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mgg er gesund oder leidend sein, findet im Allgemeinen während des Winters durch zwei Umstände eine hemmende Einwirkung auf sein physisches Leben, indem er nämlich durch vorwaltenden Aufenthalt in geschlossenen Räumen in seinem Athmen und seiner Muskelbewegung beschränkt wird, was bei bereits schwächlichen Personen zu fühlbaren und augenfälligen Erschei nungen der Gesundheitsstörung kommt. Unter allen Kranken leiden hierdurch die Lungenkranken am meisten, neben .ihnen die Scrophulösen; Stubenfltzen, unreine Luft und die bei seltenem Hinaustreten in s Freie kaum zu vermeidende Erkäl tung gereichen ihnen zum Verderben. Der Bemittelte sehnt sich nach einem wärmeren Orte, wo er den Nord- und Ost winden der Heimath" nicht ausgesetzt ist. Kein auswanderungs- bedürftiger Kranker soll aber, und darin wird noch viel ver- säumt, eine Winterkurreise unternehmen, ohne von einem Arzte ^gründlich untersucht worden zu sein, ob nicht Herzkrankheiten und ähnliche organische Zustände, die oft scheinbar brustkrank machen, im Hintergründe liegen und eine Reise und die Wahl des Ortes zur ersten Frage erheben. Weite Reisen in ent fernte Gegenden darf nur Derjenige unternehmen, dessen Krankheit sich noch nicht in einem späteren Stadium befindet, und der noch hinreichende Kräfte besitzt, aber auch die äußeren Hilfsmittel zur Verwendung hat, um alle Bedürfnisse für seinen Zustand am fremden Orte erfüllen zu können. Hier darf er Nichts entbehren. — Zweckmäßig ist es alsdann, mit der Abreise nicht so lange zu warten, bis die Kälte und rauhe Witterung eingetreten ist und bereits ans Zimmer fesselt; er treffe frühzeitig, vor Beginn der kühleren Regenzeit, am Orte ein, um sich daselbst erst durch Aufenthalt im Freien akklima tisiren und einleben zu können, er sorge besonders für eine geeignete Wohnung, die gutgeschützt und dem Winde und Staube nicht ausgesetzt ist; er nehme erwärmende Winterkleidung mit, denn cs giebt auch dort kühle Tage und Nächte. Hinsichtlich der Nahrungsmittel ist das Princip für Gesunde, daß der Fremde, um wohl zu bleiben, nach der Art der Einheimischen leben soll, nicht für Kranke giltig, die ihre Persönlich keit und ihre Leiden streng berücksichtigen müssen und von ihrer g e - wohnten Lebensweise nicht abwerchen dürfen. Mäßigkeit und ruhiges, geregeltes Leben ohne gesellschaftliche oder excursive Anstrengungen sei die Norm ihres Aufenthalts. Auch die Rückreise sei mcht schnell; hierin wird oft gefehlt, indem Sehnsucht nach der Hennath die Fahrt beflügelt; "man vermeide die schroffe Differenz der Temperaturen zwischen Kurort und Heimath, und in Fällen, wo der heimathliche Frühling zögert, aber der Kurort zu warm wird oder die in Gebirgsgegenden für kranke Fremde nachtheilige Schneeschmelze eintritt und den Gast verscheucht, da verweile man zeitweise auf einer s. g. Mittelstation. Nicht Jeder, der eines milderen Winters in der Fremde bedarf, besitzt die Mittel für eine größere Reise nach dem Süden (Gries, Meran, Arco, Davos, Montreux, Maytaux, Lugano, Pau, HyLres, Cannes, Nizza, Mentone, San Remo, Venedig, Pisa, Ajaccio, Palermo, Catania, Malaga, Madeira, Algier, Cairo rc.); wir haben glücklicher Weise auch im süd lichen und westlichen Deutschland mehrere Orte, welche durch ihre geschützte Lage ein sehr mildes Klima darbieten; namentlich macht sich das Rheinthal, Ober- und Mittel rhein, bis zum Siebengebirge hinab, in dieser klimatischen Milde und Gleichmäßigkeit der Temperatur geltend; das Rheinthal hat die höchste mittlere Jahrestemperatur Deutsch lands, milde Winter und mäßig warme Sommer, und wäh rend z. B. Heidelberg unter 49 Grad nördlicher Breite und einer Lage von 300 Fuß über der Meeresfläche, echte Kasta nien im Freien reift, ist doch dessen mittlere Jahrestemperatur 4- 7,7 Grad, die des Winters 4- 0,9, die des Sommers -s- 14,3 Grad R., während die Winter , im Rheinthale so milde sind, daß die mittlere Temperatur an keinem Orte unter den Gefrierpunkt sinkt. Hier sind namentlich Wiesbaden, Remagen, Honnef, Oberwinter, Sinzig ausgezeichnet. Honnef, in seinem Thalkessel von Nord- und Ostwinden durch die Ausläufer des Siebengebirges geschützt, in der anmuthigsten Gegend, ist vorzugsweise ein vortrefflicher Winteraufenthalt für Lungenkranke und auch in seinen Wohnungsräumen darauf eingerichtet. Ein ebenfalls mildes Winterklima hat Canstatt, eine Stunde von Stuttgart entfernt, in einem nur gegen Süden offenen Thale des Neckar, wo auch alle Einrichtungen der Bequemlichkeit für Wintergäste getroffen sind. Aber — was beginnt der Brustkranke im nördlichen Winter, der nicht in der Lage ist, einen Klimaort aufzusuchen? Freilich ist?r in einer beklagenswerthen Ge fahr, aber er vermag ihr durch Vorsicht und verständiges Verhalten möglichst Widerstand zu leisten. Vor allen Dingen halte er auf eine reine, häufig erwärmte, richtig ven- tilirte Luft in seinen Wohn- und Schlafräumen, er fitze nicht in überheizten Zimmern, halte die Luft in mittlerer Wärme und Feuchtigkeit, letzteres durch Verdunstung von Wasser, mittels eines mit Wasser gefüllten Tellers auf dem Ofen; es muß das Vorurtheil nicht maßgebend sein, daß eine ruhige, kalte Luft nachtheillg wirkt; nur der scharfe trockene Ostwind, der rauhe naßkalte Nord- und Schneewind, sowie der schroffe Ueber- gang aus warmer in kalte Luft sind schädlich, deshalb ent ziehe sich der Brustkranke nicht der Einathmung einer ruhigen, namentlich sonnigen Winterluft zur Mittagszeit, trete aber nicht plötzlich aus warmer Stube in die freie Kälte, sondern mache erst eine Mittelstation im ungeheizten, geschloffenen Raume, halte bei feuchtkalter oder windiger Luft ein Tuch vor Mund und Nase, um dadurch zu athmen und den unmittelbaren Luft stoß von den Lungen abzuhalten; er gebe sich keinem Stuben- sttzen hin, mache sich näch Kräften und UmMnden Körper bewegung und hüte sich vor Erkältung, vor Morgen- und Abendnekel. So wird er auch daheim bei Regelmäßigkeit in Diät und baldiger Beseitigung eines etwa entstehenden Hustens, durch ärztliche Hilfe und zeitweise größerer Obhut, den Winter durchbringen. Das Geheimnitz des Taschenbuchs. Erzählung von A. Mels. I. Es giebt in jedem Berufe Zeitabschnitte, wo Derjenige, welcher ihn ausübt, das Vertrauen, den Glauben an eben diesen Beruf verliert, wo sein ganzes Thun, Trachten und Streben ihm unnütz erscheint, sein Wissen ihm wie Unfinn'und er sich selbst wie einer jener modernen Glücksritter vorkommt, die ihr materielles Streben unter der Maske des Pathos, oder noch gc-, wöhnlicher, der Menschenliebe, verbergen. Ich will mich deutlicher erklären. — Der, welcher in einen Stand tritt, ergreift gewöhnlich die Obliegenheit desselben, mit einem solchen Feuer, mit einem so durchdringenden Pflichtbe wußtsein, daß man ihm leicht voraussagen könnte, er» würde sich nicht lange auf solcher Höhe zu halten fähig sein. Der Beamte kommt als der Erste in's Bureau und verläßt es zu letzt, der Lehrer beschäftigt sich mehr als eingehend mit einem Jeglichen seiner Schüler, der Jurist nimmt sich die Acten mis nach Hause und studirt sie bei Nacht, der neue Herr Pastor geht in, seiner Gemeinde von Haus zu Haus, der Redakteur ist vierundzMnzig Stunden krank, wenn ein Druckfehler stehen geblieben ist, und der junge Arzt macht bei seinen ersten Kranken mehr Visiten, als diesem und seiner Familie lieb sind. Aber wehe, wenn jenes Stadium eintritt, von welchem ich weiter oben sprach! Wie sich dann Alles verändert, Alles eine ganz andere Form annimmt! — Nicht daß der Eifer; die Thätig- keit nachlassen, ist das Schlimmste — nein! Der innere Tod eines Werkes, einer Arbeit, eines jeglichen Berufes ist, wenn wir den Glauben daran verloren haben. Es mag immerhin lächerlich erscheinen, wenn der Zeichenlehrer sich embildet, er gäbe der Welt einen zweiten Raphael in seinem Schüler; aber so lange er es glaubt, wird er sich alle erdenkliche Mühe geben, daß dieser Schüler Fortschritte mache, — nachher kommt es ihm nur auf das Stundengeld an. Doch wenn dies in allen Ständen schon ein Unglück ist, so giebt es einen, wo das Verlieren des Vertrauens^ in sein