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958 PAPIER-ZEITUNG Nr. 25 Schmiergelder Von Dr. jur. W. Brandis, Berlin (Nachdruck verboten) Das Bemühen der Fabrikanten und Großhändler, Absatz für ihre Waren zu finden, bat schon seit vielen Jahren zu einer Unsitte geführt, die früher nur vereinzelt bestand, aber jetzt beinahe allgemein geworden ist, nämlich der, dem Geschäfts führer oder sonstigen Angestellten der kaufenden Firma, der den Kauf abscblteßt, also die Auswahl unter den sich be werbenden Lieferanten trifft, eine Provision zu geben, die in bestimmten Prozenten vom Preise der bestellten Waren besteht. Diese Unsitte ist allmählich zu einem wahren Krebsschaden für unsern Handel wie die Industrie geworden. Man sieht sich ge nötigt, das Uebel zu bekämpfen, aber niemand weiß wie. Es zeigt sich hierbei, daß, so unendlich groß die Zahl unserer Ge setze auch ist, sich keines findet, nach welchem die gekenn zeichnete Handlungsweise des Angestellten, der unaufrichtig, ja man kann oft sagen unehrlich, gegen seinen Prinzipal verfährt, zu treffen ist. Dieser Mangel unseres Rechts ist eine Folge des Standpunktes unserer Gesetzgeber, den Gerichten einen möglichst engen Spielraum zu lassen, ihnen ganz genau vorzu-chreiben, unter welchen Voraussetzungen sie eine Strafe aussprecben dürfen. Das schützt gegen Willkür, bewirkt aber oft die Straf losigkeit strafwürdiger Handlungen. Man hat zunächst gemeint, daß ein solcher Angestellter seinen Prinzipal betrüge, weil der Lieferant, wenn er den Ein käufer nicht zu schmieren brauchte, dem Prinzipal die Waren billiger liefern würde. Aber eine Anklage wegen Betruges würde keinen Erfolg haben, sondern abgesehen von andern Mängeln schon daran scheitern, daß der Lieferant eine Schädigung der von ihm kaufenden Firma bestreiten würde, indem er be hauptet, daß er dieser, auch wenn er keine Schmiergelder ge zahlt hätte, doch nicht unter dem durchaus angemessenen und üblichen Preise verkauft haben würde, vielmehr das außer ordentliche Opfer lediglich gebracht habe, um die gute Ver bindung anzuknüpfen oder aufrecht zu erhalten. Dem Liefe ranten den Nachweis zu führen, daß es sich nicht nm ein außer ordentliches, sondern um ein ganz gewöhnliches Opfer seiner seits handelt, wird kaum je gelingen. Wenn die einkaufende Firma aber nicht geschädigt ist, so ist sie auch nicht betrogen, und folglich ihr Einkäufer nicht strafbar. Der letztere Gesichtspunkt läßt es auch nicht zu, in der Handlungsweise des Einkäufers eine Untreue im Sinne des Strafgesetzbuchs zu erblicken, denn zum Begriff der Untreue ist erforderlich, daß ein »Bevollmächtigter zum Nachteil seines Auftraggebers verfügt«. Außerdem bedroht der betreffende Paragraph nur eine untreue Verfügung »über Forderungen oder andere Vermögensstücke« des Auftraggebers. Das Gesetz will also die Untreue nicht im allgemeinen bestrafen, sondern nur, wenn sie sich auf Forderungen oder andere Vermögensstücke bezieht, und das kann man hier nicht sagen. Da man also den Einkäufer weder als Betrüger noch als un getreuen Bevollmächtigten strafen kann, so ist man auf die Idee gekommen, ihn wegen Bestechung zu fassen. Aber das ist ganz aussichtslos, denn unser Gesetz kennt eine Bestechung nur gegen die Beamten, und meint damit nur die öffentlichen, nicht aber die Privatbeamten, nach der ausdrücklichen Feststellung des Strafgesetzbuchs selbst. Schließlich hat man in dem Empfang der Prozente einen unlauteren Wettbewerb finden wollen. Unlauter ist die Handlung ja nun allerdings regelmäßig, aber der Einkäufer tritt mit niemandem in Wettbewerb. Eher schon kann man dies von dem Lieferanten sagen, welcher durch die von ihm gegebene Provision einen Vorsprung vor seinen Konkurrenten gewinnt, wenn diese keine oder eine geringere Provision geben, also anständiger vorgehen. Aber das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs ist zu unvollkommen, um auf Grund seiner eng eingegrenzten Bestimmungen den Lieferanten fassen zu können. Es zählt die Fälle, in denen es den unlauteren Wettbewerb bestrafen will, einzeln auf, und das sind, um es kurz zu sagen, die Fälle der unwahren Reklame, der Ver leumdung des Konkurrenten und der Nachahmung von dessen Firma oder Geschäftsbezeichnung. Wer in anderer Weise un anständig oder unlauter vorgeht, fällt nicht unter das Gesetz. Zwar soll und muß der Begriff des unlauteren Wettbewerbs er weitert werden, jedenfalls ist das bis jetzt nicht geschehen. Man hat auch In der Weise Abhilfe zu schaffen gesucht, daß man den Angestellten für verpflichtet erklärt hat, die empfangenen Prozente seinem Chef herauszugeben. In diesem Sinne hat z. B. das Kaufmannsgericht in Breslau erkannt auch in dem Falle, wo der in gekündigter Stellung befindliche An gestellte die Prozente angeblich lediglich dafür erhalten hatte, um in seiner neuen Stellung den Lieferanten zu empfehlen. Das Gericht erklärte dies für einen Nebenzweck, der Hauptzweck sei, eine Vergütung für den erteilten Auftrag zu geben, wie daraus hervorgehe, daß die Provision nach Prozenten des ge zahlten Kaufpreises berechnet sei. Der Angestellte sei aber als Beauftragter dazu verpflichtet, alles, was er aus der Geschäfts besorgung erlangt habe, seinem Prinzipal herauszugeben. Diese zivilrechtliche Hilfe genügt aber nicht zur Bekämpfung des Un wesens, sondern es bedarf dazu dessen Brandmarkung nicht nur seitens der Geschäftswelt, sondern auch seitens des Staates. Angesichts dieser Lage unsrer Gesetzgebung bedarf es also eines besonderen Verbots des Schmierens bei Strafandrohung. Niemand kann dagegen sein. Denn wer schmiert, wendet ein unlauteres Mittel an, um einen Vorsprung vor seiner Kon kurrenz zu gewinnen. Die Unlauterkeit besteht darin, daß er den Angestellten verleitet, seine Entscheidung unter den mehreren in Betracht kommenden Lieferanten nicht lediglich nach streng sachlichen Gesichtspunkten zu treffen, sondern hier bei auch auf die Höhe der ihm zufließenden Gratifikationen mehr oder weniger Rücksicht zu nehmen. Es mag vor kommen, und diese Fälle sollen nicht so selten sein, daß der Angestellte die Wahl nach rein sachlichen Gesichtspunkten trifft, ohne jedwede Rücksichtnahme auf die ihm zufließenden Prozente, da er von vornherein sicher Ist, daß er diese in gleicher Höhe erhält, mag er den Auftrag dem einen oder dem andern Bewerber zuwenden. Denn die Prozente selbst sind in manchen Industrien schon so fest eingeführt, daß man von einer üblichen Höhe derselben sprechen kann. Aber auch in Fällen dieser Art halte ich das Geben und Nehmen der Prozente, Gratifikationen oder wie man es sonst nennen mag, für unsolide, für unsittlich und zwar sowohl vom Standpunkte des Gebers, der sich durch diese freiwillige Gabe doch das Wohlwollen des Bediensteten und die Bevorzugung gegenüber der Konkurrenz erkaufen will, mehr aber noch vom Standpunkte des Nehmers, der den Empfang vor seinem Prinzipal verheimlicht, well er fühlt, daß dadurch das Vertrauen zur getreuen Wahrnehmung seiner . Geschäfte erschüttert werden muß. Die Fälle, in denen der Lieferant die Gratifikation nur gibt, weil es alle tun und er sonst den Kunden verlieren würde, sind Ausnahmen, denn es wird in allen Geschäftszweigen vornehme Firmen geben, die das Schmieren verschmähen. Ihre Verwerflichkeit besteht immer darin, daß sie den Angestellten auf eine schiefe Bahn bringen, auf der für ihn die allergrößte Gefahr des Strauchelns besteht. Darum bin ich der Meinung, daß sich kein triftiger Grund gegen eine Bestimmung anführen läßt, welche sowohl denjenigen, der schmiert, als auch denjenigen, der sich schmieren läßt, mit Strafe bedroht. Da das Schmieren die An wendung eines unlauteren Mittels ist, um der Konkurrenz die Spitze zu bieten, so könnte eine derartige Bestimmung sehr wohl in das Wettbewerbsgesetz aufgenommen werden, das so eben umgearbeitet wird. Auf diesem Wege würde unsere Handelswelt am schnellsten zu einem gesetzlichen Schutze gegen das schon zu sehr verbreitete Unwesen gelangen. Naturgemäß kann ein Gesetz nur beschränkten Einfluß auf geschäftliche Gebräuche ausüben, denn es handelt sich hier für den einzelnen Geschäftsmann um den Kampf ums Dasein. Aber wenn es sich auch nicht um eine Notlage handelt, sondern lediglich um die Sucht, ein Geschäft zu machen, zu verdienen, so zeigt die Erfahrung, daß der geriebene Geschäftsmann nur zu leicht Wege findet, das Gesetz zu umgehen. Aber trotzdem darf der Gesetzgeber auf den Versuch, ungesunde Auswüchse abzuschneiden, nicht verzichten, besonders dann nicht, wenn solcher Versuch einige Aussicht auf Erfolg hat. Und das ist meines Erachtens hier der Fall. Denn dadurch, daß das Schmieren des Einkäufers als eine strafbare Handlung hin- gestellt wird, erhält sie öffentlich den Stempel der Unredlich keit, und aus diesem Grunde schon wird mancher gewissen hafte oder vorsichtige Lieferant und Angestellte davon lassen. Anderseits droht demjenigen, dem seine Tat nachgewiesen werden kann, der Nachteil, daß er durch die öffentliche Gerichtsverhandlung in weiten Kreisen als unredlich bekannt wird, was geschäftlich für die Zukunft wesentlich schaden würde. Den gewünschten Erfolg wird das Gesetz aber nur haben können, wenn es von der Zustimmung der gesamten Geschäftswelt getragen wird, diese also, soweit es nicht bere s geschehen, ungesäumt durch Eingaben an den Reichstag Er weiterung des zur Beratung stehenden Gesetzes fordert.