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526 PAPIER-ZEITUNG Nr. 14 Aufgaben typographischer Gesellschaften Im verflossenen Jahre ist viel über die Zwecke typo graphischer Gesellschaften geschrieben worden, besonders darüber, ob sie mehr Kunst oder mehr Technik pflegen sollen — ein ziemlich überflüssiges Beginnen, da es sich in der Hauptsache nur darum bandeln kann, daß über der Pflege des künstlerischen Teiles unseres Berufs die Technik nicht vergessen wird, ohne welche die Kunst nicht zu ihrem Rechte kommt. Diese Pflege des Technischen scheint aber seit längerer Zeit mehr als nötig in den Hintergrund gedrängt worden zu sein zugunsten des Bestrebens, die Setzer womöglich zu Zeichnern von Schriften und Orna menten heranzubilden. Hiergegen wurde aber schon lange gekämpft, z. B. vor fünf Jahren in der »Papier Zeitung« in zwei auch heute noch lesenswerten Aufsätzen, »Halb bildung« und »Setzer oder Künstler?« In dem letzteren hieß es u. a.: »Die vermehrte Gelegenheit, zeichnen zu lernen, lenkt manchen Setzer von seinem wahren Ziele ab; letzteres besteht darin, das in den Druckereien vorhandene Schrift- und Ziermaterial schnell und geschickt anzuwenden, nicht aber neue formen zu schaffen. Ein Setzer, der bei jeder Gelegenheit zum Zeichenstift greift, wird nur in großen Druckereien Nützliches leisten können, kleinen Ge schäften ist er eine Last. Die durch den Setzer-Zeichner geschaffenen Zierstücke können außerdem weder in Schön heit noch zeichnerischer Richtigkeit noch in bezug auf den Herstellungspreis mit den seitens der Gießereien an gebotenen konkurrieren ; denn billige Zeichner sind überall zu haben. Der Setzer-Zeichner aber ist meist ein Herr mit großen Ansprüchen, dessen Skizzen und Entwürfe mehr kosten, als dafür berechnet werden darf.« Diese wenigen Zeilen lassen schon erkennen, daß der Verfasser jenes Artikels eine der Aufgaben typographischer Gesellschaften darin erblickt, den Setzer zu befähigen, mit den gegebenen Mitteln in kürzester Zeit Tüchtiges und Zweckmäßiges zu leisten; er will vor dem Uebertreiben der Kunstpflege in den Gesellschaften warnen. »Wenn die Zeichentätigkeit«, sagt er am Schlüsse seiner Ausführungen, »nicht in vernünftige Bahnen geleitet wird, dann wird eine Abneigung gegen Setzer-Zeichner Platz greifen, die bei klugrechnenden Buchdruckereibesitzern heute schon besteht. Wir werden dann Anzeigen erleben, wie folgende: f>Setzer gesucht, der nicht zeichnen kann!«. In den typographischen Gesellschaften sollte man sich also nicht bloß mit Drucksachen beschäftigen, die von ersten Setzern in ersten Druckereien mit allen technischen Hilfsmitteln gearbeitet werden können, sondern auch mit solchen, die mit einfacheren Mitteln geschmackvoll in mitt leren und kleinen Druckereien herzustellen sind. »Da durch,« hieß es in dem Zirkular, das die neu gegründete Berliner Typographische Gesellschaft Ende Dezember 1879 versandte, »daß in den Versammlungen der Geschmack ge läutert, durch die Mitglieder in die Arbeitsstätten getragen wird und dort Verbreitung findef, dadurch hoffen wir auch, bei dem großen Publikum das Verständnis und die Vorliebe für gediegene Drucksachen einzubürgern und dieses zu veranlassen, sich zur Deckung seines Bedarfs den guten Druckereien zuzuwenden.« Man sollte also auch Wettbewerbe veranstalten, in denen gezeigt wird, wie man mit einfacheren Schriften durch geschickte einheitliche Schriftenwahl usw. Muster- gütiges leisten kann. Es kommt nicht zunächst darauf an, den fortgeschrittensten Akzidenzsetzern Beispiele zu schaffen, denn diese finden meistens ihren Weg allein, sondern die noch weit zurückgebliebenen heranzuholen. Das kann aber meines Erachtens nur dadurch erreicht werden, daß für diese die Ziele nicht zu hoch gesteckt werden, sodaß sie ihnen noch erreichbar sind. Werden diesen Mitgliedern jedoch nur immer Drucksachen mit den allermodernsten Schritten, mit Tonplatten usw. hingestellt, so werden sie entweder den Versuch, ihnen nachzustreben, garnicht erst machen, oder sie machen ihn doch, aber mit unzulänglichen Mitteln, und es entstehen dann Erzeugnisse, die niemandem zur Freude gereichen und die in der Her stellung mehr Zeit kosten, als sich mit dem Preise verträgt, der dafür verlangt werden kann. Also mit kurzen Worten: eine der ersten Aufgaben typographischer Gesellschaften sollte sein, die Mitglieder zu befähigen, daß sie sowohl in den an Setzmaterial über reichen als auch in den darin ärmeren Druckereien solche Drucksachen herzustellen vermögen, wie man sie bei dem heutigen Stande des Buchdruckes verlangen kann. Hermann Smalian Die Dame in Kunst und Mode Ausstellung im Hohenzollern-Kunstgewerbdhaus, Berlin Ein verfängliches Unternehmen fürwahr, die Kunst mit der Mode zusammenzuspannen, wenngleich beiden vieles gemeinsam ist. Franz Blei, der Seelenkenner, schreibt über die Mode, daß sie nach alter Erfahrung nur zweimal lächerlich sei, nämlich solange sie noch nicht ist, und wenn sie aufgehört hat zu sein. Und wie verhält sich dazu die Kunst? Nun, sie steht nur zeitweise in allerleisestem Zu sammenhang, und zwar wenn sie im ästhetischen Geschmack mit ihr übereinstimmt, was bekanntlich selten der Fall ist. So ist denn auch die rein künstlerische Auslese dieser äußerst vornehmen Ausstellung, zu der nur die oberen Tausend in nähere Beziehung treten können, eine recht geringe, und sie bildet daher das ergänzende Gegenstück zu der Ausstellung des Lyceumklubs für Volkskunst. Ein paar gute weibliche Porträts, die famosen Zeichnungen von Franz v. Bayros, des besten Frauenkenners, ein paar farben prächtige Wandmalereien von Adolf Münzer, einige Plakate, unter denen ich Cheret, de Feure, Guillaume, Hohlwein' Münzer und Williams nenne, das ist so ziemlich alles aus dem Gebiet der Kunst. Einige Briefpapiere sind ausgestellt, die technisch mit großem Geschick gefertigt und auch teil weise geschmackvoll sind, mit Kunst haben sie jedoch nichts zu tun. Was dagegen uneingeschränktes Lob ver dient, ist der Katalog und das Plakat der Ausstellung- Gipkens, der junge künstlerische Mitarbeiter des Hohen- zollern-Kunstgewerbehauses, hat hier gezeigt, was man bei liebevoller Versenkung in einen Gegenstand des nüchternen Geschäftslebens herausholen kann. Beim Plakat, das wohl als das beste Scbriftplakat der Neuzeit gelten kann, hat er den mondainen Duft, den diese Ausstellung einhüllt, und den rein weiblichen Charakter derselben in vortrefflicher Weise herausgeholt und sich dadurch als stilsicherer Plakatist erwiesen. Mit demselben künstlerischen Geschick ist der Katalog hergestellt. Die Ehmcke-Antiqua, deren Schöpfer auch einen unbewußt weiblichen Ausdruck seinen Typen, entsprechend seinem Charakter, gegeben hat, ist formvollendet angewandt. Vortreffliche Abbildungen von Bayros, Bernhard, Beardsley, Christophe, Hajduk, Jul. Klinger, Lambert, Somoff, Vogeler u. a. m. geben dem kleinen typographischen Kunstwerk dauernden Wert, und die Aphorismen unserer ersten Schriftsteller drücken ihm einen literarischen Stempel auf. C. H. Kostenlose Entwürfe für Ansichtskarten Vor Kurzem haben wir eine Anfrage von einer Firma er halten, die mittels Vervielfältigungs-Apparats hergestellt war; und worin um Angebot für zwei Serien zu 6 Postkarten ge beten wurde. Zu diesen Karten sollten kostenlos und unver bindlich Entwürfe hergestellt werden. Da wir glücklicherweise gut beschäftigt .sind, aber auch im Interesse des ganzen Standes, lehnten wir die kostenlose Anfertigung der Entwürfe ab und verlangten für jeden Entwurf 10 M. Darauf antwortete uns die Firma wie folgt: »Ich bedauere sehr, Ihnen 10 M. für jeden Entwurf nicht bewilligen zu können, da mir von anderer Seite die Entwürfe ohne weiteres kostenfrei und unverbindlich gemacht werden. Ich stelle ihnen anheim, sich unter diesen Bedingungen an dem Angebot zu beteiligen « Wir schrieben darauf dieser Firma wieder, daß wir nur unter der Bedingung ein Angebot abgeben können, wenn sie sich ver pflichtet, die Entwürfe wie erwähnt zu bezahlen. Der Betrag dafür würde bei Erteilung einer Bestellung in Abzug gebracht. Alle Fabriken des graphischen Kunstgewerbes sollten sich auf den gleichen Standpunkt stellen. Bei dem Niedergang unseres Geschäftszweiges und angesichts der drohenden Plakatsteuer müßte die Abgabe derartiger Angebote ohne weiteres von jeder ordentlich geleiteten Fabrik abgelehnt werden, weil mit Rück sicht auf die Gefahren, die unserm Gewerbe drohen, jeder Pfennig gespart werden muß, um nur einigermaßen lohnend zu arbeiten. Wenn sich die deutschen Steindruckerei Besitzer da zu verstehen können, derartige Anfragen, die tagelange Arbeit erfordern, und bei denen aus der ganzen Aufmachung hervor geht, daß sie an alle möglichen Fabriken gegangen sind (wo durch die Wahrscheinlichkeit auf den Erhalt des Auftrages sehr gering ist), so wäre dies für das ganze.Fach von großem Vorteil. Postkarten-Fabrik