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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.04.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020430029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902043002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902043002
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-04
- Tag 1902-04-30
-
Monat
1902-04
-
Jahr
1902
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t«q leown di* focialdemokratlfche« Mitglieder «ege» der auf diese» Lag fallenden Maiseier Einspruch «in, dem auch (wie schon ge- meldet) Rechnung getragrn wurde, obwohl eS der nationalliberale Abg. Franken al« groben Unterschied bezeichnet hatte, ob die Centrumsabgeordneten wegen eines kirchlichen Festet den AuSs«V einer Sitzung wünschten, oder ob hier auf einen soctaldemokrattschen Feiertag Rücksicht genommen werden soll. Die nächste Sitzung findet am Mittwoch statt. Militär uu- Marine. * Riel, SS. April. Die Beschädigungen de« Linienschiffes „Kaiser Wilhelm der Große" sind erheblicher, als aasangs anaenomm/n wurde. Die Reparatur ersordert 8'/, Wochen. Das Schiff gükt »rst am 18. Mat nach Irland, um mit dem Geschwader zusamrwtizutreffen. (B. T.) ^Bezüglich der Zusammensetzung der französische« Luft- schAerabtheilungen hat der krtegSminister bestimmt, daß Mannschaften aller Waffen und Dteustpusrn sowohl der aktiven v>e der Reserve- und der Territorial - Armee zuzulassen sind, chfern sie ein Lustjchiffer-Besähigunqszeuaniß ausweisen können. Zur Ausstellung dieses Zeugnisses ist aurschließlich eine Commission von süns Oistcierrn der Genietruppen unter dem Vorsitz eine« Obersten derselben Waffe befugt; die Prüfung-- gegenstände sind Geographie, Meteorologie, Topographie und Aeronautik. — Gleichzeitig wird bestimmt, daß die Luftschifser- station in Toulon regelmäßige Uebungeu an der Küste und auf offenem Meere unter Leitung de- Schiffsleutnants Baudie vorzu nehmen haben wird. Die ärostatischrn Versuche mit dem sogenannten Marine-Lustballon sollen demnächst beginnen. Kunst un- Wissenschaft. Literatur uud Theater. Neue- Theater. Leipzig, 30. April. Es mögen ungefähr drei Decennien her sein, seit DumaS üi8 seinen Roman „l/ullairs OI-wsoesLu" schrieb. Er halte ein Pariser TageSerergniß darin zu Grunde gelegt. Ein Künstler hatte seine Frau gelövtet, weil sie ihn betrogen batte, und die Geschworenen sprachen ihn als den Rächer seiner Ehre frei. Nach dem Dirnenroman Dumas' hat nun, und das ist vielleicht auch schon ein Decennium her, Armand d'ArtoiS eio fünfactigcS Schauspiel verbrochen, das weiter keinen Zweck hatte, als in der Isabella DvbronowSka einer Pariser Schauspielerin, die damals schon im Voraus dafür bestimmt war, eine Paraderolle zu schaffen. Das Drama arbeitet nur mit groben Mitteln und ist iu allen seinen Acten auf den äußeren Effect berechnet. Von dem Ingenium deS jüngeren DumaS ist sehr wenig darin zu spüren. Nur einzelne Gedankenblitze im Dialog sind Wohl auf seine Mitarbeiterschaft zurückzuführen. „Der Fall Clömenceau" macht den Eindruck eines dramalisirten Hintertreppenromans, und wir wissen es Frau Franck nicht gerade Dank, daß ihr Gastspiel unS daS bereit- abgespielte und halb vergessene Stück wieder auf die Bühne rief. Freilich, die Rolle der Iza, mit der daS Stück steht und fällt, reizt zur Darstellung, wenn eine Künstlerin sich zu den Beauties rechnen kann, und eine verführerische, pikante Erscheinung durch einen glänzenden Toiletten-LuxuS noch zu heben ver mag. Die Iza ist durch und durch Dirne! Selbst ihre leidenschaftliche Hingabe an Pierre, den einzigen Mann, den sie wahrhaft liebt, während sie von den anderen nur LiebeS- begünstigungen entgegennimmt, bleibt doch echt dirnenhaft. Ueber Viesen Grunvzug ihres Wesen- kommt sie nicht hinaus. Frau Franck bot eine fesselnde Leistung. Die erste Liebes ahnung, in die sich aber schon ein Zug cocottenbafler Sinn lichkeit mischt, dann die überhitzten Stimmungen in ihrem Rausche von Glück und Glanz, die leichtfertige Treulosigkeit, zu welcher sie die Sucht zu genießen treibt, und nach dem Zusammenbruch das inbrünstige Werben, daS Betteln um die Liebe des verrathenen Manne-, Alles die- kam im Spiel deS Gaste- trefflich zum Ausdruck. Daß Frau Franck im letzten Act offenbar bemüht war, an Stelleder sinnlichen Leidenschaft eine wahre,glühende Liebezum Durchbruch zu bringen,macht die Gestalt ihrer Iza wohl etwa« sympathischer, kann aber daS Abstoßende des ganzen Charakter- nicht verwischen. Wenn die Auf nahme gestern eine laue war, so war dies der Rolle selbst, nicht ihrer Darstellerin zuzuschreiben. Weniger gelang Frau Franck allerdings die Wiedergabe der raffinirten Art und Weise, wie sie den Galten durch allerhand Winkelzüge in ein vermeintliches Glück einzulullen sucht. Auch in der Scene, wo sie deS Treubruchs überführt wird, erlahmte das Spiel etwas. Hier muß eine festere Haltung, ein schärferer Ton zur Geltung kommen. Hier macht sich zum ersten Male die Frechheit der Dirne bemerk- lich. Der Beifall, den die Künstlerin erntete, war nicht so lebhaft, wie sonst. DaS Stück stieß offenbar ab, und da wirkte auch zu Ungunsten der Vertreterin der Hauptrolle desselben. Herr Targer war als Pierre von ergreifender Schlichtheit, an den Derblay im „Hültenbesitzer" erinnernd. Die Entdeckung desTreubruchS konnte freilich noch erschütternder zur Darstellung kommen. Hier reichte das mehr äußerliche Spiel zur Wiedergabe des furchtbaren Seelenkampfes nicht auS. Wobl aber flammte die Liebe Pierre'- in mächtiger Leidenschaft auf, und nur diese verblendete Leiden schaft kann eS begreiflich machen, wie ein Mann von der Bedeutung Pirrre'S den Hetärencharakter der Iza nicht durch schauen sollte. Die Gräfin DvbronowSka des Frl. Weigel war zu sehr Operetten-Giäfin, und rief immer die Erinnerung an den „Bettelstudenlen" wach. Da- soll nicht sein. Leicht sinn und Hochmuth paaren sich in dieser Abenteurerin, die da- Schicksal ihres Kindes verschuldet hat, auch schadet eS nichts, wenn sie in ihrem Bettelstolz komisch wirkt, Frl. Weigel aber war zu sehr Caricalur. Den treuen Freund Constantin spielte Herr Hänsel er mit Wärme und Vornehmheit. Frl. Graichen war als Mutter ClLmeu- ceau würdig und voll aufrichtiger Zärtlichkeit für den Sohn. Frau Franck, die nicht nur m Leipzig, sondern auch ander wärts der Liebling des PublicumS ist, hat in der Iza-Rolle am Thalia-Theater in Hamburg geradezu rauschenden Beifall geerntet. Wenn sich das Publicum hier reservirter verhielt, so können wir da- mit Rücksicht auf den geringen Werth deS Stückes begreiflich finden. Hermann Pilz. * Don Anzengruber. Anläßlich der kurz erwähnten Ent hüllung der Gedenktafel in Penzing bei Wien schreibt dem Wiener „Frd.-Dl." ein Freund Anzengruber s: Einmal war im Freundeskreise die Rede von der Jugend und von dem, was man sich in der Jugend gewünscht habe. Der Eine hatte ge hofft, ein großer Gelehrter zu werden; der Andere ein berühmter Soldat; der Dritte ein berühmter Künstler. Anzengruber simu« lirte in seiner Art und lächelte: „Für mich war daS Höchste, waS ich mir denken konnte, daß ich einmal im ConversationS- lexikon stehen werde .... Jetzt, da ich schon lang drin bin, mach' ich mir gar nichts draus. AIS die Rede auf sein HäuSchen in Penzing kam, sagte er: „DaS Häuserl freut mich; oaS hab' ich gern. Schad', daß ich nicht immer drauß' sein kann." Er beeilte sich sogar mit den Ratenzahlungen, um nur keine Lasten mehr auf dem Hause zu haben. Den näheren Bekannten theilte er dann auch mit froher Genuathuung mit: „Heut' hab' ich sogar zwei Raten abgezahlt." Das Hinaus- und Hereinfahren war ihm aber, besonders in der Winterszeit, sehr beschwerlich. Er miethete deshalb, um näher bei der Redaction des „Figaro" zu sein, die Wohnung in der Gumpendorfer Straße, in der er auch gestorben ist. Es war ein ganz neugebautes HauS, und Anzengruber war sogar die erste Partei darin. Bald fing er dann an zu kränkeln. Er war aber kein „wehleidiger" Mann, der jedes Unwohlsein gleich beachtete oder gar darüber zu seinen Freunden geklagt hätte. Nur fiel diesen eine aewiffe Ver drossenheit auf und auch eine, zuerst kleine Veränderung kn seinem Aeuheren und in seiner Lebensführung. Zwar war fr noch immer bei gutem Appetit. Anzengruber war immer em starker Esser. Besonders Abends nach einer Vorstellung, bei der er sich aufgeregt hatte, war er sehr hungrig. Auf Del»- caieffen, wie andere bekannte Dichter, gab er nichts. Seine Nahrurig muhte kräftig sein und reichhaltig. Ost war ihm «in Stuck Braten zu wenig; er verlangte ein zweite- und dann noch «ine „Kleinigkeit". Eine große Vorliebe hatte er für Kaffee; diesen trank er sehr weiß und aus einer großen Schale, die er oft füllen lieh. Das war auch sein Getränk bei der Arbeit. Eine merkwürdM Veränderung zeigte sich bei ihm in der letzten Lebenszeit. Im Umgänge bediente sich Anzengruber bekannt lich mit Vorliebe und Nachdruck seines DialecteS. ES war eine Mischung des ober- und niederösterreichischen BauerndialecteS. Sein Freund Friedrich Schlögl nannte diesen die „Anzengruber- Bauernsprache". Darüber wurde oft in der Stammkneipe debattirt- mitunter auch sehr heftig. In seiner letzten Lebens- zei: machten seine Bekannten die Wahrnehmung, daß er vom Dialect abfiel und sich der sogenannten Schriftsprache bediente. Bei seiner au-geprägten Persönlichkeit mußte der Wandel aus fallen. Ein Fremder würde e- nicht bemerkt haben. Aber den Freunden kam die Buchsvrache aus seinem Munde mehr oder weniger gesucht vor und sie machten sich darüber Ge danken. Auch fein oft herber Humor kam nicht mehr aus der alten selbstbewußten Quelle. ES ging etwas mit dem Dichter vor und man wußte nicht, WaS eS war. Er saß zusammen gebückt; sein auffallend Helles Auge blickte nicht mehr durch die Augenglaser mit der alten, überlegenen Schärfe aus seine Um gebung. — Aber — daß der Zusammenbruch dann so schnell kommen würde, ahnte Keiner. Man wußte auch, daß es ihm unbequem war, wenn man sich, in der landläufigen Art, nach seinem Befinden erkundigte. Er war ein Mann, der in Allem seine eigenen Wege ging, und so hielt er eS bis zu seinem Tode. Musik. r. ä.. 6. Dresden. Die königl. Generaldirection der Hof theater hat die einactige komische Oper „Das war ich" von Leo Blech zur Aufführung angenommen. Der Componist, der in Prag als Kapellmeister thätig ist, war in einem der Hoftheater- Symphonieconcerte der eben beendeten Saison bereits mit einer werthvollen symphonischen Barcarole für großes Orchester er folgreich verrieten. * Glaucha», LS. April. Unter Leitung de» um di« Pflege der kirchlichen Musik in Glauchau hochverdienten Cantor» Ew. Franz kam gestern Nachmittag in der St. Georgenkirche das Mendelssohn-Bartholdy'schc Oratorium „Paulus" zur Auf führung. Nach langer, sorgfältiger Vorbereitung und Dank dem Bemühen aller Betheiligten, sich in die ihnen zugewiesene, mehr oder weniger schwere Aufgabe hineinzuleben, wurde mit dieser geistlichen Ausführung den zahlreichen andächtigen Zuhörern ein von Anfang bis zum Ende harmonisch abgerundetes und kunstvoll durchbildetcS Werk geboten, besten tief ergreifender Eindruck Wohl bei Allen noch lange Vorhalten wird. Von dem durch sangeskundige Damen und Herren auf inSgesammt 120 Stimmen verstärkten Kirchensängerchor wurden die einzelnen tonmalerisch von einander so abweichenden Chorsätze fast aus nahmslos aufs Beste zur Geltung gebracht. Gleich vortheil- haft trat hierbei die warme Empfindung, die eigenartige Rhyth- misirung und die Wiedergabe des TertinhaltS in Erscheinung. Sehr LobenSwertbes ist auch von den Solisten zu berichten, die aufs Beste zur Gesammtwirkung beitrugen, so Frl. Elisabeth W ilhe lmi-Wiesbaden mit der prächtigen Arie „Jerusalem, die du tödtest die Propheten". Gleichwie diese Vertreterin der Sopranpartie war auch die mitwirkcnde Altistin, Frl. Helene Leidert-Leipzig hier von früher her bekannt und ge- schätzt. Eine kleine Indisposition binderte jedoch diesmal Frl. Üeidert an der vollen Entfaltung ihrer Stimme; aber auch das so Gebotene befriedigte die Zuhörer vollauf. Als weitere Solisten waren der Tenorist Herr Otto Hintzelmann- Berlin und Herr Opernsänger Carl Groß-Leipzig in der Baßpartie (Paulus) thätig, die ihrer schwierigen Aufgabe in vollem Maße gerecht wurden. Erwähnt sei noch das Baßduett der „falschen Zeugen", welches durch die Herren Illing und Schwarzenberg aus Glauchau wirkungsvoll zum Vortrag gebracht wurde. Den Orgelpart führte der als Organist rühm lichst bekannte Herr Paul Gerhardt- Zwickau tadellos aus. Mit Anerkennung sei schließlich auch das Orchester genannt, das durch Mitglieder der Chemnitzer städtischen Capelle verstärkte hiesige Stadtmusikcorps, welches die Begleitung wirkungsvoll ausführte. Der schöne Erfolg dieser Paulus-Aufführung, die genau 25 Jahre nach der letzten Aufführung dieses Oratoriums hicrselbst erfolgte, wird sicherlich dem Kirchensängerchor und seinem rührigen Leiter, Herrn Cantor Franz, ein neuer An sporn zu weiterem Schaffen sein. Vielfach ist der Wunsch laut geworden, dieses Oratorium als „volksthümliche Aufführung" in nächster Zeit bei kleinen Preisen zu wiederholen. Die Er füllung dieses Wunsches hängt lediglich davon ab, ob cs gelingen loird, die auswärtigen Solisten nochmals zu gewinnen. * Franksvrt a. M. In der heutigen Sitzung der Stadtverordneten machte Oberbürgermeister vr. AdickcS die Mittheilung, vom Regierungspräsidenten sei ihm mit- getheilt worden, daß -er nächste Wettstreit der deutschen Männergesangvereine auf Wunsch des Kaisers im Jahre 1908 in Frankfurt a. M. stattfinden solle. * Dem „Schwäb. Merk." wird aus Ulm, am 18. April, ge schrieben: „Das gestrige Concert der Liedertafel bot, besonders durch die Mitwirkung der Concertsängerin Frau Marie Quell-Leipzig, einen hohen Genuß. Die Künstlerin besitzt eine prachtvolle, trefflich geschulte Sopranstimme. Mit entzückendem Wohllaut, wobei auch die höchsten Töne zur vollen Geltung kamen, sang sie die Rachearie der Königin der Nacht aus der Zauberflöte und die Arie: „Ocean, du Un geheuer", aus Oberon. Dagegen konnten wir uns für die LiSzt'sche Loreley weniger erwärmen, an ihrer Stelle hätten wir gerne ein Lied von Brahms oder Schubert gehört. Der Männer chor der Liedertafel sang unter Musikdirector Graf'S Leitung in wirkungsvoller Weise 5 Chöre." In ähnlich rühmender Weise drücken sich die uns vorliegenden Ulmer Localzeitungen auS. Wagner-Erinnerungen. Die „Bayer. Blätter" veröffentlichten u. A. folgenden Brie' Wagner'» an seine» Freund vr. Anton Pusinelli: Tribschen, 12. Januar 1870. Mein lieber, guter alter Freund! Dir einmal recht viel von mir zu schreiben» ist in guten, erregten Stunden ost mein Bedürsniß gewesen Du weißt, eS sollte immer einmal meinerseits zu einem Besuch in Dresden kommen: eS war einmal nahe daran, aber gerade der Ansatz zu einer kleinen Er» innerunqSrundreise mißglückte immer. Um das zu erklären, müßte ich gleich biographisch zu Werke gehen, da wenig auS meinem Leben so ex ndnrpto zu verstehen ist. ES bat mit diesem meinem Leben eine höchst sonderbare Be- wandtniß. Wer eS genau durchgeht, muß finden, daß in ihm nur ein Bedürsniß, ein Trachten sich anS.pricht, nämlich: Ruhe und Ungestörtheit zu finden, allerdings mit einigem Behagen au-gc. stattet, wie eS dem künstlerischen Schaffen nöthig ist. Dagegen stellt sich nun der äußere Verlauf meine- Leben- so dar, daß der au Abenteuer allerverleflrnste Sonderling e- sich nicht unruhiger und wechselvollrr hätte gestalten können. Die Gründe dieser widerspruchs vollen Erscheinung stellen sich dem Aufmerksamen bald deutlich heraus: sie sind idealer und realer Art. Im ersteren Sinne liegen sie in meiner speciellen Kunsttendenz, weil ich — gerade als „Operncomvonist" — dem allrrtrivialiten kuastwesen für meine LebenSihäiigkeit zugetheilt bin und gerade hier ein Kunst- werk zu verwirklichen im Sinne habe, welches alle übrigen Kunst gattungen durchaus überbietet. Die realen Gründe zeigen zwei Haupihemmnisse meines Lebens: meine absolute Ver mögenslosigkeit und meine zu frühe, so sehr ungeeignete tzeiraih. Die Besitzlosigkeit war jedenfalls da- Allerübelste. Da- ererbte Ver mögen mag groß oder klein sein, so giebt r» dem Menschen, der etwa- Ernstes und Echte» will, einzig die nötdige Selbstständigkeit: mit fineinem Wolle», »ud namentlich ia der Sphäre meiner Wirk- samkeit, ist die Nüthigung, sich da- Geld zum Leben zu verdienen, rin vollständiger Fluch. Und da» habe» Biele und Groß« schon empfunden und sind daran untergeqangen. Ich bin überzeugt, daß ein auch nur mäßiger BermögrnSbrsitz mich für da» Aeußere meines Leben» durchaus stabil gemacht und jede Unruhe von mir fern gehalten hätte. Da» vollkommen« Gegentheil mochte auch mich jedoch gegen den Wrrth de» Geld«» gleickgiltig, gleichsam al» hätte ich gewußt, daß ich doch eigentlich nie Geld mir „verdienen" könnte. An den Folgen hiervon habe ich, bei meiner anderweitigen idealen Lebenstendenz, unsäglich zu leide» gehabt. Durch welche außerordentlichen Weg« d«< Schicksal» ich endlich in bereit» so gereisten Jahren erst dazu gelangte, eise Art von Ersatz für die Besitzlosigkeit zu gewinnen, hast Du a» meinem Schicksal mit de« junge« König von Bayern erlebt. Daß dir Bortheile dieses Gewinne- zunächst durch de» Reid und durch da« qa>«« Ungewöhnlich« de» verhältuiffe« mir nur neue, ganz un- erhört« Beunruhigungen »»zogen, ist »uo wohl auch nicht unbekannt gtbUrb««. Erst sehr allmählich gelang« ich dazu, di« wahre« vor- theil« dieser, allerding» vom «ig«ntlich»n Srwerb mit der A«it mich gänzlich befreienden Unterstützung zu Gunsten meine» Leben», zwecke» »u verwerthen. Immer wird hier aber etwa» außerordentlich Schwierige» und Beängstigende» übrig bleiben, wo» eben in dem Charakter und dem Schicksale meine» anderseits mir wohl mit seltener Lieb« zugethane» königlichen Freunde» begründet ist. Hat mich bi-ber mein Leben ztrllo« durch Stürme geschleudert, so hatte mein LebenSschiff vor dem Hafen noch dir unrrhöitesten Drangsale zu bestehen. Doch — der Hafen ist gewonnen. Und jetzt erst habe ich noch gern und froh zu leben. Ein schöner, kräftiger Sohn mit hoher Stirn und klarem Auge, Siegfried Richard, wird feine« Baters Namen erben und seine Werke der Welt erhalten. Brrzrth', metn Freund, daß ich hierbei da» zurückhaltende Schweigen dessen be- achte, der, so lange nur seine Versicherungen für iHv sprechen könnten, die Zett abwarten muß, wo die That und ein klar erkenntlicher Zustand für ihn spricht. Diese Zeit ist nicht mehr fern. Wa» nun meine Gesundheit betrifft, so erscheine ich — nament lich den Sachkennern — alS ein zu langem Leben und Wirken bestimmte» Exemplar einer besonderen Menschengattung. Sehr empfindlich und reizbar, schnell fiebernd und tranSsptrirend, werde ich doch eigentlich nie krank und erhole mich vom Uebelbefinden meist so schnell, daß ich ausgelacht werde. Bei rintretender Gemüthsruhe und stet» zum Erplodiren bereiter Heiterkeit geht Alles bald vorüber. Nur im Sommer 1868 wurde ich, al» ich von den Meistersingern in München zurückkehrte, von einer an haltenden Ficberschwäche befallen. Ich wußte aber auch, woran ich war, und beschloß, nie wieder nach München (meiner Hölle) zurückzukehren und daraus zu retten, wa» ohne mich zu Grunde gegangen wäre. Dies habe ich vollbracht. Und nun wird Ruhe werden, auch für meine Gesundheit. Bald habe ich metn 57. Lebensjahr vollbracht, und ich darf erkennen, daß mir eben nur die Ruhe fehlte, um meine Kraft erst jetzt noch in ihrer lautersten Wirksamkeit zu bewähren. Im vorigen Sommer, an dem Tage, an dem mir Ueberglücklichen ein schöner Sohn geboren wurde, vollendete ich die Composition des „Sieg fried", in welcher ich mich seit 11 Jahren unterbrochen hatte. Ein unerhörter Fall! Keiner hat geglaubt, daß ich Lazu noch kommen würde. Und nun mußt Du diesen letzten Act hören, die Erweckung der Brünnhildel Mein Schönste»! — Und jetzt habe ich nun auch die Götterdämmerung begonnen. Biel Zeit muß ich haben — denn wa» ich niederichreibe, ist eben Alle- Superlativ. Doch bleibe ich nun dabei und sage mir dann (waS sie auch in München damit angebcn mögen) „na, geschaffen tst es doch". Und dereinst — da muß mein Junge für das Rechte sorgen. So erhalt« ich aus Allem neue Lebenskraft. Nun höre aber auch Du einmal, mein guter Anton! Willst Du denn nickt endlich auch mit dabei sein? Rietz hat Euch das Theater abgebrannt, um die „Meistersinger" nicht mehr dirigiren zu muffen (Gott sei Lob!) Also, komme Du nun nächstens, wenn ich einmal so etwas wieder loslasse. Am besten aber, Du sähest Dich einmal aus Trirbscben bei mir um. Kommt es denn nicht einmal zu einer medicinalrathlichen Scbweizerreise? Siehst Du Lieber, Du bist doch nun einmal der Einzige in meinem Leben, der voll- kommen rein und liebenSwerth vor mir dasteht. Glaub Bester, daß ich weiß, was ich sage: der Einzige! — Und sieh, darum habe ich Dir auch zuerst im neuen Jahre einen so langen Bries geschrieben. Nun glaubst Du'S doch? Und wirst doch wohl auch Frau und Kinder tüchtig von mir grüßen? Kommt lieber Alle, denn ich habe Euch sehr lieb. Siehst Du, Du kannst hier selb zweit oder auch dritt recht gut in meinem großen Bauernhause unterkommen. Es sollte Dir gewiß gefallen; auch wird um diese Zeit Alles, Alles ge- hörig bei mir und mit mir in Ordnung sein. Also überlege nickt viel, sondern denke: es muß sein! Ich spiele Dir dann auch etwas Sckönes vor. — Nun aber genug des Schwatzens in Scherz und Ernst. Leb wohl! Ich bin und bleibe Dein treu-dankbarer Busenfreund Richard Wagner. An Frau Hofräthi» vr. A. Pusinelli. Meiste liebe theure Freundin! Da hat ein großes Herz aufgehört zu schlagen! ES sieht öde um uns auS. — Cosima trug Sorge, mir diese letzte Mittbeilung ohne Schrecken zukommrn zu lassen. Erst gestern Abend verrieth mir ein Zusall das Traurige. Ich bin seitdem verstummt und spreche nun erst wieder zu Ihnen durch diese Zeilen. Und nur von mir kann ich Ihnen sprechen, nicht von Ihm, den wir Alle verloren. Biele sind jetzt bereits aus meinem Leben geschwunden; schon berühren die Heimgänge so manches Nahestehenden mich immer weniger; denn Alles ist so ernst geworden, daß nur das Ernsteste noch zu denken und fühlen giebt. Nur an meines theuren Antons Verlassen hatte ick nie glauben oder dieses Falles als möglich gedenken wollen. Wahrlich, er war der Letzte an der Reihe aller Derer, die das Leben mir zuiührte, an welchen ich mit jener unbedingten Freund schaft und Liebe hing, welche keine Anforderungen und Gesetze kennt als die Unwiderstehlichkeit, mit welcher sie uns einnimmt. Mit ihm ist mir nun die Welt und namentlich die Welt der Erinnerung fast ganz erloschen. Oh! Was hatte dieser ein großes Herz — und mit diesem liebte er mich! Meine theure Freundin, die Sie so ganz Alle» mit ihm theilten, seine Freuden, seine Empfängnisse, seine Güte und Liebe! WaS soll ich Ihnen sagen, als daß ich selbst heute Sie glücklich schützen muß. io lange mit einem solchen Manne innig vereinigt gewesen zu sein. Sie leben noch, und — somit auch Er mir noch! — Seien Sie gesegnet und hoch geweiht in Ihrem Schmerze! So segne ich Ihr ganzes Haus! Bayreuth. 3. April 1878. - Ihr Richard Wagner. AlS noch junger Arzt, so schreiben die „Bayr. Bl." hat!« A. Pusinelli im Jahre 1843 in der Nähe Wagner'S gewohnt, der soeben von Paris nach Dresden gekommen war, um dort nach der Aufführung seines „Rienzi" zum königl. Capellmeister ernannt zu werden. Bei Gelegenheit eines von der Dresdner Liedertafel dem jugendlichen Künstler dargebrachten Ständchens hatte sich Pusinelli ihm zuerst genähert und seine wahre ungewöhnlich innige Ergebenheit ihm zu erkennen gegeben. „Es war eine Ahnung von Rickards Größe, die mich gleich anfangs zu idm hinzog; denn verstanden habe ich iha damals noch nicht", schrieb er hierüber noch in seinem letzten Briese und fügte dos bedeutungsvolle Wort hinzu: „Die Epigonen haben es leichter!" Bald trat er mit ihm in einen gegenseitig wohl- thuenden Freundesverkehr, ward sein sorgsamer Hausarzt und bewies sich in der Folge bei den äußeren Schwierigkeiten, die sich über dem Leben des in einer ihm urfremden Welt einzig seinem Ideale nachstrrbenden Künstlers anhänsten, als eifrig thätiqer Berather. Seitdem hat sich 35 Jahre hindurch di» Freundschaft beider Männer, so weit das Leben sie auseinander führte, unser- ändert warm und rein erhalten. Die Liebe zur Person des Meisters übertrug sich auch auf seine ideale Sache; das Berständniß für den Künstler ward dem Freunde ein immer innigere» und klareres; noch am Ende deS vorigen Jahres <1877) übernahm Pujsinelli, obwohl schon leibend, mit freudiger Bereitwilligkeit die Ber« tretung unseres neu gegründeten Verein» für Dresden, und es war ihm besonders schmerzlich, daß er, als sein Leiden sich verschlimmerte, dafür wirklich thätig zu sein sich verhindert finden mußte. Der „Parsival", den er, als der Einzige, bereit» im Manuscript zu lesen erhalten batte, warf in seine traurige Leidenszeit ein letztes, ent zückend-tröstliches Licht, und noch einmal konnte er in schönen, innig empfundenen Worten seinen Dank für dir letzte Liebesgabe seines großen Freundes aussprechen, die er al» „eine neue Großthat des deutschen Geiste-" prirS. Bildende Künste. Die Loncurrenz-Arbriten de, Dresdner Bildhauer. Im Vestibül de- Dresdner KunstvereinS sind zur Zeit die Entwürfe ausgestellt, welche Dresdner Bildhauer zu dem von der Stadt Dresden ausgeschriebenen Wettbewerb zur Erlangung von Werken der Plastik, die zur Berickönerung der Stadt dienen sollen, eingeliefert haben. Die 80 eingereichten Entwürfe zeigen, daß dir Betheiligung seitens der Künstler nicht allein eine äußerst rege, sondern daß sich auch in diesen Arbeiten ein Aufwand künst- lerischer Kraft bethätiat, welcher für die Dresdner Plastiker ein sckätzenSwerthes Zeugniß oblegt. Di« Motive, welch« di« Künstler für ihre Arbeiten wählten, ent- sprechen durch»»- dem Zweck», für den viele plasti'chen Werke in Aussicht genommen sind, der dem Schmuck öffentlicher Plätze, An- lagen, llirckhöfe, Brücken u. dergl. dienen soll. Al» Sieger auS dem Wettbewerbe sind Fabrtctu», Bruno Fischer, Gödicke. Hecht und Richard König bervorgeganq,». Fabricin» hat eine kräftige muskulös« ManneSgestalt geschaffen, di«, al» Ballwersei dargestellt, sich vorzüglich für einen Sportplatz eignen würde. Weiß der Künstler den noch im Entwurf enthaltenen Anflug von Pme in ber endgilttgeo Aoefüdrung zu beseitigen, so wird diese Gestalt zweifellos diejenigen guter Qualitäten besitze», dir man von einem vollendeten plastischen Werk verlangt. Die au-gesprochenste plastische Ruhe und wettau- beste» plastischen Ausdruck «uthält die schön« ^weidlich« Brurmeufigur vo» Bruno Fischer. Im Begriff, über di« steinern« Etnfaflnng «in«» Brunn,nbecken» hin wegzuschreiten, ruht ihr rechte» Bein noch auf d«r Brüstung, während der nach vorn geneigte Oberkörper die Ueberraschung, die der Anblick de» auf der Wasserfläche erscheinenden Spiegelbild«» bet dem jungen Mädchen hervorruft, ganz köstlich charaktertsirt ist. Wie das junge Wesen da» schöne Spiel der eigenen körpersorme» be obachtet, ist so natürlich und aumuthig, uud so frei von jeder Koketterie wirdergegebea» daß da» Gefühl der Keuschheit voll gewahrt bleibt. Richard König'» Grupp«, w«lch« die Be freiung der Andromeda durch Perseu» veranichaulicht, ist in der Auffassung höchst lebendig, nur wird der Künstler bei der Ausführung daraus achten müssen, daß die Formeugebuug nicht den Eharaktrr de- Outrirten annimmt. Bei Gödicke'» Brunnen gruppe mit den beiden JüngliugSgestaltra hat namentlich die Raum- und Massenvrrtheilung erne sehr gute Lösung erfahren Die Gestalt eines betenden Christa» von Hecht, di« kniend mit er- hobenen Armen dargestellt ist, athmet unverkennbar warme Em pfindung, leider spricht jedoch au« ihr auch gleichzeitig rin starkes Patho», das mit dem innerlichsten Wesen de» EhristuS-Eharakters zu wenig im Einklang steht. Unter den übrigen zum Theil lobend erwähnten Arbeiten zeichnen sich besonders auS einige dem Anschein nach von der Hand eines Künstler» herrübrenden realistischen Genrefigure», darunter eine Frau mit einer Gan», eine Frau bei der Kartoffelernte, eine Mutier mit Kind und rin Sensen-Dengler. In vergrößertem Maß stabe ausgeführt, würden dies« Figuren wahrscheinlich viel von ihrem Charakter einbüßen, als Werke der Kleinplasttk wären sie jedoch ganz an ihrem Platz. Die Charakteristik ist in Allen ungemein lebendig. Sehr monumental ist ein Brunueuentwurf mit anschließenden, halb runden Bänken erfaßt, auf dessen Mittelbau mit dem an der Wand angebrachten Brunnenbecken ein« Faunin mit ihrem jungen Spröß- ling ruht. Dir wohlthuende Ruh«, dir den Menschen in der Nähe eines murmelnden Quells überkommt und ihn unwillkürlich zum Ausruhen nöthigt, ist in den Gestalten treffend auSgedrückt. Weiter sind noch hervorzuheben eine gut empfundene, freilich etwas an Mrunier anklingende Pieta, zwei Rritrrfiguren, zwei Thier- gruppen: Panther ein Pferd überfallend, und der Kampf eines Ochien mit einem Bären, der Verwundete, der seinen verletzten Arni selbst verbindet, die Musik da» Schicksal einschläfernd und der Gott und die Bajaderen, «tue Darstellung, die an Goethe'» Gedicht anknüpst. Die Anregung, welche dieser Wettbewerb unzweifelhaft de» Dresdner Bildhauern gewährt hat, ist der beste Beweis dafür, daß die für die Coucurrenz maßgebende Ide« «ine sehr glücklich« zu nennen war. Ernst KieSling. * Der Becher Matthias Eorvinus'. Aus Wiener-Neu- stadt bei Wien wird berichtet: Der letzten Sitzung des hiesigen Gemeinderatdes lag seitens der Antiquitätenfirma I. und S. Gold- schmidt in Franksurt a. M. ein Angebot von MO 000 Kr. für den berühmten C orvinuS-Becher vor. Dieser Becher, das kostbarste Stück des hiesigen Museum-, ist ein Prachtwerk spät- golhijcher Goldschmiedekunst, auS vergoldetem Silber mit theil- weiie emaillirten Zierrathen von außerordentlicher Feinheit. Er stammt aus dem Jahre 1462 und toll von dem Uogarköniq Matthias Corvinus nach seinem siegreichen Einzuge in die Stadt im Jahre 1487 der Stadt zum Geschenk gemacht worden sein. Der Antrag der Firma, der, wie es iu der Zuschrift heißt, im „hohen Auftrage" ersolgte, wurde nach dem Referate deS Bice-Bürgermetsters vr. Mayer ohne Debatte einstimmig abgelehnt, da die Stadl Wiener-Neustadt nicht gesonnen ist, sich diese» werthvollen histori schen Besitzthuins zu entäußern. Leipziger Palmengarten. Als am 29. April 1899 die große und moderne Anlage des Palmcngartens ihre feierliche Eröffnung und damit ein längst gehegter Plan einsichtsvoller Männer, aus -em vordem an dieser Stelle Gewordenen einen Lieb- lingscrholungsplatz für unsere Bürger mit -en Mitteln einer vollendeten Gartenbaukunst zu schaffen, seine Er füllung fand, wußte das damalige Oberhaupt unserer Stadt, Oberbürgermeister vr. Georgi, darauf hinzuweiscn, daß hier eine Stätte bereitet werde, wo Leipzigs Bürger nach des Tages Arbeit gern mit den Ihrigen Ruhe und Er holung suchen, wo die verschiedenen Kreise und Schichten der Gesellschaft einen gemeinsamen Mittelpunct finden können, der sie auch social näher führt. Daß diese Hoff nung sich erfülle, das hänge ja nun wesentlich von der Thcilnahme unserer Bürger ab. Sie möchten das ge schaffene Werk nicht als eine Gabe betrachten, die ihnen von einigen Bürgern gereicht werde, die sie heute genießen und morgen vergessen, nein, es solle ihnen ihr Werk sein, das sie mit geschaffen haben, für dessen Erhaltung sie mit einzutreten, an dessen immer schönerer Vollendung sie mit- zuarbetten haben, das ihnen aber dann alle Thcilnahme gewiß auch reichlich lohnen werde. Was damals alS Wunsch ausgesprochen worden, da hat sich in den drei Jahren des Bestehens des Palmen- gartenS vollauf erfüllt: das Werk, eine gemeinsame Schöpfung der Garten- und Hochbau-Architektur, ist zu dem geworden, was seine Schöpfer in's Auge faßten, eine be liebte und gern besuchte Erholungsstätte unserer Bürger schaft. Die dreijährige Wiederkehr ihres Eröffnungstages gab gestern der Direktion des Etablissements Anlaß, sowohl am Nachmittag, wie am Abend große Festconcerte zu ver anstalten und mit einer glänzenden elektrischen Illumi nation -en ErinnerungStag zu verherrlichen. Für diese Concerte waren die Musikcorps deS 14. Infanterie- Regiments Nr. 179 unter Stabshobotst I. Kapitain und des 2. Manen-Regiments Nr. 18 unter StabStrompeter W. Nadecke gewonnen worden. ErstereS, Nachmittags im Saale concertirend, spielte in erster Linie zur Weihe des Tages Kapitain's „Gratulationsmarsch", letzteres, in, Garten auftretend, Lortzing'S „Fest-Ouvcrture" und Weber s „Jubel-Ouverture". Am Abend concertirten beide gemeinsam im Saale, hier mit Kapitain's „Leipziger Palmcngarten-Marsch" beginnend. Ein Programm von zwciunddrcißig Nummern gab dem Tage seine musikalische Weihe. —Ur. Gerichtsverhandlungen. Krosigk-Procesi. * Gumbinnen, SV. April. (Privattelegramm.) Der Vertreter der Anklage beantragt gegen Marten wegen Todtsäilag» 12'/- Jahre Anchthau», AuSftostuag an« dem Heere, Degradation und Versetzung in die zweite Elaste des LoldatenstandcS, sowie S Jahre Ehrverlust, gegen Hickel wcgen Beihilfe 5 Jahre Zuchthaus, AuSftotzung ans dein Heere, Degradation, Versetzung in die »weile Elaste des SoldatenftandeS nnd zwei Jahre Ehrverlnft. 2. Dresden, 29. April. Gegen den weitgehenden Unfug, der vielfach bei der Fabrikation von Fruchtsäften getrieben wird, wird jetzt gerichtlicherseits energisch einaeschritten So wurde in diesen Tagen vier ein Chemiker zu 1000 Mark Geldstrafe vcrurthcilt, der sogenannten Himbeersyrup auf folgende Weise im Großen fabricirtc: Er verkochte den durch da» Pressen von Himbeeren gewonnenen Saft mit Zucker in dem Verhältniß, daß auf 30 Kilogramm Saft ungefähr 40 Kilo gramm Zucker kamen. Dem Gemenge setzte er dann 30 Kilo gramm Stürkesyrup hinzu. Dem ganzen Gemisch gab er schließ lich durch Beifügung von Theerfarbstoff eine schöne rothe Farbe. Weiter hat er ein Präparat hergcstcllt und es unter der Be zeichnung „Himbcerlimonadensyrup" in den Verkehr gebracht. Dieses Fabrikat hat er folgendermaßen bereitet: Er hat Him beeren einem Destillationsvcrfahrcn unterworfen. DaS dabei gewonnene farblose Destillat, Himbeeressenz, hat er zur Aroma- tisirung von weißem, auS zwei Thcilcn Lompenzucker und einem Theil Wasser gefertigten Zuckershrup verwendet in der Weise, daß auf 100 Kilogramm Zuckcrsyrup 2 Kilogramm Essenz kamen. Diesem Gemenge hat er dann 2,10 Kilogramm Wein- steinsäure zugesetzt und dem ganzen Gemisch hat er wieder durch Beifügung von Theerfarbstoff eine schöne rothe Farbe verliehen. Die hohe Strafe, aufdie der Gerichtshof erkannt hat, dürfte als ein wirksames Abschreckungsmittel gegen ähnliche Ver fälschungen dienen.
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