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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.05.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020510027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902051002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902051002
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-05
- Tag 1902-05-10
-
Monat
1902-05
-
Jahr
1902
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Nachr." eine Auslassung vor, die zweifellos officiösen Ursprungs ist und die preußische Antwort auf den von der Finanzdeputation der sächsischen Zweiten Kammer erhobenen Borwurf, die preußische Eisenbahnverwaltung mache der sächsischen unberechtigte Concurrenz, bildet. Es heißt in dieser Auslassung: „Wie eS in Wirklichkeit mit dem Vorwurfe, daß die preußischen Eisenbahnen den sächsischen eine unberechtigte Concurrenz machen, steht, mag an svlgendem Beispiele gezeigt werden. In Len jüngsten Verhandlungen des Abgeordnetenhauses ist von Len Vertretern zahlreicher schlesischer Wahlkreise an die Staatsregierung die dringende Forderung der Einrichtung einer neuen Schnellzugs. Verbindung zwischen dieser Provinz und Wien über Mittel- walde gerichtet worden, weil dafür ein dringendes Verkehrsbedürsniß in jenen Landestheilen bestehe. Falls diesen Wünschen entsprochen werden kann, würde sich naturgemäß die neue Schnellzugs verbindung zu einer DurchgangSlinie bis Berlin und dar über hinaus entwickeln, durch welche dem Durchgangsverkehr von Berlin nach Wien über die sächsischen Strecken eine neue Concurrenz erwachsen würde. Man kann aber doch von der preußischen Eisenbahnverwaltung, welcher die Fürsorge für die Ausgestaltung des Verkehrs des eigenen Landes obliegt, nicht verlangen, daß sie dringende Verkehrsbedürfnisse unbefriedigt läßt, lediglich, weil die dazu erforderlichen Ver kehrseinrichtungen in Mitbewerb mit den sächsischen Staatsbahnen treten würden In Wirklichkeit hat die finanzielle Ueberlegenheit der preußischen Staatsbahn über die sächsische ja auch ganz andere Ursachen als den Mitbewerb auf dem Gebiete des Güter- und Personen verkehrs. Zunächst ist die ganze preußische Eisenbahnverwaltung be- kanntlich seit 1895 nach dem Grundsätze reorganisirt, das S chreibwerk und den Bureaudienst auf das denkbar geringste Maß zu redu ciren. Die allein auf diesem Gebiete erzielten Ersparnisse haben Len Betrirbskoefsicienten der preußischen Staatsbohnen nm mehr als 1'/, Procent herabgedrückt. Sodann sieht die preußische Staatsbahnverwaltung von der Befriedigung rein localer Berkehrsbedürfnisse aus dem Grunde ab, weil diese zweckmäßig nur durch besondere, den Ver hältnissen angepaßte und möglichst billig hergestellte und be triebene Bahnen befriedigt werden können. Für die demzufolge errichteten Kleinbahnen werden auch in Preußen öffentliche Mittel in erheblichem Maße aufgewendet. Staat, Provinzen und Kreise leihen solchen Unternehmungen ihre finanzielle Unterstützung und zwar wenigstens in den ersten Jahren häufig ohne von den Hilfsgeldern eine Einnahme zu erzielen. Aber die betreffenden Aufwendungen fallen inPreußen nicht dem Eisenbahnetat zur Last, und eS wird überdies ein mit den zu «reichenden Bortheilen für den Verkehr nicht vereinbarer Aufwand bei dem Bau undBetriebe solcher Bahnen unterster Ordnung vermieden. Vor Allem aber liegt die finanzielle Ueberlezen- heit der preußischen StaatSbahuen in der gewaltigen Größe des Verkehrsunternehmens, den großen Entfernungen, über welche der Verkehr dieser Bahnen sich erstreckt, und in der Elasticität, welche ein solches großes Berkehrsunternehmen sowohl in Bezug auf die Leitung und Entwickelung des Verkehrs, wie in Bezug auf die Gestaltung des Ausgabeetats besitzt. Wie finanziell überlegen gerade die Größe deS Unternehmens die preußi schen Staatsbahnen kleineren Bahnsystemen gegenüber macht, hat der Vorgang bei der Errichtung der preußisch-hessischen Betriebs, und Finanzgemeinschaft auf das deutlichste gezeigt. Die hessischen Bahnen liefern dem hessischen Staate jetzt eine gegen früher beträchtlich erhöhte Rente, obwohl gleichzeitigLieBerkehrseinrichtungen erheblich verbessert, die Verkehrsgelegenheit vermehrt und das Personal sehr viel besser bezahlt wird als früher. Statt den aussichtslosen Versuch zu unternehmen, die finanziell un günstigen Ergebnisse der sächsischen Staatsbahnen der preußischen Eisenbahnverwaltung ausbürden zu wollen, läge es daher im Interesse der Betheiligten, sich die wirklichen Ursachen der Ueber legenheit der preußischen Staatsbahnen vor Augen zu halten und daraus die praktischen Schlußfolgerungen zu ziehen." DaS Wichtigste dieser Darlegung ist zweifellos der Hin weis auf die preußisch-hessische Eisenbabngem ein- schaft, die Sachsen als Muster und nackabmenSwerthes Beispiel vorgesührt wird, und zwar in einer Weise, die dem Ultimatum gleichkommt: Wenn eS aus einer preußisch- sächsischen Eisenbahngemeinschaft nichts wird, so bleibt Alles beim Alten und Alles muß beim Alten bleiben. Nun bat aber gestern Herr Finanzminister I)r. Nueger in der Sächsischen Zweiten Kammer auf das Bestimmteste erklärt, daß die Regierung nicht daran denke, die sächsische Eisenbabnbobcit auszugeben, und hat die Gründe, die gegen eine preußisch- sächsische Eisenbahngemeinschaft sprechen, als ausschlaggebend bezeichnet. Das Ultimatum der „Berl. Polit. Nachr." ist also bereits beantwortet, die Bedingung ist abgelehnt. Nun hat aber Herr vr. Rueger zugleich in Abrede ge stellt, daß ein Eiienbahnkriez mit Preußen bestehe und Preußen unlauteren Wettbewerb treibe. Er hat damit an erkannt, daß Preußen in seinem eigenen Interesse nicht wohl anders handeln könne, als eS bandelt, daß eine Aenderung seiner Ersenbahnpolitik mithin nicht zu erwarten sei. Worauf er seine Hoffnung gründet, daß es trotzdem bei uns besser werden könne, ist uns unverständlich, denn wenn auch alle Andeutungen der „Berl. Pol. Nachr." über mögliche Er sparnisse berücksichtigt werden, so macht das das Kraut noch nicht fett. Wir meinen, ein Staatsmann sollte niemals „Niemals" sagen. Wenn der Reichstag nicht Mittelpunkt des politischen Interesses ist, rücken die regierenden Kreise in diesen Mittel punkt. Diese alle Regel bestätigt sich auch jetzt. Zahlreiche Blätter artikeln über die Thalsache, daß im Großherzozthum Hessen und im Herzogtbnm Gotha die Negierenden resp. die regierenden Kreise in gesellschaftliche Beziehungen zu Vertretern der Socialdemokratie getreten sind. Auch die „Nat.-Lib. Corr." berührt diese Thatsache und bemerkt zu ihr: „Bekanntlich hat Fürst BiSmarck schon im Anfang seiner Ministerzeit mit Lassalle verkehrt und unser jetzt regierender Kaiser legte f. Z. Werth darauf, die Delegirten der Bergarbeiter im Westen selbst zu empfangen. Und als die Arbeiterschutzconferenz im Frühjahr 1890 auf seine Ini tiative in der deutschen NcichShauptsladt zusammengetretcn war, erhielten sämmtliche Telegirte zu derselben Ein- ladungen inS kaiserliche Schloß, und der Kaiser zog jeden der Erschienenen ins Gespräch. Wenn die socialdemokratischen Ab- geordneten zum Reichstage ihre Karten im Schlosse abgäben, würden sie vorkommcnden Falls ebenso wie die Angehörigen anderer Parteien, welche dies thun, mit Einladungen bedacht werden. CS hängt also lediglich von ihnen selbst ab, ob und wann sie mit der von ihnen bisher beobachteten Praxis brechen wollen." Augenscheinlich hat diese Bemerkung den Zweck, die von einigen Blättern gegen den Großherzog von Hessen und den Regenten von Gotha gerichteten spitzen Bemerkungen abzu stumpfen nnd diesen Blättern bemerklich zu machen, daß die beiden fürstlichen Persönlichkeiten nichts Anderes gelhan haben, als was der Kaiser wiederholt getban hat und auch ferner tbun würde, wenn ihm nicht die Socialvemokraten selbst die Gelegenheit abschnitten. Mit diesem Hinweise wird aber die „Nat.-Lib. Corr." ihren Zweck nicht erreichen, denn die be- treffenden Bemerkungen sind nur Wiederholungen jener früheren, die man lesen konnte, nachdem der Kaiser die social demokratischen Deputaten der Bergarbeiter empfangen hatte. Und wenn morgen die socialdemokratischen Abgeordneten sich entschlössen, ihre Kartell im kaiserlichen Schlöffe zu Berlin abzugeben, und infolgedessen mit Einladungen bedacht würden, so würde TazS darauf mit Bezug auf den Kaiser dasselbe zu lesen sein, was jetzt gegen den Großherzog von Hessen und den Regenten von Gotha zu lesen ist. Die Tadler gingen und gehen eben von der Ueberzeugung aus, die parlamen tarischen Vertreter der den Umsturz der bestehenden Staats und Gesellschaftsordnung erstrebenden Socialdemokratie er hielten selbst durch rein äußerliche Beziehungen zu den regierenden Kreisen einen gefährlichen Nimbus und rückten — wenigstens in den Augen weiter Kreise — in das Licht von Leuten, deren Bestrebungen selbst von StaatShäuptern eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werde. Daß diese Ansicht falsch ist, ergiebt sich schon daraus, daß die socialdemokratiscpe Presse die mit regierenden Kreisen in Berührung gekommenen „Genossen" nicht im Lichte von Vertretern berechtigter Interessen sieht, sondern als Ver dächtige, als unsichere Cantonisten behandelt, vor denen man auf der Hut sein müsse. Nicht bas fürchtet also jetzt die Socialdemokratie, daß die den regierenden Kreisen näher tretenden Genoffen auf diese Kreise einen Einfluß gewinnen könnten, sondern sie fürchtet im Gegentheil den Einfluß dieser Kreise auf die „Genossen". Damals, als der Kaiser die Bergarbeiter-Deputirten empfing, war LaS anders. Da mals merkte man von solcher Furcht nichts, wobl aber lriumphirendeFreude nnd hochgespannte Erwartungen. Das kam aber nicht von dem Empfange an sich, sondern von den be gleitenden Umständen. Aus ihnen schlossen die „Ge nossen", daß ein Experiment gemacht werden sollte, mit dem sie zufrieden sein könnten. Seitdem aber dieses Experiment bas Gegentheil des erwarteten Resultates ergeben hat, fällt es sicherlich regierenden Kreisen nicht mehr ein, ein zweites zu veranstalten. Vermeiden sie es trotzdem nickt, mit socialdemokratischen Vertretern zusammenzu treffen, so leitet sie dabei ebensowenig eine Hinneigung zu socialbemokratischen Tendenzen, wie die utopistische Hoffnung, die betreffenden „Genossen" mir nichts dir nichts umkrempeln zu können, sondern lediglich der Wunsch, ihre Stellung als Lenker und Leiter des Staates und aller seiner Bürger zu markiren, und allenfalls die Absicht, mäßigend auf die Formen der parlamentarischen „Genossen" ein zuwirken. Und gegen die Erfüllung jenes Wunsches kann man vernünftiger Weise ebenso wenig etwas einwenden, wie gegen die Erreichung dieser Absicht. Jedenfalls sind die begleitenden Umstände der letzten Begegnungen fürstlicher Personen mit Vertretern der Socialdemokratie in keiner Hm- sicht dazu angethan, irgend welche Besorgniß und mehr oder minder versteckten Tadel zu rechtfertigen. Wie zu erwarten war, hielten sich angesichts der be unruhigenden Nachrichten aus dem Loo eine ganze Anzahl von Leuten bemüßigt, in aller Oeffentlichkeit auch wieder die Frage der Thronfolge in den Niederlanden anzuschneiden, wiewohl von einer Frage im eigentlichen Sinne des Wortes hier gar keine Rede sein kann, da diese Angelegen heit verfassungsmäßig ein für alle Mal geregelt ist und eine lediglich inner-niederländische Bedeutung Hal. In einem Tbeil der französischen Presse scheint man in dieser Hinsicht von denselben Beklemmungen heimgesucht zu werden, wie sie Jahre lang, wenn über die Vermählung der Königin gesprochen wurde, an der Tagesordnung waren. Freilich hat man in diesen französischen Kreisen die bittere Pille, daß die Königin Wilhelmina einem deutschen Prinzen die Hand gereicht hat, Wohl oder übel geschluckt und sich in das Unabänderliche gefügt. Jetzt macht man sich Wieder über „eine deutsche Okkupation" bange Sorgen, die auch durch die neuere günstige Wendung im Befinden der Königin nicht verscheucht werden, da man es als feststehende Thatsache anzunehmen scheint, daß dem königlichen Ehepaar der Kinder segen unwiderruflich versagt sein werde. Die Thatsache, daß der deutsche Gesandte im Haag, Graf Pourtales, gerade am vorigen Montag Abend im Haag angekommen ist, wurde denn auch alsbald, so unwahrscheinlich es auch war, dahin gedeutet, daß „seine Anwesenheit für alle Möglichkeiten mit Rücksicht auf die Interessen Deutschlands nöthig sei", während bas Zusammentreffen seiner Ankunft und der bedenkliche Zustand der Königin durchaus zufälliger Art sind, da der Urlaub des Gesandten, der sich seit Mitte April in Italien befand, einfach abgelaufen war. Was weiter über einen Gegen satz zwischen den Häusern Sachsen-Weimar-Eisenach und Wied gefabelt wird, kann ruhig übergangen werden, ebenso die weitere Ausgeburt phantastischer Kannengießerei, daß das „freiheit liebende niederländische Volk sich einen deutschen Herrscher nicht gefallen lassen, sondern die republikanische Staatsform aonebmen werde", — eS muß aber, wie der „Köln. Ztg." zutreffend aus Amsterdam geschrieben wird, betont werden, daß es eine Taktlosigkeit ohne Gleichen ist, gerade in den jetzigen Augenblicken der Angst und Sorge mit derartigen Auseinandersetzungen vor die Oeffentlichkeit zu treten. Die Zwettheilung Tirols in ein deutsches und ein wälsches Gebiet, die namentlich von den italienisch sprechen den Südtirolern als einziges Heilmittel gegen all die politi schen und wirthschaftlichen Streitigkeiten gefordert wird, würde nur Anlaß zu neuem Zwiste geben. So ist z. B. von italienischer Seite das Fassathal, das sich von der Station Neumarkt (an der Bahn Bozen- Trient) nach Nordosten hinzieht, für Wälschtirol gefordert worden; aber Stadtgemeinde und Handelskammer Bozen haben wiederholt darauf hinzewiesen, daß die Bewohner des TbaleS in wirtbschaftlicher Hinsicht so eng mit der deutschen Bevölkerung Südtirols verwachsen sind, daß man sie gar nicht dem Bezirke Wälschtirol zuweisen kann. Nun ist kürzlich eine Petition aus dem Fassathal an den Tiroler Landtag gelangt, die mit etwa tausend Unterschriften bedeckt ist und die Zutheilung deS Fassa- thaleS zu Deutschtirol fordert. In Anbetracht der dünnen Bevölkerung deS Fassalhales fällt die Petition ins Gewicht. Sie ist auch insofern sehr lehrreich für die Jtalienischtiroler, weil in dem Schriftstück den italienisch gesinnten Abgeordneten des Tiroler Landtags die größte Mißbilligung ausgedrückt wird, weil sie durch ihre Obstruktion den Landtag arbeitsunfähig machen. Feuilleton. Der MiMärcurat. Roman von Arthur Achleitner. NaLLruck »erboten. Mit silberhellem, fröhlichem Lachen begrüßt die Marchcsa den Baron und fragt dann besorgt, ob der Sturz keine üblen Folgen gehabt habe. „Lomplimenti, Signora klarctiesa! Ohne Folgen! Ein Malheur, eine Strafe für Unachtsamkeit eines neuerungs süchtigen, schwachen Reiters! Meinen gehorsamsten Tank für das Auffangcn -es Durchgängers! Meisterhaft ge macht! Und tiefstgefühltesten Dank für huldvolle Be rufung!" „O, die Freude über ein Wiedersehen bewegt mein Herz! Doch bitte, in den Sattel, Baron! Wir wollen über den Berg reiten und ein Weilchen plaudern!" Flink saß Sternburg auf, und im Schritt gemächlich auf wärts reitend, wies er auf seine staubbedeckte Uniform und bat um Entschuldigung. „O, ich bin an Allem schuld, Herr Baron! Ich habe in meiner Ungeduld die Distanz unterschätzt, die Zeit zu kurz bemessen. Wahrscheinlich ist auch Bettina zu spät ein getroffen mit dem Aviso! Haben Sic innigen Dank für gütiges Erscheinen! Aäsntv cki male!" Giusttna Gravina in schwarzer Reittoilette saß wunder voll zu Pferd, das Blondhaar umschimmerte den klastisch schönen Kopf zum Entzücken. Sternburg vermochte den Blick nicht von diesem bewundernswertheu Geschöpf abzuwenden, -cm Alles in ihm cntgegendrängte. Munter plauderte die Marches«, wie bange und lang ihr die Zeit gewesen, seit Baron Sternburg zum ersten Mal La Rocca betreten, und wie sie sich nach einem Wieder sehen gesehnt habe. „Wirklich, Baron, ich habe Sehnsucht empfunden in meinem Gefängntß! Und leider hieß es warten auf die günstige Stunde, die ein Wiedersehen er möglichte. Es ist so schwer, zu disponireu, wenn man ge fangen ist!" Trotz Sonnenbrand ging ein Frösteln durch Stcrn- burg's Körper bei diesen Worten, und die Gedanken liefen (Salopp. Wie kann man eine Gefangene sein und den noch mit dem erwählten Tavalter spazieren reiten? „Herr Baron sind einsilbig heute! Es wird doch nicht der Sturz Schmerzen hinterlassen haben? Freilich, -er harte Boden, der vehemente Sturz! Fühlen Sie sich un wohl?" „Nein, nein! Das Glück, gnädigste Marchcsa wieder zusehen, gesund in -er strahlenden Schönheit Dorn röschens, ist zu groß, um in passenden Worten Ausdruck zu finden." „Schmeicheln alle Tedeschi so wie Sie ?" meinte lächelnd die berückend schöne Frau. „Ich spreche nur aus stümperhafter Form, was über wältigend mein Herz bewegt! Darf ich fragen, ob gnädige Frau die lange Zeit über sich wohl befunden haben?" „Ach ja, danke! II Oonte ward heute endlich der Be wachung überdrüssig und verließ zu Schiff La Rocca. Daher wählte ich die Begegnung zu Pferd, auch sehnte ich mich nach Bewegung!" Schelmisch fügte die Marchcsa hinzu: „Für die Zukunft wollen wir aber doch den Wasser weg wählen, nicht?" „Gnädigste haben ganz recht, wenn Sie mich verspotten; ein schwacher Reiter, der den Boden küßt im Anblick einer Donna, verdient es nicht anders. Der Wasserweg ist auch mir lieber, er verstaubt nicht und ist romantischer." „Gut! Das nächste Mal kommen Sie wieder in der Barchetta an mein Gefängniß, das heißt, wenn der Graf nicht anwesend ist. Eine Begegnung möchte ich aus mehr als einem Grunde vermieden wissen!" Es ist gewiß nicht Furcht, die Sternburg frösteln machte, einer peinlichen Empfindung vermag er nicht Herr zu werden. Was spielt in La Rocca mit, daß die Marchcsa immer wieder in geheimnißvoller Weise spricht und jede Aufklärung vermeidet? Fragen, dtrcct um Aufschluß bitten, kann man nicht, es ist unmöglich. Und ein Blick auf die vornehme, entzückende Frau verscheucht jeden Zweifel und bösen Gedanken. Allmählich war bas Paar in die Niederung gekommen, es schimmerte die Oliveta bei Rasso entgegen. Die Mar ches« fragte, ob der Baron in nächster Woche ihr die Freude machen und auf La Rocca speisen werde. „Gewiß, mit großem Vergnügen, bas heißt, Verzeihung, es ist unmöglich; eben fällt mir bei, daß wir nächste Woche ins Manövergelänbe rücken müssen." „O, wie schade! Ich habe mich ko sehr darauf gefreut! Müssen Herr Baron denn mit ins Feld?" „Der Dienst kennt keine Ausnahmen uub nimmt keine Rücksicht! Selbst ans Damen nicht! Er ist und bleibt un erbittlich!" „Und wie lange muß Dornröschen, wie Sie sagen, auf den Besuch des Ritters warten?" „O, das wird reichlich vier Wochen, wenn nicht länger währen, eine entsetzlich lange Zeit für Ihren ergebensten Diener!" „Schrecklicher noch für mich! Kann wirklich nichts Sie befreien und in San Giorgio zurückhalten?" „Ich wüßte nicht, welcher Befehl in dieser Beziehung erfließen müßte!" „Vier lange Wochen oder noch mehr, schrecklich! Und tritt schlechtes Wetter ein, besteht die Möglichkeit, daß wir das Quartier in Mailand aufschlagcn. Der Graf ist kein besonderer Freund des langweiligen Schlosses im See!" „O weh! Wie soll ich nach Mailand kommen können!" rief bedauernd Baron Sternburg. Die Marchcsa hatte mehrmals den Blick auf das nahe Schloß und die von der Ora bewegte Seefläche gerichtet. Plötzlich rief sie: „Gott! Der Graf kommt zu Schiff aus dem Süden herauf! Ich muß schnell heim! Xckckio, Larono!" Im Nu hatte die Dame das Pferd in Galopp gesetzt und wie der Wirbelwind sprengte sic der Landzunge von La Rocca zu. In höchster Verblüffung hielt Sternburg an und blickte der Marchcsa nach. Wenn all' das nicht Acffung, eine ganz sonderbare Geschichte ist, dann weiß der junge Baron wahrlich keine Bezeichnung für diese Komödie, die womög lich tragisch ausgeht. Und sich als Toggenburg abfasten zu lasten, wäre der Gipfel der Narretei. Kurz entschlossen wandte Sternburg seinen Gaul, trabte ein Weilchen, bis die Straße anstieg und ritt nach San Giorgio zurück, diesmal hübsch langsam, da cs durchaus nicht prcssirt und das Pferd in guter Conditton abgeltefert werden soll. Zudem möchte Stcrnburg doch einen plausibel klingenden Grund für den überstürzten Ausritt und sein verteufeltes Aussehen ausbenkcn. Glücklicher Weise war aber der Adjutant nicht zu Hause, Sternburg lieferte den Gaul an den Stallburschen, der reich belohnt wurde, ab und rettete sich auf die eigene Bude. Franz suchte noch immer nach Sporen und erntete eine überraschende Anerkennung für solche Ausdauer. Sechstes Capttel. vr. Chistc, dessen äußere Erscheinung aufdringlich an Mephisto in jungen Jahren erinnerte, war am Sonntag Morgen zu einer ungewöhnlich frühen Stunde in den Pa lazzo gekommen und vom alten Marzart, welcher kaum Frühstückstoilette gemacht hatte, empfangen worden, weil der Gutsherr und politische Führer eine dringende Veran lassung im frühen Besuch vermuthen zu müssen glaubte. Der alte Herr legte die Cigarette weg, als der junge Jurist eintrat, blickte den Besucher gespannt ins bleiche, von pech schwarzem Bart umrahmte Antlitz, und fragte: „Nun, Freund, bon xiorno, was ist los?" „?er ckisvolo! Schlimme Nachrichten! Alles krebst, sogar die Liberalen, die bislang auf unserer Seite standen und uns wenigstens einen „Stummel" von Autonomie ge währen wollten. Die ganze Geschichte soll zurückgcslcllt werden, also im Sande verlaufen, und erst nach den Neu wahlen die Vorlage von einem neuen Parlament be- rathen werden!" „Imposaibilo!" rief überrascht Marzari, „wie konnte ein solcher Umschwung der öffentlichen Meinung ctntrctcn? Die Deutschen waren -och überrumpelt und bereit, in die Trennung zu willigen, das hohe Ziel lag sozusagen greif bar vor uns, ich habe neue Fahnenstangen für die Trtcolore bereits bestellt! Wie ist es möglich, daß die deutschen Parteien plötzlich gegen deutsche Art einig stehen?" „?er baooo! Unsre eignen Federfuchser sind schuld'. Sie haben aus der Schule geplaudert, zu früh frohlockt, die Katze aus dem Sack gelassen! Und zu allem Pech können die deutschen Prcßkosaken italienische Blätter richtig lesen, sie wittern unsere Absichten und schlagen Lärm! Sogar ausländische Blätter besprachen unsere Frage und Lage und protestiren, daß Trcntino selbstständig und später Italien ungegliedert werde!" „Pah! Was kümmert uns das Gefasel der deutschen Zeitungen!" „Es darf die Macht der Presse nicht unterschätzt werden, die Tedeschi haben uns den Braten verdammt versalzen, und das Allerschlimmste ist, daß ein Zucco die Frage der Vcrwaltungskosten, der Zahlungspflicht des Trcntino an geschnitten und leider unwiderleglich vorgercchnet hat, daß unsere Autonomie mit einem furchtbaren Fiasco in finan zieller Beziehung enden muß." „Wirklich? Man kann Zahlen fälschen!" „Die Ziffern sind leider richtig! Und der größte Jammer ist eben, baß unser LandeStheil kein Geld hat uv- aus deutsche Zuschüsse angewiesen bleibt!" „Pah! Geld ist uns Chimäre! Loskommcn wollen wir endlich! Das Weitere wird sich finden! Nur sortprotestiren, Versammlungen halten, ab und zu eiu Putsch, Obstruction bis zum Superlativ, die Patatoni geben schließlich doch klein bei!"
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