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Sächsischer Landes-Anzeiger : 30.10.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-10-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188810307
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18881030
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18881030
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-10
- Tag 1888-10-30
-
Monat
1888-10
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 30.10.1888
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Sächsischer DienStan, 30. Oktober 1888. Nr. 234. — 8. Jahrgang. Der jeden Wochentag Abend (mit Datum des folgenden Tages) zur Versendung gelangende „Sächsische LandcS-Anzetgcr" mit täglich einem Extra-Beiblatt: 1. Kleine Botschaft L. Sächsischer Erzähler S. Sächsische Gerichtszeitung 4. Sächsisches Allerlei 5. IlinstrirtcS Unterhaltungsblatt 6. Sonntagsblatt 7. Lustiges Bilderbuch lcsni bei den Ausgabestellen monatlich 70 Pig., bei de» Post-Anstalten 75 Psg. (Post-Zcitungs-Preisliste Nr. 5035.) Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen nnd Thüringen. 4 Verlags-Expedition: Alexander Wiede. Bnchdrnckerei, Chemnitz, Theaterstrahe Nr. 5. Fcrnsprech-Anschluß Nr. 136. — Telegramm-Adresse: Landes-Anzeiger, Chemnitz Bon den Hanptblättcru des „Sächsischen Laiides-AnzeigerS" erscheint (ohne dessen tägliche Ertra - Beiblätter) eine billigere Sondcr-NnSgabc nnter dem Titel: Chemnitzer General-Anzeiger für monatlich nur 5V Psg. mit Zntragen; außerhalb Chemnitz monatl. 57 Pf. m. gtr. (Zcitnngs-Preislistc 0. Nachtr, Nr. 1250».) FürAbonnenteiierscheintjeeinmal iniJasr: Lommkl-llisenbahnliihrplanheft fNr Sachs ». Winter-Eiskubnhnfahrplanlikft für Sachsen. Lltustr. Kalender de; Sächsische» Landdoken. JllustrirteS ZahrcsbuchdesLandeS-Aiizcigcrr. Anzeigenpreis: Raum einer schmalen Corpnszeile 15 Psg. — Bevorzugte Stelle (lsvaltige Pctitzeilc) 30 Psg. — Bei Wiederholung großer Anzeigen Preisermäßigung. — Bei Bestellungen von Auswärts wolle man dev Cimiickungsbelrag (in Briefmarken) beifügen >je 6 Silbe» Corpnsschrist bilden ca. 1 Zeile.) — Anzeigen können nur bis Vormittag angenommen werde», da Druck und Verbreitung der großen Auflage längere Zeit erfordern. — 2ie Anzeigen finden ohne Preisaufschlag gleichzeitig Verbreitung durch den „Chemnitzer General-Anzeiger" (billigere Sonder-Ausgabe der Hauvtblätter des „Sächsischen Landes - Anzeigers" ohne dessen tägliche Extra-Beiblätler.) Amtsgerichtttche Bekanntmachmlgcn. DaS im Grundbuchc ans den Namen Friedrich Hermann Maneesberger ciueeieagene Haus- und Gartengrundstück, Nr. 298 des Flurbuchs, Nr. 37lü des Brandkatasters und Folinin 340 des Grundbuchs für Burkhardtsdorf, geschätzt aus 5600, Mark, soll im hiesigen Amtsgerichte zwangsweise ver steigert werden und ist der 28. November 1888, Vormittags 10 Uhr, als Aumeldetermi», ferner der 13. Dccember 1888, Vormittags 10 Uhr, als Vcrsteigerungstermin, sowie der 24. December 1888, Vormittags 10 Uhr, als Termin zu Verkündung des Bertheilungsplans anberaumt worden. Die Ncalberechtigten werden ansgesordcrt, die aus dem Grundstücke lastende» Rückstände an wiederkehrenden Leistungen, sowie Kostcnsorderungen spätestens im Nnmcldetcrmine anzumelden. Eine Uebersicht der ans dein Grundstücke lastenden Ansprüche und ihres Raugverhältnisjes kann nach dem Anmelde- tcrmine in der Gerichtsschreiberei dcS »nterzeichnete» Amtsgerichts eiugesehen Werden. Chemnitz, am 26. October 1888. Königliches Amtsgericht. Im Handelsregister für den Stadtbezirk des Unterzeichneten Amtsgerichts wurde heute auf Folium 3177 die Firma A. Bernstein in Chemnitz (Sonncn- straße Nr. 17) nnd als deren Inhaber der Kaufmann Herr Julius Anton Bernstein daselbst, Besitzer eines Mehl- und Prodnctenhandelsgcschästs, ein getragen. Chemnitz, am 25. October 1838. Königliches Amtsgericht. Neueste Nachrichten. Petersburg, 28. October. Wie verlautet, ist die in den österreichischen Regierungs- und militärischen Kreise» wegen russischer Truppen-Dislozirungen herrschende Beunruhigung, welche in dem bekannten Artikel des Wiener „Frcmdenblattes" zum Ausdruck ge langte, durch die bevorstehende Dislozirung der kaukasischen Division hervorgerufcn worden. Die Dislozirung derselbe», die bereits im vorige» Jahre in Aussicht genommen war, soll nunmehr durchgcsührt werden. — Dem Fürsten Doudukoff-Korsakoff ist mittelst kaiserlichen Reskripts der Andreasordeu verliehe» worden. Rom, 28. October. Die „Riforma" schreibt: Die Kundgeb ungen der Souveräne und Staatsmänner zu Ehren des Ministers des Auswärtigen, V.Giers, namentlich diejenige» von Berlin, Rom und Wie» haben eine Bedeutung, welche nach der Reise Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm Niemandem entgehen wird, und bestätigen den absolut friedlichen Charakter und die gleichen Tendenzen des Friedeus- bnndes. Indem man GierS in Berlin, Wien und Rom ehrte, wollte inan nicht nur den Beamten für seine langen und treuen Dienste ehre», sondern auch sein trotz mancher gegentheiliger Strömungen zu Gunsten des Friedens vollzogenes fruchtbares Werk anerkennen. Paris, 28. October. Der General Miribcl drückte beim Empfang der Stadtbchörden von Nancy denselben seine Freude darüber aus, zum Commando des VI. Armeccvrps berufen zu sein, nnd fügte hinzu, Nancy möge sich immer seiner Devise: non inultma iiremor (nicht ungerächt lasse ich mich bedrängen) er innern. Der „Figaro" findet dieses Citat inopportun, eine Ansicht, die auch von der Regierung getheilt wird. Potsdam, 29. Oktober. (Drahtnachricht unseres Anzeigers.) Kaiser Wilhelm ist heute früh 7 Uhr 15 Minuten mit Extrazug nach Hamburg abgereist. Politische Rundschau. Chemnitz, den 29. October. Deutsches Reich. Ein Ereigniß, welches allgemein beachtet werde» wird, ist der Empfang der Begrüßungsdeputation der Berliner städtische» Behörden durch Kaiser Wilhelm gewesen. Die Audienz hat eine Wendung genommen, an welche Niemand gedacht hat. Sie beweist, daß der Kaiser eine sehr offene Sprache liebt und auch in Zukunft gewiß nicht hinter dem Berge halten wird, wenn cs darauf an kommt, seine Ucberzcugung kundzuthncn. Die Sache verhält sich wie folgt: Maren von Westerland. Novelle von Reinhold Ort mann. Fortsetzung. Nachdruck verboten. „Bei dem guten Wind werden sie sich beinahe Alle zu weit hinansgewagt haben," meinte Capitän Erichsen, der den Mittelpunkt der Gruppe bildete, „und es wird nicht Viele» von ihnen gelungen fein, noch rechtzeitig »nterzukommen! — Hilf Himmel, was ist das auch für ein Gewitter!" Ein grell aufzuckender Blitzstrahl, der für einen Moment das Meer in meilenweitcm Umkreise mit fahlem und doch blendendem Lichte übcrgoß, hatte ihn zu dem letzten Aus ruf veranlaßt. Und in dem nämlichen Augenblick stieß auch der alte, weißharige Mann, der trotz seines schon ge beugten Nackens auf der am weitesten vorspriugendcn Spitze der Düne stand, einen eigenthümlichcn Ruf aus, indem cr mit ausgestrccktem Arm auf die See hinausdeutetc. Erst als der lang nachgrollende Donner, der mit betäubendem Knattern begonnen hatte, wieder verhallt war, vermochten die Anderen ihn zu verstehen. „Ein Boot!" rief er. „Ein kleiner Kutter mit zerbrochenem Mast! Ich habe es bei dem Ansblitzen deutlich gesehen!" Alle Blicke wendeten sich nach dem von ihm bezcichncten Punkte. Keiner wagte einen Zweifel anszusprcchen, denn auf ganz Sylt wußte jedes Kind, daß Uwe Peterscn ungeachtet seiner Jahre mit seinen zwei unbewaffneten Augen mehr sehen könne, als mancher Andere mit den schärfsten Ferngläsern. Und als nun abermals der dunkle Wolkcnvorhang -erriß, um für eine winzig kleine Spanne Zeit Meer und Himmel in bläulicher Helligkeit aufleüchten zu lassen, da hatten schon mehrere das kleine, augenscheinlich in letzter Nvth mit den Wogen kämpfende Fahrzeug gesehen, und eine hochgradige Aufregung bemächtigte sich der Männer. „Mit Racketen ist da nichts zu machen!" sagte der Eine. „Aber was meint Ihr, Capitän Erichsen? Wollen wir versuchen, mit dem Rettungsboot hinauszukommen?" Der Gefragte schüttelte abwehrend den Kopf. „Ihr könntet ebenso gut geradewegs in die Hölle fahren!" meinte er. „Es ist unmöglich I Hinauskommen würden wir vielleicht, — aber zurück?! Daran ist nicht zu denken!" Um den Kaiser bei seiner Rückkehr zu begrüßen und die Schenkungs urkunde des Begas-Brunnens zu überreichen, begab sich am Sonnabend Mittag 12Uhr die gemischte Deputation des Magistrats, bestehend ans Oberbürgermeister von Forckenbeck. Bürgermeister Dunckcr, den Stadträthe» Bertram, Schreiner, Wiese, Markgraf, den Stadtverord neten Baute, Bernhardt, Dicrsch, Friderici, 1)r. Gersteuverg, Heller, Herbig, Hermann, Locwcll, Michelct, Naumann 11, Kommerzicnrath Röscler, Scheiding, nach dem Schlosse. In den Hohenzollernzimmeru wurde die Stadtvertretnng empfange». Der Kaiser erschien um 12>/z Uhr in der Uniform der Gardes du Corps direkt von der Einweihung der Kreuzkirche und begrüßte die Herren mit einer leichten Verbeugung. Nach der Begrüßung bat Oberbürgermeister von Forckenbeck um die die Erlaubniß der Verlesung der Schenkungsurkunde. Die Adresse lautet: „Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser und König, Allergnädigster Kaiser, König und Herr! Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät bringen wir zur Rückkehr in die Hcimath im Namen der Reichshanptstadt ehrfurchtsvoll den herzlichsten Glückwunsch. Freudiger Festesklang empfing Eure Majestät in den Hauptstädten der be freundeten Fürsten und Fricdensmnsik war sein Widerhall für Europas Völker. In raschem Zuge trug des deutschen Kaiserthrones Erbe den Oel- zweig durch den Welttheil, froherZuversicht voll begrüßen Deutschlands Stämmedas glückverheißende Zeichen. Unsere Stadl abcrfrcut sich der Zeit, da Eure Majestät das ehrwürdige Schloß Hohenzollern zu längerem Aufenthalt wählen, sie erbittet von Eurer Majestät Huld die Erlaub niß, durch einen dauernden Schmuck des Schloßplatzes zu bekunde», wie fest in diesen bedeutungsvollen Tagen hochsiunige Kaiserwortc unsere untcrthänigste Verehrung mit vertrauensvoller Schaffenslust verbunden haben. Ein Brunnen, welchen ein Berliner Meister in reichen, heitere» Formen schuf, fand längst an höchster Stelle den vollen Beifall. Des Künstlers Werk, in Erz und Stein geformt, dorthin gestellt, wo vor des Königs Fenstern sich der geschäftigen Bürger Wege kreuzen, das wollen Euere Majestät von unserer Stadt gnädig entgcgennehmcn als ein Hnldignngsgeschenk von guter Vorbe deutung. Denn wie der Wasserstrahl aus edler Form Erfrischung spendend aussteigt, des Druckes ledig, der ihn in seine Bahnen zwang, so hebt sich des Volkes Sinn aus des Tages Mühen zu ermuthigcn- der Freude an des Vaterlandes hohen Zielen, die ein geliebter Fürst mit fester Hand für Gegenwart und ferne Zukunft weist. Berlin, den 27. October 1888. Eurer Kaiser!, und König!. Majestät allerunter- thänigstc, treugehorsamste Magistrat und Stadtverordnete von Berlin." Nach Verlesung der Schenkungsurkunde erwiderte der Kaiser Folgendes: „Es ist mir eine angenehme Ueberraschung, Sie hier vor mir er scheinen zu sehen, um so mehr, als ich gerade von einer erhebenden Feier zurückkehre, der Einweihung der Kirche „Zum heiligen Kreuz", welche meine,» hochscligen Vater so sehr am Herzen lag. Es würde mir eine große Freude sein, dergleichen Feste recht viele feiern zu dürfen. Sie können meiner Zustimmung zu einer Thätigkcit in dieser Richtung stets gewiß sein." Nach der kurzen Pause fnhr der Kaiser, indem sein Gesicht einen noch ernsteren Ausdruck annahm, fort: „Sie berührten da in Ihrer Adresse meine Reise, welche ich im Interesse des Reiches, im Interesse der Erhaltung des Friedens in ferne Länder unternommen habe; ich muß aber hier bemerken, daß es mich mit tiefer Bctrübniß, zum Theil auch mit Unwillen erfüllt hat, daß in meiner Abwesenheit die Presse in der Hauptstadt meines Reiches sich eines Gegenstandes bemächtigt hat, der nur meine Familie an geht. Jeder Privatmann würde solche Einmischung zurückweisen. Dergleichen Vorgänge müssen die Betheiligten sehr unangenehm be rühren, und ich kann die Herren nur ersuchen, ihren Einfluß in dieser Richtung geltend zu machen." Zum Schluß wurde der Kaiser wieder freundlicher und entließ die Herren mit folgenden Worte»: „Ich habe zu meinem ständigen Aufenthaltsorte meine Vaterstadt Berlin ge wählt und werde mich freuen, den Bürgern meiner Haupt- und Residenzstadt bald nahe zu sein." Nach nochmaligem Danke verließ der Kaiser sehr ernst, mit einer leichten Verneigung, ohne dem Ober- „Es geht nicht!" wiederholten auch die Andere», obwohl man's mehr als einem von ihnen ansah, daß es seinem Seemannshcrzcn bitter wehe that, ein Paar wackere Männer da draußen in ihrem Todesringeu ohne Beistand zu lassen. Aber Capitän Erichsen war nun einmal eine Autorität, der man sich uuterzuordnen Pflegte, ohne viel Widerspruch zu versuchen. Nur ein Einziger war da, der diesen Widerspruch wagte, und das war seltsamer Weise just derjenige, der sich sonst am bescheidensten zurückhiclt und Keinem seine Meinung aufdräugte — Uwe Pcterseu! Während seine Jacke und sein spärliches weißes Haar im Sturmwind flatterten, wandte er sich um und meinte: „Euer Wort in Ehren, Capitän Erichsen, aber ich will mit dem neuen Rettungsboot noch durch eine ganz andere Brandung kommen, als cs die da ist. Und ich denke, wenn wir die da draußen im Stich ließen, wo so viele rüstige Arme da sind, ihnen zu helfen, so wäre es eine Schande, und noch auf unserem Sterbebett müßten wir uns schämen." Ein Gemurmel, das eher wie Zustimmung, denn wie Mißbillig ung klang, ging durch die Schaar der Männer, und Capitän Erichsen runzelte die Stirn. „Seid Ihr mit einem Male so klug geworden, Uwe Peterse», daß Ihr Euch besser auf die See versteht als unsereiner, der sich doch eine gute Weile darauf herumgctricben hat? Das ist eine Weisheit, von der ich freilich noch nichts gewußt habe; aber vielleicht kann man immerhin was von Euch lernen." „Ich bin zu alt, als daß Euer Spott mich kränken könnte, Capitän Erichsen! Aber wenn Ihr auch draußen auf dem Welt meer und an den fremden Küsten hundertmal besser Bescheid wißt, als ich, — hier bei Sylt nehme ich's wahrhaftig noch mit Euch auf. Und ich sage Euch; es ist durchzukommcn, wenn nur ein halbes Dutzend tüchtiger Männer auf den Ruderbänken sitzt." „Und Ihr am Steuer — nicht wahr?" höhnte Erichsen weiter. Aber cr vermochte den Gleichmuth des Alten nicht zu erschüttern. „So lang' kein Besserer da ist — immerhin, Capitän Erichsen! Aber cs ist nicht Zeit zum Streiten und zum Schwatzen! Wo ist die Mannschaft zum Rettungsboot?" „Hier!" und „hier!" klangen ein paar vereinzelte Stimmen, und zwei oder drei jugendlich schlanke Gestalten lösten sich aus dem Haufen. Es war unverkennbar, daß Uwe Petersen's tollkühner Plan mehr und mehr Anhänger gewann. Der überlegene Spott des Ca- bürgermeister die Hand zu reichen und sich die Herren verstellen zu lassen, den Saal. Die Adresse wurde einem Adjutanten übergeben. — Die Berliner Blätter enthalten sich erklärlicher Weise weiterer Bemerkungen, umso mehr wird der Vorfall aber mündlich besprochen. Der Streit, welcher sich aus Anlaß der Tagebuchpublikation und der Herausgabe der Mackcnzie'schen Schrift entspannen hat, war in der That ein sehr unerquicklicher; hoffentlich ist er nun zu Ende. — Die tädtüche Deputation hat beim Chef des Civilkabinets vr. v. LucanuS angefragt, auf welche Angelegenheit der Kaiser mit seinen tadelnden Worten habe anspielen wollen. Der Vorfall bildet fortgesetzt den Gegenstand lebhaftester mündlicher Erörterung in Berlin, weil er seit langen Jahren ganz vereinzelt bastelst. Daß der Kaiser äußerst un willig gewesen ist, unterliegt keinem Zweifel. — Heute Montag reist der Kaiser zu den Zollanschluß-Feierlichkciten nach Hamburg, am Mittwoch zur Grundsteinlegung für das neue Reichsgerichtsgcbände nach Leipzig. — Der Papst hat sich nunmehr selbst über den Besuch Kaiser Wilhelms im Vatikan ausgesprochen. Dem römischen Mitarbeiter des Londoner „Daily Telegraph" sagte er Folgendes: „Ich kau» nicht sagen, daß wir zufrieden, aber auch nicht, daß wir unzufrieden sind. Der Kaiser kam nach Rom, ohne daß wir es wünschten, auch war das Ziel seiner Reise weniger günstig für uns, als für unsere Gegner, die mich gezwungen haben, mich ans diesen Palast zu be schränken, den ich nicht verlassen kann. Meine Würde verbietet es mir. Dieser junge Monarch hat nach seiner Thronbesteigung eine Rundreise an die Höfe Europas gemacht, nnd kam endlich nach Nom» >vo seine Anwesenheit darauf abzielte, die Stellung unserer Gegner zu verstärken, nicht uns nützlich zu sein. Er besuchte mich. Es war ei» Akt der Höflichkeit und ich freute mich, ihn empfangen zu können. Ich hatte ihm Vieles zu sagen, aber als ich meine Rede begann, unterbrach er mich, rief seinen Bruder herein und stellte mir den selben vor. Darnach hatte ich keine Gelegenheit mehr, mich privatim mit ihm zu unterhalte». Ich fand nicht, daß der junge Kaiser seinem Vater gleicht, den ich kannte und liebte, und mit dem ich länger als eine Stunde sprach. Er war ein weiser und guter Fürst, vortrefflich unterrichtet, intelligent und weitblickend. Sein Benehmen war vollkommen. Was er sagte, war immer verständig und freundlich." — Englische Blätter behaupte», der Aufstand der ostasrikanischen Araber sei durch die Handlungsweise der Beamten der deutschen Gesellschaft hervorgerusen. Die Deutschen hätten Frauen beleidigt, Hunde mit in die Moscheen genommen rc. Die vstafrikanische Ge sellschaft erklärte diese Angaben für unwahr. Nunmehr erhebt aber auch das Organ der denlschcn Mission in Ostafrika, gestützt auf den Bericht unserer Missionare, die Anklage, ein Theil der deutschen Be amten hätte die Araber nicht in geeigneter Weise behandelt und da durch die Erhebung hervorgerufen. Einzelheiten werden hier nicht angeführt. — Ans Zanzibar wird vom Ende der vorigen Woche ge meldet, daß der arabische Jusurgentenführer Buschiri in Pangani fast allmächtig ist. Das von britischen Indiern aufgebrachte Lösegeld für die deutsche» Reisenden Meyer und Baumann hat 24,000 M. betragen. In Bogamoyo finden beständig Kämpfe (wohl kleine Scharmützel) zwischen Deutschen und Eingeborene» statt. In Köln hat sich eine große Kolonialversammlung für ein kräftiges Vorgehen gegen die vstafrikauischen Sklavenhändler, womöglich im Einvernehmen mit England und dem Kongostaat, ausgesprochen. Oesterreich-Ungarn. Die Wiener Polizei hatte beim Ein züge Kaiser Wilhelms bekanntlich das Anfhisscn von schwarz-roth- goldenen Fahnen verboten. Die Sache wird nun ihr Nachspiel haben. Im Abgeordnetcnhause hat der deutsche Abg. Weitlof eine Interpellation cingebracht, die um Auskunft bittet, weshalb das Verbot erfolgt sei. Weitlof sagt zur Begründung seines Antrages, die schwarz-roth-goldene Fahne sei nur ein Symbol der deutschen Einheit für die in verschiedenen Staatswesen lebenden deutschen pitäns verkehrte sich Angesichts einer so unerhörten Auflehnung gegen sein bisher unbestrittenes Ansehen in wirklichen Zorn: „Seid Ihr denn toll geworden," rief er, „daß Ihr Euch von dem alten Narren auf geradem Wege in Euer Verderben führen lassen wollt? Mag sein, daß an einem ausgedienten Wrack, wie eS Uwe Petersen ist, nicht gar so viel gelegen wäre; aber ein halbes Dutzend junge, kräftige Männer — dar darf nicht sein! Wißt Ihr denn überhaupt, ob noch ein Mensch auf der armseligen Nußschale da draußen ist? Und wenn cs so wäre, sollen wir wegen irgend eines wildfremden Fischers vier Wittwen und so und so viele Waisen mehr auf Sylt haben? Wenn meine Stimme überhaupt noch ein Gewicht hat bei Euch, so sage ich Euch: das Boot bleibt, wo es ist, und Ihr spart Euer bischen Leben für eine bessere Gelegenheit auf!" Solche Rede aus dem Munde eines erfahrenen Mannes konnte natürlich nicht ohne Eindruck bleiben. Unschlüssig schauten die Männer einander an und hinaus auf das ungestüm tobende Meer Aber in Uwe Pelersen's alten Augen leuchtete es auf wie das Feuer einer jugendlichen Begeisterung, und seine zusammcngesunkcne Gestalt schien sich plötzlich emporzurecken zu ihrer einstigen Straffheit und Kraft. „Wollt Ihr Euch wahrhaft einschüchtern lassen, Jungen?" rief er mit starker Stimme: „Seid Ihr Friesen? Seid Ihr die Söhne Eurer Väter? Nein, sage ich — Memmen seid Ihr! Was wäre aus meiner Maren geworden, wenn Eure Väter damals so besorgt gewesen wären um ihr Leben, wie Ihr! Das war ein anderer Sturm, sage ich Euch, und eine andere Brandung! Und wir hatten kein Boot, wie es jenes ist. Aber wir verloren unsere Zeit auch nicht mit Schwatzen und Redensarten, sondern wir griffen unver zagt zu, und Keiner dachte dabei an sich selbst. Ich sei ein altes Wrack, meint Capitän Erichsen, und es sei nichts an mir gelegen! Wohl, wenn Keiner mit mir kommt, so gehe ich ganz allein hinaus, denn ich will's nicht mehr erleben, daß man sagt, die Friesen auf Sylt seien Memmen und Hasenfüße geworden!" So hatte noch Keiner den alten Petersen sprechen hören, »nd darum traf jedes seiner Worte wie ein Kculenschlag. Er war noch nicht zu Ende gekommen, als die Bemannung des Rettungsbootes schon vollzählig bei einander war, und auf jedem Gesicht war uner schütterliche Entschlossenheit zu lesen. Capitän Erichsen warf dem alten Fischer aus seinen kleinen Augen einen funkelnden Blick zu, und etwas wie ein derber See mannsfluch kam halblaut über seine Lippen. Aber cr war gewohnt
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