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DDAPIERVERARBEITUN G ■ BU CH GEWERBE £»3 Berliner Typographische Gesellschaft In der Sitzung vom 4. Mai war der Buchgewerbesaal ge schmückt mit einer großen Zahl von Arbeiten aus den Setzer und Druckerklasssen der Berliner Buchdrucker-Fachschule, Zeichnungen, skizzierten Drucksachen, Farbenskalen und Farben studien sowie Zeichnungen von Konstruktionsteilen von Maschinen bis zur Wiedergabe einer sechsfachen Rotationsmaschine. Vor Eintritt in die Tagesordnung teilte der Vorsitzende mit, daß das langjährige Mitglied Herr Faktor August Müller am 1. Mai das 50jährige Berufsjubelfest begangen habe und vom Vorstand im Namen der Gesellschaft beglückwünscht worden sei. An Eingängen waren zu verzeichnen: von der Bauer’schen Gießerei ein Musterheft der Haiduk-Antiqua, von Herrn Linde mann eine Vertreterkarte der Schriftgießerei Flinsch, von dem Deutschen Verein zum Schutz des geistigen Eigentums eine Denkschrift mit Vorschlägen zur gesetzlichen Reglung des Rechts der Erfindungen von Angestellten, mit einer Einladung zu dem vom 17. bis 20. Mai stattfindenden Kongreß. Zur Mitgliedschaft angemeldet werden die Herren Max Bartos, Rixdorf, Weichselstraße 55, Georg Holzhausen, NO, Werneuchenerstraße 15, Paul Mattha, N, Demminerstraße 28, Jos. Müller-Appenroth, N, Malplaquetstraße 55 und Paul Rutenberg, Vertreter der Schriftgießerei D. Stempel A.-G., Steglitz, Peschke straße 2. Als neue Mitglieder wurden bekanntgegeben die Herren Buchdruckereibesitzer Ernst Boll, NW, Georgenstr. 23, Th. Molter, Leiter der Filiale Hostmann & Steinberg, SW 48, Friedrichstr. 16, W. Schmidt, Vertreter dieser Firma, ebendort, Max Rudert, Lankwitz, Siemensstr. 64, Heinrich Pagel (Nauck'sche Buchdruckerei), S 14, Stallschreiberstr. 5, Max Stadthagen, Süd ende, Mariendorferstr. 59 und G. Tünnermann, Charlottenburg, Leibnitzstr. 9. Herr Erler macht namens des Vorstandes den Vorschlag, am Himmelfahrtstag eine Herrenpartie der Mitglieder nach Tiefensee—Werneuchen—Strausberg zu unternehmen, und die Versammlung erklärt sich damit einverstanden. Der Vorsitzende, Herr Könitzer, teilt mit, daß am Sonntag, 9. Mai, eine gemeinsame Besichtigung der buchgewerblichen Abteilung des Märkischen Museums am Märkischen Platz unter Führung des Direktors Professor Pniower stattfinde; Treffpunkt 103/, Uhr am Eingang zum Museum neben der Rolandfigur. Hierauf sprach Herr Maler und Zeichenlehrer Kurz über die EKHusstellung der Schülerarbeiten der Berliner Buchdrucker-Fachschule. Er spricht zunächst sein Bedauern darüber aus, daß die Prinzipalität der Schule so geringes Interesse entgegenbringt. Er entwickelt den Lehrplan und betont, daß er im Zeichenunterricht bei den Setzerlehrlingen stets das Hauptgewicht auf Anwendung und Gruppierung der Schrift und richtige Raumverteilung, bei den Druckern aber auf richtige Perspektive, für welche der Drucker beim Illustrationsdruck Verständnis haben müsse, und auf Farbenharmonie gelegt habe. Wenn einzelne Arbeiten über dieses Ziel hinausgingen, so habe man begabten Schülern Gelegenheit geben wollen, sich weiter zu bilden. Es sei Gebrauch geworden, daß er stets acht der besten Schüler Sonntags Gelegenheit gebe, in seinem Atelier zu arbeiten; dabei seien die Meldungen zu diesem besonderen Unterricht stets so zahlreich gewesen, daß die größere Hälfte der Angemeldeten zurückgewiesen werden mußte. Hauptzweck des Zeichenunterrichts sei, die Schüler richtig sehen zu lehren und den Sinn für die Harmonie der Farben zu wecken. So lege er Gewicht darauf, daß farbige Papiere angewendet und mit harmonierenden Farben bemalt werden; auch die Ge sundheitspflege werde berücksichtigt, um die Schüler zur Vor sicht und zur Reinlichkeit beim Umgehen mit gifthaltigen Farben zu erziehen. Beim Tonplattenschneiden verwende man das Mäser’sche Material, weil es sich dabei nur um Einführung in das Verfahren und Anwendung einfacher Tonplatten handle. Bei einem Rundgang durch die Ausstellung ging der Redner auf die einzelnen Arbeiten näher ein und bemerkte in einem Schlußwort, es sei der Wunsch der Schulleitung, daß die Fach schule mit einer praktischen Fachklasse, einer sogenannten Lehrwerkstätte verbunden werde, um engere Fühlung mit der Praxis zu gewinnen. Der Vorsitzende dankte dem Vortragenden und leitete einen sehr lebhaften Meinungsaustausch ein. Herr Köhler glaubt, das Interesse der Geschäftsinhaber und Faktore für die Schule werde gefördert werden, wenn den Schülern die geleisteten Arbeiten zum Vorzeigen und Einholung einer Unterschrift mitgegeben würden. Herr Kurz bemerkt darauf, daß die Gleichgiltigkeit gegen über der Schule bei manchen Prinzipalen so groß sei, daß so gar auf die beim Ausbleiben der Schüler an sie gerichteten Postkarten keine Antwort einginge, obgleich eine frankierte Karte zur Rückantwort beigegeben werde. Herr Georg Wagner geht auf Grund eigener Erfahrungen als Zeichenlehrer in Fortbildungsschulen näher auf die Aus stellung ein. Zunächst hält auch er das Vorzeigen der Arbeiten in der Lehrdruckerei für empfehlenswert, aber es müsse zu einer Zeit geschehen, wo Lehrherr oder Faktor auch Zeit und Ruhe haben, sich mit dem Lehrling zu beschäftigen. Der passive Widerstand gegen diese Schulen sei nicht bei den großen Firmen, sondern bei den kleinen zu finden, wo den Lehrlingen kaum die nötige Zeit zum Schulbesuch gelassen und ihnen schließlich noch einige Kommissionen an die Kundschaft mit auf den Weg zur Schule gegeben würden. Bei den ausgestellten Arbeiten vermisse er die von dem Vortragenden besonders hervorgehobene Betonung der Schrift. Er selbst lasse nur klassisch schöne Formen zeichnen. Beherrsche der Schüler eine solche Schriftform gründlich, dann sei er auch imstande, sich im Schriftzeichnen weiter zu bilden. Erst komme die Formenschönheit, die Modeschrift sei von untergeordneter Be deutung. Zum Unterricht dürften nur wirklich schöne Vorlagen benutzt werden. Es sei zu bedauern, daß keine Gelegenheit zu Naturstudien gegeben sei. Was die Ausstellung zeige, ent spreche nicht den Bedürfnissen der Praxis; eine schöne Antiqua, ein schönes Initial, behielten stets ihren Wert und fänden einen Verwendungszweck. Die ausgestellten Arbeiten seien sorgfältig ausgeführt, aber sie seien zwecklos. Auch das Maschinen- zeichnen in der vorliegenden Form sei Zeitverschwendung; in den Eisenbahnwerkstätten würden die Lehrlinge angehalten, die Maschinenteile in wenigen Strichen möglichst treffend wieder zugeben. Damit sei der Zweck vollkommener erreicht als mit den hier ausgestellten Zeichnungen. Unsere Buchdruckereien würden von den Schriftgießereien förmlich überschüttet mit dem schönen Material, das die ersten Künstler gezeichnet. Da von aber zeige die Ausstellung nichts. Das sei sehr bedauerlich und bedeute einen erheblichen Mangel. In ähnlichem Sinne sprachen sich die Herren Lehfeldt und Köhler aus; der letztere regte an, es möge im letzten, vierten Lehrjahre fakultativer, praktischer Unterricht erteilt werden, um solche Lehrlinge weiterzubilden, die in der Lehre nur mangelhafte Ausbildung erhalten. Auch wurde die Vielfarbig keit der Farbenskizzen bemängelt, weil sie für die Praxis keine Bedeutung habe. Herr Kurz entgegnete hierauf, daß es sich beim Schrift zeichnen weniger um die Form der Schrift als um die Wirkung der Schrift und die Raumverteilung handle; man müsse berück sichtigen, daß sich der Unterricht auf wöchentlich 2 Stunden beschränke, sodaß in den 2 Jahren des Zeichenunterrichts nur 80 Stunden zur Verfügung ständen. Herr Ille bedauerte, daß begabte und unbegabte Schüler gemeinsamen Unterricht erhalten; damit werde viel kostbare Zeit vergeudet, weil auf die Elementarfächer zu viel Zeit ver wendet werde. Herr Baumeister wies darauf hin, daß der Lehrplan nicht willkürlich von der Schulleitung aufgestellt werden dürfe; um die Anerkennung der Schule als Ersatz der Pflichtfortbildungs schule zu erreichen, habe man gezwungenerweise die vor geschriebene Zahl von Elementarstunden einschalten müssen. Herr Schmiedchen betonte das Mißverhältnis, das hier zwischen Theorie und Praxis herrsche, indem die Schüler in der Druckerei mit modernem Material arbeiten und in der Schule nur veraltete Vorlagen finden. Dadurch werde das Interesse am Unterricht ertötet. Herr Fiedler bemerkte, daß die vielfarbigen Skizzen sehr geeignet seien, den Farbensinn der Schüler zu bilden. In dividuelle Behandlung sei bei der großen Schülerzahl nicht möglich. Leider werde auch der Unterricht am Abend erteilt, wo die Schüler vielfach ermüdet und abgespannt seien. In einem Schlußwort faßte der Vorsitzende, das Ergebnis der Aussprache zusammen; die Ausstellung habe gezeigt, daß Uebelstände vorhanden seien; es fehle an modernen Vorlagen. Dadurch komme die Schule in einen Gegensatz zur Praxis, und für das, was die Lehrlinge in der Schule üben, hätten sie in der Praxis wenig Verwendung. Man müsse sich andere Schulen zum Vorbilde nehmen; in München werde der Unterricht vor mittags erteilt, in Leipzig verwende man einen Nachmittag dazu. Es sei jedenfalls auch für die Druckereien vorteilhafter, wenn