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Keitage zum Glbeblatt S. Ein Bergwerk unter dem Meere. Die folgende Beschreibung der Kupferminen im Botalleck, in England, ist einem erst jüngst erschienenen Werke entnommen, welches den Titel führt: „Streifzüge jenseits der Eisenbahnen". In vollständigen BergmannSanzügeu mit irde- nen Lämpchen an ihren Filzhüten waren die Rei- senden auf senkrechten Leitern n»d an tropfenden Felswänden entlang, manche Klafter in die pech schwarze Finsterniß hinabgestiegen: da ruft der Bergmann, der Ihnen als Führer dient, sein Halt! Die eigenthümliche Lage, in der sie sich befanden, wird nun beschrieben: Wir sind nun 400 AardS hinabgestiegen und sind bereit« unter dem Grunde des Meeres! 20 Klafter oder 120 Fuß sind wir unter der Oberfläche des Meeres. Die Küstenfahrer segeln über unfern Häuptern und 240 Fuß unter uns find wieder Menschen, die da arbeiten, nnd selbst unter diesen sind wieder neue Gänge. Dieses Bergwerk ist nicht wie andere Bergwerke unter der Erde, sondern unter dem Meere ausgegraben. Der Bergmann gebot uns jetzt, unS vollständig schweigsam zu halten und aufzuhorchen. Wir ge horchten ihm nnd saßen still; kein Ladt, keine Bewegung. Wer uns gesehen hätte, eingewickelt in unsere kupferfarbige Kleidung, eingeklemmt in eine unterirdische Felsspalte, ein FlämMchen auf unscrm Kopfe brennend, und unsere Kleider in Dunkelheit eingehüllt, er hätte, selbst bei nicht regsamer Phantasie, sich seicht einbilden können, eine Berarhung von Erdgeistern zu erblicken. Nachdem wir einen Augenblick gelauscht hat ten, wurde ein fernes unterirdisches Geräusch schwach hörbar — ein langes, dumpfes, anhalten des Stöhnen — eine Lufterschütterung, die man in den Ohren nicht blos hört, sondern auch fühlt — ein Ton, dessen Ferne, woher er kommt, man nicht berechnen, noch errathen kann -- - von einer unsichtbaren Höhe — für den man in Allein, was droben in der Luft unter freiem Himmel ist, keine Erinnernng findet — ein Ton, so erhaben, ernst und feierlich, so geisterhaft und mächtig, weil in den unterirdischen Winkeln der Erde ge hört, daß wir instinklartig uns ruhig hielte», gleich als ob es uns mit einem Zaubcrbann ge fesselt hätte, und nicht daran dachten, dem Er staunen Worte zu leihen. Zuletzt brach der Führer das Schweigen nnd sagte uns, daß das Geräusch, welches wir' hörten, von der Brandung entstehe, die 120 Fuß über uns an den F l'en schlage, nnd von den Wogen, die sich an das Ufer wälzen. Die Fluth ist jetzt im Steigen und die See sei nicht in starker Be wegung; darum klinge der Schall tief und ferne. Aber wenn die Stürme ihr Höchstes erreicht, wenn der Ocean Wasser gegen die Klippen schleudert und thürmt, dann ist, sagte uns der Führer, das Geräusch entsetzlich; das Brausen und Dröhnen, welches hier in dem Bergwerk schallt, ist so über wältigend, daß die verwegensten Arbeiter sich fürchten, bei ihrem Werke zu hleiben. — All« steigen hinauf, um die obere Luft zu athmen und aus fester Erde zu stehen; sie zittern, daß das Meer jene Scheidewand durchbrechen und auf sie stürzen würde, obwohl noch nie ein solches Un glück eingetreten ist. Wir lenkten bei dieser Erzählung unwillkür lich unsere Blicke nach der Decke über unfern Häuptern. Sie war hoch genug, um aufrecht stehen zu können. Indem das Licht unserer Lam pen bald hierin, bald dorthin flackerte, konnten wir das breite gediegene Kupfer sehen, das den Gang in jeder Richtung durchstreicht. Schlam mige grüne Klumpen, lebhaft schillernd, von ei nem natürlichen Netz jener rothcn Eisenadern durch schnitten, blickten hier und da in unregelmäßigen Stücken hervor; an ihnen sickerte an einigen Stellen das Wasser langsam und gleichförmig herab. Es ist Salzwaffcr, welches durch unsicht bare seine Spalten im Felsen sich durchdrängt. An stürmischen Tagen fließt cS reichlicher und strömt sogar mit Heftigkeit in dünnen, aber an haltenden Strahlen hervor. Gerade über unfern Köpfen bemerkten wir eine» hölzernen Pflock, etwa von der Dicke eines Mannesschcnkels; es ist ein Loch dort, und der Keil ist Alles (?), was man angcwendet hat, das Meer vom Eindringen abzuhalten. Ungeheurer Metallreichthum ist in der Decke dieses Ganges, in seiner ganzen Ausdehnung, enthalten; aber sie bleibt nnangetastet, denn die Bergleute wagen nicht, ihn loszubrechcn. Sie bildet den größte» Theil des Eisens, der einzig nnd allein Schutz gegen das Meer gewährt, und sie ist bereits so weit weggearbcitet, daß durch schnittlich »nr eine Schweidcwaiid von 6 Fuß Dicke zwischen dem Meere und dem Gange bleibt. Niemand weiß, was folgen möchte, wenn man mit der Haue nur einen Tag eine Stelle der Decke bearbeiten würde