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SCHREI BWAREN-HANDEL A C}Ew£Se=FSS§H2E5 ; Nr ‘ 14 »8. Februar 1909 Jj Exlibris Von IValther Deneke Es ist auf das freudigste zu begrüßen, daß die Kunst, die lange Jahre hindurch in die »gute Stube« verbannt war — vertreten durch 3 »Pracht-Ausgaben* auf der Plüschdecke und den unvermeidlichen »Dornauszieher« aus Gips auf der Ebenholzkonsole — seit etwa 2 Jahrzehnten wieder be gonnen hat auch im Leben des Menschen eine Rolle zu spielen. Das Bedürfnis, auch den Dingen des Alltags, des täg lichen Gebrauchs, schöne Formen und ein gefälliges Aeußeres zu geben, hat uns von der Mietskaserne befreit, unseren Wohnungseinrichtungen das Schablonenhafte genommen, unser Hausgerät verschönert, unser Empfinden für harmo nische Farben und stilreine Linien vertieft; kurz den Sinn für das Künstlerische geschärft. Unter dem vielen, was diese Jahre scheinbar als etwas Neues erstehen ließen, ist gar manches, was frühere Jahr hunderte schon gekannt, was aber im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten war. So ist auch das Exlibris schon in früheren Zeiten der Gegenstand liebevollen Interesses vieler großer Künstler gewesen. So wie heute die Blätter eines Klinger, Greiner, von Gebhardt u. a. m. der Stolz ihres Besitzers und die Freude der Sammler sind, so haben in früheren Jahrhunderten Meister wie Dürer, Beham, Cranach sich nicht zu gut gedünkt, ihr Können in den Dienst dieser Kleinkunst zu stellen. Weniger erfreulich ist freilich, daß neben dem Empor blühen des künstlerischen Exlibris auch der Dilettantismus in erschrecklicher Weise wuchert. Man sieht mit Bedauern eine unendliche Zahl von Blättern entstehen, die deutlich zeigen, wie ahnungslos teils der Zeichner dem Wesen des Exlibris gegenüberstand, teils wie wenig der Drucker in Wahl von Farbe, Papier, Wieder gabe-Verfahren der Auffassung des Künstlers zu entsprechen wußte. Da sich das Exlibris brauchende Publikum in den meisten Fällen an den Lieferer seiner sonstigen Drucksachen — Be suchs-, Einladungs-, Neujahrskarten usw. wenden wird, so können die nachfolgenden Erörterungen den Inhabern solcher Geschäfte vielleicht einige nützliche Fingerzeige geben und so — was den Schreiber herzlich freuen würde — etwas zur Eindämmung der »Kitsch«-Flut beitragen. Freilich ist das Exlibris kein »Artikel«, wie etwa ein neuer Bleistift oder eine neue Radiergummimarke, die man heute einführt und von morgen an absetzt. Es ist unbe dingt notwendig, sich einige Fachkenntnisse zu verschaffen, da sonst ein derartiger Auftrag für Besteller wie für Lieferer eine Quelle unendlichen Aergers werden kann. Unter der in Betracht kommenden Literatur steht an erster Stelle das umfangreiche Werk des verstorbenen Grafen K. E. zu Leiningen-Westerburg: »Deutsche und österreichische Biblio thekszeichen«. Auch Em. Stickelberger: »Das Exlibris in der Schweiz und in Deutschland«, ist sehr belehrend; ebenso die Zeitschrift des deutschen Exlibris-Vereins und die Ver öffentlichungen der österreichischen Exlibris Gesellschaft, deren Hefte eine Fülle von Anregungen, Beispielen und Literaturnachweisen bringen. Ganz besonders zu empfehlen ist die im Verlage von Velhagen & Kiasing erschienene illustrierte Monographie »Exlibris« von W. von Zur Westen. — Wenn auch dieses Werk schon vor 7 Jahren erschienen ist und daher den reichen Ertrag der letzten Jahre nicht enthält, so ist es doch zur Einführung in das Exlibris-Gebiet am allergeeignetsten, weil es — in knapper und dadurch übersichtlicher Form und frei von Abschweifungsballast — auch dem völlig Unkun digen in jeder Beziehung verständlich ist, während die erst genannten Werke sich mehr oder minder an den Fachmann wenden. Von neueren Erscheinungen sei noch das Sonder heft »Exlibris« aus »der Kunst unserer Zeit«, Verlag Franz Hanfstängl in München genannt, das R. Braungart zum Ver fasser hat und eine Reihe z. T. seltenster und schönster Blätter der Neuzeit bringt. Nächst diesem unerläßlichen Selbstunterricht ist es nötig, sich Verbindung mit Künstlern zu verschaffen, die man mit der Ausführung von Aufträgen betrauen kann. Viele Zeichner und Graphiker von einwandfreier Tüchtig keit sind aber gerade für das Exlibris nicht geeignet, ebenso wie viele leistungsfähige Druckanstalten bei der Wiedergabe von Exlibris versagen. Diese Kleinkunst hat, wie das Plakat oder das Etikett, ihre eignen Künstler und ihre eignen Drucker, und wer dies außer Acht läßt, kann leicht erleben, daß das bestellte Blatt mehr wie ein Bierflaschenetikett, eine Adreßkarte, eine Fabrikmarke wirkt, als ein Buch eignerzeichen. Wesentlich vereinfacht wird die Beschaffung, wenn der Besteller das Original bereits besitzt und es sich nur um Vervielfältigung handelt; aber auch hier kann bei der Wahl des Wiedergabe-Verfahrens erstaunlich viel gesündigt wer den. Bei gar vielen Blättern wurde die zarte Schönheit des Originals durch die gräuliche Rastrierung des Autotypie- Druckstockes oder durch den alle Umrisse verwischenden Lichtdruck zerstört. Nicht weniger Unheil richtet die Wahl falscher Farben und Papiere an. Daß man die zierlichsten und feinsten Linien auf grobes, narbiges Büttenpapier druckt und derbe markige Zeich nungen auf spinnwebdünnes Japan, kann man täglich er leben; ebenso die Wiedergabe zarter Aquarelltöne auf spiegelblankem Kunstdruckpapier. Es muß deshalb die peinlichste Sorgfalt und Ueberlegung verwendet werden, um diejenige Wiedergabe-Art zu wählen, die den Charakter des Originals am treuesten wiederspiegelt. Sobald es sich um Beschaffung eines Exlibris handelt, ist vor allen Dingen festzustellen, welchen Voranschlag sich der Besteller gemacht bat. Es ist durchaus nicht nur Schuld des Publikums, daß bei uns in Deutschland »billig« Trumpf ist, vielfach ist der Händler selbst schuld, der, in der Angst zu teuer zu sein ungerechtfertigten Forderungen nachgibt und zu billig ist. Die Abstufungen in den An sprüchen der Künstler sind zahlreich, nicht minder die Preis-Stufen der zahlreichen Druckverfahren und Papier sorten; man wird also einigermaßen vernünftigen Anforde rungen immer Genüge leisten können; aber eine gewisse Mindestgrenze muß innegehalten werden. Es ist nötig, die Schaffensfreudigkeit des Künstlers durch ausreichenden Ertrag seiner Arbeit zu erhalten und zu steigern und — der Drucker will auch leben. Darum sollte man Ansinnen, wie sie mitunter gestellt werden (500 Exlibris einschließlich Entwurf für 15 M !) ablehnen und solchen Kunstfreunden die Anschaffung eines Gummistempels emp fehlen. Es scheint mir sehr fraglich, wodurch ein Buch mehr verunziert wird: durch einen sauberen Stempelabdruck oder durch ein schauderhaftes Dutzendbild auf Holz papier. Die nächste Frage ist: Wünscht der Besteller ein Sammel- oder ein Gebrauchs-V.xWSris'i Diese Unterscheidung ist sehr wesentlich. Viele Besitzer guter Büchereien lieben es, ihre Schätze mit einem schönen Exlibris zu schmücken und dadurch gleichzeitig wirksam vor den zahlreichen Büchermardern zu schützen. Es gibt aber auch Leute, die mehr Exlibris als Bücher besitzen; denn die Sammelleiden schaft, die vom Pferdebahnfahrschein bis zum Wiegendruck geht, hat sich auch des Exlibris bemächtigt und die Wieder belebung der Exlibris-Sitte ist in erster Linie dem Sammel- Eifer zuzuschreiben. Das ist auch durchaus begreiflich. Das Sammeln von Kunstblättern ist heutzutage für den Minderbemittelten eine Unmöglichkeit. Wie die Ergebnisse der großen Versteige rungen lehren, werden Preise bezahlt, die ans Märchenhafte grenzen; leider ist das Kunstsammeln häufig weniger Sache des Verständnisses, als des Sportes und der Mode, somit eine Geldbeutelfrage. So ist das Sammeln von Kunstblättern gewissermaßen für das Villenviertel belegt, das Exlibris aber ist — um diesen kühnen Ausdruck zu gebrauchen — die »Kunstsammlung des kleinen Mannes« geworden.