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Mrste; im Großen und Ganzen ist jedoch eine Verständigung «zielt. — Nachdem in Nordhausen eine Volksversamm lung Wider daS Branntwein-Monopol-Projekt protrstirt hatte, «saunten die dortigen städtischen Körperschaften vorgestern eine Kommission von 11 Mitgliedern zur Ausarbeitung der Petition, betreffs Abwehr des Brauntwein-Monopols. — In Dessau hat am Montag eine Gedenkfeier im Geburtshause deS vor hundert Jahren verstorbenen Philosoph« Mendelssohn und Festgottesdienst in der Synagoge stattgefunden, welchem die herzoglichen Herrschaften beiwohnten. Zur Zeit beschäftigt man sich in Oesterreich niit der Prüfung eines von dem Obrringenieur der Kaiser Ferdinand- Nordbahn Mannlicher konstruirten Repeticgewehrs. Das neue Gewehr, welches angeblich alle Aussichten hat, für die Be waffnung des Heeres und der Landwehr angenommen zu werden, kostet mit Einschluß der Nebenbestandtheile, sowie der pro Stück entfallenden Taschen- und Reserve-Munition zusammen beiläufig fünfzig Gulden. — Im wiedereröffneten böhmischen Landtage wird dos Landesbudget diesmal nach dem Muster des Staatsvoranschlages ausgearbeitet Bei dem Kapitel .Schulwesen" ist man auf heftige Angriffe gegen den deutschen Schulverein gefaßt. An energischer Erwiederung wird es nicht schien. Der böhmische Landtag wird am 18. Januar ge schloffen. — Am Montag verwies der galizische Landtag die Kommissionsanträge zu dem Romanczuk'schen Schulantrag (Errichtung ruthenischer Parallelklaffen an deutschen öffentlichen Schulen und Errichtung ruthenischer Gymnasien) an dm Schul- auSschuß zurück, nachdem der Stanislauer ruthenische Bischof Peleß in einer sehr versöhnlichen und mit großem Beisall ausgenommenen Rede die thunlichste Berücksichtigung der Wünsche der Ruthenen empfohlen hatte. Wie aus Rom berichtet wird, geht man in den politischen Kreisen Italiens über den Protest der Pforte gegen die Annexion Maffauahs mit Stillschweigen hinweg und mißt demselben keine Wirkung bei. Wahrscheinlich wird jede Beantwortung der Protestnote unterlassen werden. — Bei der Freilassung des zum Deputirten Pavias gewählten Professors Sbarbaro spannten die Römer die Pferde seines Wagens aus und zogen den letzteren selbst nach der in TraStevere gelegenen Wohnung des Professors. Dcktt sprach Sbarbaro die tausendköpfige Versammlung an, um das baldige Ende der Mißwirthschast Depretis' und den Sieg der öffentlichen Sittlichkeit in einem Ministerium Cairoli- Zanardelli anzukündigen. Er würde seine Philippika noch lange fortgesetzt habm, wenn der dienstthuende Polizei- kommiffar nicht die dreifarbige Schärpe angelegt und dem Redner im Namm des Gesetzes Schweigen geboten hätte. Freycinet theilte dem Präsidenten der französischen Republik mit, daß er die angebotene Ernennung zum Konseil- präsidmten annehme und hoffe, baldigst die Liste seiner Kollegen unterbreiten za können. Goblet, Carnot und Sarrim werdm in das neue Kabinet Freycinet eintretm. Grsvy willigte ein, beim Zusammentritt der Kammern eine Botschaft zu erlassen, worin eine Art Regierungsprogramm ausgestellt wird und die Republikaner zur Einigkeit ermahnt werden. In der spanischen Deputirtenkammer ist es am Montag zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den ehemaligen Minister- kollegrn CanovaS, Robledo und Silvelas gekommen, wobei die jetzt am Ruder befindliche Partei sich neutral verhielt. Das Zerwürfniß innerhalb der konservativen Partei ließ aber zu nächst keine glatte Erledigung der vorliegenden Arbeiten er- wart«, weshalb der Ministerpräsident Sagasta am Dienstag in der Deputirtenkammer, wie im Senat ein Dekret verlas, durch welches die Sitzungen der KorteS suspendirt werden. Ein Rundschreiben der Minister Salisbury und Hicksbeach verkündigt ihren konservativen Parteigenossen, daß das eng lische Parlament am 12. d. M. zur Wahl des Sprechers und zur Vereidigung der Mitglieder zusammentreten und daß die Verlesung der Thronrede am 21. Januar erfolgen werde. — Die englische Presse erblickt mit sichtlicher Bcsriedigung in der Annexion des Königreichs Birma den Beweis, daß über diese Frage ein Abkommen mit China bereits erzielt ist; all gemein wird angenommen, daß ein Theil des unmittelbaren und mittelbaren birmanischen Gebiets an China abgetreten wird. Am letzten Freitag fand in Rangun eine Truppen parade statt, bei der in Gegenwart einer großen Anzahl Ein geborener die im Namen der Königin-Kaiserin von Lord Dufferin erlassene Proklamation, welche die Einverleibung von Ober-Birma in das britische Reich ankündigt, zur Verlesung gelangte. Allgemeine Billigung findet auch die Verhaftung des Tynedah Mengyen, d. h. des ersten birmanischen Ministers, der unter dem Verdachte, den Guerillakrieg der Dacoits an gestiftet zu haben, nach Rangun in's Gesängniß gebracht wurde. — Neueren Nachrichten zufolge haben die Dacoits 24 eng lische Meilen von Mandalay entfernt drei Europäer getödter. — Die letzte, der englischen Regierung aus dem Sudan zu gegangene Depesche besagt, die Aufständischen hätten sich weiter zurückgezogen; in Kaibar befänden sich nur noch Nachzügler. Nach den in« arabisch« Lager ausgefundenen Angaben besteht die Streitmacht der Aufständischen aus nahezu 11000 Mann. Die an den General Stephenson ergangene Weisung der eng lischen Regierung, die Verfolgung der besiegten Rebellen zu unterlassen und seine Truppen weiter nordwärts zu konzen- triren, erscheint unter den obwaltenden Umständen schwer erklärlich. Der Kaiser von Rußland ernannte den bisherigen Gouverneur von Archangel, den wirklichen Staatsrarh Pascht- schenko, an Stelle des Herrn von Lilienfeld, der vor Kurzem seinen Abschied nahm, zum Gouverneur von Kurland. Die Verwaltung der Ostseeprovinzen wird neuerdings systematisch mit Vollblut-Ruffen besetzt. König Milan von Serbien ist am Montag Nachmittag wieder in Belgrad cingetroffen und dort von der Königin, den Ministern, den Gemeindevertretern, den Spitzen der Be hörden und einer zahlreichen Menschenmenge am Bahnhofe empfangen worden. In Erwiederung auf die Ansprache des Gemeinde-Acltcsten dankte der König für die Opserwilligkcit der Bürgerschaft und fügte hinzu, er erwarte, die Bürgerschaft werde auf dem betretenen Wege ausharren, damit das Ansehen und das Staatsintercsse Serbiens gewahrt bleibe. Die Worte des Königs wurden mit enthusiastischen Ziviorufen ausgenommen. Die Stadt Belgrad war festlich geschmückt. Der mit dem König gleichzeitig eingetroffene serbische General Horvatovich wird demnächst sämmtliche Truppen des Landesinnern inspizircn. Bezüglich des Ortes der Friedensverhandlungen ist bis jetzt mit Bulgarien noch keine Einigung erzielt worden. Oertliches. Freiberg, den 7. Januar. — Ueber die Anwesenheit Sr. Majestät deS Königs Albert beim 25jährigen Rcgierungsjubiläum des Kaisers als König von Preußen schreibt man von Berlin aus der „Magd.Ztg.": „Ganz besonders warm und herzlich berührte bei Hofe und auch in weiteren Kreisen der Stadt die Ueberraschung, welche der König von Sachsen durch seinen unangemeldeten Besuch unserem kaiserlichen Herrn bereitete. Es waren, wie bekannt, um das Gepränge der Feier so viel wie möglich einzuschränken und die Gesundheit des königlichen Greises zu schonen, Ein ladungen nur an die nächsten Anverwandten ergangen, von regierend« Fürsten nur an des Königs Schwager, den Groß herzog von Weimar, und an des Königs Schwiegersohn, den Großherzog von Baden. Der König von Sachsen hütete sich, durch vorzeitige Ansage seines Erscheinens in Berlin die An ordnungen bei Hofe zu durchbrechen. Erst am Sonntag früh' erhielt der Gesandte Sachsens in Berlin die telegraphische Meldung, sein königlicher Herr werde um die und die Stunde inkognito und im Zivil mit dem fahrplanmäßigen Zuge auf dem Anhalter Bahnhofe erscheinen. Er machte davon bei Hofe vertraulich Anzeige und die Freude unseres Kaisers war groß, als er den sächsischen König und Kriegsgefährten im Palais begrüßen konnte. Eigentlich wollte der Letztere, nachdem er seine Glückwünsche dargebracht, sofort mit dem 2 Uhr-Zuge wieder nach seiner Hauptstadt zurückfahren. Die dringenden Bitten des Kaisers, der König möge den festlichen Tag wenigstens bis zum Abend im Schooße der kaiserlichen Familie verleben, hinderten die Ausführung dieses Vorhabens und der König von Sachsen verließ Berlin erst nach 9 Uhr Abends. In der Stadt war sein Hiersein erst Nachmittags da und dort bekannt ge worden, namentlich vom Palais der sächsischen Gesandtschaft aus in der Königgrätzer Straße, wo sich mehrmals Menschen gruppen ansammelten, um dem verehrten Gaste unseres greisen Herrschers Huldigungen darzubringen, welche übrigens, da man seiner nicht ansichtig ward, soviel ich weiß, unterbleiben mußten." — Das Befinden Sr. kgl. Hoheit des Prinzen Georg ist wieder ein besseres, so daß der hohe Patient am Dienstag das Bett verlaffen konnte. Vor einigen Tagen, als die Krankheit einen ernsteren Anschein hatte, war auch Herr Professor Wagner aus Leipzig zur Konsultation herbei gerufen worden. — Die Kgl. Amtshauptmannfchast veranlaßt die Herren Gemcindevorftände ihres Bezirks, bis zum 23. d. M. über den Stand des Ziehkinderwcsens, die Art und den Erfolg solcher Kinder, Anzeige anher zu erstatten, oder nach Befinden Vakatscheine einzureichen. — Ferner macht die Kgl. Amts hauptmannschaft bekannt, daß das Kgl. Ministerium des Innern das im Jahre 1880 aufgestellte Normalregulativ sür die Untersuchung des Schweinefleisches auf Trichinen einer Revision unterzogen hat. Exemplare des revidirtcn Regulativs können von denjenigen Ortspolizeibehörden, welche die obligatorische Trichinenschau in ihren Bezirken einzusühren gedenken, von der Kanzlei der Kgl. Amtshanptmannschaft beziehen. — Die Gemeindebehörden, die Gutsvorstände, sowie die Vorstände der Orts- und Betriebs-Krankenkassen bez. Hilfskassen des hiesigen Verwaltungsbezirkes werden veranlaßt. Schuldbeladen. Original-Roman von Julius Keller. 31. Fortsetzung. Nachdruck verboten. In dessen Antlitz aber regte sich nichts — er schien die Mitteilung des Freundes überhört zu habm. — Adele stieß «in leichte-, etwas schrilles Lachen aus und antwortete Holm auf eine Frage, derm Sinn sie gar nicht verstanden hatte. „Apropos, lieber Holm," wandte sich plötzlich der Haus herr an diesen, „— haben Sie die heutige Abendzeitung schon gelesen?" „Ein Abendblatt? — nein." „Dann wissen Sic noch nichts — von der sensationellen Nachricht, welche gewiß durch alle Journale die Runde machen und namentlich für Sie von Interesse sein wird?" „Nein, nicht dos Geringste. — Was ist dmn geschehen?" „Hm — hm — ich hätte eigentlich gerade beute Abend nicht davon sprechen sollen, aber da ich es unbedachter Weise einmal gethan habe, so kann ich nicht mehr zurück. — Dmken Sie nur, der schändliche Mensch, welcher seinen eigen« Vater, Ihr« Onkel, ermordete, Walter Barthold, ist aus Rauden- stein auSgebrochm und entflohen!" Eugen Holm starrte den Kaufmann an, als habe derselbe ihm etwa- Unfaßbares, Unbegreifliches mitgetheilt. „Ent floh«?" fragte er mit verhüllter Stimme, „nicht möglich!" „ES ist eine durchaus richtige, amtlich beglaubigte Nachricht." „Und — man hat ihn nicht wieder — eingesangen?!" „Nein, bis jetzt fehlt jede Spur des Flüchtlings." Eugen war sehr blaß geworden, die Nachricht schien ihn außerordentlich zu erregen. Aber dieselbe rief nicht allein auf ihn diesen Eindruck her vor — auch im Antlitz von Bernhard Claus spiegelte sich eine große Ueberraschung. „Walter Barthold entfloh«," sagte er mit seltsam be fangener, seine Erregung deutlich verrathmder Stimme, „das ist in der That überraschend." Mit großem Erstaunen beobachtete ihn Adele. Was küm merte ihn das Schicksal des Verbrechers? sie wußte ja nicht, daß die Gedankm des von ihr geliebt« Mannes bei dem Weibe des Entflohenen weilt«, daß jener in diesem Augenblick fein ganze- Denken und Empfinden galt! „Ich habe nicht geglaubt, daß die Nachricht einen so groß« Eindruck aus Sie machen wird, lieber Holm," sagte Rogall betroffen, „Sie sind ganz blaß geworden! Sieh' nur, Adele, da erkmnt man so recht das weiche Gefühl!" „Wissen Sie nichts Näheres über diese Flucht, über den Flüchtling?" fragte Eugen, indem er hastig aufstand und zu dem Kaufmann trat. „Wenn Sie die Nachricht lesen wollen —" „Lesm Sie vor, ich bitte," bemerkte Bernhard schnell, „auch ich interessire mich für diesen Fall." „Nun, wenn Sie wünsch«, meine Herren, dann bin ich gern bereit," entgegnete Rogall, das Zeitungsblatt aus seiner Brusttasche ziehend. Hierauf räusperte er sich einige Male und begann zu lesen: „Unsere Kriminalpolizei ist augenblicklich in größter Thätig- keit, um einen vor wenigen Tag« aus dem Zuchthause Raudcn- stein entwichen«, gemeingefährlichen Verbrecher wieder aufzu spür« und dingfest zu mach«. Der Flüchtling ist der vor neun Monaten zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurtheilte, ehemalige Kaufmann Eberhard Karl Walter Barthold, welcher des Mordes an seinem eigenen Vater, dem Rentier Heinrich Barthold, überführt wurde und während der Untersuchung und Verhandlung durch sein freches und störrisches Betragen allgemeines Aufsehen erregte. Wie wir hören, hat der rasfi- nirte Verbrecher, ein durch Leichtsinn und Arbeitsscheu gänzlich heruntergekommenes Individuum, seine Methode hartnäckigen Leugnens auch im Gesängniß fortgesetzt, im Uebrigen sich da selbst aber so gut geführt, daß man ihm bereits vor längerer Zeit die Kettm abgenommen hatte. Auf welche Weise der Mörder aus der im zweit« Stockwerk gelegenen Zelle entkam, ist noch nicht ganz aufgeklärt, doch glaubt man annehmcn zu dürfen, daß die Hauptschuld daran den betreffenden Schließer und Wärter der Zelle, ein« altersschwach« Mann, trifft. Da nämlich in der Fensteröffnung der betreffenden Zelle die Eisen stäbe fast gänzlich beseitigt sind und zur Ausführung dieser Arbeit mehrere Tage Zeit nöthig sein mußten, so ist man schon aus diesem Grunde gezwungen, eine grobe Pflichtverletzung des Beamten anzunehmen, indem derselbe doch unbedingt die selt same Beschäftigung des Verbrechers und deren Folg« hätte be merken müssen. In dem ganzen Wesen des scharf beobachteten und inquirirten Schließers verriethmsichdeutlicheSpurenvon Schwach sinnigkeit und Altersschwäche, so daß er fast den Eindruck eines Idioten machte. Da sein währmd dreißig Jahr« bewährter außerordentlicher Diensteifer, seine Pflichttreue jeden Verdacht gegm ihn ausschließ«, so hat man sich damit begnügt, ihm augenblicklich seine Entlastung zu geben. Der alte Mann soll nach Entgegennahme dieser Mittheilung so merkwürdige und wirre Redensarten geführt haben, daß seine Vorgesetzten be fürcht«, er werde sein Leben im Jrr«hause beschließen müssen. — Ueber die eigentliche Ausführung der Flucht fehlen bestimmte Anhaltspunkte, da man keine Erklärung dafür zu finden ver mag, woher der Verbrecher das zu seiner Arbeit nöthige Werkzeug, sowie den Strick — falls er mittels eines solchen entsprungen — gmommen haben könnte. Wohin der Flüchtling sich gewendet, ist noch gänzlich unaufgeklärt, da jede Spur von ihm bis jetzt fehlt. Wenn man unserem Rathe folg« würde, so machte man sich vor Allem die strengste und schärfste Be obachtung der Frau des Verbrechers, welche sich, wie wir glauben, in dieser Stadt aushält, zur Pflicht, es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, daß der Verbrecher dieselbe aufsucht, um seine Flucht gemeinsam mit ihr fortzusctzen oder durch sie ein vorläufiges Unterkommen zu finden." „Das ist Alles," sagte Rogall, indem er das Zeitungsblatt sinken ließ, „Sie werden mir zugestehen, daß diese Nachricht wirklich sensationell ist." „Ja — das ist sie in der That," antwortete Eng« Holm, indem er sich niedersetzte und den Schweiß, welcher in großen Tropfen auf seiner Stirn stand, trocknete. „Ich muß offen gesteh«, daß sie mich aufregt — ja, in Bestürzung versetzt." „Das merkt man Dir an, Eugen," sagte Franz Rogall, den Freund kopsschüttelnd betrachtend. „Warum echausfirst Du Dich aber darüber so außerordentlich?!" „Warum? — Mein Gott! Weil ich den arm« Menschen aus vollstem Herzen bedauere! Vergeßt nicht, daß er mein Vetter ist, mit dem ich gemeinsam meine Jugmd verlebte und an besten Schuld zu glauben mir harte Kämpfe und große Ueberwindung gekostet hat." Ein Verbrecher, der ausbricht, der entweicht, lieber Freund," meinte Rogall, „bestätigt seine Schuld!" „Sagen Sie das nicht!" rief Bernhard Claus mit einer Lebhaftigkeit, die allgemein auffallen mußte, „auch diese Be hauptung ist hinfällig! Wir versteh« die Lage eines Menschen, der ohne jede Aussicht auf Rettung — ohne ein Ziel seiner Gcsangmschaft zu seh« — eingekerkert ist — nicht zu beurtheilen. Muß er nicht schließlich zu einem Gewaltmittel greif«, um die Freiheit zu erlangen, oder um Diejenigen, welche er liebt, an welchen sein Herz hängt, wieder zu seh«?!" „Dieser Herr Barthold ist ein Zauberer," bemerkte Adele mit spöttischem Zucken ihrer Lippen, „er vermag es, selbst Sie in einige Erregung zu versetz«!" Sie wollte lachen, aber es gelang ihr nicht. Sie preßte die Hand aus's Herz, um das stürmische Pochen desselben zu unterdrück«. — Wie schön, wie interessant, wie imponirend sah doch Bernhard aus, wenn er in solcher Weise sprach! „Mich interesfirt das Schicksal dieses Mannes," entgegnete Bernhard mit erzwungener Ruhe, während seine Gedankm unausgesetzt bei Hedwig weilt«, „ich hatte Gelegenheit, der Verhandlung beizuwohnen und kenne auch sein schönes, junges Weib." „Wie, Sie kenn« Hedwig Barthold?" fragte Eugen schnell, indem er sich hastig erhob und zu Bernhard trat, dem sich jetzt Aller Augen zuwendeten. „Es ist ein schönes und junges Weib, sagen Sie?" kam eK in spöttelndem Tone über Adelens Lippen. „Ja, gnädiges Fräulein, jung und schön, und viel zu gut, zu edel, als daß man sie des Verdachts, meinethalben auch der auf ihrem Manne lastenden Schuld wegen, cbmfalls ver achten könnte." „Ah, ah," rief Max Rogall scherzend, „Du bist ja ein ganz mragirter Vertheidiger dieser Frau!" „In der That — ein begeisterter Vertheidiger," bestätigte Adele, während ihre Blicke mit einem unbeschreiblichen Ausdruck auf Bernhard hafteten. „Ich leugne durchaus nicht, daß ich dies bin," sagte Jener mit festem Ernst, „und ich werde Hedwig Barthold Vertheidigen, wo immer man mit Verachtung über sie spricht, oder ihr« Charakter anzweifelt!" (Fortsetzung folgt.)