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e« aber wundern, wenn und der Italiener wartitl ließe. Bis jetzt sehe ich noch keine Spur von ihm," erwiderte der mit „Arthur" Angeredete. „Dazu scheint er doch nicht der Mann zu sein," «er setzte Graf R .... ski, während er abgestiegen war und die Nässe von seine« Mantel abschitttelte, »a« von den Uebriaen allgemein nachgeahmt wurde. Auch in der Mühle war es bereits lebendig geworden. Her wohlbeleibte Eigenthümer derselben, mit merklich ge- »Stheten Augenliedern, stand schon. sich mehrere Mal« ver neigend zum Empfang« an der Hausthüre bereit. Auch ge wahrte man im Schatten ihres Vaters das von Arthur er wähnte Fiekchen, da« bet jedesmaliger Beugung ihres Va ters deutlicher sichtbar, mit schnellem Blicke die Art und die Zahl der frühen Gäste erforschte. Im Begriffe, sich dem Eingänge der Mühle zu nähern, blieben di« Fremden an der unteren Staffel der Treppe plötzlich horchend stehen. Wirklich hörte man auch in ge ringer Entfernung den Hufschlaa eines m starkem Trabe sich nähernden Pferde« und das Rollen eines Wagens. Der Graf und seine Begleiter wandten sich der Stelle zu, wo her der Schall kam. „Er läßt nicht warten," sagte Graf N . . . . Ski, «Nd blieb mit seinen Begleitern vor der Mühle stehen. Die neu Ankommenden waren Niemand anders, als der Italiener in Gesellschaft eines französischen Kavallerie- Offizier« ; letzteren hatte er vielleicht gewählt, um seine SattSfactionsfähigkett außer allen Zweifel zu stellen. Sie kamen in einem leichten. Cabriolet, mit einem Pferde be spannt, welches der Italiener selbst leitete. Auf seinen Gesichtszügen war derselbe Ernst, aber auch dieselbe Ruhe zu lesen, welche man am vorigen Abend in den Sälen des Kurhauses schon beobachten konnte. Der Italiener näherte sich dem Polen und seinen Be gleitern mit kalter Höflichkeit, sein längeres Ausbleiben mit dem Ordnen einiger unabweißlichci, Geschäfte entschul digend. „Gewiß," endete er, „gebührt jedoch Ihren Pferden ein großer Tbeil dieser Schuld, denn wie ich sehe, verleug nen sie ihr Vaterland nicht und bewähren den alten Ruf. der ihnen gebührt." „Sie dürften nicht ganz Unrecht haben," erwiederte Graf N . . . . ski lächend; „denn jener Schimmel," sagte er, auf einen Vollblut zeigend, „wurde gewiß von meinem Onkel sorgsamer gepflegt und gehegt, wie manches Schooß- kind von der sorgsamsten Mutter; er thut aber auch seine Pflicht in jeder Beziehung." Rach einigen weiter hingeworfenen Redensarten, wie sie «ine solche Situation zu erlauben pflegt, traten die Zeugen zusammen, um die gehörigen Maßnahmen zu be sprechen. Es wurde die Schußweite auf fünzehn Schritte bestimmt, und von beiten Parteicien unbedingt angenom men Nur auf dem Marmorgesichte des Italieners zeigte sich ein Zucken um die Mundwinkel, wie Wehmuth; doch war es nur ein Zucken. Dann mit einem Schritt gegen den Pole», sagte er mit einer eisigen Kälte: „Mein Herr, ich füble mich gedrungen, bevor wir einen ernsteren, nicht mehr zurückzunehmcnden Schritt lhun, ei nige Worte an Sie zu richten; wollen Sie sie von mir annehmen?" „Ließe sich dieses nicht verschieben, bis wir unser Vor haben beendet hätten?" antwortete fragend Straf R.... ski, wicht ganz ohne Ironie. „Wie Sie wollen," erwiderte der Italiener, indem er zurücktrat und eine dunkle Nöthe die fahle Farbe seines Gesichts durchbrach. Die Zeugen hatten währenddem bald eine» passenden Platz gefunden. Der Raum war bemessen, so wie die Waffen geprüft und in Ordnung. Unter zwei Hüte wur den zwei verschiedenfarbige, zusammengervllte Tücher gelegt, um als Loose dem Zufall die Entscheidung des erste» Schusses zu überlassen. Die Gegner traten jetzt Hinz»'und wählten; der Italiener erhielt da» weiße Tuch und mit de« selben — den ersten Schuß. Mit unverglcichlicher Ruhe trat er auf den ihm ange wiesenen Platz; auch der Pohle nahm den seinigen mit heiterer, unbekümmerter Miene ein. Abermals stieg einen Moment jene dunkle Röthe auf dem Angesichte des Italieners und die starke blaue Ader seiner Stirne trat angcschwollen hervor. Er hob die Waffe gegen seinen Gegner, der mit festem Auge die Bewegung verfolgte, dann dem Saufe plötzlich eine andere Richtung gebend, zielte er eine Sekunde aus das Junge einer Glucke die ihre Küglein in dem Unterholz der angränzenden Wal dung herumführte. Der Schuß fiel und eines jener Thier- chen regt« sich nicht mehr. „Was soll das?" fragte der Graf zornig; „wir wol len hier keine Kunststücke aufführen, — oder hegen Sie gar den Wahn, mich dadurch in Furcht zu setzen? — Schießen Sic noch einmal, oder ich schieße Sie nieder!" „Der jetzige Schuß ist der Ihrige," sagte der Italiener trocken; „den ersten gab mir der Zufall, den zweiten werde ich im Fall zu benutzen wissen; — schießen Sie jetzt!" „Ich verachte Ihre prahlerische Großmuth." erwiderte der Pole. „Schießen Sie noch emmal, oder Ihr Bedauern dürfte zu spät kommen!" „Schießen Sie, Herr, der Schuß ist ihnen," versetzte der Italiener in einem Tone, der durch Worte nicht wieder zugeben ist. aber bei jedem der Bctheiligten eine Unbehag- ligkeit hervorrief. Der Graf, ohne ferner eine Sylbe zu sprechen, schlug an — der Schuß fiel. Aller Augen richteten sich auf den Italiener. Er hatte eine Bewegung nach der linken Seite gemacht und von der Schulter dieser Seite sah man das Blut herabrieseln. Die Sekundanten eltcn hinzu; auch der Graf 8t .... ski beeilte sich, nicht zurllckzublcibcn. Der Italiener wehrte Erstere ab, welche ihm bekülflich sein woll ten. und reichte dem Polen die versöhnende Hand, welche dieser auch mit unverkennbarer Achtung und Herzlichkeit ergriff. iv. In einem freundlichen Saale des unteren Geschosse» der Drahtmühle angekommen, trafen , die Gäste, nachdem noch im Freien die leichte Wunde des Italieners besorgt worden war, schon mehrere Hausbewohner mit der Vorbe reitung eines splendiden Frühstücks beschäftigt. Auch Fiekchen war sehr thätig dabei und schien für nichts weiter Sie zu haben, als für das richtige Ordnen der Tafel. Dennoch würde es einem Beobachter nicht allzu schwer gefallen sein, einige vertraute Winke zu bemerken, die mit einem jungen Manne der Gesellschaft, Namens Arthur, öfters ausgetauscht wurden. Nebrigens zeigte die genaue Ortskunde der Be gleiter des Grafen, datz diese nicht zum ersten Male hier ihr Absteigequartier genommen. Auf diese Art, wie Arthur, oder auf eine andere unterhielten sich auch die übrigen Gäste scherzend mit Dem, was der Zufall ihnen im Mo mente dazu darbot. Noch bciterer und lebendiger wurde aber die Unter haltung während dem gemeinsamen Frühstücke, wozu der Saft mancher edlen Rebe nicht weniger dazu beitrug, als Geist und Witz. Selbst der ernste, sonst so schweig same Italiener zeigte nicht allein, daß er ein sehr guter Gesellschafter sein konnte, sondern auch in den heitern Ton der Uebrigcn, welche meistens in dem Mai des Lebens stan den. ohne Mißklang mit einzustimmen wußte, ohne irgend den Kreis, den ibm seine Jahre, Erfahrungen und die Eigenthümlichkeit seines Charakters anwiesen, z» überschrei ten. Auch der Himmel schien dieses versöhnende, heitere Mahl begünstigen zu wollen, denn die sich zu Wolken ge- thürmten Nehelichichten wurden von der Sonne, dem Keime alles Lebens, durchbrochen und die Strahle» dieser Tages- Königin schossen über die Bergkuvpen ins Thal herab. (Fortsetzung folgt.) Redaction, Druck und Verlag von E. F. Grell mann.