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Nr. i PAPIER-ZEITUNG 3 Verein der Zellstoff- und Papier-Chemiker Hauptversammlung am 23. und 24. November 1908 im Papierhaus zu Berlin Stenographisches Protokoll der Verhandlungen Fortsetzung zu Nr. 105 von 1908 2. Verhandlungstag Dienstag, 24. November 1908 J/orsitsender: Ich eröffne den zweiten Teil unserer Haupt versammlung und begrüße zunächst die erst heute eingetroffenen Mitglieder mit dem Dank für ihr so zahlreiches Erscheinen Ich möchte mir erlauben, noch einige Fragekarten herum- zareichen, falls noch Fragen aus Ihrer Mitte zu stellen sind. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, bittet Herr Prof. Vogel um das Wort. Suifitablauge als Futtermittel Prof. Dr. yogel: Ich batte gestern bereits einige Mitteilungen gemacht über das Verfahren des Herrn Prof. Stutzer in Königs berg zur Verwertung der Ablaugen als Futtermittel. Ich habe das Schreiben des Herrn Prof. Stötzer und ein zweites Schreiben, das mir heute früh zuging, mitgebracht und möchte Ihnen das Wichtigste daraus vorlesen und im Anschluß daran die mitgeschickten Proben herumreichen. Herr Prof. Stutzer schrieb zunächst: »Nach einem Verfahren, welches ich vor ungefähr 9 Monaten zum Patent anmeldete und gegen welche An meldung vom Patentamt ein Einwand bisher nicht er hoben wurde, verwandle ich die letzten Reste der schwef ligen Säure in eine unschädliche organische, schwefel haltige Verbindung, verändere dadurch gleichzeitig gewisse Zersetzungsprodukte des Gerbstoffs (unveränderter Gerb stoff ist in der Sulfitlaage nicht enthalten). Der durch Eindunsten erhaltene Extrakt, aus dem der Bitterstoff nicht ganz sich beseitigen läßt, kann als Futter für Rindvieh im Gemenge mit Häcksel oder anderen Futterstoffen ver wendet werden. Vermischt man die eingedickte Lauge mit Melasse, so wird der nicht zu beseitigende Bitterstoff zum Teil ver deckt und die Mischung vom Vieh lieber gefressen. Die gereinigte Sulfitlauge läßt sich nach dem Ein- dunsten trocknen und mahlen. Das Mehl zieht aber beim Lagern Feuchtigkeit an und wird klebrig. Am besten wird es sein, die dicke extraktförmige Masse (evt. mit Melasse gemengt) mit Torf zu mischen. Die Landwirte gebrauchen sehr große Mengen von Torfmelasse, da ihnen diese Art der Verwendung von Melasse am bequemsten ist. Das Torfmelassepatent läuft 1909 ab und steht somit dann der Verwendung von Torf zum Vermischen mit dem gereinigten Extrakt der Ablauge von Zellstoffabriken kein Hindernis entgegen.< In dem anderen Brief, der mir erst beute früh zuging, heißt es u. a. noch: »Es gelang mir nicht nur, die letzten Reste der schwef ligen Säure leicht zu beseitigen, sondern auch diejenigen Produkte zu zerstören, welche (wahrscheinlich ursprüng lich aus Gerbstoff herrührend) die Schleimhäute der Tiere, welche die Lauge fressen, höchst unangenehm affizieren, indem sie stark adstringierende Wirkungen äußern. Mit dem Studium gerade dieser Bestandteile der Sulfitlauge habe ich mich sehr eingehend beschäftigt. Die Benutzung der gereinigten Sulfitlauge in Extrakt form eignet sich nicht für den landwirtschaftlichen Ge brauch. Die Landwirte hat man auch an die flüssige Melasse nicht gewöhnen können; das Produkt muß ihnen in trockner oder in halbtrockner Form angeboten werden. Welches von beiden das bessere ist, muß die Erfahrung lehren. Ich würde das trockne Produkt vorziehen. Ich bitte auch auf den Geruch des trocknen Fabrikats zu achten. Wie schon bemerkt, wurden zur Fabrikation 1000 Raumteile Lauge (nach meinem Verfahren gereinigt) genommen, also sagen wir 1000 Liter Lauge und diese nach dem Eindunsten zur Extraktform mit 50 kg Melasse und 50 kg Torf gemengt und dann getrocknet.« Man riecht an den Proben keine Spur von schwefliger Säure mehr; sie reagieren ganz schwach alkalisch. Hier ist das mit Torf und Melasse vermischte, etwas feuchte, klebrige Pro dukt, das Stutzer in erster Linie zur Verfütterung empfiehlt, und hier dasselbe Produkt vollständig eingetrocknet. (Reicht die Proben herum.) Vorsitzender: Ich danke Herrn Prof. Vogel für die uns ge machten Mitteilungen und eröffne die Debatte hierüber, da der Gegenstand wohl allgemeines Interesse gefunden hat. Zunächst möchte ich Herrn Prof. Vogel fragen, ob Herr Prof. Dr. Stutzer nicht über den Salzgehalt der eingedickten Masse nähere Angaben gemacht hat? (Zuruf Prof. Vogel: Nein). Bei den früheren Versuchen, Viehfutter aus Sulfitlauge zu bereiten, haben sich immer Schwierigkeiten ergeben, da die im Syrup verbleibenden Salze außerordentlich schädlich sind. (Zuruf: Abführmittel! — Heiterkeit.) Die Entfernung der schwefligen Säure Ist ungeheuer wichtig, aber wir sprechen uns über diesen interessanten Fall weiter aus. Hat jemand der Herren vielleicht Erfahrungen darin? Wissen Sie vielleicht, ob das Verfahren der Brikettierung sich bewertet hat? Dr. Wurster: Herr Prof. Frank, dem die chemische Industrie so viel verdankt, hat uns vor einigen Jahren über die Versuche berichtet, die er in dieser volkswirtschaftlich äußerst wichtigen Frage angestellt hat. In der Ablauge werden Unmengen von Kohlenhydraten nicht nur nutzlos weggeworfen, sondern sie ver ursachen in den Flüssen Schwierigkeiten, die manche Zellstoff fabrik zugrunde richten können. Prof. Frank, dessen Abwesen heit durch Krankheit wir sehr bedauern, hat Fütterungsversuche, schon vor Jahren in Göttingen systematisch durchgeführt und erzählte uns, daß er die eingedampfte Lauge gemischt mit Me lasse ebenfalls zur Verfütterung gebracht hat und, soviel ich mich erinnere, sagte er, daß die Schafe nach einigen Wochen Gewöhnung das Futter mit großer Lust fraßen. Die Melasse menge müßte nur so eingeschränkt werden, daß die schädliche Wirkung der darin enthaltenen Salze nicht eintritt. Ich habe seinerzeit nichts mehr darüber gelesen. Ich glaube, wir sollten Herrn Prof. Frank schrifilich autfordern, uns zu berichten, wie weit er mit seinen Versuchen fortgeschritten ist. Vorsitzender: Die Mischung mit Melasse ist ein sehr zweck mäßiges Mittel, das Futter annehmbar zu machen. Wenn die Pferde etwas Melasse zwischen den Hafer bekommen, so ge wöhnen sie sich so sehr daran, das sie mit Unlust fressen, wenn keine Melasse mehr im Futter ist. Das wäre also auch hier ein Mittel, um die Rückstände vorteilhaft zu verwerten. Aber damit ist die Verwertbarkeit noch nicht gesichert, eine solche ist erst vorhanden, wenn es sich um einen Futternährstoff handelt. (Zuruf Vorredner: Es sind doch 60 v. H. Kohlenhydrate da). Professor Vogel: In Ergänzung der Worte des Herrn Vor redners möchte ich bemerken, daß die Versuche in Göttingen gemeinsam von Herrn Prof. Lehmann soviel ich weiß auf An regung des Herrn Prof. Frank gemacht worden sind. Ich sprach Herrn Prof. Lehmann vor einigen Jahren darüber; er hatte da mals gute Hoffnung. Er sagte allerdings, daß man den Tieren über einen gewissen Prozentgebalt hinaus die eingedickte Ablauge in den Futterrationen nicht geben dürfe, eben wegen der unan genehmen, hier schon erwähnten Nebeneigenschaften, die zweifels ohne auf den hohen Gehalt an Salzen zurückzuführen sind. Uebrigens nimmt Herr Prof. Stutzer den Standpunkt ein, bei dem bisher verwandten Verfahren wäre eben die letzte Spur von schwefliger Säure nicht entfernt worden und deshalb hätte es nachteilig gewirkt. Er behauptet, daß es ihm jetzt gelungen sei, diese letzten Reste herauszubringen und sie in eine voll ständig unschädliche organ sehe schwefelhaltige Verbindung überzuführen. Wenn sich das bestätigen sollte, dann wäre zweifelsohne ein gewisser Fortschritt erzielt, im übrigen wird zunächst erst die Frage zu prüfen sein, ob die Tiere das neue Futter dauernd in genügenden Mengen fressen. Die zweite, ebenso wichtige Frage ist die der Wirtschaftlichkeit. Dr. Klein: Ist Herrn Prof. Vogel bekannt, wie die Tiere auf den großen Schwefelgehalt der verfütterten Ablauge reagieren? Prof. Vogel: Nein! Dr. Klein: Das scheint der schwierige Punkt bei der ganzen Sache zu sein. Prof. Dr. Vo^el: An sich sind gewisse Schwefelverbindungen im Futter in organischer Form nicht ohne wei.eres nachteilig, auch relativ große Mengen nicht, aber in der Form, wie sie in der Ablauge enthalten sind, schaden sie zweifellos, wenn große Mengen verfüttert werden. Der springende Punkt wird sein: Ist es Herrn Prof. Stutzer gelungen, diese schweflige Säure und ihre Verbindungen in eine wirklich unschädliche Form über zuführen, und wie große Mengen von Nährstoffen sind in der ein gedickten Lauge und wie hoch ist schließlich deren Handelswert ? Direktor Kumpjmiller: Anschließend an die Worte des Herrn Dr. Wurster möchte ich folgendes bemerken: Ich hatte mich in der Zeit, als die Versuche von Herren Prof. Frank und Lehmann in Göttingen gemacht wurden, für die Sache auch interessiert und hatte mit Herrn Prof. Frank Fühlung genommen. Prof. Frank hat mir damals erklärt, daß nach seiner Ansicht aus den Laugen ein Futtermittel wohl gewonnen werden könne, daß aber das daraus gewonnene Futtermittel kaum einen höheren Wert haben wird als Grummet, wie die Fütterungsversuche dieses dargetan hätten. Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Frage muß man berücksichtigen, daß In 1 cbm Ablauge etwa 75 kg organische Substanzen enthalten sind, die ja für das Futter mittel allein in Frage kommen. Um diese 75 kg Substanz zu be kommen, müssen also auf je 1 cbm Ablauge etwa 900 kg Wasser verdampft werden, was bei dem Charakter dieser Ablaugen mit Schwierigkeiten und großen Kosten verbunden ist, weil der Wärmeleitungskoeffizient dieser Laugen, ähnlich wie bei Natron laugen, ein sehr niedriger ist.