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Beilage W Nr. 88 Eibenstocker Tageblatt - Adalbert Stifter Vor 70 Jahren starb der Meister der Naturschildernng. Als am 28. Januar 1868 der seit langem kranke Schul- rai Stifter starb und das Gerücht seines Todes die Stadt Liu-, in der er lebt«, durcheilte, da waren sich ebensowenig die Einwohner d«r guten Stadt wie überhaupt die meisten Deutschen diesseits und jenseits der Grenzen der Donau- Monarchie darüber klar, daß einer der größten österreichi- scheu Dichter nicht mehr unter den Lebenden weilte. Man besann sich vielleicht darauf, daß Stifter Erzählungen ge schrieben hatte, die aber von den meisten als recht lang wellig beurteilt worden waren; mehr wußte man jeden falls nicht von ihm. Erst lang« nach seinem Tode fand er die verdiente Würdigung, es ist ihm also ebenso er- gangen wie manchem anderen Großen der deutschen Der- gangenheit. ! Ein langer, mühseliger Lebensweg, reich an Entbeh rungen und Sorgen war Adalbert Stifter beschicken, der am 23. Oktober 1805 auf der böhmischen Seite des Böh- mer Waldes, im Marktflecken Oberplan, als Sohn des Flachshändlers Johann Stifter geboren wurde. Bescheiß den das Elternhaus, in das Sorge einkehrte, als der Er- nährer einen tödlichen Unfall erlitt; da mußte der kleine Adalbert schon früh mitanfasftn und seine Hände regen., Durch seine Begabung, derentwegen der Großvater sich lebhaft für den Jungen einsetzte, kam er gut auf der Schule weiter, er durfte die Universität Wien aufsuchen, wohin er auf einem Floß die Donau hinabfuhr. Wie überwältigt« ihn die Kaiserftadt! Es gab so unendlich viel zu schauen, so viel zu lernen, daß er aus einer Vor lesung in die andere eilte. Kunst und Literatur fesselten ihn ebenso wie Naturwissenschaften und Physik. Zum Examen kam es aber nicht; in unbegreiflichem Leichtsinn bileb er der mündlichen Prüfung fern, nachdem er die schriftlichen Prüfungen für ein Lehramt der Naturwissen schaften abgelegt hatte. Er hatte zwar zunächst dadurch keine materiellen Sorgen, denn durch Stundengeben hatte er gute Erfolge zu verzeichnen, so daß er in den Häu sern des Staatskanzlers Fürst Metternich und des Für sten Schwarzenberg als Pädagoge hoch geschätzt wurde. In diesen Jahren blieb er trotz des Stadtlebens stän dig in enger Berührung mit der Natur, wozu der regel mäßige Besuch seiner schönen Heimat viel beitrug. Diese Liebe zur Natur führte ihn zur Malerei, und über die Malerei, bei der er Oelfarben bevorzugte, kam er zum Dichten. Entscheidend wurde in dieser Beziehung das Jahr 1840. Eine Schülerin entdeckte in seiner Rocktasche das Manuskript „Der Kondor", bot diese Erzählung einer Wiener Zeitschrift an, die es sofort veröffentlichte. Mit einem Schlage war der Name Stifter bekannt. Er hatte hierdurch Mut bekommen. Erzählung auf Erzählung folgte; sie vereinigte der Verfasser in den ersten beiden Bänden der „Studien", denen 1847 weitere Bände , folgten. Sie machten ihn weit über die Grenzen Oester reichs berühmt. Damals stand Stifter, der in Wien j wohnte, in enger geistiger Verbindung mit hervorragende» Männern, so vor allem mit Grillparzer; es waren die vielleicht schönsten Jahre seines Lebens, jedenfalls hat er in dieser Wiener Zeit die besten seiner Werke geschrieben. So führt« Stifter seine Leser mit Vorliebe hinaus in die Wälder und Be»me seiner Heimat, die erst durch ihn seiner Mitwelt erschlossen wurden. Die Revölution von 1848 unterbrach diese fruchtbare Tätigkeit. Stifter konnte bei diesen politischen Wirren nicht dichten, er ergriff daher gern eine Anstellung im Schuldienst, die ihm Freunde ver schafft hatten. Als Schulrat wirft« er fortan in Linz; hier fand er auch wieder zur schriftstellerischen Arbeit zu rück, so manche Studie und Erzählung ging hinaus, denen 1853 die Sammlung „Bunte Steine" folgte. Hohe Auszeichnungen wurden ihm zuteil; der Kaiser verlieh ihm die „Goldene Medaille für Kunst und Wissen- schäft". Doch Stifters Gesundheit war schwer erschüttert. So zog er sich immer mehr von den Menschen zurück; er beschäftigt« sich lieber mit Hunden und Blumen. Auch wenn di« Schriftstellerei nicht ganz eingestellt worden war, so fehlte ihm doch der Schwung; seine letzte große Arbeit war der Roman „Witiko", den er 1867 veröffentlichte. Das war seine letzte Freude, denn sein gesundheitliches Befinden verschlechterte sich derart, daß er in einem Fie beranfall zum Rasiermesser griff und sich eine tödliche Halsverletzung beibrachte. Sein Kämpfen und Sterben beleuchten seine eigenen Worte: „Man arbeite mutig fort, wenn auch die Anerkennung nur von Eingeweihten kommt und der Lohn in seinem eigenen Bewußtsein liegt." Oer Ausbau der Hochseefischerei Der preußische Finanzminister besucht Wesermünde Cuxhaven. Der preußische Finanzminister Pros. Dr. Popitz be suchte den Fischereihafen Wesermünde, um sich davon z« überzeugen, ob die großen vom preußischen Staar beson ders seit dem Umbruch in diesem Hafen investierten Mittel! zweckmäßig verwandt worden sind und wie weit der Aus bau der Wesermünder Hochseefischerei nach den Zielen de» Vierjahresplanes bisher gediehen ist. Ferner will den Minister klären, in welchem Umfang den Forderungen auß Ausbau des Fischereihafens im Rahmen des preußische« Staatshaushalts 1938 entsprochen werden kann. Vo« Wesermünde aus begab sich der Minister nach Curhave«^ um sich hier ebenfalls über den Stand der Cuxhavener» Hochseefischerei zu unterrichten. Schlagwetterexplosion aus Ceylon. In einem Bergwerk in der Gegend von Kurunegalla hat sich eine Schlagwetterexplo sion ereignet. Riesige Wassermengen überschwemmten die len. Man befürchtet, daß 16 Bergleute umgekommen sind. Die größte deutsche Eisen- bctonbogenbrüüc. Die Reichsautobahnbrücke über das Teufelstal bei Hermsdorf im Zuge der Reichsautobahn Dresden —Jena mit einer Spann weite von 138 Metern zwischen den Auflagern. Nachdem die eine Hälfte der Brücke bereits fertig- gestellt und für den Ver kehr freigegeben wurde, ist jetzt das auf Rollen ruhende hölzerne Lehr gerüst um 12,5 Meter seit lich verschoben worden, damit der zweite Wölb bogen aus Eisenbeton gebaut werden kann. Weltbild (M). vertrieb: Romamrerlag K L H. Greifer, G. m. b. H.. Rastatt 26. Fortsetzung. Diese war sehr belebt, weil nach amerikanischer Sitte viele Menschen, die selbst nur bescheiden wohnen, sich mit ihren Geschäftsfreunden Stelldicheins in den großen Emp- fangshallen der Hotels geben und dort ihre Angelegen heiten verhandeln. Selbstverständlich erregte die blonde Deutsche, die ihre ständig wachsende Unruhe kaum noch zu verbergen ver- mochte, die Neugier der Herren: sie wiederum hatte das Gefühl als würde sie von lauernden Blicken beobachtet. Es wurde zwölf Uhr, und Will kam nicht. Wieder ging sie m die Offize des Managers, um sich Rat zu holen. »Telephonieren Sie doch hinüber: das Pfarrhaus in Josqih City hat sicher Anschluß. Boy, führen Sie die Dame in die Fernsprechabteiluna l" Eins der jungen Mädchen, die dort zur Bedienung der Hotelgäste saßen, stellte die Verbindung her. Es dauerte ziemlich lange, dann schüttelte die Tele phonistin den Kopf. „Im Pfarrhaus meldet sich niemand. Vielleicht ver suchen wir es später noch einmal." Adas Nerven waren auf das höchste gespannt; sie war einfach nicht imstande, wieder Stunden zu warten. Das Telephonfräulein hatte ein freundliches Gesicht, und io weihte Ada sie etwas ein. „Ich begreife nicht, warum mein Verlobter wed« kommt, noch mir eine Nachricht zukommen läßt. Bitte, raten Sie mir. Ich habe gestern abend telegraphiert und auch keine Antworat erhalten." Die Beamtin nickte. „Ich werde mich mit dem Amt in Joseph City ver binden und um Auskunft bitten." Run mußt». Ada doch warten, bis eine Antwort kam. „Die Depesche an Reverend Thomas ist gestern spät eingegangen, konnte aber nicht bestellt werden, da nie- mand im Hause war. und wurde in d. Briefkasten ge- legt. Der Telegraphenbeamte hat heute erfahren, daß Reverend Thomas vor drei Tagen nochmals Urlaub ge nommen hat und mit seiner Mutter verreist ist. Ort der Reise und Zeit der Rückkehr sind unbekannt." Ada traute ihren Ohren nicht. Sie wurde bleich, glaubte ohnmächtig zu werden und sank in einen Sessel. „Das ist doch gar nicht möglich! — DaS ist doch auS- geschloßen l — Er erwartet mich jal" Das Fräulein hatte natürlich längst wieder ihre Arbeit ausgenommen und kümmerte sich nicht weiter um die Fremde, antwortete also auch nicht auf Adas Worte. „Fehlt Ihnen etwas. Miß? Kann ich Ihnen behilf- lich sein?" Ada fuhr auf und starrte in die Augen eines jungen Mannes, der sich über sie beugte. Sie schämte sich, war voller Furcht vor diesem Frem den, schüttelte den Kopf, ging mit raschen Schritten wieder in die Hotelhalle zurück und fuhr in ihr Zimmer hinauf, atmete erst wieder auf, als sie die Tür hinter sich ver riegelt hatte. Jetzt sich sammeln, verstehen, eine Erklärung finden! Will, der sie erwartet. Will, der den Tag ihrer An- kvnft kannte, war mit seiner Mutter auf unbekannte Zeit verreist? Das war etwas so Ungeheuerliches, daß Ada. die mit aufgerissenen Augen, die Hande auf ihr Herz gepreßt, am Fenster stand und hinausstarrte, es nicht zu faßen und zu begreifen vermochte. Nachdem der erste Schreck überwunden war, begann Ada zu überlegen. Jedenfalls war sicher, daß Will und seine Muter nicht in Joseph City waren/ und daß sie ihr keinerlei Nachricht gegeben hatten. Anderseits war ebenso gewiß, daß sie erwartet wurde. Der Schnellrichter in Neuorleans hatte ihr selbst gesagt, daß Wills Mutter in günstigster Weise über sie ausgesagt hätte. Will hatte das Zimmer bestellt und ihr sogar Blu mer. geschickt. Was sollte sie jetzt tun? Im ersten Augen- blick kam ihr der Gedanke, es sei t-8 natürlichste, sich auf den nächsten Babnzug zu setzen und nach Joseph City zu fahren. Dann überlegte sie: Hätte Will das gewollt, würde er ihr sicher eine dies- bezügliche Nachricht hierher geschickt haben. Wenn er nicht da war, konnte sie ihn ja in Joseph City ebensowenia ber- anzaubern, wie in Chikago. Abermals erfaßte eine neue Angst sie. War Will und seiner Mutter irgend etwas zugestoßen? Vielleicht ein Autounglück? Wenn irgend so etwas geschehen wäre, hatte es gleich gar keinen Zweck hinzufahren. Sie machte sich klar, daß sie vor allen Dingen be herrscht und ruhig sein mußte, fühlte sich kräftig genug, sich zu bezwingen, und fuhr abermals hinunter, um mit dem Manager zu sprechen. Diesmal tat ein anderer Mann in der Offize Dienst. „Entschuldigen Sie eine Frage. Ich bin Ada Thomas, die Braut des Reverends TbomaS. und bin in Sorge, weil mein Verlobter nicht kommt um mich abzuholen. Können Sie mir vielleicht sagen, wann er das Zimmer für mich bestellt hat, und ob er damals persönlich hier war?" . Der Herr lächelte. . „ .. _ „Das können wir natürlich bei unserem großen Be triebe nicht auswendig wissen. Ich will einmal nachschlagen und sehen, was darüber im Journal steht." Er blätterte m einem großen Buch. Hier ist die Notiz: „Reverend Thomas aus Josevb Citv bestem durch Ferngespräch aus Springfield, Illinois, ab 25. August gutes Zimmer mit voller Pension für Miß Ada Thomas aus Deutschland, wünscht, daß Zimmer mit Blumen ge- schmückt wird, sendet durch Metrolitan-Bank Scheck über fünfzig Dollar, wird persönlich kommen, die Dame abzu holen und Rechnung zu begleichen." „Er hat nicht gesagt, an welchem Tage er kommt?" „Darüber ist nichts vermerkt." „Verzeihen Sie noch eine Frage! Was kostet der Pen sionspreis meines Zimmers?" „Zehn Dollar pro Tag." „Danke sehr." Ada fuhr wieder in ihr Zimmer mnaus. weil es ihr widerstrebte, sich in der Hotelaaße angasfen zu laßen. Will hatte aus der Stadt Springfield telephoniert und das Zimmer für mehrere Tage im voraus bezahlt. Es war also ganz augenscheinlich, daß er sie in Chikago er wartete. Jedenfalls war er also noch auf einer Dienstreise Sie mußte warten. Aber wenn sie nur begreifen könnte, warum er. der ihr so liebevoll Blumen schickte, nun keine Zeile schrieb! Er mußte sich doch denken, daß sie angekommen war. Sie wurde aus ihren Gedanken aufgeschreckt durch einen Anruf des Zimmertelephons und eilte voll freu diger Erwartung hin. ES war der freundliche Manager, mit dem sie vorhin gesprochen. „Ich habe eben noch eine Nachricht bekommen, die Sie intereßieren wird. Mein Sekretär, der einige Tage be urlaubt war und Zeuge unseres Gespräches wurde, sagte mir. vor drei Tagen sei ein Herr, der sich Reverend Tho mas aus Joseph City nannte, im Auto vorgefahren, sei außerordentlich erregt gewesen, habe gefragt, ob Miß Tho mas eingetroffen sei. Er habe dann gesagt, er reise nach Baltenronge, wiße nicht, bis wann er zurück sei. Miß Thomas solle ihn unter allen Umständen im Hotel er warten. wenn sie etwa noch käme." Es handelte sich um die kurze Anfrage im Hotel, die Will in aller Eile und in der Voraussicht, nichts von Ada zu hören, getan hatte. Der Sekretär aber hatte den Na- men der Stadt Boston Rouge, den Will in seiner Erre gung schnell hervorgestoßen hatte, falsch verstanden. Das war nun allerdings eine Nachricht von Will, doch keine gute. Jedenfalls vielleicht eine Erklärung. Ada sah in ihrem Bädeker von Nordamerika nach und fand keine Stadt Baltenronge. DaS wollte freilich nichts sagen: denn es war vielleicht ein ganz kleiner Ort, den Touristen niemals berührten. (Fortsetzung folgt.)