Volltext Seite (XML)
Nr. 48 PAPIER-ZEITUNG 1895 Schecks, Ueberweisungen usw. ungestört nach Schluß des Schalters bearbeiten müssen, ist nicht stichhaltig, da eine solche Bearbeitung doch von Herren, die in einem abgesonderten Raum tätig sind, vorgenommen werden könnte. Noch unangenehmer fühlbar macht es sich, daß nur die bis 3 Uhr nachmittags ein gehenden Schecks am gleichen Tage überwiesen werden. Die jenigen Schecks, welche nach 3 Uhr bei den Postscheckämtern einlaufen, bleiben bis zum nächsten Tage liegen, und wenn dies — im Jahre gibt es 52 Sonntage und eine Reihe von Feiertagen — ein Sonn- oder Feiertag ist, so kann die Ueberwcisung erst am übernächsten Tage erfolgen. Wenn z. B. auf dem einzigen Berliner Postscheckamt in der Dorotheenstraße nachmittags kurz nach 3 Uhr am Sonnabend eine Ueberweisung nach Hannover einläuft, so wird diese erst am Montag in Berlin und erst am Dienstag in Hannover erledigt. Was gewünscht wird ist: die Annahme und Ausgabe bis 7 Uhr abends für den Verkehr offen zu halten, sowie die Ueberweisung der bis 7 Uhr abends eingehenden Postschecksachen noch am gleichen Tage zu erledigen. In der Beschränkung des Betrages auf 10000 M., welche man nur auf eine Zahlkarte bar einzahlen darf, erblicke ich auch eine ganz unverständliche Maßnahme. Eigentlich müßte es doch der Post, welche aus der Unverzinslichkeit der Guthaben Nutzen zieht, erwünscht sein, recht große Beträge in Bar zu erhalten. Die Begrenzung des Höchstbetrages auf 10003 M. kann doch un möglich als Vorsichtsmaßregel gelten, wenigstens kann ich nicht anerkennen, daß die deutschen Postbeamten weniger zuverlässig sind, als die Angestellten der Großbanken und der Reichsbank. Die Bemessung des Höchstbetrages kann aber auch schon des halb nicht als eine Vorsichtsmaßregel gelten, weil sich diese Beschränkung durch Benutzung mehrerer Zahlkarten mit je 10000 M. umgehen läßt. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich diese Maßnahme zu den Mängeln rechne, deren Begründung unmöglich ist, deren Umgehung aber für den Aussteller und die Beamten umständlich und zeitraubend wird. Die Nichtbewilligung von Zinsen für die eingelaufenen und aufgehäuften Bareinlagen — in Oesterreich ist ein niedriger Zins fuß mit bestem Erfolg eingeführt worden — ist der aller schlimmste Mangel an der ganzen Sache. Ich komme auf den selben später noch näher zurück und erwähne zunächst nur, daß jetzt jeder Konteninhaber, um einen Zinsgewinn zu er langen, sein Guthaben auf dem Postscheckamt möglichst schnell seiner Bank zufließen läßt. Der Staatssekretär hat sich, wie ich schon gezeigt habe, in bezug auf die Zahl der Konten und auf die Höhe der Guthaben, die bei der Festsetzung der Gebühren zugrunde gelegt wurden, erheblich geirrt. Trotzdem die Kosten des Postscheckverkehrs wesentlich hinter den Portis der Postanweisungen und des Geld briefes Zurückbleiben, sind sie doch viel zu hoch. Ich entnehme zum Vergleich dem Flugblatt der Kgl. Seehandlung: »Was bringt die neue Postscheckordnung?« folgendes Beispiel: Eine Geldsendung von 100 M. kostet per Postanweisung 20 Pf. und 5 Pf. Abtragsgebühr; per Postscheck 3 bis 6 Pf., eine Postanweisung von 800. M. kostet 60 Pf. und 5 Pf. Abtrags gebühr; im Scheckverkehr 13 oder 10 oder 3 Pf. usw., je nach dem die Beträge auf ein anderes Konto überwiesen oder in barem Gelde abgehoben werden. Hierbei wurden die Portokosten von 5 und 10 Pf. von der Seehandlung nicht berücksichtigt. Auch in diesem Falle ist zu wünschen, daß Verbilligung der Gebühren eingeführt wird. Ganz besonders unverständlich ist die Einführung einer Zu schlagsgebühr von 7 Pf. für die Konteninhaber, deren Konten mehr als 600 Buchungen im Jahre erreichen. Diese Bestimmung ist so engherzig fiskalisch, jede Begründung fehlt ihr. Die Mehrarbeit kann dafür nicht ausschlaggebend gewesen sein, da es gleich ist, ob der Beamte täglich 2 oder mehr Buchungen auf einem Konto ausführt. Ich erblicke in dieser Sondergebühr von 7 Pf. für die Buchung eine Strafgebühr für die Konten inhaber, welche bei der Post die höchsten und meisten Ein zahlungen haben. Bei der Unverzinslichkeit der Einlagen werden die meisten Konteninhaber nur ihre Stammeinlage von 100 M. unabgehoben lassen, je mehr aber durch tägliche Ein- und Auszahlung das Konto verändert werden muß, desto schneller werden die 600 Buchungen erreicht werden und die 7 Pf. Sondergebühr in Wirkung treten. Durch diese rück ständige Maßnahme weist die Post die großen Guthaben zurück, eine Maßnahme, die man nur durch den Mangel jeder kauf männischen Gewandtheit erklären kann. Selbst die Entschuldi gung, daß man eine neue Einrichtung in bezug auf ihre noch unbekannten finanziellen Ergebnisse mit einer gewissen Vor sicht anfangs behandeln muß, ist hier nicht am Platze, wenig stens nicht in dem Maße, daß sie von vornherein dem Verkehr jede Großzügigkeit abspricht. Die Entwicklung, welche das Postscheckwesen in Oesterreich genommen hat, wo zu 80000 Scheck-Konten jährlich 6—7000 neue kommen, konnte es allen, welche sehen wollten, nahe legen, daß das Postscheckwesen im Deutschen Reiche mit seinen 60000000 Einwohnern — gegen 27000000 in Oesterreich — einen ungleich günstigeren Boden zur Entwickelung hat. Ferner ist es wünschenswert, daß die Post bereit wäre, ge wöhnliche Schecks auf Bankfirmen entgegen zu nehmen, um sie dem Scheck-Konto des Einzahlenden gutzubringen. Für die Vordrucke der Postschecks empfiehlt sich ein ge lochter Anhang, der abgetrennt und dem Empfänger direkt zu- gesandt werden könnte, damit dieser sofort erfährt, von wem und in welcher Höhe ein Scheck für sein Konto eingelaufen ist. Besonders wichtig wäre diese neue Einrichtung für den postali schen Einzug von Wechseln, damit der betreffende Kontoinhaber rechtzeitig in Kenntnis gesetzt wird, ob ein Wechsel honoriert wurde oder ob er zu Protest gegangen ist. Die bisher eingeführte Portofreiheit im Postscheckverkehr ist nur bedingt, da sie nur diejenigen Schriftstücke betrifft, welche dem Kontoinhaber seitens der Postämter zugeht; sie ist leider noch nicht auf die an die Aemter gerichteten Schriftstücke aus gedehnt worden. Auch hierfür kann Oesterreich vorbildlich sein, wo für alle auf den Postscheckverkehr bezüglichen Schrift stücke kein Porto erhoben wird. Der Hauptfehler unseres Reichspostscheckwesens ist, wie schon kurz angedeutet, in der Unverzinslichkeit der Guthaben zu erblicken. Ohne diese wird es nicht gelingen, die Einrich tung wirklich beliebt zu machen, woran sich die Hoffnungen auf Verbesserung und Erleichterung des Bargeld-Umlaufes knüpfen. Eine geringe Verzinsung, vielleicht von r‘/, v. H., möglichst aber 2 v. H., wird sicherlich den Geschäften der Spar- und Ge nossenschaftsbanken keinen Abbruch tun, denn der geringe Zinssatz wird keinem Spareinleger genügen, der von der Spar kasse durchschnittlich 31/, v. H. Zinsen erhält. 11/, v. H. Ver zinsung durch die Postscheckämter bedeutet in Wirklichkeit nur 3. v. H. der Einlage, da die Verzinsung in der ursprünglichen Vorlage nach dem in Oesterreich üblichen Verfahren vorgesehen war, d. h. das Geld, das am 1. eingezahlt wird, wird erst vom 16. ab verzinst oder bei Abhebungen wird die Verzinsung 14 Tage vorher aufgehoben. Bei dieser Einrichtung befindet sich der österreichische Fiskus sehr wohl, obwohl er die Guthaben und die .Stammeinlagen sogar mit 2 v. II. verzinst. Nach der Frank furter Zeitung hat Oesterreich im Jahre 1907 aus dem Zins überschuß an die Konteninhaber 3960000 Kronen Zinsen bezahlt, während die erhobenen Gebühren sich für dasselbe Jahr nur auf 3 910000 Kr. beliefen, d. h. die Kosten für den Postscheck verkehr wurden durch die Zinsen reichlich gedeckt. Mag auch die Verzinsung noch so klein sein, sie wird die Konteninhaber veranlassen, ihre Guthaben länger stehen zu lassen. Da die Postverwaltung Oesterreichs für das ihr über gebene Geld durchschnittlich 3 V. II. Zinsen erzielt, so hat 1907 die Post in Oesterreich trotz sehr großer Rücklagen und Ab schreibungen 7400000 Kr. Reingewinn erzielt. Die Rücksichtnahme auf die Sonderinteressen der Genossen schaftsbanken sollten aber schon deshalb nicht ausschlaggebend für unser Verkehrsleben sein, da ihre Umsätze im Scheck verkehr 1905 (nach dem »Jahrbuch des allgemeinen Verbandes der auf Selbsthilfe beruhenden Genossenschaften«) nur 830000000 Mark und 46000 Schecks betrugen. Aber auch die Sparkassen haben in Oesterreich durch die Verzinsung der Einlagen bei den Postscheckämtern nicht gelitten. Der Beweis dafür liegt in dem Umstand, daß sich in den letzten 20 Jahren die Zahl der Sparkassen in Oesterreich von 366 auf 540 vermehrt hat und daß die bei ihnen angelegten Kapitalien in Summe etwa 4 Mil liarden betragen. Die Summe der Postscheckkonten erreichte in Oesterreich nur 375000000 Kr. Aus diesen Zahlen geht für den vorurteilslosen Beurteiler klar hervor, daß gerade unsere Sparkassen eigentlich ein Hauptinteresse an möglichst großer Beliebtheit des Postscheckverkehrs haben müßten. Der Geld umlauf würde sich sehr vereinfachen und Millionen von Zins verlusten und Unkosten ließen sich ersparen, wenn an Stelle der 6284 Sparkassenfilialen die 39000 Postanstalten treten würden. Die 2843 selbständigen Sparkassen aber, die wir in Deutschland haben, würden durch Vermittelung der Postscheck ämter ihre Auszahlungen machen und ihre Einzahlungen er halten können, ohne an ihrem Geschäftsumsatz einen Pfennig Einbuße zu erleiden, im Gegenteil, sic würden an Gehältern Ersparnisse machen. Ein Beweis für die beispiellose Vorzüglichkeit im Aufbau und in der Handhabung des österreichischen Postscheckwesens finden wir in einer Botschaft des Präsidenten Roosevelt, in der er die Einführung des Postschecks und der Postsparkassen nach österreichischem Muster für die Vereinigten Staaten von Amerika empfiehlt. Leider ist die Tatsache, welche im Beschluß des Zentral ausschusses vom 28. Oktober 1907 zum Ausdruck gebracht wurde, nämlich: daß im Interesse des Geldmarktes durch den Reichspost scheckverkehr die brachliegenden Gelder des Publikums bei der Post angesammelt und dem Wirtschaftsleben und der Landwirtschaft dienst bar gemacht werden sollen, unbeachtet geblieben. Die Zentrali sierung großer, mächtiger Kapitalien, von der allein unser Geld markt günstig beeinflußt werden kann, steht, solange unser Post scheckwesen ein Torso bleibt, leider erst für die Zukunft zu erwarten. Vielleicht interessiert es Sie, meine sehr geehrten Herren, zu erfahren, in welcher Weise die Post die aus dem Scheck-