe anderer Vereine sehr eingehend gegen die Verteuerung der Fernsprechgebühren protestiert haben und daß wir das Reichspostamt auf die mit der jetzigen Abstempelungsmethode der Briefe usw. verbundenen Be schädigungen der Briefschaften und die daraus erwachsen den Gefahren für das Papier- und Druckgewerbe aufmerksam gemacht haben. So gefährlich und besorgniserregend die sozialpoliti schen Beschlüsse der Reichstagskommission sind, so werden sie doch noch weit übertroffen durch die steuerpolitischen Beschlüsse der Kommission zur Beratung der Reichsfinanz reform. Zur Durchführung der Reichsfinanzreform ist be kanntlich eine jährliche Mehrleistung an Steuern in Höhe von 500 Millionen M. nötig. Es kann keinem Zweifel unter liegen, daß dieser Betrag unter allen Umständen aufgebracht werden muß, und die Vertretungen von Deutschlands Handel und Industrie, auch der Papier-Industrie-Verein, haben denn auch einmütig zum Ausdruck gebracht, daß sie bereit seien, an ihrem Teil entsprechende Opfer zu bringen, um neue Einnahmequellen für das Reich zu erschließen — vorausgesetzt, daß die in Aussicht genommenen Steuer lasten in gerechter Weise unter die Bevölkerung verteilt und auf wirklich tragfähige Schultern gelegt werden. Zu den gerechten Steuern konnte aber unmöglich die Reklame steuer, die Elektrizitätssteuer und die Gassteuer gerechnet werden. Namentlich die Reklamesteuer hätte das Papier- und Druckgewerbe auf das Empfindlichste geschädigt. Wir haben deshalb in einer größeren Eingabe, in aufklärenden Arbeiten in der Presse und durch persönliche Vorstellungen bei einzelnen Abgeordneten auf das Nachdrücklichste gegen diesen unseligen Steuerplan protestiert. Unsere Anstren gungen sind auch von Erfolg gewesen; denn die Reklame- Steuervorlage ist von der Kommission am 19. März 1909 ab gelehnt worden, tags darauf auch die Elektrizitätssteuer- Vorlage. Das war aber die einzige Guttat der Finanz kommission. Was sonst an steuerpolitischen Beschlüssen aus dieser Kommission herauskam, ist nur geeignet, Empörung und Erbitterung hervorzurufen. Redner bespricht sodann die einzelnen Steuerpläne der Finanzkommission unter Hin weis darauf, daß alle die vorgeschlagenen Steuern lediglich Handel und Industrie belasten. Es ist in der Parlamentsgeschichte beispielslos, daß eine einzelne, verhältnismäßig kleine Gruppe unter rück sichtsloser Ausnützung der Reichstags-Zusammensetzung der Industrie und dem Handel solche Lasten aufzuerlegen wagt, um sich selbst von einer Mehrleistung zu drücken und sich sogar noch auf Kosten der. anderen Vorteile zu sichern. Beispielslos ist auch, ohne irgend welche sach lichen Unterlagen oder Ermittlungen von heute auf morgen Steuern zu erlassen, die nicht etwa den Verbrauch ent behrlicher Genußgüter treffen, sondern die lediglich einzelne Gewerbszweige oder Einrichtungen, wie z. B. die Börse, abgabepflichtig machen, und zwar in solchem Maße, daß ihre Verkümmerung mit Gewißheit zu erwarten wäre. Es unterliegt leider gar keinem Zweifel, daß die meisten der neuen Steuerpläne aus dem agrarisch-klerikalen Füllhorn von einer ausgesprochenen Feindseligkeit gegen das be wegliche Kapital, gegen Industrie, Handel, Börse diktiert sind. Industrie, Handel und Börse sollen geschwächt und in ihrer Leistungsfähigkeit zurückgeschraubt werden, um die Herrschaft der Konservativen zu stärken und zu er weitern. Aber die Spekulation war diesmal zu wild, die agrarische Interessenpolitik zu durchsichtig. Das Maß konservativer Willkür ist voll, der Becher ist endlich über gelaufen, und der unendlich lange Geduldsfaden von Handel und Industrie ist zerrissen. Aus allen Vertretungen des Unternehmertums erschallen jetzt flammende Proteste gegen das würdelose und unleidliche Gebaren der Reichstags- Kommission, und auch dem Papier-Industrie-Verein fällt heute die Aufgabe zu, eine scharfe Erklärung gegen die unerhörten Steuerpläne der Reichstagskommission zu fassen. Aber bei den einzelnen Protest-Erklärungen wird es dies mal nicht bleiben. Wie Sie wissen, veranstaltet am 12. Juni in Berlin im Zirkus Schumann der Centralverband Deutscher Industrieller und der Verband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes eine große Abwehrversammlung der ge samten deutschen Industrie, des Handels und der Börse. Sicherlich wird es bei dieser Gelegenheit zu einer groß artigen Protestkundgebung gegen den Unfug der Steuer pläne des Reichstags kommen. Zugleich soll aber auch in dieser Versammlung eine für die Dauer berechnete Inter essen-Gemeinschaft der freien Vertretungen von Deutsch lands Industrien, Handel und Bankwesen in die Wege ge leitet werden. Dem Bund der Landwirte soll der Bund der Handel- und Gewerbetreibenden gegenübergestellt werden. Wir wollen wünschen, daß der Gedanke, dem übermächtigen agrarischen Einfluß in unserm öffentlichen Leben ein industrielles Gegengewicht gegenüberzusetzen, verwirklicht wird. Die Zeiten sind ernster denn je, und ein Schutz- und Trutzbündnis des gewerblichen Unternehmertums ist zur Notwendigkeit geworden. Ich bin am Ende meiner Ausführungen und habe nur noch mit einigen Worten auf die Rückwirkung der be sprochenen wirtschaftspolitischen Vorgänge auf unsere Vereinsorganisation hinzuweisen. Da kann ich mit Genug tuung feststellen, daß der Papier-Industrie-Verein im letzten Jahr eine wirksame Handhabe zur Vertretung unserer Interessen und Wünsche abgegeben hat. Wir sind überall hervorgetreten, wo Papierverarbeitung und Papiergroß handel von den wirtschaftlichen Fragen berührt wurden, und wir haben in sachgemäßer Weise Stellung genommen, nachdem wir uns vorher durch gewissenhafte Ermittlungen unter unseren Mitgliedern unterrichtet haben. An dieser Arbeit hat sich dann wieder das Interesse der Mitglieder am Verein belebt und befestigt, und so den Verein selbst gestärkt. So hat sich wieder deutlich gezeigt, wie not wendig und segensreich die Reorganisierung und Moderni sierung des Vereins, die wir vor einigen Jahren nicht ohne scharfen Widerstand durchgeführt haben, gewesen ist. Ja das letzte Jahr hat uns besonders bestätigt, daß die klare Scheidung der Interessengebiete der Papierfabrikanten und Papierverarbeiter, die mit unserer Vereins-Reorganisation Hand in Hand gehen mußte, jetzt zu einem freundnachbarlichen Verhältnis zu der Interessenvertretung der Papierfabrikanten geführt hat. Bei der Agitation gegen die amerikanischen Zollerhöhungen fanden nämlich zwischen der Zoll-Ver einigung und dem Verein Deutscher Papierfabrikanten Be sprechungen über etwaige gemeinschaftliche Maßnahmen statt, die zur Anknüpfung freundlicher Verkehrsbeziehungen geführt haben. So hat sich denn auch hier der Grundsatz »getrennt marschieren, vereint schlagen« wieder vollauf be währt. Jedenfalls hat uns also das verflossene Jahr wieder gelehrt, daß unsere Vereinsentwicklung gesund und aus sichtsvoll ist. Wir sind auf dem rechten Wege, und auf diesem Wege wollen wir auch weiter schreiten! Schluß folgt. Berliner Typographische Gesellschaft Vereinslokal: Berliner Buchgeiverbesaal, Dessauer Straße 2, 111 Vorsitzender: G. Könitzer, Steglitz, Arndtstraße 35 Kassierer: C. Rinck, Schöneberg, Bahnstraße 43, link. Aufgang III Schriftführer: E. Baumeister, SW 29, Gneisenaustr. 98 Am 24. Juli begeht der graphische Klub zu Neu-Babels berg sein diesjähriges Johannisfest im Restaurant von G. Lichtblau in Steinstücken. Der Beginn des Festes ist auf 8 Uhr festgesetzt; der Festbeitrag beträgt 25 Pf. Die Mitglieder unserer Gesellschaft sind zu dieser Veranstaltung, für welche ein reichhaltiges Programm (Italienische Nacht, Festball mit Fackel-Polonaise, Verlosung und verschieden artige musikalische Vorträge) aufgestellt wurde, herzlich eingeladen. Das Festlokal ist etwa 15 Minuten vom Bahn hof Neu-Babelsberg entfernt, mitten im prächtigsten Walde. Der Vorstand