Volltext Seite (XML)
Nr. 58 PAPIER-ZEITUNG 2277 Das würde doch immer dem Kunden vor den Kopf stoßen und ihn zu der Meinung bringen, daß er es mit einem Lieferanten zu tun hat, der ihn gegebenenfalls besonders scharf anfassen würde. Steffen: Ich möchte Herrn Saloschin sagen, daß ich auf Empfehlung meires Rechtsanwaltes in meine Preislisten den Zusatz aufgenor .men habe: »Erfüllungsort für die beider seitigen Verpf' chtungen ist Duisburg«. Das spätere schrift liche Angebot erfolgt unter Hinweis auf die in meiner Liste angegebenen Bedingungen. Ich bin dadurch ge schützt und? habe verschiedene Klagen mit Erfolg durch geführt. Vorsitzender: Ich möchte„die Aussprache'dahin zusammen fassen, daß wir die Sache vom Vorstand aus nochmals ein gehend behandeln und denMitgliedern schriftlichen’Bericht geben. 2 JustizratHolz: Die Anregungen, die Herr Jährig gegeben hat, sind außerordentlich dankenswert. Ist ein Kaufmann so vorsichtig, sich seiner Haut zu wehren, dadurch, daß er dem Kaufmannsgericht einen Schriftsatz einreicht, so braucht er keinen Vertreter. Es würde zweckmäßig sein, wenn die Anregung des Herrn Jährig dahin ausgedehnt werden könnte, daß durch ein Rundschreiben die Mitglieder auf gefordert werden, Grundsätze aus dem Kaufmannsgericht zu sammeln, damit die Mitglieder sich daraus Rat holen könnten. Natürlich ist der Einzelne, der nicht Jurist ist, nicht in der Lage, sich zu wappnen und so vorzubereiten, wie es zweckmäßig wäre, deshalb wird es gewöhnlich so gemacht, daß nach einer eingehenden Besprechung mit dem Rechtsbeistand ein Schriftsatz eingereicht wird, und der Geschäftsherr hat dann wenigstens etwas zur Hand, wenn er hingehen muß. Jährig: Ich habe nicht gemeint, daß von unserem Kreise aus die Vertretung ins Leben gesetzt werden soll; sondern daß nur von uns Anregungen gegeben werden. Oesterreicher: Ich möchte Ihnen mitteilen, daß dieselbe Angelegenheit vom Mitteldeutschen Papierindustrie-Verein aus behandelt worden ist und, wie mir Herr Nestmann mit teilt, ist eine entsprechende Agitation auch in die Wege geleitet. Vorsitzender: Ich möchte vorschlagen, auch diese An regung dem Vorstand zu überweisen. Wir kommen nun zu Punkt 6 der Tagesordnung: Bericht über die Rechtshilfe im Ruslande. Sie finden die nötigen Mitteilungen darüber im Jahresbericht. Wünscht jemand das Wort dazu. Es ist nicht der Fall und wir kommen somit zu 7. Bericht über die wirtschaftspolitischen Arbeiten. Häger: Das verflossene Geschäftsjahr hat in wirtschafts politischer Hinsicht unausgesetzt Aufregungen und die allerernstesten Besorgnisse mit sich gebracht — Besorg nisse auf zollpolitischem, auf sozialpolitischem, auf verkehrs politischem und besonders auf steuerpolitischem Gebiet. Auf die zollpolitischen Ereignisse und unsere zollpolitische Vereinsarbeit gehe ich heute nicht näher ein, weil hierüber schon gestern Abend in der Generalversammlung der Zoll vereinigung berichtet wurde. Ich wiederhole nur das Eine: Wir haben zurzeit mit einem außerordentlichen Anschwellen der hochschutzzöllnerischen Bestrebungen und mit einer Zu spitzung der nationalen Absperrungspolitik in der ganzen Welt zu rechnen. Die Vereinigten Staaten, Frankreich, Portugal, Schweden usw. sind augenblicklich dabei, ihre Zoll sätze auf eine früher nie gekannte Höhe zu schrauben, wobei ausgesprochenermaßen die Verdrängung des deutschen Wettbewerbs das eigentliche Ziel ist, und andere Staaten kündigen gerade mit Rücksicht auf die Abschließungspolitik jener Länder nun auch ihrerseits Zolltarif-Revisionen, d. h. Revisionen nach oben, an. So treibt ein Keil den andern. Für eine Industrie wie die Papierverarbeitung, die mit etwa 60 v. H. ihrer gesamten Jahreserzeugung auf den Weltmarkt angewiesen ist, drohen hier sehr ernste Gefahren, denn die Ausfuhr verbürgt den Massenabsatz und die Massen erzeugung verbürgt unsere derzeitige Ueberlegenheit, unsere wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit. Wird uns der Weltmarkt versperrt, so wird es auf dem In landsmarkt zu einem drängenden Angebot, zu einem Krieg aller gegen alle kommen. Da heißt es nun für unsere Vereinstätigkeit »Retten, was noch gerettet werden kann!« unter Einsetzung aller Kräfte. Wir haben denn auch im letzten Geschäftsjahr sehr bedeutende Anstrengungen ge macht, um die gefährdeten Interessen der Papierverarbeitung wahrzunehmen. Es wurden eingehende Erhebungen an gestellt; eine große Zahl von Eingaben und Gutachten wurde fertiggestellt und in mehrfachen Besprechungen mit den amtlichen Stellen wurden unsere Forderungen mit allem Nachdruck vertreten. Nicht weniger ernst ist die sozial politische Lage zu beurteilen. Der Entwurf eines Gesetzes betr. Errichtung von Arbeitskammern ist, trotzdem sich so ziemlich die gesamte Industrie und auch die Mehrheit der Arbeiterschaft entschieden dagegen ausgesprochen hat, von der Regierung dennoch im Reichstag eingebracht und von der mit der Beratung der Vorlage betrauten Kommission angenommen worden. Durfte man von allem Anfang an begründete Zweifel hegen, ob die Errichtung und Wirk samkeit von Arbeitskammern zur Pflege des wirtschaftlichen »Friedens«, wie es in der Begründung heißt, geeignet ist, so mußte man erst recht irre werden in dieser Erwartung angesichts des Beschlusses der Reichstagskommission, auch den Gewerkschaftsbeamten und Arbeitersekretären die Wählbarkeit zuzusichern. Dadurch ist von vornherein auf das Eindringen parteipolitischer, d. h. sozialdemokratischer Bestrebungen in den Arbeitskammern zu rechnen, und statt der Pflege des wirtschaftlichen Friedens dürfte das Gegenteil herauskommen. Viel schlimmer und gefährlicher ist aber das, was unter den Händen der sog. Gewerbe- . Ordnungskommission des Reichstags aus der Gewerbe- ordnungs-Novelle geworden ist. Schon länger als ein Jahr arbeitet die Kommission an der Erweiterung der Regierungs vorlage, und noch immer ist kein Ende abzusehen. Ein wahrer Taumel hat die Kommission ergriffen und ein sozial politisches Wettrennen gezeitigt, wie es bisher im Deutschen Reichstag nie gesehen wurde. Man muß sich die ursprüng liche Gesetzesvorlage vergegenwärtigen, um diese ganze Art Gesetzmacherei recht würdigen zu können. Redner geht dann des Näheren auf die Beschlüsse der Gewerbeordnungs kommission ein und weist besonders hin auf die ins Auge gefaßte Errichtung obligatorischer ständiger Arbeiter ausschüsse mit sehr wichtigen Befugnissen, die geradezu als der Anfang des »konstitutionellen Fabriksystems« an zusehen sind. Alle diese Beschlüsse sind gefaßt worden, ohne daß die Nächstbeteiligten, nämlich Industrie, Handel, Angestellte und Arbeiterschaft, befragt worden wären. Es ist sonst feste Gepflogenheit, völlig neue Fragen, nament lich Fragen von so einschneidender Bedeutung wie die vorliegenden, erst dann gesetzlich zu regeln, wenn durch umfassende Erhebungen zuvörderst die Bedürfnisfrage ge löst und wenn die voraussichtlichen Wirkungen der neuen Vorschriften auf Handel und Wandel festgestellt sind. Von alledem ist hier keine Rede gewesen. Mit einer Un bekümmertheit, ja Leichtfertigkeit sind hier von einer kleinen Anzahl von Abgeordneten Vorschriften beantragt, die einen wahrhaft peinlichen Mangel an Verständnis für die Lebensbedingungen der heimischen Gewerbetätigkeit verraten und deren Inkraftsetzung verhängnisvolle Wir kungen zeitigen müßte. Man könnte meinen, die deutschen Industriellen und Kaufleute seien unmündige Kinder, denen eine Handvoll Abgeordneter ihre Daseinsbedingungen vor schreiben darf — eine Handvoll Abgeordneter, die zum Teil nichts anderes als die Politik der Erhaltung ihres Mandats treiben. Gegen diese unwürdige Gesetzmacherei gilt es energisch Front zu machen! Der Papier-Industrie-Verein ist dieser Sachlage gegenüber nicht untätig gewesen. Haben wir uns schon im vorigen Jahr zu der Regierungsvorlage in einer sehr eingehend gehaltenen Eingabe geäußert, so haben wir auch zu den oben erwähnten Beschlüssen der Reichstagskommission Stellung genommen und werden noch weiter Stellung nehmen. Unterm 3. April 1909 haben wir eine Eingabe an das Handelsministerium gerichtet, in der wir u. a. die Beschlüsse der Kommission hinsichtlich der Beschränkung der Konkurrenzklausel vom Standpunkt der Papierverarbeitung kritisierten. Bezüglich der übrigen Be schlüsse haben wir vor etwa 8 Tagen eine entsprechende Umfrage gehalten, deren Beantwortung uns die Unterlagen zu einem weiteren energischen Protest liefern soll. Aber damit ist es noch nicht genug. Ich meine, auch die heutige Generalversammlung sollte in einer scharf gehaltenen Er klärung zum Ausdruck bringen, daß wir die sozialpolitischen