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rechtliche Verbindlichkeit der Ausstellers und der Vormänner werden durch das dem Acceptanten gegenüber gewährte Pro longation-Versprechen im Allgemeinen nicht berührt. Dagegen würden sich ausnahmsweise Aussteller und Vormänner auf da- Prolongations-Versprechen berufen können: 1) in dem Falle, daß die Bemerkung: „Der Wechsel ist verlängert" re. auf den Wechsel geschrieben und somit das Prolongation-Versprechen allen Wechselverpflichteten gegenüber gewährt worden ist, und 2) in dem Kalle, daß nachweisbar der Wechselinhaber mit seinem Prolongations-Versprechen dem Acceptanten gegenüber wußte, daß der Aussteller, falls er den Wechsel-Jnhaber be friedigt, einen Regreßanspruch und die civilrechtliche Rück- griff-klage gegen den Acceptanten hat und der Wechselbeklagte diese Einrede dem klägerischen Wechselinhaber gegenüber geltend macht. Ein anderer, fast noch wichtigerer AuSspruch deS ReichS- HandelSgerichts ist folgender. Wird nämlich in einer Fabrik irgend einem Arbeiter von einem Vorgesetzten em Auftrag er- theilt, dessen Vollziehung, wie beiden Theilen bekannt war, mit Gefahr für Leben und Gesundheit verbunden ist, so wird der Fabrikbesitzer nichtsdestoweniger zur Entschädigung de- verun glückten Arbeiter- verpflichtet, wenn keine Nothwendigkeit vor lag, die bezügliche Arbeit in einer so gefährenden Weise ver richten zu lassen, vielmehr durch Einführung einer einfachen technischen Vorrichtung die Gefahr für Gesundheit und Leben bei der Ausführung der Arbeit beseitigt werden konnte. In letzter Zeit ist die zu England gehörende Insel Helgoland häufig Gegenstand der Besprechung gewesen. Es handelte sich zu meist um die Art und Weise, wie die Insel von England verwaltet wird. Die Einwohner beklagen fich, daß man sic ihrer Ver fassung beraubt habe und nach Willkür regiere, während die Regierung die- in Abrede zu stellen sucht. Jedenfalls ykrrscht zwischen Beiden eine gewisse Spannung, welche von Neuem die Frage in den Vordergrund drängt, ob die Insel von irgend einem nennen-werthen Nutzen für Großbritannien sei und ob eS fich nicht empfehle, Helgoland an Deutschland abzutreten. AlS nun die Lord- der Admiralität kürzlich eine so unerwartete Reise nach der Elbemündung antraten, wurden Stimmen laut, welche dieselbe mit dem Projekte einer Abtretung in Verbin dung brachten. Jetzt wird dies Gerücht, weiter verbreitet. Sollte fich dasselbe bestätigen, so würden wir ein derartiges freund schaftliches Entgegenkommen des uns stammverwandten Eng lands al- einen neuen Beweis dafür begrüßen, daß die beiden Nationen wie bisher so auch in Zukunft in Friede und Freund schaft in den Kulturbestrebungen miteinander wetteifern, aber keine einander widerstrebende Jntereffenpolitik verfolgen wollen. Die Gesammtausprägung an ReichSgoldmünzen belief sich bi- zum 2. Juni d. I. auf 1,405,250,840 Mark. An Reichs silbermünzen wurden bis dahin 236,007,660 Mark 50 Pf., an ReichSnickelmünzen 26,471,800 Mark 45 Pf. und an Reichskupfermünzen 8,549,893 Mark 9 Pf. ausgeprägt. Von den sechs Millionen Mark, wie sie das preußische NothstandSgesetz zur Beseitigung der durch da- FrühjahrS- hochwaffer herbeigeführten Nothstände aussetzte, sind 1,515,000 Mark zur Unterstützung der Einzelbedürftigen und zur Wie derherstellung gemeinnütziger Anlagen der Gemeinden be stimmt, abgesehen von den Deichen und Uferschutzwerken, für welche besondere Summen ausgeworfen wurden. Der Gesammtbetrag soll nach dem Entwurf der Staatsregierung au- den der preußischen Staatskasse noch zufließenden Geld mitteln von der französischen Kriegskosten-Entschädigung: zur Verfügung kommen. Wie man au- Berlin mittheilt, bemüht sich eine große Anzahl bedeutender Aktionäre der Berlin Anhaltischen Eisen bahn um Einleitung von Verhandlungen, welche auf kauf weisen Uebergang der Bahn an den preußischen Staat hinaus laufen. Der „Post" zufolge, sollen denn auch in angedeuteter Richtung bereit- Schritte geschehen und Jmformationen einge zogen sein, welche erwarten lassen, daß man fich an maß gebender Stelle den Wünschen der Aktionäre entgegenkommend zeigen werde. VefterreittschsUngRrtsche Monarchie Die österreichisch ungarische Zollkonferenz, in welcher der neue Zolltarif auf Grund der im Au-gleich aufgestellten Principien au-gearbeitet werden soll, ist am 6. d. M. eröffnet wordm. Bekannt lich wurde in den AuSgleich-verhandlungen bestimmt, daß Ar den neuen, mit den verschiedenen Ländern abzuschließendeu Handel-verträgen der Eingang-zov auf Gewebe, sowie der EingangSzoll auf verschiedene Konsumtionsartikel wie Getreide, Kaffee, Petroleum, Thee, Wein, Südfrüchte und Lhiere erhöht werden solle. Ungarn, obgleich prinzipiell am FreihandelSbe- kenntniß festhaltend, verstand fich denn auch zu diesen Zuge ständnissen für Gegenleistungen von Seiten Oesterreichs in der Bankfrage und in der Reparation der Rückvergütung der in direkten Steuern auf Zucker, Biet und Branntwein. Diese Zoütarifsarbeiten können aber nicht alS definitiv, sondern nur al- Bafis betrachtet werden, auf welcher die internationalen Verhandlungen beginnen. Die nächsten derselben werden mit dem deutschen Reiche stattfinden; ihr Ergebniß wird auch für die mit den andern Ländern präjudicirlich sein. Italien. Nachdem schon seit einigen Tagen allerlei Ge rüchte in Umlauf gesetzt waren, denen zufolge die Regierung den Entschluß gefaßt haben sollte, bei Brindifi ein Beobach tungslager aufzuschlagen, wurde am 8. d. M. der Minister DepretiS in der Deputirtenkammer über die angebliche Rich tung interpellirt. DepretiS erklärte jedoch unerwarteter Weife alle umlaufenden diesbezüglichen Gerüchte für unbegründet. Die Regierung habe, abgesehen von der durch die Ereignisse in Salonichi veranlaßten Absendung einer SchiffSdivision in die türkischen Gewässer, keinerlei andere Maßregeln wegen Erhöhung der Streitkräfte zu Lande oder zu Wasser getroAn. DepretiS fügte hinzu, Niemand sei zu dem Verdachte berech tigt, daß das Ministerium eine Abenteuerpolitik treiben wove, gleichwie Niemand ein Recht habe, eine Friedenspolitik um jeden Preis zu erwarten. Die Regierung werde nur mit Rückficht auf die Interessen deS Landes handeln. Jtalim be dürfe des Friedens und die Regierung werde danach trachten, den Frieden zu erhalten. — In einer von der General-Kom mission für da- Budget pro 1876—1877 gehaltenen Sitzung, wurde unter Anderem da- dem Papste von der Regierung zugewiesene, jedoch bislang nickt erhobene Gehalt im Betrage von 600,000 Thlr. pro Jahr zu Sprache gebracht. Diese- Gehalt hat eben der Papst seit 5 Jahren nicht cinheben lassen, so daß jetzt Pius IX. von der italienischen Regierung beinahe 20 Mill. Lire zu fordern hätte. Da nun jedes RegierungSgehalt, da- nicht binnen Jahresfrist eingehoben wird, zu Gunsten der Re gierung verfallen bleibt, so beantragte die genannte Kommission, daß die Rückstände des Papstes bei der italienischen Regierung zu Gunsten des Staates für verfallen erklärt werden möchten. ES erscheint dieS nur billig, und hoffentlich wird sich die Re gierung nicht weigern, zum Besten deS StaateS jene Summe einzuziehen, auf welche Pius IX. aus Prinzip oder Bosheit, wie man eS eben nehmen will, bisher verzichtete. Frankreich.' Die Debatte über das UnterrichtSgesetz ist beendet und mit 388 gegen 128 Stimmen der Gesetzentwurf deS Kultusministers Waddington angenommen. Die Staatsfacul- täten behalten demnach daS alleinige Recht der Gradverleihung, und so ist wieder eine Episode des großen Kampfes zwischen dem Ultramontanismus und der bürgerlichen Gesellschaft zum Abschluß gekommen. In der Sitzung vom 7. d. M. blieb nur noch daS Amendement Raoul Duval zu entscheiden; es war dies freilich das Wichtigste von allen, und Manches ließ sich zu seinen Gunsten sagen. Raoul Duval nimmt nämlich nicht für die Staatsfacultäten, sondern für den Staat oder vielmehr für den Unterrichtsminister da- Recht der Gradverleihung in Anspruch. Der Unterrichtsminister soll nach ihm eine Prü fungs-Kommission ernennen, welche nicht auS Professoren be steht, und vor welcher alle Kandidaten der Staat-fukultäten sowohl als der freien Fakultäten zu erscheinen hätten. Raoul Duval begründete diese Forderung in einer trefflichen Rede, welche merkwürdig gegen die jüngste Rede seine- Parteigenossen de Cassagnac abstach, vermochte jedoch nicht, die Majorität für sich zu gewinnen, nachdem der Unterrichtsminister selbst da- ihm von Duval zugesprochene Rccht zurückgewiesen hatte. Mit der Annahme des Waddingtonschen GefitzentwurfS ist der