Volltext Seite (XML)
ächsische V nsMmg. Wped. u. Nedaktto« Pre-deu-Neustadt L Meißner »affe S. Lie Zeitung erscheint Dienst««, Dennersta« und Eanaadend «erden dir Monta- Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: dieispalt. Zeile 1ö Pf. Unter Eingesandt . 30 Pf. Frankfurt a/M. u. s. w. <Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrman» Müller in Dresden. Juserate»- «nnatzmestelleur Die «rnoldische Buchhandlung, Jnvalidendank, HaasensteinLNogler, Rudolf Mosse, ' «. L. Daube L Es. U»,«nr»ent»- PretSr dietteljthrl M. 1^0. Z» beziehen durch die kaiserlichen Post- anstalten und durch unsere Voten. »ei freier Lieferung in- Hau- erhebt die Post noch eine Ge bühr von SS Pfg. Ar. 3ü. Sonnabend, den 12. März 1881. 43. Jahrgang. Politische Wettschau. Deutsches Reich. Fürst BiSmarck hat zwar in seiner letzten Reich-tag-rede jede Verantwortlichkeit für die „Provinzial Korresp." abgelehnt und erklärt, die Redaktion diese« Blatte- ginge ihn nicht« an, da« hindert jedoch die Letztere nicht, die Aeußeruogen de« Reichskanzler- in den Reich-tag-fitzungen am 3. und 4. März au-führlich zusammenzustellen und nachzuweisen, in welchem innigen Zusammenhänge mit der innern Ge- sammtpolitik der Regierung die Kragen stehen, welche von dem Kürsten au« anscheinend geringfügigem Anlaß be handelt wurden. Die „Prov. Korr." schreibt: „Bisher glaubte die Fortschrittspartei den alleinigen Anspruch auf die Kritik öffentlicher Zustände zu haben, jetzt aber, wo sich die Kritik gegen sie und die Früchte ihres System- wmdet, wo der Kanzler die Wunden, welche die fortschrittliche Zwangsherrschaft dem Gemeinwesen schlägt, nur mit dem Kinger berührt, glaubt sie Ein spruch erheben zu sollen, wohl in dem richtigen Bewußt sein, daß ihr Heiligenschein und ihre Unfehlbarkeit nicht länger mehr die gewünschte Wirkung auSüben «erden. DeS Kanzlers persönliche Lheilnahme an den Verhand lungen deS Reichstag« zeigt allen Denen, welchen das Wohl deS Staate-, nicht der Sieg vorgefaßter ver alteter Lehrmeinungen, am Herzen liegt, die Noth wendigkeit, mit gleicher Entschlossenheit sich an dem Kampfe gegen die Hindernisse, die der Reform entgegen- stehen, zu betheiligen. Er hat durch sein persönliches Eintreten in den Kampf Allen dir Bedeutung und die Wichtigkeit der Lage nahe gelegt; möge man hierin ein Signal erblicken zum Sammeln und Ordnen! Es gilt jetzt Ernst zu machen mit der Verwirklichung der schon lange genug vorbereiteten, im Interesse des Lande- unerläßlichen wirthfchaftlichen Wiedergeburt!" Die Opposition der Fortschritt-Partei und der Secessionisten soll auf diese Weise zum Schweigen gebracht werden, die de« Centrum« hält man nicht mehr für widerstand«, fähig, weil der Papst ohne Rücksicht auf die CentrumS- führer wesentliche Beweise versöhnlichen Entgegen kommen» gegeben hat. Da- Juligesetz war die erste Station auf dem Wege zur Versöhnung mit Rom, die KapitelSwahl in Paderborn die zweite, der Abg. Windthorst ist im Geiste schon bei einer andern Station, einer umfangreichen Novelle zum Maigesetz, angelangt. Der Kultusministerialdirektor LucanuS ist jetzt nach Paderborn gereist um von dem neuen BiSthumSverweser ein versprechen de« Gehorsam- statt deS Eide« zu empfangen und ihm dafür die Verwaltung de« Diöcesan- Berm-gen- zu übertragen, die bisher interimistisch dem Regierung-kommiffar Himly avvettraut war. Am Mittwoch wurde im deutschen Reichstage die Berathung wegen der Einführung zweijähriger , Etats- und vierjähriger LegiSlatur-Perioden fortgesetzt. ! Der freikonservative Abg. v. Lerchenfeld erklärte sich gegen die Vorlage, indem er deren politische und finanzielle Bedenklichkeit nachzuweisen strebte und die behauptete Wahlmüdigkeit de- Volke- bestritt, sich jedoch für den Antrag Stumm« erklärte, die Vorlage einer Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen. Schatzsekretär Scholz führt au-, daß bei zweijährigen Etat-perioven eine gründlichere Prüfung der Betürfniffe und größere Sparsamkeit eintreten werde, die Einfüh rung derselben Maßregel in den Einzelstaaten sei nicht unbedingt nothwendig. Abg. Hänel erklärte dagegen, j der Reichstag könne sich auS den vorgebrachten Gründen nicht entschließen, in eine Verminderung seiner konsti tutionellen Rechte zu willigen. Um die jetzt vorliegenden Unbequemlichkeiten zu beseitigen, bedürfe eS keiner Ver fassungsänderung, dazu reiche die Ausführung de- An träge« Rickert auS. Wenn man sich freilich überlegt, ! daß der Reichskanzler die Gesetzgebung in Anspruch ge- nommen habe, um sich gegen den konservativen Ring im Schlawer Kreise zu schützen und in den Rummelt- burger Kreis einzutreten, daß er ferner die Gesetzgebung in Anspruch nehme, um sich gegen die allzuhohen Ein schätzungen feiten- der Berliner fortschrittlichen Be hörden zu «ehren, so liege der Verdacht nahe, daß die Verfassungsänderung nur vorgenommen werden solle im Interesse der Bequemlichkeit de« Reichskanzlers. Der »ürtemdergifche Bevollmächtigte v. Schmid erklärte, daß die Vorlage lediglich auS sachlich»» Gründen, au- der Nothlage der Häufung der parlamentarischen Geschäfte heraus, gemacht worden fei. Der BundeSrath halte ebenso gut wie der Reich-tag fest an der Verfassung und beabsichtige nicht, die Rechte de- Reich-tageS zu schmälern. Es müsse für da« parlamentarische Leben im Reiche und in den Einzelstaaten ein moäus viveväi gefunden werden. Abg. Windthorst erklärte sich gegen zweijährige Etat-, namentlich aber gegen die zweijährige Berufung deS Reich-tageS; er sprach seine Freude darüber auö, daß endlich auch die Liberalen anfingen, die Verfassung zu vertheidigen; sie hätten eS in Preußen schon früher thun sollen. Redner empfahl, den Reichs tag vor Weihnachten zu berufen und namentlich ihm weniger Gesetze vorzulegen. Staatssekretär v. B ötti ch er erklärte, daß die zweijährige Berufung deS Reichstages kein principieller Punkt der Vorlage sei; wenn der Reichstag die alljährliche Berufung fordere, würden sich die verbündeten Regierungen dem nicht wiedersetzen. Nachdem noch Abg. v. Kleist-Retzow für die Vorlage gesprochen, erhielt Abg. Rickert da- Schlußwort al« Antragsteller. Bei der Abstimmung Über den Antrag i Stumm, die Vorlage an eine Kommission von 21 Mit- Feuilleton. Der Herr Baron. Novelle von LuSwig Habicht. (26. Fortse-rmg.) Die Hochzeit de- Baron- hatte in Pari- am 12. November stattgefunden und am 13. Februar deS nächstfolgenden Jahre« war der junge Gatte schon in Neapel seinem Gehirnleiden erlegen. Dann «ar ja die furchtbare Katastrophe ungeheuer rasch erfolgt. Die Baronin hatte sich ebenfall« dem Tische ge- nähert und beobachtete mit unruhig blitzenden Augen, wenn auch aanz heimlich, jede Bewegung Rasin-ky'-; al- er jetzt sein verdächtige« „Hm" murmelte, fragte sie in vornehmer Haltung, aber auch mit allen Zeichen der Ungeduld: ist die Prüfung noch nicht zu Ende? meine Zeit ist mir wirklich für derlei Geschäfte zu kostbar. Ich habe nur noch eine Bitte. Mir zu gestatten, die Dokumente zu kopiren, entgegnete der Advokat mit großer Höflichkeit. E- wird sehr rasch geschehen sein. Wozu? rief die Baronin hastig Ich glaube nicht, da- Sie zu dieser Forderung ein Recht haben und sie warf dabei einen fragendeu Blick auf ihren Kammer dimer. i Da- glaube ich ebenfeckl» nicht, bemerkte Iwan und griff schon nach dm Papieren, um fie wieder zusammenzufalten. Daun wird mir nicht- Anderes übrig bleiben, al» ihre Vorlegung beim Gericht zu beautragen, sagte der Advokat-, ohne eine Mime zu »erziehen, nur seine klugen Augen blitzten hinter den Brillengläsern etwa- triumphirend über da« Paar hinweg. Baron Bloom- Hau--Rosenberg will eben jede- häßliche öffentliche Auf sehen vermeiden, fuhr RasinSky fort. Er wird sich voll, kommen begnügen, wenn ich ihm die Abschriften dieser Papiere vorlege und ihm zu gleicher Zeit auf meine AmtSehre versichere, daß ich alle- in bester Ordnung gefunden habe und daß an diesen Dokumenten nicht im mindesten zu zweifeln ist. Da- Antlitz der Baronin hellte sich plötzlich auf, ein heimlicher Freudenstrahl zuckte au- ihren dunklen Augen zu Iwan hinüber, der dennoch der scharfen ve- obachtongSgabe de- Advokaten nicht entging. Die schöne Frau «ar wie verwandelt, mit dem alten bezaubernden Lächeln, da» ihr so leicht zur Verfügung stand, sagte sie lebhaft: Da» ist etwa» Andere», mein Herr. Dann kopiren Sie nur, wenn Sie sich einmal dieser Mühe unterziehen müssen. Meinst Du da« nicht auch? wandte fie sich zu ihrem Kammerdiener, der sich mehr in der Gewalt hatte und ohne Miene zu verziehen ruhig ant wortete: Wie e» dem Herrn beliebt. RasinSky holte seine Brieftasche hervor, bat noch um Keder und Tinte — die Baronin holt« selbst da» Gewünschte herbei und stellte mit gewinnender Anmuth da» elegante Schreibzeug vor den Advokaten hin, der sich sogleich an seine Ausgabe machte, mit großer Ge wandtheit, aber auch mit großer Sorgfalt die Zeugnisse abschrieb und sich dabei trotzdem die Gelegenheit nicht entgehen ließ, die Züge der Beiden heimlich zu beobachten. Die Wittwe verrieth unverkennbar, daß ihr ein Druck von der Brust genommen «ar, »ährend Iwa« ihr verstohlene Blicke zuwarf, sich doch mehr zu beherrschen. gliedern zu verweisen, ergab sich die Beschlußunfähigkeit de« Hause». Am andern Lage machte der Reich-tag so fort bei der Eröffnung den Eindruck der Beschlußfähigkeit. Bei Wiederholung der am Lage vorher resultatlo» ge bliebenen Abstimmung betheiligten sich 238 Mitglieder, von denen 127 für und 111 gegen den Antrag Stumm stimmten. Die Ueberweifung an die Kommission ist dem nach mit einer kleinen Majorität, die sich au- den Kon servativen, einem großen Lheile deS CentrumS und der Gruppe Schauß-Völk zusammengesetzt, angenommen. ES folgte sodann die Berathung der Denkschrift über die Ausführung der Münzgesetzgrbung. Abg. v. Mirbach führte auS, daß die Münzfrage nicht da» Programm der Agrarier berühre. Allerdings sei man jetzt zur Ein sicht gelangt, daß die volle Durchführung der Goldwäh rung undurchführbar und mit Gefahren verknüpft fei. Er hoffe, daß auf der bevorstehenden internationalen Münzkonferenz zu Paris eine bimetallistische Konventton zu Stande kommen werde. Die Reichsregierung werde auf der Konferenz die Interessen DeutschlanvS gewiß nicht nur in Beziehung auf die WährungSfrage, sondern auch in wirthschaftlichcr Beziehung sorgfältig wahren. Abg. Bamberger entwickelte hierauf seinen bekannte» Standpunkt in der WährungSfrage, indem er betonte, daß Deutschland an der Goldwährung festhalten müsse. Abg. Lenthe motivirte seinen UeberzeugungSwechsrl z» Gunsten der Doppelwährung. Abg. Delbrück hält eS für unerläßlich, auf der vom Reiche betretenen Baha mit Konsequenz fortzuschreiten, während Staatssekretär Scholz die Aufrechterhaltung de- jetzigen Systems al- den Standpunkt deS Reichskanzler» bezeichnet. Die Münzreform werde im Einoerständniß mit dem Reichs tage durchgeführt werden. Die Münzkonferenz in Patt- sei nur eine internationale Verständig«», kein Experi ment. Abg. v. Kardorff sprach noch für die Doppel währung, Abg. Sonnemann für die Goldwährung, wonach die Debatte geschlossen wurde. Wie die „Post" berichtigend mittheilt, beträgt da« Jahreseinkommen der dm, Grafen zu Eulenburg ver liehenen Domherrn-Stellung nicht 12,000 Mark, son dern nur ein Drittel dieser Summe. In der am Donnerstage stattzefundenen Sitzung der Berliner Stadtverordneten interpelline der Vor sitzende der ServiSkommisfion, Paetrl, die anwesenden Magistratsmitglieder Korckenbeck und Nöldechen über die MieehSsteuereinschätzung deS Reichskanzler«, ob Reklama tion und ob Revision stattgefunden habe und wa« der Magistrat gegen die Beschuldigungen deS Reichskanzlers zu thun gedenk,. Nöldechen antwortete, die Wohnung de« Reichskanzler« sei nach Maßgabe der gesetzlich« Bestimmungen nicht zu hoch ringeschätzt, der Reichs kanzler habe nicht reklamirt, er zahle seit Anfang April Der Advokat batte ziemlich rasch seine Aufgabe vollendet und die Brieftasche wieder zu sich steckend, sagte er sich höflich verbeugend: Ich danke Ihnen, Fra» Baronin für ihr liebenswürdiges Entgegevkommen, das mir meinen äußerst prinlichen Auftrag sehr erleichtert hat. Ich freue mich selbst, daß ich Alle- in schönster Ordnung gefunden habe und ich werde dafür sorgen, daß Ihnen nun auch alle häßlichen Weiterungen erspart bleiben. Der Baron Bloomhau--Rosenberg hat die Sache ganz und gar in meine Hände gelegt und ver läßt sich auf meine Unbestechlichkeit. Sie habm mir selbst eine hatte Probe davon ge liefert, entgegnete die Baronin und fie schenkte dem Advokaten noch ein anmuthigeL Lächeln. Ich mußte meine Pflicht erfüllen; aber e» gereicht mir dennoch zum ganz besonderen Vergnüg«, daß ich nun nicht nöthig habe, Ihnen, Frau Baronin, al» feind licher An«alt gegenübrrzutreten und die sonst so kalt«, geschäftsmäßig dreinblickenden Augen de» Advokaten ruhten jetzt voll aufrichtiger Bewunderung auf der schönen Krau. Kühlte sich die Baronin doch davon geschmeichelt, oder wollte fie sich nur den Anschein geben, daß fie e» sei? Sie bückte sich um zu erröthm und schlug wie ein junge» Mädchen, beschämt die langen seidenen Wim- pern nieder. Rafla-ky empfahl sich und al» er von Bloomhau» schon einige Schritte entkernt war, glaubte er noch e nen übermülbigen, lustigen Chanson zu hören, der au» den offenen Feastern de» Schlosse- drang und gewiß von de» Lippe« der Baronin kam. Unwillkürlich zu-fte rin boshafte» Lächeln um den Mund de» Advokaten.