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leim doch schon für dieselben schlagfertig. Am stillsten verhalte« sich die Liberalen; au» ihren Kreisen ist noch nicht die geringste Kunde über die in Aussicht ge nommenen Wahldispositionen gedrungen. Weniger ge räuschlos, ober gewiß nicht minder ruhig, g<ht die äußerste Linke vor. Diese macht in ihren Blättern un. ausgesetzt Reklame, indem sie täglich neue Bulletin- Aber die S'ege veröffentlicht, die ihre Ideen angeblich in allen Ecken und Enden deS LavdeS über die Prin- <ipien der Regierung und der Majorität davontragen. UcbrigenS findet am 23. d. M. in Pest die Landes- Konferenz der letzteren Partei statt, welche voraussicht lich gut besucht sein wird und auch werthvolle Aufschlüsse über die inneren Verhältnisse der Partei und ihr« Ver breitung dringen dürfte. — In dm Berarhungen, den österreichisch-serbischen Handelsvertrag betr., ist wieder einmal eine Pause eingerrrten. Inzwischen hat die Lon doner Regierung nach Belgrad Mittheilungen gelangen lassen, welche die Wahrung der englischen HandelS- interessen für den Fall bezwecken, daß etwa durch daS mit Oesterreich-Ungarn abzuschließende Uebereinkommen für eine größere Zahl von unter den Grenzverkehr sub- summirten Handelsartikeln Begünstigungen st pulirt wer den sollen. SerdischerseitS wurde erwiedert, das Fürsten- thum sei entschlossen, die bestehenden VerlragSr chte anderer Staaken zu achten, sich ater in seinem Vorgehen der benachbarten Monarchie gegenüber nur von den vaterländischen Interessen leiten zu lassen. — Das Han delsministerium hat an die österreichischen Bahnen ein Schreiben gerichtet, in welchem es, sich gegen die Mrhl- einfuhr auS Deutschland aussprechend, die Erklärung abgiebt, daß, nachdem im Jahre 1879 über 900 000 Zollcentner Mehl und Mahlprodukte von Deutschland über die österreichische Zollgrenze gebracht worden seien, eine Aenderung der für die Einfuhr dieses Artikel- be stehenden Transportbestimmungen unabweislich ncth- wendig werde. Aber nicht die Einführung eines Mehl- zvlleS, sondern die Ermäßigung der inländischen Bahn- frachten hält der Minister für geeignet, diesen für Oester reichs Mühlenindustrie schädlichen Import einzuschränken. Frankreich. Die „Republque Fran^aise" ver öffentlicht soeben einen Bericht über die militärischen Verhältnisse Frankreichs, der namentlich für das deutsche Reich ron Interesse »st. Danach beträgt der Effektiv stand deS stehenden Heeres für daS Jahr 1881 genau 498,497 Mann, von denen 52,750 sich in Algerien be finden. Zieht man von diesem Gejammtbestande eine durchschnittliche Anzahl von 39,000 Mann ab, welche auf Urlaub oder in den Hospi'älern verweilen, so ver bleibt ein Minimum von 459,370 Mann. Die Infanterie beläuft sich auf 283,563, die Kavallerie auf 66,758 und die Artillerie auf 68,762 Mann, während die verschie denen Dienstzweige deS Generalstabes 4174 Personen umfassen. Zu den diesjährigen Uebungen werden außer dem 335,964 Reservisten und 142 801 Angehörige der Territorialarmee herangezogen werden, so daß im Ganzen, wie die „Rep. Fran^." wohl nicht ohne Absicht betont, nahezu eine Million Mannschaften im Jahre 188 l unter den Waffen sind. — Die Beerdigung Blanqui's hat am 5. d. M. in Paris unter sehr zahlreicher Bethei ligung stattgefunden. Gegen 20,000 Personen folgten dem Leichenwagen, während eine große Menschenmasse in den Straßen, welche der Leichenzug passirte, Auf stellung genommen hatte. Rochefort und verschiedene ehemalige Mitglieder der Kommune befanden sich an der Spitze des Zuges. Es wurde mehrere Male „ES lebe Rochefort!" „Es lebe die sociale Revolution!" gerufen. Am Grabe hielten einige Intransigenten Reden. Abgesehen von einem Gedränge in der Rue de la Roquetle und auf dem Friedhöfe, ist keine bemerkens- wenhe Unordnung vorgekommen. LHrostbrituiiNlen. Die irische Frage bleibt vor wie nach das Schreckensgespenst, daS in allen Kreisen der Gegenstand der unausgesetzten Sorge ist und bereits nach London hinübergreift, da, wie von dort telegrapbirt wird, man einem Plane auf die Spur gekommen ist, der den unzweideutigst«n Beweis liefert, daß die Ab sicht besteht, den freiwilligen Regimentern die Waffen gewaltsam zu entreißen. In Irland selbst war die letzte JahreSwoche wieder reich an verschiedenartigen Agrar- verbrechen, unter denen der Meuchelmord, die Brand legung, die Verstümmelung von HauSthieren, nächtliche Besuche vermummter Verschwörer und andere Mittel der Schreckensherrschaft vertreten sind. DaS System der gesellschaftlichen Jsolirung (voycottiren) kommt ebenfalls immer mehr in Anwendung und die Ein- mülhigkeit und Entschlossenheit der Bevölkerung wird immer offenkundiger. Die Regierung fängt jetzt an, die von der Lanblig« organisirten Versammlungen zu untersagen, wobei eS aber zuweilen zu argen Lhätlich- keiten kommt. Allenthalben bedarf eS der größten Mühe, dem Gesetze Gehorsam zu verschaffen und unter den Umständen darf eS nicht Wunder nehmen, wenn daS Gerücht kursirte, daß die Hub«»» Oorpus-Akte noch vor dem Zusammentritte deS Parlament- aufgehoben werden würde. — Die BoerS sind bereits in Natal eln- gedrungen, um den Vormarsch der englischen Truppen von Port d'Urban auS zu verhindern. Aber auch sonst macht die Rebellion im Kaplande reißende Fortschritte. Das Triumvirat (Krüger, Prätorius und Joubert) hat eine Proklamation erlassen, welche für die Konstitution von Transvaal eintritt. Allen Gegnern wird Pardon an geboten. Die Beamten sollen ihre Posten behalten, britische Konsuln zugelassen und die während der Annexion erwachsenen Ausgaben genehmigt werden. — Das Parlament ist am 6. d. M. eröffnet worden. In der Thronrede drückte die Königin unter Anderem ihr Bedauern darüber auS, daß die gewöhnlichen Cwilverord- nungen in Irland nicht hinreichen, um dem Gesetze Achtung zu verschaffen und beklagt die Noihwendigkeit der vor- zuschlagenden Ausnahmegesetze, worauf die Ankündigung einer neuen Lanvbill für Irland folgt, deren Grund, sähe von Gladstone noch während der Abreßdebatte er schöpfend dargelegt wcrdm sollen. Bezüglich Englands Beziehungen zu den auswärtigen Mächten bemerkt die Königin, daß dieselben befriedigende seien und die bal dige Beilegung der griechischen Frage zu rrwartcn stehe. Aus der Statistik des 19. Jahrhunderts. Die Statistik, die amtliche wie die private, ist fort gesetzt thätig, das Rohmaterial zu sichten und zu ver- werthen, indem sie den Ziffern Leben verleiht, die inter nationalen Verkältnißzahlen herstellt und über den Haus halt der civilisinen Welt Buch führt. Diese Wissen schaft selbst ist eine Errungenschaft des neunzehnten Jahr hunderts, und giebt, indem sie die materiellen und ethischen Fortschritte desselben markirt, der politischen wie der Kulturgeschichte einen Untergrund, den die Historio graphie vergangener Jahrhunderte bei ihren Versuchen einer pragmatischen Darstellung schmerzlich vermißt. Wie England nun im Allgemeinen d e Heimath ter mordernen Forschung über Staat und Kultur geworden ist, welche daS Frankreich des vorigen Jahrhunderts mit so großer Vorliebe gepflegt hat, so bauten die Eng länder auch am weitesten auf den Grundsätzen Süß milch's und Ouetelet's weiter, insofern sie an an der Hand des „Gesetzes der großen Zahl" ihren Untersuchungen einen internationalen Boden gaben. Bevor die Volks zählungen deS Monats December der Wissenschaft von der Gesellschaft neues, reiches Material zuführen, mag man noch einen Moment anhalten, um einen Rückblick auf die socialen Fortschritte der halbvergangenen Zeit zu werfen. Welch' riesige Umgestaltungen sich in dem Volksleben vollzogen haben, deutete schon die kürzliche Veröffentlichung des deutschen statistischen Amtes über die Vermehrung der Dampfkessel an, welche eine radi kale Aenderung in dem Arbeitsbetrieb Deutschlands seit zwanzig Jahren voraussetzt. Die führenden Völker der alten und neuen Welt sind England und die Urnen. Ersteres besitzt ohne die Kolonien den fünften Theil des Kapitals der ganzen Erde und London verfügt über den fünften Theil deS englischen Kapitals; jeder einzelne Brise besitzt demnach das drei fache Vermögen eines Kontinentalen. Der Haidel hat sich verachtfacht, die Schifffahrt seit fünfzig Jahren ver- drelfacht. Der Verbrauch deS SisenS ist seit Waterloo dreißigfältig gestiegen und die englischen Unter-» ehmer, welche auf allen Punkten der Welt über 100.000 Merle« Eisenbahnen bauten, beschäftigten dabei einzelne Armeen von Arbeitern, die größer waren alS jede» der drei Heere in der Entscheidungsschlacht gegen Napoleon. SS versteht sich denn auch, daß der Engländer der best genährte Europäer ist, wobei wir freilich von den Kar- toffel-Effern in Irland absehen wollen, die in manchem Jahre sich nicht einmal an der Wurzel deS Nachtschatten» zu sättigen vermögen. London wird von keiner Stadt der modernen und antiken Welt an Größe und Reich thum erreicht; eS bezahlt den dritten Theil der Ein kommensteuer von England, seine Konsumtion übertrifft die deS reichbevölkerten Belgien. Um da» Doppelte ist die öffentliche Wohlthätigkeit gewachsen, wa» allerdingS nicht befremdet; hier wäre ein Nachweis interessant gewesen, welche der gleichzeitigen und konträren Bewegungen sich schneller entwickelt, die Vermehrung deS Großkap tals oder der Zuwachs de» Pauperismus, der sich dem reichsten Lande der Welt be reits alS eine Nalional-Kalam tät auferlegt und die An spannung der Wohlthärigkett erzwingt. Am merkwürdigsten ist die Vermehrung der Zeitungen im britischen Reiche. Die Anzahl der täglich erscheinenden ZeitungSblätter beträgt 2 Millionen. Der Buchhandel ist nicht in gleichem Maße gewachsen, wie ihm denn dir Ver breitung der Journale durchaus nicht günstig ist; nichts destoweniger hat sich sein Verkehr seit vierzig Jahren um das Doppelte gesteigert. Zu Anfang deS Jahr hunderts gab es nur vereinzelt öffentliche Bibliotheken heute mehr als tausend, was immerhin im Verhältnisse zum Kontinente noch eine bescheidene Zunahme zu fein scheint. In England kommen auf jede Person jährlich 35 Briefe, in Australien 18, in Deutschland 15, in Frankreich 10, in Italien 4, in Rußland 1. Es würde unnütz sein, die riesige Prosperität Englands in diesem Jahrhunderte zu leugnen, die viel bedeutender erscheint, als seine ganze Entwicklung seit der großen Revolution bis 1800. Nach England macht sich der Fortschritt in erster Linie in Frankreich geltend, das, der feudalen Fesseln ledig, mit einer neuen socialen Ordnung in daS mun- zehnte Jahrhundert hinübertrat. Auf dem Kontinent nimmt es den ersten Rang an Reichthum, Handel und Ackerbau ein und diese Entwicklung datirt hauptsächlich seit dem Sturze Karl's X. Obgleich die Staats schuld und die Steuern sich verzehnfacht haben, hat doch der Wohlstand zugenommen und die Nation ist viermal reicher als am Lage der Schlacht von Marengo. Das durchschnittliche Einkommen deS fran zösischen Volkes beträgt 500 Mark auf den Kopf, 50 Pro cent mehr als der Durchschnitt im übrigen Europa, was der Sparsamkeit und dem Fleiße der Einzelnen zu- geschrieben werden muß. DaS Vermögen Deutschlands beträgt nicht halb so viel wie jenes Frankreichs oder Groß- brnanniens. Damit die Kapitalsvermehrung beschleunigt, mindestens ein Rückgan . abgehalten werde, hat Fürst Bis marck sein System nationaler Wirihschaft inaugurirt. An Abgaben zahlt Deutschland 15 Procent des National- Einkommens, England 12^, Frankreich 16, Oester reich 19, Italien 35, Skandinavien 8 Procent. Belgien hat in dem Maße an Wohlstand zugenommen alS Spanien, dessen Einkommen nicht die Hälfte des belgischen beträgt, zurückgrht. Die Fortschritte Norwegens ergeben sich aus der Tkatsache, daß noch im Jahre 1840 die Kauf leute wöchentlich ein Schiff von Bergen nach Amsterdam abschickten, um Gemüse zu kaufen und daß sie sich ihre Sachen in London waschen ließen. Für die ersichtliche Entw cklung Rußlands fehlen die Verhältnißzahlen. Italiens Aufschwung datirt erst dreißig Jahre zurück trotz dem ist d e Vermehrung se neö Verkehrs beträchtlich und seine Handele flotte seit dreizehn Jahren die fünfteder Welt. In stetigem Rückgänge ist nur daS ottomanische Reich begriffen, das se.ner Auflösung entgegengeht, während sonst der Orient einen mächtigen Aufschwung nimmt, Handel und Cvilisation fortschreiten und selbst die jahrhundertelang unbeweglichsten Staaten mit aller Kraft wurde von ihrer Freude angesteckt und klatschte in die Hände, während Karria PoiS nicht aushörte, mit dem Schwänze zu wedeln. Während sie Alle so in der Bewunderung vertieft waren ließen Tritte sich bören und der junge Erre, vcm Pfarrer begleitet, trat ein. Anno und Mart küß ten ihnln die Hände und holte» Stühle für sie herbei, waren aber keines Wortes mächtig. „Nun Mart!" sagte dir Pfarrer, „ich hoffe, Du hast Anno einen guten Empfang bereitet?" „Habt Ihr Alles waS Ihr braucht?" fragte der Baron. „O! der Erre ist allzugütig", sagte Mart. „Ja! der Erre ist zu gütig", wiederholte Anno. „Nein Mart", entgegnete der Baron, „Du hast mir treu gedient während meiner Abwesenheit, da ist es billig daß ich jetzt auch EiwaS für Dich thur". „Die L Ute verdienen Ihre Güte, Herr Baron!" sagte der Pfarrer, „denn sie sind fromm und brav. GotteS Segen ruhe auf ihnen immerdar!" Dann sich zu Anno wendend, welche mit über strömenden Augen da stand, fügte er hinzu: „Nun Anno! girbst Du un» keinen Willkommen?" Sieh' her! ick glaube, ich weiß in Deiner Wirthschaft besser Beschrid, als Du selbst". Damit öffnete er einen Schrank, darin stand eine Flasche Schälken und Weißbrod, dazu Gläser und Teller, wie Anno sie nie zuvor besessen hatte. Darauf tranken die beiden Herren auf daS Wohl he» neuen Verwalter- und seiner Krau und nahmen dann Abschied, von den Segenswünschen deS jungen Paares begleitet. Aber die Freuden dieses Tages waren noch nicht erschöpft. ES stand ihnen noch eine bevor, welche Mart tief zu Herzen ging. Eine Anzahl seiner frühe, ren Genossen kam, ihm mit herzlichen Worten Glück zu wünschen. Sie sagten ihm, seine Ernennung zum Verwalter sei für das ga. ze Kirchspiel eine größere Freude noch, als die Rückkehr des Herrn; denn waS sie von diesem zu erwart«» hätten, wüßten sie nicht, aber Mart kannten sie und wußten, daß sie ihm ver trauen dürften. Darauf zogen einige der Männer Mart bei Seite und sagten ihm, sie seien ihm noch zu besonderem Danke verpflichtet, den sie nicht hoch genug anschlagen könnten, denn er hätte sie vor Blutschuld bewahrt und ihm hätten sie eS zu danken, daß sie ihren Mitmenschen ungescheut ins Auge sehen dürften. Jetzt öffnete Mart eine frische Flasche Schälker und Anno brachte Brot, Milch und Fische herbei und nöthigte ihre Gäste zum Essen und Trinken, wonach dieselben daS HauS frohn Herzens verließen. „Dieser Tag gleicht einem zweiten Hochzeitstage, Mart!" sagte Anno, „nur ist er noch schöner." „Ja! erwiederte Mart, eS ist ein schöner Tag! Wollte Gott, daß Einige, die nicht mehr sind, ihn noch mit unS hätten erleben dürfen, aber Gott fügt Alle- zum Bcsten!" Der Herr Baron. Novelle von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane: „Auf der Grenze", „Dec rechte Erbe" rc. Erster Theil. I. Auf der Straße zwischen Castellamare und Sorrent, die da- Entzücken jedes Reisenden ist, der einmal daS Glück hatte, hier umherzuschweifen, schlenderten langsam im eifrigen Gespräch zwei Wanderer dahin. Ihre Kleidung schon verrieth, daß sie Künstler waren. Der Mond stand bereits am Himmel und goß sein Zauber licht über die Landschaft, um Alles in noch wunderbarere Farben zu kleiden. Von Zeit zu Zeit blieben die Maler stehen, ganz im Schauen versunken und dann sprachen Beide kein Wort. Der Größere von ihnen brach jetzt wieder zuerst das Schweigen und in deutscher Sprache, die durch ihre Lispellaute den Dänen bekundete, sagte er leise und tief ergriffen: Ach, wer das auf die Leinwand bringen könnte! Sehen Sie, wie dort das Meer wieder vor unS auf blitzt. Ist es Silber? Ist eS Gold? Es sind eben märchenhafte Farben, die kein Pinsel wiederzugeben vermag. Und dieser Frieden ringsum! bemerkte der Andere, der in seiner Aussprache den Süddeutschen nicht ver leugnen konnte: Hier ist ein Stück von dem verlorenen Paradiese. Die große Dogge deS Dänen war vorausgesprungen, jetzt vor einem dicht an der Straße liegenden Cypressen-