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Nr. 183. — 8. JaljMttg. L« jeden Wochentag Abend (mit Datum de- tollenden Tage») zur Bcrieuduug gelangende „Sächsische LanveS-Auzeigrr" mit täglich einem besonderen Unter- Haltungsblatte und mit dem Sxlrabeiblatt ?!>skilits vildetbnch kostet bei den Ausgabe stellen monatlich70Pig„ bei denPost-Anst. 75 Pf. (1888er Ztgs.-Preisliste Nr. Mb.) Für Abonnenten erscheint je einmal im Jahr: Saninier-Eiscnbalgisahrpiailhest für Lachsen. 8lnter.Eisknüal>»sn>>rlilanükft für Sachsen. Illnstr. »alender des Sächsische» raudüalen. IlluftrirtcSJahikSbllch deSLandes-rinzrigers. ASchsischer Mittwoch, 8. AügW 1888. Iqel,»»«« »er „S«chf. r «am» ein« schmale« rot»«»». Bevorzugt« Stelle (Ispalt. PetitzeilelSOh BeiWiederholung großer Annoncen Rabats Bei Bestellungen von Auswärts wolle man Jnsertion-betrag (tu Briefmarken) beifüge« sie 8 Silben LorvuSschrift bilden ca. 1 Zeile.) Annoncenannabni« nur bis Vormittag. Lecks: Altrllckr Bieile, Buchdriilkrrei. Cbemnttz. Theaterstraße b (Fernsprechstelle Rr.lllSl, Telegr -Adr.: Lander-Anzeiger, Lhemnitz. Mit tüsilich einem besonderen Unterhnltuimsblntt: i. Ktleiue Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 4 Sächsisches Allerlei - b INustrirtes Unterhalt,ingsblatt - 6. Sonntagsblatt - Ertra-Beiblatt: Lustiges Bilderbuch. Mites-Aiueigkr mit „Chemnitzer Sta-t'Arrzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung snr Sachsen und Thüringen. Telegraphische Nachrichten. Vom 6. August. London. Nach einer Meldung des „Standard" aus Berlin billigte Deutschland die Haltung Jtalien's in Betreff Massaua's. — Aus Indien wird berichtet, daß die Thibetaner die Kommunikationen der britischen Posten bei Pakyong bedrohen. Das ganze Erpeditions- eorps in Darjeeling ist abermals an die Fronte beordert. Amiens, 7. August, 12 Uhr 35 Min. Mittags. Gestern Abend griffen streikende Arbeiter hier die Weberei von Cocqucl an, plünderten dieselbe, steckten sie in Brand und hinderten die Feuer wehrleute am löschen. Nachdem die Gendarmerie, welche Feuer auf die Ausrührer gab, durch eine Abthcilung reitender Jäger, welche mit dem Säbel angriffcu und eine Jns.mlerie-Avtheilnng verstärkt worden war, wurden die Slrcikenden znrückgedrängt und die Zugänge zur betreffenden Straße militärisch besetzt. Das Feuer kannte dann ge löscht werden. Hirschberg, 7. August. Die Bahndirektion macht heute be kannt, daß die durch Hochwasser unfahrbar gewordene Bahnstrecke Lauban-Hirschberg wieder hergestellt ist, die Strecke Greiffenberg- Friedeberg jedoch noch länger gesperrt bl.ibt. Politische Rundschau. Chemnitz, den 7. August. Deutsches Reich. Unser Kaiser machte am Montag Vor mittag zunächst einen längeren Spazierritt in die Umgebung von Potsdam und begab sich alsdann zu einer Garnisonnbnng nach dem Bornstädter Felde, zu welcher auch die beiden Söhne des Khcdive von Egypten, sowie der außerordentliche Abgesandte des Sultans. Munir Pascha, mit ihren militärischen Begleitern nach Potsdam ge komme» Ware». Nach dem Schloß der Exercitien kehrte der Kaffer ins Marmorpalais zurück, hörte die laufenden Vorträge und arbeileic mit dem Chef des Civilkabinets von Lncanns. Heute Dienstag früh gedenkt der Kaiser nach Berlin zu kommen, um den Truppenübungen auf dem Tcmpelhvfcr Felde bciziiwohiien. — Soweit bisher bestimmt ist, soll die Taufe des jüngstge borenen Kaisersr>hnes am Sonntag, de» 26. August, im Marmor palais bei Potsdam stattfindc». Wegen der Trauer in der Familie wird von jeder größeren Feier Abstand genommen werden. — Die „Nordd. Mg. Ztg." äußert sich weiter zur neuesten Fälschungsaffaiie: Der ganze Text der angeblichen Denkschrift ist willkürlich erfunden und bildet so gut eine Fälschung, wie :ffc im vorigen Jahre dem Kaiser Alexanoer unterbreiteten bulgarischen Aktenstücke, nur mit dem Unterschiede, daß bei der jetzt vorliegenden Erfindung ein politischer Zweck derselben nicht recht erkennbar ist. Die Zusammenstellung enthält nichts, was der Reichskanzler, wenn es von ihm gesagt worden wäre, Grund haben würde der Oesfent- lichkeit vorzncnthaltc». Wohl aber wird derselbe ans seine geschäft liche Repniativn zu viel Werth lege», um de» Verdacht der Alltor schaft eines solchen „Jmmediatberichtes" auf sich sitzen zu lassen. Das Aktenstück enthält eine Anzahl von Sätzen der Art, wie ei» mit der Geschäftspraxis im deutschen Dienste unbekannter Verfasser sich denkt daß der Reichskanzler an seine» Souverän Hütte schreiben könne», und er hat sich mit einer Rhetorik, wie sie in dergleichen Aktenstücken bei uns nicht üblich ist, Angaben ausgeschmiickt, die theils nach Lage der Dinge, theils nach Anleitung der öffentlichen Blätter und nach Acußeruiigcn von halbeingewcihten Personen ans dritter und vierter Hand sich leicht zusammenstelle» ließe». Das Machwerk enthält aber kaum einen der Gedanke», die in den wirk lichen amtlichen Berichten (cs find mehrere Berichte erstattet) zum Ausdruck gekvmmen sind. Das Ganze ist eine Erfindung. Es ist In den Höllengrund. Novelle von Rein hold Ortmann. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Er hatte das mit ernster, nachdrücklicher Betonung gesagt, ihr fest in die Augen blickend, »nd sie schlug die ihrigen nieder, während eine heiße Rölhe ihre Wangen färbte. „Was ist denn geschehen?" sagte sie zögernd. „Hat Hektar das Mädchen gebissen? Sic wird ihn gereizt haben, den» er ist sonst sehr gutartig." „Nein, er fiel ohne Veranlassung über sie her," erklärte der Pastor ruhig, „und Sie sehen Cvmtcsse, wie übel er das arme Kind zugerichtet hat." Die Verletzte hielt das zerrissene Hemd über ihrer Brust zu sammen, so gut es gehen wollte, während aus der Wunde in ihre». Arm noch immer das Blut hcrvvrquoll. Sie klagte nicht und sic gab keinen Schmerzenslaut von sich, aber über ihre schmalen Wange» rvllten große Thränen und das blasse Gesicht hatte einen unsäglich lcidvvllen Ausdruck. Comtcsse Elsriede war in der peinlichsten Ver legenheit »nd sie fand kein anderes Mittel, dieselbe zu verbergen, als indem sic »och eine trotzigere und hvchfahreudere Miene annahm. „Ich werde Ihnen selbstverständlich jeden Schade» vergüten, den Ihnen mein Hund zngesügt hat," sagte sie. „Leider habe ich im Augenblick kein Geld bei mir. Aber Sie können mir ja Ihren Name» sagen. Wahrscheinlich wohnen Sie doch in unsere», Gutsbczirk." „Das Mädchen heißt Johanne Dependahl," antwortete Rohden statt der Gefragten, „und sie wohnt allerdings im Dorfe Rothenfeld. Es ist übrigens kein Umweg für Sie, Comtesse, wenn Sie auf Ihrem Rückwege zum Schlosse die Richtung wählen, welche an der Wohn,mg des Mädchens vorüberführt. Ich vermnthe, daß Sie ein Interesse da» an haben, sich von der Beschaffenheit ihrer Verwundung zu überzeugen." Seine Worte klangen fast wie ein Befehl und Comtesse Elfriede würde eher gestorben sein, als daß sie dieser Weisung eines fremde», ihrer Anschauungsweise »ach untergeordneten Mannes Folge ge leistet hätte. »Ich wüßte nicht, welchen Nutzen meine Anwesenheit dem Mädchen bringen könnke," sagte sic kalt. „Mein Papa kann ja z»m Arzt schicken, damit er sie besucht. Aber wolle» Sie mir nicht endlich meinen Hund zurückgcben, Herr Pastor? nach dem Inhalt nicht einmal anzunehmcn, daß der Verfasser oder seine Gewährsmänner zu Denen gehöre», die die amtliche» Schrift stücke gelesen haben oder haben vorlescn hören. — Der Styl der „Nouvelle Revue" und ihrer Gewährsmänner genügt, um sofort die Fälschung zu erkennen. Ihr ganzer Phrasenban und Gedankengang läßt vermuthen, daß wir es nicht mit einer Uebersctzung aus dem Deutschen, sondern mit einer ursprünglich französisch redigirten Arbeit zu thun haben. — Der „Reichsanzciger" veröffentlicht eine kaiserliche Verord nung betr. die Ausführung der zu Bern abgeschlossenen Ucbercinknnst wegen Bildung eines internationalen Verbandes zum Schutze von Wecken der Literatur und Kunst. — Bei der Wahl eines Mi'glicdes znm Bezirkstage in Metz wurde niit 1079 gegen 947 Stimme» der Kandidat der Prvtestpartei, Lanique, gewählt. Oesterreich-Nugarn. König Milan von Serbien hat auf der Durchreise nach Tirol und Oberbayern in Wien den Minister des Auswärtigen, Grafen Kalnoky, in anderthalbstündiger Audienz empfangen. Im Absteigequartier gab auch der russische Botschafter Fürst Lobanow seine Karte ab. Der König setzt heute Dienstag seine Reise fort. Frankreich. In Montargis ist in Gegenwart des Präsidenten Carnot ein Denkmal Mirabean's enthüllt worden. Herr Carnot feierte diesen Helden der ersten Revolution in cntsp rechenden Worten. — Der ehemalige Commnnistengencral Endes wurde i» einer Pariser Streikversammtnng, während er eine donnernde Rede hielt, Plötzlich vom Schlage getroffen, so daß er todt zu Baden sank. — Bonlanger hat eine Wahlreise angctrctcn, »m zu den Wählern zu sprechen. Der Empfang war matt und die Reden noch matter. — In Paris hat eine Maurerversammlnng einen allgemeinen Streik beschlossen. Die Kellner haben sich bewaffnet und ziehen durch die Stadt, um ihre College» zum Niederlegen der Arbeit zu zwingen. Ebenso bedrohen die Friseure bewaffnet die Stelicavermitller. Mehrfache Ziisanime»- stäßc habe» stattgefnndcn und ernste Unruhen werden »och befürchtet. Die Streckenden versichern, daß sie Ende der Woche hunderttausend Man» stark lein würden. Die Commnniste» wü.ilcn außerordentlich. Belgien. Das belgische Kriegs,! inistcrium hat in der Ebene van Bevcrlao umfangreiche Schießübungen abhatten lassen. Bei den selben wurde das tlcinkatibrige österreichische Mnnnticher-Repctirgcwehr für das beste befunden. Nnstland. Ans Kiew wird der „F,ks. Ztg." gemeldet: Ohrcnzengeii bestätige», daß General Jgnaffew, der bekannte Pansla aistcnführcc, bei verschiedenen Auläss.n für die panslaw.stische Agitation in einen, Oesterreich feindlichen Sinne gesprochen hat. Orient. Zur bulgarischen Angelegenheit meldet die „Times" aus Koiistantinopel, der türkische Botschafter in Berlin hätte der Pforte angczeigt, zwischen Deutschland, Oesterreich-Ungar» „nd Italien würden wegen Bulgarien nächstens Uiucrhandlungcn angcknüpft werden. Fürst Bismarck und Giers würde» eine Zusammenkunft haben, und darauf würde der Zusammentritt eines europäischen Kongresses in Berlin beschlossen werden, der einzig die Lösung der bnligarischen Frage zu», Zweck hätte. Ob das wohl so schnell geht? Amerika. In New-Aork ist am Sonntag Abend, wie schon gestern ein Telegramm meldete, General Sheridan gestorben, der einzige General, welchen die nordamerikanische Union seit Hrant's Tode besessen. Sheridan war neben Grant der meistgenannte General aus dem großen Bürgerkriege, an militärischer Fähigkeit überragte er de» vom Glück sehr begünstigten Grant entschieden. Sheridan ist 55 Jahre alt geworden. Philipp Henry Sieridan war geboren am 6. März 1633 in Ohio, wurde in Westpoint erzogen, kämpfte dann als Kavallcrielcutuant gegen die Indianer in Oregon, ward 1862 Oberst eines Freiwilligen-Kavallerie-Regimcntcs in der West- armce, bald darauf Divisionskommandeur, zeichnete sich bei Chatanvoga „So lange Gefahr vorhanden ist, daß er abermals irgend einem schwachen und ahnungslosen Mensche» Schaden ziifngt, werde ich ihn mit Ihrer Erlaub,,iß in meine», Gewahrsam behalten, Cvmtcsse! Kommen Sie, Johanne I Ich werde Sic zn Ihrer Mutter begleiten." Elsriede biß sich auf die Lippen. Das anmaßende Benehmen dieses Dorsgcistlichen ließ ihr abermals alles Blut heiß zum Herzen strömen; avcr sie erkannte wohl, daß ein Befehl hier machtlos sein würde, und zu einer Bitte konnte sie sich unmöglich erniedrigen. So ging sie schweigend in einer Entfernung von wenigen Schritten hinter dem Pastor und seinem Schützling her, und es steigerte ihren heißen Unwillen gegen Rohden noch um ein Bedeutendes, als sie sah, wie er den Arm des anscheinend sehr schwächlichen Mädchens in den seinigcn nahm und wie er die Wankende mit einer beinahe zärtlichen Sorgfalt unterstützte. Etwas abseits von der Fahrstraße und mit dem Hinteren Theil des Daches an die kahle Bergwand gelehnt, stand eine alte armselige, hinfällige, aus Lehm und Holz kümmerlich genug zu sammengefügte Hütte. Bis an den offenen Eingang derselben führte Rohden das kranke Mädchen. Er beugte sich herab und tagte ihr einige Worte, welche Elsriede nicht verstehe» konnte; dann verschwand sie im Innern des Häuschens. Gleich darauf war der Pastor wieder an der Seite der junge» Gräfin, und da er de» Hund, welcher ihm jetzt willig folgte, noch immer am Halsband festhielt, sah sie keine Möglichkeit, sich von seiner Begleitung zu befreie». „Es thnt mir leid, daß Sie es nicht für angebracht hielten, auf einige Augenblicke bei diesen armen Leuten cinzntretcn," sagte er. „Sie hätten da vielleichr eine große Freude hervvrrnfcn oder doch einen schweren Kummer lindern können." „Mit meiner bloßen Gegenwart? Ich bezweifle das, Herr Pastor. Uebrigcns will ich Ihnen auch die Gründe nicht verschweigen, weiche mich davon abhielten. Ich erinnere mich, erst vor wenigen Tagen von meine», Papa gehört zu haben, daß ein gewisser Depen dahl das verkommenste Subjcct der ganzen Gegend sei. Und dann — dann schic» mir auch das Mädchen selbst mit einer widerwärtigen Krankheit behaftet z» sein." All der trotzige Ingrimm, welchen sic gcgcn Rohden hegte, hatte sich in dem Ansdruck ihrer Worte Luft gemacht »nd sie sah rasch zu ihm ans, ob sich nicht eine gewisse Verlegenheit und Beschämung in seinem Antlitz zeigen wolle. Aber diese ruhige» Züge blieben ganz unverändert, und er nickte sogar wie zustimmend mit dem Kopfe. hervorragend aus und erhielt 1664 den Oberbefehl über die ge« sammle Kavallerie der Ostarmee, unternahm erfolgreiche kühne Züge im Rücken des Feindes und zwang 1863 Lee zur Kapitulation. 1869 wurde er Generalleutnant, 1875 kommandirender General in Chicago Sächsisches. — König Albert hat für die Abgebrannten in GerSdorf bei Berggicshübcl 300 Mark gespendet. — Ans den sächsischen Staaksbahnen wurden in der Woche vom 22. bis 28. Juli 27,915 Wagenladungen Kohlen, ü 5000 KZ, befördert. Es sind dies durchschnittlich pro Tag 3988 Ladungen, während in der gleichen Weise des Vorjahres nur 3676 Ladungen Pro Tag und 25,733 Ladungen in. Ganzen befördert wurden. Bon dem Gesammtqnantum an 27,915 Wagenladungen waren 8328 Lad ungen Zwickauer Steinkohle, 3968 Lugan - Oelsnitzcr Steinkohle, 1276 Dresdner Steinkohle, 1095 schlesische Sie nkohle, 9624 böhmische Braunkohle, 3624 altenburgische Braunkohle. —Tödtlich verunglückt sind in Sachsen nach den soeben veröffentlichte» amtlichen Angaben im Jahre 1887 im Ganzen 703 Personen, darunter 566 männliche, 128 weibliche und 9 ohne Angabe des Geschlechtes. I», Jahre vorher betrug die Gesammtzahl der tödtlich Verunglückten erheblich mehr, nämlich 792, und cs scheint, daß überhaupt die Zahl der tödtlichen Verunglückungen eher in der Abnahme, als in der Zunahme begriffen ist, was sich znm Theil auf die vermehrte Ueberwachung der Sichcrheitseinrichtungen in Fabriken und bei gefährlichen Betrieben zurücksühren lassen dürfte. Von den obigen 703 verunglückten Personen ertranken 233, erschlagen, ver schüttet oder erdrückt wurden 58, durch Sturz und Fall fände» ihren Tod 108, durch Uebcrfahren 97, durch Verbrennen, Verbrühen, Er sticken 58, durch Blitzschlag 13, Erschießen 4, Erfrieren 37, Ver giftung 9, durch sonstige Unglücksartc» 40 und i» 46 Fällen blieb cs unbekannt, ob Unglücksfall oder Selbstmord vorliegt. 167 von den 703, Verunglückten waren Kinder bis zu 14 Jahren. Unter den Monate» wies der Juli die meisten tödtlichen Verunglückungen auf: 99, die wenigsten der December: 37. — Dresden, 6. August. Unter Sturm und Regen, wie sie begonnen, ist gestern Dresdens tolle Woche, die sogenannte Vogelwiese, zu Ende gegangen. Der gestrige letzte Tag, welcher Anfangs von frenndlichem Wetter begünstigt wurde, hatte noch eine nach Tausenden zählende Menschenmenge, namentlich von auswärts, angelockt, so daß der Verkehr in den Gassen der Zeltstadt vorüber gehend ein überaus schwieriger war, da sich die gewaltige Menschcn- incngc nur langsam vorwärts zu bewegen vermochte. An et» ge ordnetes Vorwärtskommen war gar nicht zu denken, sondern man schob und wurde geschoben. An den Stellen, wo der Regen der vorausgegangencn Tage förmliche Teiche und Sümpfe geschaffen hatte, entstand ein solches Gedränge, daß gar nicht hindurch zu kommen war. Nachmittags kurz nach 5 Uhr machte Jupiter Pluvius der argen Drängelei ein jähes Ende. Es erhob sich plötzlich ein fürchter licher Sturm, der den Staub des Festplatzes in thnrnihohcn Wolken vor sich her peitschte und die Gassen rein fegte. Dem Sturm folgte ein anhaltender durchdringender Regen, in Folge dessen der eigent liche Glanzpunkt des sog. Volksfestes, das große Feuerwerk, gründlich zu Wasser wurde. Die vor dem Unwetter in rasender Eile flüchten den Vrgelwicsenbesucher suchten, so gut es ging, dicht Schulter an Schulter gedrängt, Unterkunft in den zahlreichen Restaurationszelten, Singspielhnllen und Bratwurstbnden, so daß auch dort gar bald der Ausenthalt ein höchst unbequemer und ungemüthlicher wurde. Die betreffende» Wirthe waren von dem ihren Lokalen zu Theil werden den gewaltigen Znspruche nichts weniger als erbaut, denn bei dem entstehenden Gedränge war es ganz unmöglich, in geordneter Weise „Was Ihre letztere Vcrmnthuug anbetrifft, Comtesse, so hat die selbe leider das Rechte getroffen. Die Unglückliche leidet an einem Uebel, dessen Anblick Sie mit namenlosem Entsetzen erfüllen müßte, — an der Phosphornekrose." In Elfriedcns braunen Augen blitzte es auf. „Und dennoch konnten Sie mir zumuthe», mich mit dieser Person in eine nähere Berührung zu bringen!" „Das Leiden ist nicht ansteckend! Und ich kann nicht einsehen, mein gnädiges Fräulein, warum Ihnen das Märtyrerlhum dieses bejammcrnswerthen Wesens keine andere Empfindung als diejenige des Abscheus und des Widerwillens erregen sollte. Lassen Sie mich Ihnen erzählen, welche traurige Bewandtniß es mit ihrer Krankheit hat." Elfriede wollte dagegen protestiren, aber Rohden fuhr,, ohne sich darum zu kümmern, fort: „Unter den vielen Elenden und Unglücklichen dieser Gegend sind die Depcndahl's vielleicht am meisten zu beklagen. Der Mann, welcher früher ein fleißiger und ordentlicher Mensch ge wesen sein soll, hat für eine Verirrung, die er in einer Stunde ver.weifelter Noth beging, sehr schwer büße» müssen. Er erlitt eine entehrende Bestrafung und seitdem wollte niemand mehr etwas mit ihm zu schaffen haben. Sein Handwerk ernährte ihn nicht mehr und er muß sich seither als Tagelöhner in der Umgegend Arbeit suchen, wo sie sich ihm gerade bietet. Da vergehen oft Wochen und Mvnate, ohne daß er auch nur einen Pfennig verdient, und unter dessen sind Hunger und Entbehrung ständige Gäste in seiner Hütte. Die Frau wurde mir allgemein als fleißig und rechtschaffen gerühmt, und so lange ihre Kräfte ansrcichtcii, soll sich das kleine Hauswesen auch in leidlich guter Ordnung befunden haben. Aber sie wurde von einer schleichenden Krankheit heimgesucht und ist seit Jahren unfähig, eine schwerere Arbeit zu verrichten. Außer dem Mädchen aber, das Sie vorhin gesehen haben, sind noch vier kleinere, schulpflichtige Kinder da. Sie begreifen von all' diesen Verhältnissen wohl zu wenig, Comtesse, als daß Sie sich auch nur eine schwache Vorstellung davon machen könnten, welch eine Fülle namenlosen Elends diese Thatsachen bedeuten, und da Sie einen solchen Abscheu gegen das Unglück zu hegen scheinen, will ich keinen Versuch machen, Sie Ihrer heiteren Unwissenheit zu entreißen. Nur von der Johanne und von der Ursache ihrer schrecklichen, unheilbaren Krankheit will ich Ihnen sprechen. Sie war noch nicht mehr als ein Kind, als der Jammer über ihre Familie hereinbrach und als sie ihre Eltern und ihre Dev heutigen Nummer deö Sächsischen «audes-AnzeigerS liegt bei das Beiblatt „Sächsischer Erzähler".