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Wetter- Immer mehr verstärkte sich das Schneegestöber, immer rauher und atbemraubcnder sauste der Sturmwind über die weite Ebene. Die Gegend gehörte zu dm am wenigst bevölkerten. Dörfer und kleine Kolonien fanden sich nur in meilenweiter Entfernung von einander vor. Die Gefahr war eine hohe für einen Verirrten. Rastlos, doch schon halb besinnungslos von Angst und Kälte, suchte die Gräfin den verlorenen Pfad wiederzufinden. Aber je mehr sie sich bald dieser, bald jener Himmelsrichtung zu wendete, desto verwirrter wurde sie. Der dichtbewölkte Himmel verdunkelte immer mehr seinen fahlgrauen Schein, der Tag neigte sich und die entsetzliche, höchste Gefahr bringende Nacht nahete. Kläre konnte nicht mehr weiter. Eine hohe Schneewehe hemmte den Schritt des Pferdes, das müde und entmuthigt seinen Kopf senkte und nicht mehr zum Weitergehen zu bewegen war. Die Gräfin versuchte um Hilfe zu rufen. Aber der Ton ihrer Stimme erstickte dumpf im dichten Schneewirbel. Kein Laut gab ihr Antwort. Sie war allein, ganz mutterseelenallein im tollsten Sturm. So sollte denn ihr heißes Gebet, was ihr in bangen Stunden so oft von den Lippen gedrungen war, so sollte es denn erfüllt werden. Die Pforte, durch welche sie allem Erdenleid entrinnen konnte, war ihr geöffnet. Und doch, weshalb bangte ihr vor dem Eintritt? Ihr, welcher das Leben nur als schwerste Last erschienen war? Gab es doch noch einen Faden, der sie an dies Jammerthal fesselte? Ja, es gab einen solchen, einen gol denen Faden, der stärker und mächtiger, wie alles Leid, welches sie von dannen getrieben hatte, das war die Liebe, welche in ihrem Herzen entstanden war zu ihm, zu Eugen Held, die über mächtige, heiß beglückende Liebe! Was wäre ihr alles Leid der Welt, wenn Er sie im Arm halten könnte und sagen möchte: Ich will hindurch dich sicher^ tragen! Aber er war ihr fern und sie allein, so ganz allein. — Eine heiße, unnennbare Sehnsucht nach ihm überkam sie, sie wollte ihn fassen, halten, nicht mehr von ihm lassen, sich ganz als sein eigen bekennen und dann sterben mit ihm oder allein, aber beseeligt, eines himmlisch schönen Todes. Aber da griff eine rauhe Hand in ihr holdes Glück und trennte sie von ihm, und eine drohende Stimme schlug an ihr Ohr, mächtig wie Donnergrollen und vermischte sich mit dem heulenden SturmgebrauS. Und Blitze zuckten vor ihren Augen und prasselten verderbenbringend zur Erde nieder. Ihr armer Kopf wirbelte ihr, ihre erstarrten Finger ließen die Zügel fallen, sie selbst sank matt von dem Pferde nieder in den weichen Schnee, und ihr Haupt an des treuen Thieres Seite bettend, schloß sie mit einem leisen Wehrufe ihre müden Augen. Inspektor Held hatte mit ziemlichem Unbehagen den Besuch der Baronin bei Kläre bemerkt. Wußte er doch, daß derselbe stets von üblen Folgen für die Gräfin und oft auch für die übrigen Hausbewohner begleitet gewesen war. Jedesmal hatte die mtriguante Frau vermocht, Kläre vollständig umzustimmen. Heut jedoch hoffte er, daß die junge Frau fester bleiben würde, wie sonst. Hatte er doch auch in ihren Äugen eine gleich verständnißvolle, ihn gleich beglückende Botschaft gelesen, wie sie in der seinen! Das Wort „Liebe" war zwischen ihnen noch nicht ausgesprochen worden, aber lange schon hatte ihre süße Vor ahnung in beider Herzen gekeimt; jetzt, nach dem stummen Aus tausch der Blicke stand es klar und fest, ganz unauslöschlich darin. Er fürchtete nichts mehr für die Zukunft. Ihm galt nur noch als nächstes Ziel, das zu erreichen, was er sich seit Langem vorgesetzt, in den Besitz des väterlichen Gutes zu gelangen; dann wollte er vor Kläre hintreten und den holden Bann, den sie sich freiwillig auferlegt hatte, durch heiße, liebeathmende Worte lösen. Daß jene, von ihm so sehr verabscheute Frau, den Blitz strahl bei sich trug, der sein junges Glück von Neuem gefährden V * konnte, wie hätte er dies ahnen können? Ihre Macht hiÜt et endlich gebrochen durch Kläre's Liebesblick. Er ging darum ruhig seinen Geschäften nach und dann an die Vorbereitungen zu seiner Reise, von welcher er sich, da ihm jetzt reichliche Mittel zur Seite standen, den besten Er folg versprach. Er warf einen Blick durch das Fenster seines Zimmer-, das gleichfalls in den Hof hinabging, als er den Wagen der Baronin davon rollen hörte und unwillkürlich athmete er er leichtert auf. Nach einer längeren Zeit sah er, zufällig von seiner Arbeit aufblickend, die Gräfin zu Pferde den Gutshof verlassen. Das setzte ihn in Erstaunen, ja, es beunruhigte ihn ge radezu. Das Wetter war wahrhaftig nicht angethan zu einem Spazierritt. Besuche würde natürlich die Gräfin in Reittoilette nicht gemacht haben, auch fehlte es ihr an Bekannten in der Nachbarschaft. Sicher hatte es wieder eine Scene mit der Baronin gegeben. Es litt ihn nicht länger im Zimmer. Er wollte sich bei den Dienstleuten erkundigen. Es ward ihm keine befriedigende Auskunft. Die Frau Gräfin habe nur das Pferd befohlen und sei von dannen geritten, ohne Zweck und Ziel ihres Ausfluges anzugeben. Das Stubenmädchen setzte boshaft lächelnd hin zu: die Frau Gräfin sei auffallend erregt gewesen und habe augenscheinlich vom Weinen geröthete Aug-n gehabt. Banger Sorge voll schritt Held in den Hof hinab. Am liebsten hätte er sich auf's Pferd geworfen und wäre der Grä fin nachgeeilt. Äber der höhnische Blick des Stubenmädchens und ihrer sinnverwandten Genossinnen hielt ihn vorläufig dävon zurück. Held durchschritt nachgrübelnd den 'Hofraum. Am Ein- fahrtsthor traf er auf ein kleines offenes Gefährt, dessen Brauner von einem ältlichen Herm gelenkt wurde. Derselbe war der Arzt des Hauses auS der nächsten kleinen Stadt und kam, um nach einem schwerkranken Knecht zu sehen. (Fortsetzung folgte Nachrichten aus Dresden und der Provinz. dom Landtage. Beide Kammern hielten am 9. d. M. Nut kurze Sitzungen, in welchen zunächst deren Präfidenten dem Hältst das erfolgte Ableben der Königin Mutter Amalie anzeigten und der hohen Verewigten in gebührender Weise gedachten. Während öle Erste Kammer hiernach ihre Sitzung aufhob, erfolgte in'der Zweiten Kammer als einziger Gegenstand der Tagesordnung nur die Wahl dreier Mitglieder und deren Stellvertreter in den Ausschuß zur Verwaltung der Staatsschulden. Gewählt wurden die Abgg. Präsident Haberkorn, Or. Minckwitz und Günther, als Stell vertreter die Abgg. Penzig, Mehnert und Scheller. — Bei dem gegenwärtig versammelten Landtage sind im Ganzm circa 80 Beschwerden und Petitionen eingebracht wokden, vön denen 57, von Gewerbevereinen Sachsens ausgehend, sich MLn Vie Forterhebung der Gewerbe- und Personalsteuer richten; mihreke er suchen um Erbauung von Sekundärbahnen, so z B. von Mitt weida nach Wechselburg, von Pirna nach Gottleuba resp. Berggieß hübel, von Königsbrück nach dem Rangirbahnhofe Klotzsche u. s. W. Die Stadt Sayda petitionirt um Errichtung eines Seminar- da selbst, der Vorstand des Dresdner MüstkervetelNS um Aüfhttmng der Beschränkungen deS Musikhaltens'zu gewissen geschl^ Zeittn, sowie bei der Landestrauer. Der Gewerbevereln zu Rochlitz wünscht eine Neubonitirung deS Grundbesitzes 1m' Königreiche Sachstn. Auch eine Petition um Wiederaufhebaüg hes Institut- der obligatorischer Fortbildungsschule liegt vor. — Auf allerhöchsten Befehl wird am ' tönigl. Hofe 'Weg-N erfolgten Ablebens Ihrer Majestät-der Konijin-Mutter Amalie isoir Sachsen die Trauer auf 12 Wochen, vom 9. Nobr. d. I. bis 31. Januar k. I angelegt und nach dem' vom OberhofMärschallaMe auSgegebenen Reglement getragen. Bezüglich der allgemeinen Landes trauer hat königl.' Anordnung gemäß die Einstellung der und der öffentlichen LustbaEen ^nur bi- zum L2. No^br./b^