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0) APIER-VERARBEI TUNG ä Bu CH GEWERBE ^3 Schwarz-Weiß-Ausstellung der Sezession 1908/09 (Mit besonderer Berücksichtigung der Graphik und des Buchgewerbes) Abgesehen von den Berufsgraphikern und guten Kennern bildender Kunst wird so leicht niemand der Zeichnung, diesen paar Strichen und Flächen, mit Verständnis und vollem Genuß näherzukommen vermögen Denn die Kon zentrationsfähigkeit des bildenden Künstlers, wie sie sich in der Skizze und der stilreinen Graphik im Stein- und Buch druck offenbart, diese Abstraktionen einer ganzen Welt auf einige notwendige, sichere Linien, getraut sich die Menge heute immer noch nicht über die gewissenhaft-langweilige, pe dantisch-treue Kopie der Natur, über die Photographen- Westenknopf Genauigkeit zu stellen. Nein, Kunst bedeutet Abkürzung, Weglassen der die Form nicht fördernden Kleinigkeiten. — Das Staffelei-Oelbild wird seinem innersten Wesen nach naturalistischer sein als die Linienkonzentration eines Schwarz-Weiß Blattes, und sehr leicht kann doch eine in Stift oder Kohle gegebene Skizze künstlerisch bedeutend höher stehen als ein großes Oelbild. Gerade mit diesen einfachsten Mitteln in Schwarz-Weiß läßt sich auch das innere Gesicht des Künstlers und seine Vision am unverfälschtesten und reinsten geben. Hier ist kein ge duldiges fleißiges Verbessern möglich, hier heißt es viel mehr sicher zupacken und die knappste Formel für das darzustellende Objekt finden. Diese Reinheit und Un mittelbarkeit läßt uns dann auch begreifen, daß Künstler untereinander sich nie fertige, gerahmte Bilder, sondern Zeichnungen und Skizzen — wie Laien oft mit be stimmter Betonung sagen — schenken. »Die Skizze ist die Brautnacht, die der Künstler mit seinem Werk feiert« (Max Liebermann). Das für das Publikum fertige Bild hat für den Künstler weniger Interesse; das Werdende, das pulsende Leben darin scheint ihm viel ferner. Sollte diese hohe Wertung der Zeichnung seitens der Künstler selbst dem Publikum nicht zu denken geben? Hat man erst einmal der Zeichnung die ihr gebührende Schätzung eingeräumt, so wird man auch den Schöpfungen der vervielfältigenden Künste: des Stein- und Buchdrucks und des Holzschnitts usw., gerecht werden und Dinge, die dem Unkundigen vergängliche Tagesware scheinen, den Großtaten der vergangenen bildenden Kunst an die Seite stellen. Da sind vor allem die »Simplizissimus«-Zeichner, die sich bekanntlich heute weit mehr wie die übrige deutsche Kunst europäischen Ruf erworben haben. Lieber mann kennt der Franzose kaum, Uhde und Stuck sicher nicht, aber Gulbransson, 7h. Th. Heine, l^ilke, Ihoeny, die kennen sie gut. Dieser giftige Spott kann in einem hoch kultivierten, gewisse geistige Freiheiten schon besitzenden Lande wie Frankreich kaum gedeihen, das ist nur in einem in Preußen gelesenen und in München gedruckten Blatt möglich. Langen, der Verleger des Simpels, hat die Tem- eramente fein zusammengestimmt, den wuchtigen derben ordländer Gulbransson mit seinem Geknurr und Gekläff, den geistreichen Th. Th. Heine, den zartlinig, unerbittlich forschenden Kritzler IVilke (f), den etwas manierierten, aber dadurch gerade die stereotype, halb nonchalante, halb kretinmäßige Intellektualität gewisser Kreise umso sicherer treffenden Thoeny. Vom rein graphischen und tech nischen Standpunkt aus wird sicher die Zeichnung Gul- bransson’s und Wilke's besser zu nennen sein, während Thoeny mit seinen halb in Kohle, halb in Aquarell ge gebenen Originalen schon zu viel Tiefen, zu viel Naturalis mus, dagegen zu wenig flächig, zu wenig Abkürzung gibt — kurz nicht das Wesentliche, das im Augenblick Gefaßte der Karikatur genügend herausbringt. — Diesen am nächsten stehen die Leute von den »Lustigen Blättern«, die Gaianis Gestwicki, Stern, Zille, Julius Klinger, Feininger. Mit Ausnahme des das Lumpenproletariat gebenden Zille haben sie mehr oder weniger von den Franzosen gelernt: der »Assiette au beurre« und dem »Journal amüsant«. An Stelle des Pariser »Blague« (etwa Frechheit) ist die Berlinische Schnoddrigkeit ge treten — aber die Röcke und Hüte sind wie die Originale selbst pariserisch geblieben. Im Vergleich mit dem »Sim- plizissimus« weht in dem Berliner Witzblatt eine leicht erotische Note, obgleich die politische und kulturelle Satire voll zu ihrem Recht kommt. Von J. Klinger und Franz Christophe, die ebenfalls oft an den »Lustigen« mitarbeiten, seien die guten Plakate und buchgewerblichen Arbeiten er wähnt. In den Illustrationen von Stern zu Hoffmann’s »Klein Zaches« tobt der Humor in schwungvoller Freiheit. Eine gesunde Lustigkeit spricht aus diesen keck kon trastierenden Farbenkombinationen, in denen die Altväterei so naiv, so gutmütig pietätlos verlacht wird. Aber nichts ist bei ihm von jenem spätenglischen Einfluß der Punktier manier und Liniamente Aubrey Beardsleys zu spüren, dem Leute wie Scheurich, Cesar Klein, Marcus Behmer Tribut zahlen müssen — den Leuten, die auch uns jene perverse nervöse Note brachten. E. R. Weiß hat gute Holzschnitt handdrucke ausgestellt. Er ist sich stets bewußt, daß der Holzstecher-Naturalismus (wie er in England und bei uns als Vorläufer der noch nicht existierenden photo- und chemigraphischen Reproduktionsarten vorhanden war) stil-