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482 PAPIER-ZEITLNG Nr. 13 Verein der Plakatfreunde Sitsung Dienstag, 2. Februar 1909, im Pa/ierhaus Das Bierplakat als künstlerischer Wandschmuck Vortrag von Carol Hilarius Redner wollte nachweisen, daß der künstlerisch niedrige Stand der Brauereiplakate nicht auf mangelnde Opferwilligkeit der Brauereien, welche erhebliche Kosten für Ihre Propaganda aufwenden, zurückzuführen sei, sondern auf das geringe Ver ständnis der Brauereidirektoren für das Wesen des Plakates. Ausgehend von der Innenausstattung der Restaurants, die, wie die meisten Wohnungen des Mittelstandes, viel von sogenannter Wohnungskultur vermissen ließen, schilderte er ausführlich, wie böse es mit dem Wandschmuck bastellt sei. Die üblichen Kaiserbilder, Othello, öde Fantasielandschaften in goldstrotzenden Barock-Rahmen und die Brauereiansicht mit ihren langweiligen Fabrikgebäuden, das wären die überall verwendeten Wandbilder. Nur selten sähe man in den Wirtshäusern die Bilder aus dem Verlage von Teubner und von Voigtländer in Leipzig. An Stelle dieser Künstlersteinzeichnungen wuchere immer noch der Oeldruck an den Wänden selbst der im neuzeitlichen Stil gebauten Lokale, die übrigens noch immer das Protzige, Palastartige statt gemütlicher Raumkunst betonten. Die Brauereien als die Nächstbeteiligten hätten es in der Hand, hier Wandel zu schaffen, wenn sie sich bemühten, den Kunstwert ihrer Plakate zu heben. Nicht kunstfeindliche Fabrikware sollten sie sich für ihr schweres Geld aufreden lassen, sondern in Er kenntnis der Wichtigkeit einer guten Reklame sich an bewährte Plakatkünstler wenden und diesen die Ausführung des Vorwurfs vertrauensvoll überlassen. Redner geißelte dann an der Hand des reichen Ausstellungs- materiais, das die Versuchs- und Lehrbrauerei in Berlin bereit willigst geliehen hatte, die Fehler der üblichen Bierplakate, die in ihrer süßlichen Rührseligkeit oder ihrem pfahlbürger haften Ernst keinen Frohsinn aufkommen ließen und garnicht zu einem deutschen Mannestrunk passen wollten. Das Fehlen gnten Geschmackes sei ebenso bedauerlich wie der Mangel an Humor. Namentlich bei den Bockbierplakaten sei es unerfindlich, warum sich die Beteiligten so langweilig benähmen, daß eine Karnevalslaune garnicht aufkommen könne. Der Hauptfehler liege darin, daß alle Bierplakate >scbön< sein sollten, während die Eigenschaften eines guten Plakates, das kein Bild vor täuschen wollte, doch eigentlich mit den Worten »auffallende, »wirksam«, »eigenartige, »lustige, »packende gekennzeichnet werden müssen. An guten Plakaten zeigte Vortragender die Fortschritte, die der neuzeitliche Stil in den letzten Jahren auch hier gebracht habe. Er wies auf den preisgekrönten Schultheiß von Karl Klimsch hin, zeigte das Berliner Kindl von Georg Raeder, der auch für das Böhmische Brauhaus ein gelungenes Bockbierplakat geschaffen habe, führte den heiligen Florian der Scbloßbrauerei Schöneberg und Klinger’s Blatt für die Kronen brauerei an, um dann die beiden Glanzstücke der Sammlung zu schildern, nämlich die Originalsteinzeichnungen, die Naegele für die Hackerbrauerei und Groh für die Moningerbrauerei in Karlsruhe geschaffen haben. Dies sind zwei Blätter vornehmsten Stiles und besonders geeignet als Wandschmuck feiner Wirts häuser und Hotels zu dienen. Farbe, Ausführung und Zeichnung verraten künstlerischen Geschmack und feines Stilgefühl. Kurz auf das stark vernachlässigte Schriftplakat eingehend, bei dem auch einige schüchterne Besserungsversuche festzustellen seien, schloß Redner seine Ausführungen mit der Bitte an die Brauereien, ihre Gunst dem zarten Pflänzleln Plakatkui st mehr zu schenken, zum Wohle der Künstler, der Industrie, des Publikums, aber besonders der Brauereien selbst. Nach dem Vortrage fand eine kurze Besprechung der Plakat schau statt, die hauptsächlich von der Firma Hollerbaum & Schmidt in Berlin beschickt war und sehr gute Blätter von Bernhard, Erdt, Klinger, Reimann, Scheurich aufwies, —i— Eigenmächtiger Verbrauch fremden Papiers. In Druckereien, welche Ze’itungen oder Zeitschriften auf fremde Rechnung und auf vom Besteller geliefertes Papier drucken, nimmt zuweilen die Druckerei für eigene Arbeiten im Falle von Papiermangel vom fremden Papier. Geschieht dies ohne Genehmigung des Papiereigentümers, so muß die Entnahme unter Umständen als Unterschlagung angesehen werden, selbst wenn das Papier nachträglich bezahlt wird. Vor kurzem war wegen ähnlicher Papierentnahme der Inhaber einer Druckerei in Zittau angeklagt. Dieser druckt im Auftrag des Stadtrates die »Zittauer Nach richten« und hat Anfang November 1908 aus dem Papierbestand dieser Zeitung 385 kg im Werte von etwa 75 M. zum Druck von Prospekten verwendet. Nur weil der Zeitungsbesitzer nach weisen konnte, daß er schon früher zweimal Papier entnahm und nachträglich der Stadtverwaltung gegenüber verrechnet hat, glaubte das Gericht, daß er auch bei dieser Entnahme nicht das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit hatte und sprach ihn frei. Kalenderschau Die Veieinigten Kunstanstalten A. G. in Kaufbeuren und München haben ihren Geschäftsfreunden einen kleinen Wochenabreißkalender mit geprägter und gestanzter Rück wand und eingestreuten Mustern eigenen Bilderdrucks ge sandt. Abgesehen von dieser zweckmäßigen Reklame steht auf jedem Wochenzettel die volle Firma in mehrfarbigem Druck. Durch die praktische und für den täglichen Ge brauch zweckmäßige Einteilung des Kalenders wird diese Reklamewirkung wesentlich unterstützt. Max Niebeling in Mailand sandte uns einen Abreiß kalender mit schön geprägter Rückwand, die Hinweise auf die Papiermacherei trägt. Durch farbigen Grund und Spritzarbeit ist die Wirkung der Prägung sehr verstärkt. Der kostbar ausgestattete Abreißkalender von Socec 6- Co. inBukarest hat eine 42X 23 cm große Rückwand aus starker Pappe, die als Hauptschmuck ein auf Seide gedrucktes Bild, eine Landschaft an der Donau trägt. Der verbleibende Rand der Rückwand von etwa 2—4 cm Breite ist mit rosa Sammet überzogen und mit Metallbeschlägen verziert. Eine rückwärtige Stütze ermöglicht das Aufstellen des prächtigen Kalenders auf dem Schreibtisch. Während in früheren Jahren der Abreißblock nur in rumänischer Sprache abgefaßt war,, ist er in diesem Jahr geteilt und trägt das Datum alten Stils links, und rechts daneben das Datum des gregoriani schen Kalenders mit französischer Monatsbezeichnung, so daß er auch außerhalb der Länder mit griechischer Kirche Verwendung finden kann. Die Schreibwaren- und Papierausstattungsfabrik Carl Pflüger & Co. in Nürnberg hat ihr schönes Warenzeichen, das auch in der Anzeige in der Papier-Zeitung erscheint, in vergrößerter Form für die Rückwand des Abreißkalen ders verwertet. Allerdings zeigt sich auch bei dieser starken Vergrößerung, daß alle mechanische Vergrößerung ver gröbert. Man sollte in solchen Fällen stets eine neue Originalzeichnung in der gewünschten Größe anfertigen lassen. Die Buchdruckerei von Maschnin^; & Kantorowicz in Berlin S 53 hat ihrem Kalender die praktische Form einer Schreibunterlage gegeben. Die Pappunterlage ist 47X31 cm groß, sie trägt haltbare Ecken aus Kaliko, von denen zwölf Blätter Löschkarton gehalten werden. Jedes dieser Blätter trägt außer dem groß und deutlich gedruckten Monats kalendarium auch noch das etwas enger gedruckte Kalenda rium des ganzen Jahres, so daß der Benutzer dieser Schreib unterlage sich auf dem obersten Blatt über jeden Tag des Jahres unterrichten kann. Die Graphische Kunstanstalt A. Trüb 6 Cie. in Aarau hat ein Kalenderblatt mit einer Landschaft in vollen Farben, hergestellt. Es ist nach dem von der Firma hauptsächlich gepflegten Verfahren von farbigem Lichtdruck auf photo graphischer Grundlage hergestellt. In dem beigelegten Neujahrswunsch erklärt die Firma, daß dies Kalenderbild den Anfang einer längeren Serie ähnlicher Bilder darstelle- Die Druckerei für Bibliophilen in Berlin hat in diesem Jahr einen schönen, typographisch-werkgerechten Kalender, in Behrens - Antiqua herausgebracht. Es ist ein Wand kalender, auf dem man dem Zwecke eines solchen gemäß, auch etwas notieren kann; man hat endlich die Heiligen namen und religiösen Festtage fortgelassen, natürlich bis auf die allgemein giltigen Ostern, Pfingsten, Himmelfahit und Weihnachten und weiterhin zur schnelleren Orientie rung bei den Notizen nach amerikanischem Muster die Zahlen hinter die Wochentage gestellt. Interessant ist die Verwertung der prächtigen Initialen in der Ueberschrift »Kalender«, dessen Blau in einem krältigen Gegensatz zu dem starken Gelb des unteren Randes steht. Sehr geschickt ist die Jahreszahl 1909 als rhythmisches Ornament durch Zusammenziehung der O und Q aufgefaßt. Die kräftigen Voluten-Leisten halten das typographische Bild zusammen und geben etwas von dem maschinellen Rhythmus des Zu- sammenpressens und Druckens. Versicherung des Zeitungsbestellers. Zur 2. Lesung des Etats für das Reichsamt des Innern beantragt Abg. Bassermann (nl.), die verbündeten Regierungen zu ersuchen, eine Denkschrift vorzulegen über den Umfang, welchen die Verbindung einer Versicherung mit der Herausgabe von Zeitungen und Zeit schriften angenommen hat, und ob und welche Mißstände dabei hervorgetreten sind.